Urteil des LSG Hessen vom 27.07.2001

LSG Hes: arbeitslosenhilfe, anrechenbares einkommen, verwertung, verordnung, leichte fahrlässigkeit, bedürftigkeit, verwaltungsakt, vermietung, erlass, miteigentumsanteil

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.07.2001 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 5 Ar 612/96
Hessisches Landessozialgericht L 10 AL 1585/97
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosenhilfe in Höhe von 9.811,38 DM
verpflichtet ist.
Die im Jahre 1957 geborene Klägerin war als Büroassistentin beschäftigt. Im Anschluss an den Bezug von
Arbeitslosengeld bewilligte ihr die Beklagte ab 7. November 1994 Arbeitslosenhilfe (Bescheid vom 2. November 1994).
In dem der Leistungsbewilligung zugrunde liegenden Antrag vom 24. Oktober 1994 hatte die Klägerin angegeben, über
keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen sowie über kein Vermögen über 8.000,00 DM zu
verfügen. Erstmals in dem Antrag auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe vom 16. Oktober 1995 erklärte die Klägerin,
sie sei mit Wirkung zum 1. Januar 1995 zu einem Viertel Miteigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses
(Verkehrswert: 1,2 Millionen DM) geworden. Dieses Gebäude wird weder von ihr bewohnt noch einem Angehörigen
oder Dritten unentgeltlich überlassen. Das Eigentum ist ihr im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter
übertragen worden. Im Zusammenhang mit der Übertragung ist es zu keiner Zweckbestimmung des Inhalts
gekommen, dass das (Teil-)Eigentum zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung der Klägerin
bestimmt sei.
Nach Vorlage einer Aufstellung über Einnahmen, Ausgaben, Abschreibung und Werbungskosten lehnte die Beklagte
durch Bescheid vom 6. Dezember 1995 den Antrag auf Arbeitslosenhilfe ab, weil der anzurechnende Betrag den
Leistungssatz übersteige, der der Klägerin ohne die Anrechnung als Arbeitslosenhilfe zugestanden habe. Mangels
Bedürftigkeit bestehe kein Anspruch auf Leistung. Nach vorheriger Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom
6. Dezember 1995) hob die Beklagte durch Bescheid vom 2. Februar 1996 außerdem die Bewilligung von
Arbeitslosenhilfe mit Wirkung vom 7. November 1994 auf, weil die Klägerin die Tatsache, dass sie über Einkommen
verfüge, entgegen § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht angegeben habe; der
Rückforderungsbetrag belaufe sich auf 11.841,78 DM. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 13. September 1996 zurück.
Am 23. September 1996 hat die Klägerin Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte ihre Entscheidungen ab und nahm die Entscheidung über die
Bewilligung der Arbeitslosenhilfe nur noch, soweit sie sich auf die Zeit ab 2. Januar 1995 bezog, zurück. Zur
Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe Leistungen von 7.261,10 DM bezogen, obwohl insoweit die
rechtlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Außerdem seien die Beiträge zur Krankenversicherung für die
Zeit ab 1. Januar 1995 in Höhe von 2.550,28 DM zu erstatten, so dass sich die Gesamtforderung auf 9.811,38 DM
belaufe (Bescheid vom 14. März 1997).
Durch Urteil vom 30. Oktober 1997 hat das Sozialgericht Marburg (SG) die Klage abgewiesen. In den
Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Klägerin sei nicht im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3 des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bedürftig. Die Beklagte habe zu Recht einen zu berücksichtigenden Betrag von
jährlich 17.584,34 DM als Anrechnungsbetrag zugrundegelegt. Dies entspreche § 138 Abs. 2 AFG, wonach
Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert seien. Ein Verlustausgleich, wie er im Steuerrecht zwischen den
Einkunftsarten möglich sei, finde nach dem Inkrafttreten des 5. AFG-Änderungsgesetzes am 1. August 1989 nicht
mehr statt. Die Klägerin sei gemäss § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) berechtigt gewesen, die
Bewilligung der Arbeitslosenhilfe aufzuheben. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen.
Sie habe ihre Anzeigepflicht bezüglich der ihr zustehenden Einnahmen und des vorhandenen Vermögens grob
fahrlässig verletzt. Es habe ihr ohne jede weitere Überlegung klar sein müssen, dass sie den erworbenen
Miteigentumsanteil umgehend, nämlich mit Wirkung zum 1. Januar 1995, dem Arbeitsamt hätten anzeigen müssen.
