Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

LSG Hes: unrichtige auskunft, falsche auskunft, schriftliche prüfung, verdienstausfall, autonome satzung, berufliche tätigkeit, mündliche prüfung, unterricht, umschulung, gestaltung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.10.1973 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel
Hessisches Landessozialgericht L 1 Ar 212/73
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Januar 1973 aufgehoben und die
Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten des von der Klägerin in der Zeit vom 27. August bis 13.
September 1971 besuchten Ferienlehrgangs des Repetitors für Steuerrecht, Buchführung und Bilanzen W. H. aus
A./H. sowie die Erstattung des Verdienstausfalls aus Anlaß des schriftlichen Teils der Steuerbevollmächtigtenprüfung
in der Zeit vom 20. bis 22. September 1971.
Die Klägerin war nach Bestehen des Abiturs am 1. April 1966 als Finanzanwärterin in den Dienst der Hessischen
Steuerverwaltung eingetreten und hatte im März 1969 die Prüfung zur Steuerinspektorin bestanden. In der Folgezeit
war sie als Steuerinspektorin beim Finanzamt in W. tätig und hatte auch dem auf eigenen Wunsch erfolgten
Ausscheiden aus dem Staatsdienst als Angestellte bei dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer K. in K. ab 1. Januar
1970 gearbeitet. In der Zeit vom 20. Februar bis 15. August 1971 hatte die Klägerin an einem von dem Repetitor für
Steuerrecht W. H. aus A. über H. an den Wochenenden vierzehntägig samstags und sonntags in K. veranstalteten
Lehrgang teilgenommen, der 22 Monate dauern sollte und von der Beklagten gefördert worden war. Die Klägerin brach
den Lehrgang jedoch ab und nahm sodann in der Zeit vom 27. August bis 13. September 1971 in B. Q. an einem
Vollzeitlehrgang bei dem gleichen Repetitor teil.
Den schriftlichen Teil der Steuerbevollmächtigtenprüfung legte die Klägerin in K. in der Zeit vom 20. bis 22.
September 1971 ab.
Den Antrag der Klägerin vom 21. Oktober 1971 auf Anerkennung der Förderung des Vollzeitlehrganges bzw.
Ferienlehrgangs lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Januar 1972 ab, da sie die Teilnahme am Nahunterricht
nur als Bestandteil eines Fernunterrichtslehrganges, nicht aber als gesonderten Lehrgang fördere.
Den Antrag auf Erstattung der Zulassungs- und Prüfungsgebühren in Betrag von DM 200,– entsprach die Beklagte
durch Bescheid vom 14. Januar 1972, versagte jedoch die Erstattung weiterer Kosten, da sich die Förderung der
beruflichen Fortbildung nur auf die Teilnahme an notwendig anerkannten Maßnahmen beziehe.
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, erst der Ferienlehrgang in B. G. in Verbindung
mit dem Wochenendlehrgang habe den erfolgreichen Abschluß der Bildungsmaßnahme ermöglicht, da Leiter und
Lehrkräfte in beiden Lehrgängen die gleichen gewesen seien. Der ganztägige Lehrgang habe der Abkürzung der
Maßnahme und damit der Kostenersparnis gedient. Auch habe dieser Ferienlehrgang auf dem in dem
Wochenendlehrgang vermittelten Wissen aufgebaut, dieses vertieft und in wesentlichen Gebiete des Steuer-, Handels-
und Bürgerlichen Rechts angesprochen, die in der Zeit vom 20. Februar bis 15. August 1971 nicht behandelt seien.
Die aus Anlaß der mündlichen Prüfung vor der Oberfinanzdirektion in K. entstandenen Kosten wie Fahrt- und
Übernachtungskosten sowie der Verdienstausfall seien als notwendig anzusehen.
Den Widersprüchen half die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheiden vom 30. Juni 1972 nicht ab und führte
(bezüglich der Kosten des Ferienlehrgangs) aus, ein Überwechseln von einem Lehrgang des Repetitors H. in einen
anderen könne nicht gefördert werden, weil es hierbei zu nicht unbedingt erforderlichen Wiederholungen der Lehrgänge
komme.
Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Ablegung der mündlichen Prüfung entstandenen Kosten vertrat die
Beklagte in dem weiteren Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag (FuU 880 419/215/72) die Ansicht, eine Erstattung
weiterer Kosten sei nicht möglich, weil die Förderung der beruflichen Fortbildung auf die Teilnahme von anerkannten
Maßnahmen beschränkt sei, der Lehrgang aber bereits mit Ablauf des 15. August 1971 durch die Klägerin selbst
beendet worden sei. Die Klägerin nahm die Klage gegen den Bescheid vom 14. Januar 1972 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides zurück ( ) und verzichtete weiterhin auf die Geltendmachung der Kosten für Unterkunft
Verpflegung und Fahrt aus Anlaß der schriftlichen Prüfung vom 20. bis 22. September 1971.
Die Klägerin machte geltend, der Ferienlehrgang in B. G. sei für sie die einzige Möglichkeit gewesen, die
Steuerbevollmächtigtenprüfung innerhalb von sieben Monaten abzulegen. Auch habe dieser keinen
Wiederholungscharakter besessen und ausschließlich der Erweiterung des Wissens gedient. – Auf Antrage teilte die
Oberfinanzdirektion F. des Sozialgericht (SG) mit, die Klägerin sei deshalb zur Steuerbevollmächtigtenprüfung
zugelassen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urt. v. 8. März 1966 – VII 141/65 – BStBl
1966 III S. 234) die Ausbildung als Finanzanwärter und die erfolgreiche Ablegung der Laufbahnprüfung für den
gehobenen Dienst in der Finanzverwaltung der im Gesetz aufgeführten Lehrzeit und Lehrabschlußprüfung gleichwertig
seien. – Im Termin zur mündlichen Verhandlung führte die Klägerin ergänzend aus, daß sie sich außer dem
Wochenendlehrgang in K. und dem Ferienlehrgang in B. G. noch mit zwei Kolleginnen privat auf die
Steuerbevollmächtigtenprüfung vorbereitet habe, indem sie auch Teile des Fernkurses des Repetitors H. neben
älteren Übungsbriefen und Unterrichtsaufgaben durchgearbeitet habe.
Durch Urteil vom 30. Januar 1973 hob das Sozialgericht Kassel den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 1972 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1972 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin für die
Teilnahme an dem Lehrgang des Repetitors für Steuerrecht W. H., A./H. vom 27. August bis 13. September 1971
Leistungen gemäß §§ 44 und 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) im gesetzlichen Umfang zu zahlen sowie ihr den
Verdienstausfall für die Zeit vom 20. bis 22. September 1971 zu erstatten.
Die Teilnahme – so ist ausgeführt – an dem Lehrgang des Repetitors H. bedeute für die Klägerin eine berufliche
Fortbildung, da sie einen beruflichen Aufstieg zur Steuerbevollmächtigten erstrebt habe. Der Ferienlehrgang habe einer
letzten intensiven Ausbildung für die schriftliche Steuerbevollmächtigtenprüfung auf dem für die Prüfung entscheidend
wichtigen Gebieten gedient. Es sei deshalb davon auszugeben, daß für die Teilnahme an dem Lehrgang die
Zulassungsvoraussetzungen für die Steuerbevollmächtigtenprüfung erfüllt sein müßten, weil sonst die Teilnahme im
Hinblick auf das Fortbildungsziel nicht sinnvoll wäre. Die Vorbildung der Klägerin, ihre langjährige hauptberufliche
Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens und ihre Prüfungsvorbereitungen vor dem Lehrgang hätten zum Bestehen
der Steuerbevollmächtigtenprüfung ausgereicht. Die Frage der individuellen Förderung der Teilnahme an einer
Maßnahme der beruflichen Bildung könne auf das Ziel der Förderung nicht losgelöst von der Person des jeweiligen
Förderungswilligen beantwortet werden. Bei dem Ferienlehrgang in B. G. habe es sich entgegen der Auffassung der
Beklagten auch nicht um einen Wiederholungslehrgang gehandelt, zumal die Klägerin die persönlichen
Voraussetzungen für die Förderung erfüllt habe. Unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes
sei die Förderung der Klägerin zweckmäßig, da die Bestellung zur Steuerbevollmächtigten der Sicherung und
Verbesserung der beruflichen Mobilität diene, und die Arbeitsmarktsituation für Steuerbevollmächtigte günstig sei. Als
Förderungsleistung habe die Beklagte der Klägerin Unterhaltsgeld zu zahlen, da es sich bei dem Lehrgang um eine
Maßnahme mit ganztägigem Unterricht gehandelt habe. Daneben habe die Beklagte die notwendigen Kosten zu
erstatten, die der Klägerin durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstanden seien. Zu diesen gehöre auch der
Verdienstausfall, der der Klägerin an den Tagen der schriftlichen Steuerbevollmächtigtenprüfung erwachsen sei. Ein
Anspruch auf Unterhaltsgeld bestehe für diese Tage nicht, da es sich bei der Prüfung weder um eine Maßnahme mit
ganztägigen Unterricht noch mit berufsbegleitenden Unterricht gehandelt habe. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der zu entscheidenden Rechtsfrage ließ das Sozialgericht die Berufung zu.
