Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

LSG Hes: versorgung, kriegsopfer, begriff, verwaltung, ermächtigung, witwenrente, hinterbliebenenrente, behandlung, fremder, ergänzung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.08.1973 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 5 V 459/71
Auf die Berufungen der Beigeladenen und des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 9.
März 1971 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1921 geborene Klägerin, die im Landesteil von J. wohnhaft ist, beantragte erstmalig im August 1966
Hinterbliebenenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach ihrem 1912 geborenen und 1945 erschossenen
Ehemann P. K. (künftighin K. genannt). Sie gab unter Berufung auf das Soldbuch, die schriftliche Erklärung des K. R.
und eine Bestätigung des Militärgerichtes des L. Heeresbereiches in L. an, daß er, weil er Deutscher und
Gendarmeriebezirkswachtmeister der Kommandantur des Reichsstatthalters in der S. gewesen sei, 1945 ohne
Voruntersuchung nach einem Todesurteil erschossen worden sei.
Das Versorgungsamt XY. ging in der Verfügung vom 24. Oktober 1967 davon aus, daß K. im Hinblick auf seine
Tätigkeit als Gendarmeriebeamter im Rahmen der Deutschen Wehrmacht von dem j. Behörden zum Tode verurteilt
worden sei und damit der Tod als schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Buchst. d) BVG
anzusehen sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Witwenrente gemäß § 38 Abs. 1 BVG seien daher
gegeben.
Mit Bescheid vom 14. November 1967 ist hiernach der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1967 als Kannleistung
nach § 64 Abs. 2 BVG ein monatlicher Betrag unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs von 45,– DM gezahlt
worden.
Am 18. Juni 1968 beantragte sie die Erhöhung der monatlichen Rente auf 120,– DM, da sie mit einer monatlichen
Witwenrente von 45,– DM nicht leben könne.
Das daraufhin am 2. Juli 1968 an die Klägerin gerichtete Schreiben führte aus, die sorgfältige Abwägung aller
Umstände lasse es nicht zu, gegenwärtig eine höhere deutsche Kriegsopferrente zu gewähren.
Mit Schreiben vom 10. Juli 1968 machte sie dann geltend, sie sei erwerbsunfähig und damit auf die monatliche
Witwenrente angewiesen. Aus der Invalidenrentenversicherung der hiesigen Anstalt beziehe sie keine Rente. Aus dem
Gutachten des Dr. R. vom 4. Oktober 1968 gehe außerdem hervor, daß sie in ihrem Beruf als Köchin als
arbeitsunfähig anzusehen und eine Wiedergewinnung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten sei.
Der Bescheid vom 18. November 1968 bewilligte daraufhin Versorgungsbezüge ab 1. Januar 1969 von monatlich 70,–
DM.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Erhöhung der Witwenrente erreiche nicht einmal das
Lebensminimum einer Person, die in Jugoslawien wohnhaft sei. Da die Bundesrepublik Deutschland mit Jugoslawien
diplomatische Beziehungen unterhalte, stehe ihr Versorgung wie einer Berechtigten im Inland zu.
Der Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 1969 führte dazu aus, sie erhalte mit der Erhöhung der Teilversorgung auf
70,– DM den nach den maßgeblichen Richtlinien höchstmöglichen Betrag. Die höhere Leistung sei nach diesen
Richtlinien bei bereits laufender Teilversorgung vom Monat der Aufnahme der laufenden Zahlung an zu gewähren, und
zwar auch dann, wenn ein Antrag auf Rentenerhöhung gestellt werde. Denn ein Rechtsanspruch auf Versorgung
bestehe für in J. lebende Berechtigte nicht. Kriegsopfer in J., die deutsche Staatsangehörige oder deutsche
Volkszugehörige seien, könnten gemäß § 64 Abs. 1 i.V.m. § 64 e Abs. 1 BVG in dem vom Bundesminister für Arbeit
und Sozialordnung bestimmten Rahmen Leistungen erhalten. Auch nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen
mit J. sei die Versorgung der dortigen Kriegsopfer auf diesen Rahmen beschränkt. Die Klägerin erhalte die Leistung
nach § 8 BVG da sie als ehemalige Deutsche slowenischen Volkstums anzusehen sei.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main, das mit Beschluss vom 28. März 1969 die
Bundesrepublik Deutschland, gesetzlich vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, beigeladen
hat, hat die Klägerin vorgetragen, sie sei deutsche Staatsangehörige und falle damit unter den Personenkreis des § 64
BVG. Ihr sei daher die volle Witwenrente zu zahlen.