Dass sie die erforderliche Einsicht in die Erheblichkeit der betreffenden Tatsachen nicht gehabt habe oder nicht hätte
haben können, sei nicht ersichtlich.
Gegen dieses ihr am 21. November 1997 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19. Dezember 1997
eingegangenen Berufung. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, zwar sei der begünstigende
Verwaltungsakt rechtswidrig, dennoch sei eine Rückforderung ausgeschlossen, weil sie, die Klägerin, auf den Bestand
des Verwaltungsaktes vertraut und das gezahlte Geld zum Lebensunterhalt verbraucht habe. Allenfalls könne ihr
leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Vor der Umschreibung des Hausgrundstückes habe sie über ihre Mutter
beim Steuerberater darüber Erkundigungen eingeholt, ob steuerliche Nachteile durch die Übertragung des Grundstücks
zu erwarten seien. Dies sei verneint worden. Sie habe nicht davon ausgehen müssen, dass sich die sozialrechtliche
Rechtslage von der steuerlichen unterscheide. Sie habe geglaubt, Investitionen und Erhaltungskosten für das
Grundstück ebenso in Anrechnung bringen zu können wie bei der Steuererklärung.
Nach einem Hinweis des Senats, dass die Aufhebungsentscheidung der Beklagten möglicherweise auf § 48 SGB X
gestützt werden könnte, hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Heranziehung von § 48 SGB X nicht mehr
möglich und auch wegen der geltenden Jahresausschlussfristen ausgeschlossen sei. Im Übrigen hätte der
Aufhebungsbescheid nicht rechtmäßig auf § 48 SGB X gestützt werden können. Sie, die Klägerin, habe nicht am 1.
Januar 1995 über eigenes Einkommen verfügt und sei erst zu einem späteren Zeitpunkt als Eigentümerin eingetragen
worden. Erst mit Wirkung ab Januar 1996 seien tatsächlich Zahlungen an sie geflossen. Dabei handele es sich um
anrechnungsfreies Einkommen im Sinne des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG. Die Zuwendungen, die sie seit Januar 1996
erhalte, seien unmittelbare Folge des ihr im Wege vorweggenommener Erbfolge durch notariellem Vertrag vom 27.
Dezember 1994 übertragenen Miteigentums. Dabei sei festzustellen, dass die Übergeberin, nämlich ihre Mutter, weder
zu dem genannten Zeitpunkt noch zu einem früheren Zeitpunkt und schon gar nicht zu einem späteren Zeitpunkt
rechtlich oder sittlich zur Eigentumsübertragung verpflichtet gewesen sei. Eine geänderte Situation könne folglich erst
mit dem Erbfall eintreten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 1997 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 2. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1996 und den
Änderungsbescheid vom 14. März 1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie trägt vor, die Aufhebungsentscheidung hätte nicht auf § 45 SGB X gestützt werden dürfen. Maßgebend sei
vielmehr § 48 SGB X; auf ein Verschulden der Klägerin komme es im Rahmen dieser Vorschrift nicht an. Dass die
Aufhebungsentscheidung nicht auf § 45 SGB X zu stützen sei, mache die angefochtenen Bescheide nicht
rechtswidrig. Es lägen nämlich die Voraussetzungen für eine Umdeutung (§ 43 Abs. 1 SGB X) des
Rücknahmebescheides in eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X vor. Der Aufhebungsbescheid hätte auch
in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden können. Einer Umdeutung stehe
insbesondere nicht die Pflicht zur Ausübung von Ermessen entgegen, weil seit dem 1. Januar 1994 ein
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben sei, wenn
die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung dieses Verwaltungsaktes vorlägen.
Sie, die Beklagte, hätte den Aufhebungsbescheid auch innerhalb der Jahresfrist erlassen können, weil die Tatsache,
dass die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1995 Miteigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses geworden sei
und in dieser Eigenschaft Einkommen erziele, erst im Antrag auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe vom 16. Oktober
1995 angegeben worden sei. Bei Erlass des Verwaltungsaktes als Aufhebungsbescheid wäre die Jahresfrist damit
gewahrt gewesen. Schließlich seien die Voraussetzungen für den Erlass des Aufhebungsbescheides auf der
Grundlage des § 48 SGB X erfüllt; es liege das Tatbestandsmerkmal des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X
(nachträgliches Erzielen von Einkommen oder Vermögen) vor.