Gegen das ihr am 6. Februar 1973 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Februar 1973 Berufung eingelegt. Sie
verneint die Befugnis des Sozialgerichts, hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Prüfungskosten
(Verdienstausfall, Fahrtkosten usw.) eine Sachentscheidung zu treffen, da in Bescheid vom 12. Januar 1972
Voraussetzungen für eine Förderung der Teilnahme an dem "Ferienlehrgang” verneint seien. Der anschließend
ergangene Bescheid vom 14. Januar 1972 im der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1972 beinhalte
eine Entscheidung über die Ablehnung der Prüfungskosten insgesamt, wenn hieran ausgeführt werde, daß anläßlich
der Ablegung von Prüfungen neben Prüfungsgebühren keine weiteren Kosten nach § 45 AFG als notwendig anerkannt
werden. Wenn der Bescheid vom 14. Januar 1972 auch lediglich auf den Antrag vom 21. Dezember 1971 Bezug
nehme, so werde durch ihn vom Inhalt her doch über die gesamten, von der Klägerin im Zusammenhang mit der
Ablegung der "schriftlichen und mündlichen” Prüfung geltend gemachten Kosten entschieden. Habe doch die Klägerin
den formlosen Antrag vom 21. Dezember 1971 ausdrücklich als Ergänzung des Antrages vom 21. Oktober 1971
bezeichnet. Durch die Klagerücknahme hinsichtlich des Bescheides vom 14. Januar 1972 und des
Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 1972 im Termin zur mündlichen Verhandlung sei praktisch die Entscheidung
über die Prüfungskosten insgesamt (schriftliche und mündliche Prüfung) gemäß § 102 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) bindend geworden, so daß das Sozialgericht insoweit nicht mehr sachlich habe entscheiden können.
Der ergänzende Nahunterricht diene fast ausschließlich der Wiederholung des in vorangegangenen Fernunterricht
durchgearbeiteten und in den Lehrbriefen erhaltenen Stoffes (Repetitorium). Er sei deshalb nach Dauer und Gestaltung
des Lehrplanes nur für den Teilnehmer zum erfolgreichen Abschluß der beruflichen Bildungsmaßnahme als notwendig
anzusehen, der auch den Fernunterrichtslehrgang beim gleichen Bildungsträger besucht habe. Förderungsrechtlich
gesehen könne der hier im Streit stehende Bildungsgang nur als eigenständige Maßnahme angesehen werden, weil
die Klägerin den vom gleichen Maßnahmeträger veranstalteten Fernunterrichtslehrgang, dessen Teil der
"Ferienlehrgang” sei, nicht besucht habe. Als solche erfülle die Maßnahme aber nicht die Voraussetzungen des § 34
Satz 2 AFG, weil das angestrebte Ziel des Erwerbs von Fachkenntnissen für die Ablegung der
Steuerbevollmächtigtenprüfung durch die Teilnahme nur an diesem Lehrgang nicht erreicht werden könne, und damit
die Maßnahme eine erfolgreiche berufliche Bildung nicht erwarten lasse. –
Der "Ferienlehrgang” könne auch nicht als förderungsfähige Maßnahme i.S. des § 41 AFG angesehen werden, da
weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine angemessene Berufserfahrung als Zugangsvoraussetzung
gefordert werde. Für die Anerkennung der Förderungsfähigkeit einer Maßnahme stellten die Zugangsvoraussetzungen
eine objektive Größe dar, die sich an Art, Schwierigkeit und Zielsetzung des Bildungsganges orientierten und auf die
die vom Teilnehmer mitgebrachten Voraussetzungen keinerlei Einfluß hätten. – Die Teilnahme an dem
"Ferienlehrgang” der Steuerfachschule W. H. könne aber auch deshalb nicht gefördert werden, weil es sich nicht um
Unterricht im förderungsrechtlichen Sinne handele (§ 5 Abs. 1 A FuU). Der Auffassung des erstinstanzlichen