Nach Vorlage der Anlagen V zur Einkommensteuererklärung 1995 und zur Feststellungserklärung 1996 (Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung) durch die Klägerin hat die Beklagte die Frage der Bedürftigkeit der Klägerin neu geprüft.
Die Beklagte geht nunmehr davon aus, dass die absetzbaren Aufwendungen die Einnahmen aus Vermietung (1995:
126.321 DM bzw. 1996: 155.361 DM) überstiegen haben, so dass in den bezeichneten Zeiträumen kein
anrechenbares Einkommen im Rahmen des § 138 AFG vorhanden gewesen sei. An der Anrechnung von Einkommen
aus Vermietung als Begründung für die Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe werde deshalb nicht mehr
festgehalten. Allerdings verfüge die Klägerin aufgrund ihres Miteigentumsanteils an dem Wohn- und Geschäftshaus
über Vermögen, welches ebenfalls bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei. Soweit eine Immobilie nicht
selbst genutzt werde, sei sie verwertbar, und zwar vorrangig durch Verkauf oder Beleihung. Allerdings dürfte sich die
Verwertung des Anteils durch Verkauf nicht verwirklichen lassen. Was die Beleihung anbetreffe, hätten von ihr
befragte Kreditinstitute den Vortrag der Klägerin, eine Beleihung werde nur auf den gesamten Grundbesitz, nicht
dagegen auf einen ideellen Miteigentumsanteil vorgenommen, grundsätzlich bestätigt. Daraus könne jedoch noch
keine Leistungsverpflichtung gegenüber der Klägerin hergeleitet werden. In Fällen des Haus- und Grundbesitzes habe
der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nur die Verwertung eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der
Eigentümer bewohne, als nicht zumutbar angesehen (§ 6 Abs. 3 Nr. 7 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung). Es könne
daher nicht der Wille des Verordnungsgebers gewesen sein, in Fällen, in denen der Arbeitslose Miteigentümer einer
größeren Liegenschaft mit erheblichem Wert sei, Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln zu zahlen, ohne zuvor alle
Möglichkeiten, den vorhandenen (über die angemessene Größe des eigenen Wohnraumes hinaus gehenden)
Vermögenswert zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nutzbar zu machen, auf ihre Zumutbarkeit geprüft zu haben.
Wenn vorliegend die Verwertung des Vermögens daran scheitern sollte, dass weder ein Verkauf noch eine Beleihung
möglich sei, müsse deshalb geprüft werden, ob es andere Möglichkeiten der Verwertung gebe, bevor Mittel der
Allgemeinheit zur Bestreitung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen würden. Als eine solche Möglichkeit
müsse auch der Austritt der Klägerin aus der Miteigentümergemeinschaft, verbunden mit der Auszahlung des
Miteigentumsanteils an sie, in Betracht gezogen werden.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt
der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind allein die Bescheide, mit denen die Beklagte gegenüber der Klägerin die
Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. Januar 1995 bis zum 31. Oktober 1995 und die
Erstattung der in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen geltend macht. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist
demgegenüber die Frage, ob die Beklagte zu Recht die Zahlung von Arbeitslosenhilfe für die anschließende Zeit
aufgrund des Antrags der Klägerin vom 16. Oktober 1995 durch den Bescheid vom 6. Dezember 1995 abgelehnt hat.
Denn die Klägerin hat jedenfalls ihre Berufung im Schriftsatz vom 19. Dezember 1997 bewusst auf die Anfechtung der
Rückforderungsbescheide beschränkt, weil sie nunmehr von der Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs ausging.
Insoweit ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden. Dem entspricht es, dass die Klägerin in der Sitzung
des Senats vom 31. Juli 1998 nicht die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe geltend gemacht hat. Ihr im Schriftsatz vom
1. Dezember 1998 erklärtes Begehren, die Arbeitslosenhilfe "ab dem Zeitpunkt der Versagung" weiter zu bewilligen,
vermag die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils, soweit darin das SG über den Fortzahlungsantrag entschieden
hat, nicht in Frage zu stellen.
Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 2. Januar
1995 bis zum 31. Oktober 1995, in dem die Klägerin Arbeitslosenhilfe bezogen hat, zu Recht aufgehoben und die
insoweit erbrachten Leistungen von der Klägerin zurückgefordert.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung und die Entziehung der Leistungen in dem oben
genannten Umfang ist § 48 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG in der Fassung des Art. 1 Nr. 50 des Ersten
Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember
1993 (BGBl. I S. 2353). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse an aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung
eines solchen Verwaltungsaktes vorliegen. Davon geht die Beklagte zutreffend aus. Ihr Bewilligungsbescheid vom 2.
November 1994 war seit dem 1. Januar 1995 rechtswidrig, weil die Klägerin seitdem mangels Bedürftigkeit keinen
Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosenhilfe mehr hatte. Sie hatte nach Erlass des Bewilligungsbescheides
Vermögen erzielt, das zum Wegfall des Anspruchs geführt hat. Dies hat auch die Klägerin in ihrer
Berufungsbegründungsschrift vom 19. Dezember 1997 zugestanden.
Allerdings war nicht mehr auf der Grundlage der Angaben des Steuerberaters der Klägerin davon auszugehen, dass
unter Berücksichtigung des Miteigentumsanteils von einem Viertel auf die Klägerin jährliche Mieteinnahmen in Höhe
von 17.584,34 DM entfallen, woraus sich ein durchschnittliches wöchentliches zu berücksichtigendes Einkommen von
338,16 DM ergibt. Da die der Klägerin dem Grunde nach zustehende Arbeitslosenhilfe lediglich 172,20 DM ab 1.
Januar 1995 betragen hatte, würde bei diesen Werten der Anrechnungsbetrag die Arbeitslosenhilfe bei weitem
übersteigen, so dass Bedürftigkeit (§§ 137, 138 AFG) nicht gegeben wäre und ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe
ausschiede. Jedoch beziehen sich die Angaben des Steuerberaters auf das Jahr 1994; in Bezug auf das
entscheidungserhebliche Jahr 1995 hat die Auswertung der Steuererklärungen, die die Beklagte zu Recht bei der
Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt hat, ergeben, dass ein anrechenbares Einkommen aus Vermietung nicht
verbleibt, weil die Werbungskosten die Einnahmen aus Vermietung übersteigen. Demzufolge ist nicht mehr davon
auszugehen, dass die Klägerin jedenfalls nach Erlass des Bewilligungsbescheides Einkommen erzielt hat, welches
zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe geführt haben würde. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 SGB X sind insoweit nicht erfüllt.
Allerdings hat die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 1995 Vermögen erzielt, das zum Wegfall der Bedürftigkeit und
damit des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe geführt hat. Nicht bedürftig ist nach § 137 Abs. 2 AFG ein Arbeitsloser,
solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die
Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist,
konkretisieren die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs. 3 AFG beruhenden §§ 6 ff der Arbeitslosenhilfe-
Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929) in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S.
2044). Nach § 6 Abs. 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist u.a. das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht
dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der
Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000 DM übersteigt. Mit dieser Regelung bringt der
Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten
hat, bevor er Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Anspruch nimmt (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 4).
Das Vermögen, über das die Klägerin verfügt, nämlich der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück, war
grundsätzlich verwertbar. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist Vermögen insbesondere
verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Zwar scheidet eine
Belastung nach den von der Beklagten vorgelegten Bankauskünften aus. Es ist jedoch grundsätzlich möglich, den
Miteigentumsanteil der Klägerin durch Übertragung (Verfügung) zu verwerten (§ 747 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -). Diese Verwertungsmöglichkeit kommt dann nicht in Betracht, soweit der Inhaber des Vermögens in der
Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (§ 6 Abs. 2 Satz 2
Arbeitslosenhilfe-Verordnung). Eine Verfügungsbeschränkung in diesem Sinne ist nicht gegeben. Insbesondere ist
keine Voraussetzung der Veräußerung eines Miteigentumsanteils die Zustimmung der anderen Miteigentümer
(Palandt/Bassenge, BGB, 60. Auflage, § 108 Rdnr. 4). Letztlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, weil
die Klägerin berechtigt gewesen ist, den anderen Miteigentümern gegenüber jederzeit die Aufhebung der
Bruchteilsgemeinschaft zu verlangen (§ 749 Abs. 1 BGB). Dass das Recht, die Aufhebung zu verlangen, durch
Vereinbarung für bestimmte Zeit ausgeschlossen wäre, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Die Verwertung des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück ist der Klägerin auch zumutbar. Gemäß § 6 Abs. 3
Satz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und
wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner
Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit in diesem
Sinne sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist nicht
zumutbar insbesondere die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung bestimmt ist (Nr. 3) bzw. eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der Eigentümer
bewohnt, oder einer entsprechenden Eigentumswohnung oder eines Vermögens, das nachweislich zum alsbaldigen
Erwerb eines solchen Hausgrundstückes oder einer solchen Eigentumswohnung bestimmt ist (Nr. 7). Auch diese
Voraussetzungen liegen nicht zugunsten der Klägerin vor. Weder ist das Hausgrundstück zur Aufrechterhaltung einer
angemessenen Alterssicherung bestimmt, noch wird es von der Klägerin bewohnt.