Gerichtes könne aber auch deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich bei dem entstandenen Verdienstausfall schon
rein begrifflich nicht um Kosten i.S. des § 45 AFG handele. Eine Erstattung von Verdienstausfall sähen weder die
insoweit einschlägigen Bestimmungen des AFG noch die der A FuU war, da § 10 A FuU die Leistungspflicht der
Bundesanstalt ausdrücklich auf Kosten für die Dauer der Teilnahme an der Maßnahme beschränke. Im vorliegenden
Fall habe die Maßnahme bereits am 13. September 1971 geendet, so daß die danach stattfindende schriftliche
Prüfung vom 20. bis 22. September 1971 nicht Bestandteil des auf sie vorbereitenden, und im übrigen auch nicht
förderbaren Bildungsganges habe sein können. Die Klägerin könne mit dem Anspruch auf Erstattung von
Verdienstausfall auch nicht über § 18 A FuU durchdringen, da § 10 A FuU, der die Gewährung von Leistungen nach
Maßgabe der §§ 11–21 a.a.O. ausdrücklich auf die Zeit der Teilnahme an der Maßnahme beschränke, auch für
Leistungen nach § 18 A FuU gelte. – Schließlich sei auch der Antrat auf Förderung der Teilnahme an "Ferienlehrgang”
vom 27. August bis 13. September 1971 erst am 21. Oktober 1971 – und somit verspätet – gestellt. Nach § 21 Abs. 1
Satz 1 A FuU 1969 könnten Leistungen nach dieser Anordnung grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der Antragstellung
an gewährt werden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Januar 1973 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, die Kollegin I. W. habe sich seinerzeit
aufgrund einer Besprechung mit ihr bereit erklärt, beim Arbeitsamt K. nachzufragen, ob dieser Lehrgang
förderungswürdig sei. Darauf habe man Frau W. Antragsformulare zugesandt und ihr Schreiben vom 21. März 1971
als rechtzeitig gestellten Antrag gewertet. Nach Aushändigung der Antragsformulare an Frau W. hätten sowohl sie als
auch die Kollegin B. sich unabhängig voneinander über die Förderungsmöglichkeiten dieses Lehrganges und den
Zeitpunkt der Antragstellung erkundigt. Seitens der Beklagten habe man ihnen damals erklärt, der Antrag auf
Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz sei rechtzeitig, wenn er binnen zweier Monate nach Beginn der zu
fördernden Maßnahme gestellt werde. Diese Frist sei aber von ihr eingehalten, da die Maßnahme am 27. August 1971
begonnen und der Antrag am 21. Oktober 1971 gestellt sei.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Leistungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligte übereinstimmend damit
einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die kraft Zulassung statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und in der Sache begründet.
Nach § 21 Abs. 1 der vom Verwaltungsrat der Beklagten auf Grund der Ermächtigung des § 39
Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.S. mit § 191 Abs. 3 AFG erlassenen Anordnung über die individuelle Förderung der
Fortbildung und Umschulung (A FuU) in der hier anzuwendenden Fassung vom 18. Dezember 1969 (AMBA 1970, 85)
werden Leistungen auf Antrag, frühestens vom Zeitpunkt der Antragstellung gewährt. Der Antrag soll rechtzeitig vor
Beginn der Maßnahme gestellt werden. Wird der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt in die Maßnahme
gestellt, so ist die Leistung unbeschadet der Regelung in Satz 1 vom Zeitpunkt das Eintritts an zu gewähren. Da der
in § 21 A FuU geforderte Antrag materiell-rechtliche Bedeutung für die Entstehung des Förderungsanspruchs hat (vgl.
BSG, Urt. v. 16. März 1973 – 7 RAr 36/72), ist der nach Beendigung (13. September 1971) des Ferienlehrgangs
gestellte Antrag der Klägerin vom 21. Oktober 1971 in der Regel als verspätet anzusehen. Die Anordnung des
Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit stellt eine autonome Satzung dar, die verbindliche Rechtsnormen auch
für die Gerichte enthält (BSG, Urt. v. 30. Januar 1973 – 7 RAr 29/72).
Nach der Rechtsprechung (BSG 32, 64) kann aber ein Anspruch trotz unterlassener rechtzeitiger Antragstellung
gegeben sein. Die Erteilung einer falschen Auskunft kann dann eine Verpflichtung zur Rentengewährung trotz Fehlens
einer Anspruchsvoraussetzung herbeiführen, wenn durch die falsche Auskunft der Eintritt der Voraussetzung
verhindert worden ist (BSG 32, 60, 64; SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO und Nr. 21 zu Art. 2 § 42 AnVNG). Daß die
Beklagte der Klägerin eine unrichtige Auskunft erteilt hat, geht nicht nur aus dem Sachvortrag der Klägerin, sondern
auch aus der in Formular erteilten Belehrung hervor, wonach die ausgefüllten Antragsunterlagen möglichst vor Beginn,
spätestens aber innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt in die Maßnahme beim Arbeitsamt abzugeben sind (vgl. die
Formblätter FuU 1 d – 11.70 und FuU 1 – 5/71 HSt). Bei der Belehrung, die im wesentlichen eine Wiedergabe des § 21
Abs. 4 A FuU beinhaltet, ist aber – für die Klägerin nicht erkennbar – vorausgesetzt, daß die Maßnahme länger als 2
Monate dauert. Durch die unrichtige Belehrung hatte aber die Beklagte bei der Klägerin die begründete Vorstellung
erweckt, sie könne auch in vorliegenden Fall – trotz bereits beendeten Lehrgang – noch innerhalb von zwei Monaten
nach Beginn der zu fördernden Maßnahme einen Antrag stellen (vgl. Schriftsatz der Klägerin von 25. Oktober 1973).
Obwohl die Beklagte der Klägerin eine unrichtige Auskunft erteilt und damit die obliegende Verpflichtung (vgl. § 15
AFG) nicht richtig erfüllt hat, somit durch die falsche Auskunft der Eintritt der rechtzeitigen Antragstellung durch die
Beklagte verhindert worden ist, ein Anspruch aus diesem Grunde somit nicht verweigert werden kann, besteht
trotzdem kein Anspruch auf Förderung des Ferienlehrganges bzw. der schriftlichen Prüfung. Das wäre nur dann der
Fall, wenn der Ferienlehrgang als Teil des Wochenendlehrgangs systematisch auf diesem aufbaute, was hier jedoch
nicht der Fall ist. Bei der als "Ferienlehrgang” bezeichneten Bildungsveranstaltung der Steuerfachakademie H. handelt
es sich schon nach deren Merkblatt um den als förderungsfähig anerkannten und in Form eines ergänzenden
Nahunterrichtes durchgeführten letzten Teil eines von diesem Lehrgangsträger angebotenen Fernunterrichtslehrgangs
zur Vorbereitung auf die Ablegung der Steuerbevollmächtigtenprüfung. Nach Dauer und Gestaltung des Lehrplans ist
dieser Ferienlehrgang nur für denjenigen Teilnehmer als notwendig für einen erfolgreichen Abschluß der beruflichen
Bildungsmaßnahme anzusehen, der auch den Fernunterrichtslehrgang beim gleichen Maßnahmeträger besucht hat.