Schließlich ist auch der Zeitraum, für den die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe aufgehoben hat, nicht
zugunsten der Klägerin zu verkürzen. Nach § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl
voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt,
nachdem sich die Arbeitslosenhilfe richtet. Dabei ist nach § 8 Arbeitslosenhilfe-Verordnung das Vermögen ohne
Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen; für die Bewertung ist der
Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen, wie
vorliegend, der Zeitpunkt des Erwerbs. Ausgehend hiervon entfallen bei einem Verkehrswert des Hausgrundstücks
von 1,2 Millionen DM auf die Klägerin, die zu einem Viertel am Grundstück beteiligt ist, 300.000 DM. Da das
Arbeitsentgelt, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtete, 560 DM betragen hat, ergäbe sich ein
Anrechnungszeitraum von 521 Wochen (300.000 - 8.000: 560). Selbst wenn der Verkehrswert mit Rücksicht darauf,
dass der Klägerin lediglich ein ideeller Anteil am Hausgrundstück zusteht, der in der Regel nicht mit dem
entsprechenden Anteil am wirtschaftlichen Wert realisiert werden kann, erheblich niedriger angesetzt werden müsste,
würde der von der Beklagten festgesetzte Anrechnungszeitraum vom 2. Januar 1995 bis zum 31. Oktober 1995 auf
jeden Fall überschritten sein. Zu einer näheren Bewertung des Verkehrswertes, etwa durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens, sieht sich der Senat daher nicht veranlasst.
Zwar durfte die Beklagte die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den streitigen Zeitraum nicht auf § 45 SGB X
stützen. Denn der Bewilligungsbescheid vom 2. November 1994 war nicht bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, weil
die Klägerin erst seit dem 1. Januar 1995 Miteigentümerin geworden war. Maßgebend für die Rücknahme des
Bewilligungsbescheides ist infolge dessen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Dass sich die Beklagte irrigerweise auf § 45
SGB X berufen hat, ist unschädlich. Die Sozialgerichte haben die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem
rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Ein Rückgriff auf eine andere Rechtsgrundlage, die die selbe Regelung
rechtfertigt, ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem
Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt oder erschwert wird (vgl.
hierzu: Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 18. September 1997 - 11 RAr 9/97 m.w.N.). Die Rechtsgrundlage
für die Aufhebung konnte hier ausgewechselt werden, weil die selbe Rechtsfolge eintritt und auch deren
Voraussetzungen in §§ 45 Abs. 2 Satz 3 und 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ähnlich geregelt sind und im Hinblick auf § 152
Abs. 3 AFG gerade keine Ermessensentscheidung zu ergehen hatte.
Zu Recht hat auch die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht an der
Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) scheitert. Da die Klägerin erst am 16. Oktober
1995 mitgeteilt hatte, dass sie Miteigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses geworden ist, lag die am 2.
Februar 1996 ausgesprochene Aufhebung innerhalb der gesetzlichen Frist.
Das Recht der Beklagten zur Rückforderung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Hiernach sind, soweit der
Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, die bereits erbrachten Leistungen, nämlich die in der Zeit vom 1. Januar 1995
bis zum 31. Oktober 1995 von der Klägerin bezogene Arbeitslosenhilfe in Höhe von 7.261,10 DM, zu erstatten. Nach
§ 157 Abs. 3a AFG sind die für den gleichen Zeitraum geleisteten Krankenversicherungsbeiträge von 2.550,28 DM
gleichfalls zu erstatten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Zulassung der
Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.