Ist doch der ergänzende Nahunterricht speziell auf den vorausgegangenen Fernunterricht abgestellt. Der von der
Klägerin besuchte Teil (6 Monate) des Wochenendlehrgangs stellt als solcher infolge des andersartigen
Lehrplanmäßigen Aufbaus keine auf den Ferienlehrgang vom 27. August bis 13. September 1971 abgestellte
ergänzende Maßnahme dar und bietet keinen vollwertigen Ersatz für die ausgefallenen Teile des ca. 22 Monate
dauernden Wochenendlehrgangs. Auch wäre bei Förderung des Ferienlehrgangs nicht auszuschließen, daß einerseits
bestimmte Stoffgebiete wiederholt würden, während andererseits bestimmte Materien nicht in den notwendigen
Umfang behandelt werden könnten. Unter diesen Umständen kann der von der Klägerin besuchte Ferienlehrgang nicht
in den an sich zu fördernden – hier aber vorzeitig von der Klägerin abgebrochenen – Wochenendlehrgang einbezogen
werden. Der abgebrochene Teil des Wochenendlehrgangs erfüllt zusammen mit dem Ferienlehrgang für letzteren nicht
die institutionellen Voraussetzungen des § 34 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), die eine erfolgreiche berufliche
Bildung erwarten lassen.
Auch die Teilnahme der Klägerin lediglich an dem Ferienlehrgang der Steuerfachschule H. konnte von der Beklagten
nicht gefördert werden, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. u.a. die Urteile vom 18. April
1973, Az.: L-1/Ar-1167/71, L-1/Ar-21/72, L-1/Ar-757/72). Der Ferienlehrgang allein erfüllt in seiner Ausgestaltung nicht
die Voraussetzungen institutioneller Art, die das AFG und die Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für
Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (A Fortbildung und Umschulung)
vom 18. Dezember 1969 an eine förderungsfähige Maßnahme stellt.
Gemäß § 34 Satz 1 AFG erstreckt sich die Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen nach dem
vierten Unterabschnitt des zweiten Abschnittes auf Maßnahmen mit ganztägigem Unterricht (Vollzeitunterricht),
berufsbegleitendem Unterricht (Teilzeitunterricht) und Fernunterricht. Die Förderung der Teilnahme setzt voraus, daß
die Maßnahme nach Dauer, Gestaltung des Lehrplanes, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des
Leiters und der Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten läßt (§ 34 Satz 2 AFG). Das Nähere über
Voraussetzung, Art und Umfang der Förderung bestimmt nach § 39 Satz 1 AFG die Bundesanstalt durch Anordnung.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 A Fortbildung und Umschulung muß die Dauer einer Maßnahme dem Zeitraum entsprechen,
der notwendig ist, um das Ziel der Fortbildung oder Umschulung zu erreichen.
Der Ferienlehrgang stellt zwar eine Maßnahme der Beruflichen Fortbildung nach § 41 Abs. 1 AFG dar. Er bezweckt
aber nur nach dem Lehrgangsprospekt "eine letzte höchst intensive Ausbildung für die nächste schriftlichen
Prüfungen als Steuerbevollmächtigter” wobei er voraussetzt, daß die Bedingungen für die Zulassung zur Prüfung
gemäß § 6 Abs. 1 Steuerberatungsgesetzt vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1301) erfüllt sind bzw. erfüllt werden; er
soll nur noch "den letzten Schliff” geben. Der von dem Repetitor für Steuerrecht H. veranstaltete Ferienlehrgang dauert
achtzehn Tage. Eine solche Maßnahmedauer entspricht nicht dem Zeitraum, der notwendig ist, das Fortbildungsziel,
die erfolgreiche Ablegung der Prüfung als Steuerbevollmächtigter, zu erreichen. Die Prüfungsgebiete, auf die sich die
Steuerbevollmächtigtenprüfung erstreckt, wie sie in § 11 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des
Steuerberatungsgesetzes (DVSt BerG) vom 1. August 1962 (Bundesgesetzblatt Teil I S. 537) aufgeführt sind, können
in einem solch kurzen Zeitraum weder erlernt noch so intensiv behandelt werden, daß danach allein auf Grund des
Besuchs dieses Lehrganges die Prüfung als Steuerbevollmächtigter erfolgreich abgelegt werden könnte. Aus den
Lehrgangsprospekt ergibt sich, daß dieser Ferienlehrgang die Kenntnis der prüfungswichtigen Gebiete nach § 11
DVStBerG voraussetzt und nur noch einer letzten Wiederholung der zuvor bereits anderweitig erlernten
Prüfungsgebiete im Hinblick auf die schriftliche Prüfung dient. So werden beispielsweise den Teilnehmer vor
Lehrgangsantritt neun Klausuraufgaben mit der Bitte übersandt, die Lösungen vor Beginn des Lehrgangs dem
Lehrgangsleiter zuzusenden. Die Maßnahmeteilnehmer können die Klausuren nur dann lösen, wenn sie sich bereits
vor Lehrgangsbeginn den prüfungswichtigen Lehrstoff ausreichend angeeignet haben. Der Lehrgang ist nach der
Gestaltung seines Lehrplans und nach der Unterrichtsmethode darauf abgestellt, anderweitig erworbene Kenntnisse
nochmals kurzfristig im Hinblick auf die zurückzurufen. Außerdem dient er der Übung in der Klausurentechnik und soll
für den einzelnen Teilnehmer eine Erprobung unter prüfungsmäßigen Bedingungen darstellen. Als Einzelmaßnahme ist
er aber weder von seiner Dauer noch der Gestaltung des Lehrplans her geeignet, eine erfolgreiche berufliche Bildung
zu gewährleisten. Die Klägerin kann also weder Unterhaltsgeld für die Teilnahme an dem Ferienlehrgang noch weitere
Kosten für die Prüfung die nicht mehr im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem abgebrochenen Lehrgang
stehen, erhalten.
Sie kann auch nicht den Ersatz des vollen Verdienstausfalls beanspruchen, da dieser nicht zu den Leistungsarten
gehört, die die Beklagte im Rahmen der Förderung der beruflichen Fortbildung zu erbringen hat. Aus dem
systematischen Zusammenhang zwischen § 44 AFG, der die Gewährung des Unterhaltsgeldes regelt, und § 45, der
die Kostentragung bei den notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entsteht, behandelt,
ergibt sich, daß der Verdienstausfall, den der Teilnehmer an einer Fortbildungsmaßnahme dadurch erlitten hat, daß er
während der Maßnahmedauer seine berufliche Tätigkeit nicht ausüben kann, durch die Gewährung von Unterhaltsgeld
ausgeglichen wird; denn das Unterhaltsgeld hat Lohnersatzfunktion (Schönfelder-Kranz-Wanka, Kommentar zum
AFG, § 44 Anm. 4). Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, unter bestimmten Voraussetzungen einen Förderungswilligen
darüber hinaus den Ersatz des vollen Verdienstausfalles zuzuerkennen, so hätte eine solche die Vorschrift des § 44
AFG abändernde Regelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Die Geltendmachung eines
Verdienstausfalles ist daher umfangmäßig nur in Rahmen des § 44 AFG möglich, da es sich dabei auch nicht um
Kosten im Sinne von § 45 AFG handelt. Der Verdienstausfall anläßlich der mündlichen und schriftlichen Prüfung ist
nämlich eine Einbuße an Lohn, nicht aber eine Aufwendung, die der Maßnahmeteilnehmer wegen seiner Teilnahme an
einer Fortbildungsmaßnahme erbringen muß. Die Klägerin kann deshalb auch nicht unter Berufung auf die Vorschrift
des § 18 A FuU von der Beklagten vollen Lohnersatz erhalten; denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf sonstige
Kosten im Rahmen des § 45 AFG, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen und nicht bereits durch
die Leistungsarten nach §§ 12 bis 17 A FuU erfaßt wurden. Eine unterschiedliche Behandlung von Förderungswilligen,
die während des Unterrichtsbesuches nur einen teilweisen Lohnersatz in der Form des Unterhaltsgeldes erhalten, und
solchen, die die Prüfung ablegen, ist hinsichtlich des Ausgleichen eines Verdienstausfalles sachlich nicht
gerechtfertigt; denn es ist kein Grund ersichtlich, beide Fälle, in denen ein Wegfall das Arbeitsentgeltes eintritt,
unterschiedlich zu entschädigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision angelassen, da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war.