Die Beigeladene hat ausgeführt, einer Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 BVG bezeichneten Umfang stünden die
besonderen Gründe im Sinne vom § 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG entgegen. Der Begriff der "besonderen Gründe” des § 64
e, Abs. 1 Satz 1 BVG finde sich auch in § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG, der bestimme, daß die Versorgung aus besonderen
Gründen jederzeit wieder eingeschränkt oder entzogen werden könne. Der Hinweis in § 64 e Abs. 1 auf § 64 Abs. 2
Satz 2 bis 4 BVG umfasse neben der zuvor genannten Einschränkungsmöglichkeit auch die Regelung des § 64 Abs.
2 Satz 2 BVG, nach der Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werde. Diese Bezugnahme verdeutliche, daß
der Gesetzgeber den Begriff der Versorgung in angemessenem Umfang einerseits und dar besonderen Gründe
andererseits als im wesentlichen inhaltgleich angesehen habe. Zu den übergeordneten Gesichtspunkten zählten in
erster Linie politische, finanzielle und devisenwirtschaftliche Erwägungen. Besonders zu berücksichtigen sei ferner,
daß die Gewährung der auf unsere sozialen Verhältnisse abgestellten Leistung des Bundesversorgungsgesetzes sich
nicht störend auf die Leistung des Wohnsitzstaates auswirken dürfe. Im übrigen sei es auch nicht für vertretbar zu
halten, die Deutschen und deutschen Volkszugehörigen in J. durch Gewährung der Vollversorgung unverhältnismäßig
besser zu stellen als entsprechende Berechtigte in den übrigen Staaten des ost- und südosteuropäischen Raumes
und in den z.Z. unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten.
Der Beklagte hat im Einklang mit der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland die Auffassung vertreten, eine volle
Versorgung der Klägerin im Sinne des § 64 Abs. 1 BVG sei wegen der Einschränkung des § 64 e Abs. 1 BVG
ausgeschlossen.
Das Bundesverwaltungsamt Köln hat bei dem Verfahren auf Feststellung der Staatsangehörigkeit am 14. Januar 1971
festgestellt, daß die Klägerin, die am 5. Mai 1943 mit dem deutschen Staatsangehörigen P. K. in die Ehe
geschlossen und dadurch gemäß § 6 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe, auch heute noch
deutsche Staatsangehörige sei, weil in der Zwischenzeit kein Verlusttatbestand gesetzt worden sei.
Mit Urteil vom 9. März 1971 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 2. Juli 1968
und 13. Januar 1969 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 18. November 1968 verurteilt, der Klägerin mit
Wirkung ab 1. Juni 1968 Versorgungsbezüge nach § 64 Abs. 1 BVG zu gewähren. Es hat weiterhin festgestellt, daß
die in § 64 e Abs. 1 BVG genannten Gründe einer Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 BVG bezeichneten Umfang nicht
entgegenstehen. Die Berufung werde zugelassen.
In dem Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Versorgung nach § 64 Abs. 1
i.V.m. § 38 BVG. Die in § 64 e Abs. 1 BVG genannten Gründe stünden einer Versorgung nicht entgegen. Der
Rechtsanspruch auf Gewährung von Versorgung bestehe mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und J ... Es sei nicht einzusehen, daß Kriegsopfer in J. aus Gründen, die
sie nicht zu vertreten hätten, auf Dauer keine Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 BVG bezeichneten Umfang erhalten
könnten. Zur Rechtfertigung einer derartigen Besorgnis müßten entsprechende Umstände tatsächlich faßbarer Art
vorliegen. Diese seien jedoch nicht feststellbar. Mehr oder minder vage, letztlich nicht belegte und belegbare
Befürchtungen genügten nicht. Es möge zwar sein, daß jugoslawische Stellen wenig Verständnis dafür hätten, wenn
zukünftig dort lebende Kriegsopfer deutscher Staatszugehörigkeit höhere Versorgungsleistungen erhielten als ihre
eigenen. Daraus könne jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß die jugoslawische Regierung darum etwa die
Gewährung von Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 BVG bezeichneten Umfang an dort lebende deutsche
Staatsangehörige unterbinden würde. Die jugoslawische Regierung habe schon deshalb kein Interesse daran, weil
dadurch ein gesteigerter Deviseneingang verlorenginge. Der Begriff der Versorgung in angemessenem Umfang
einerseits und der Begriff der besonderen Gründe andererseits könne nicht im wesentlichen als inhaltsgleich
angesehen werden, wie die Beigeladene das vertrete. Der Wille des Gesetzgebers sei es nicht. Gegen diese
Auffassung sei es durchaus vertretbar, in J. lebende deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige durch
Gewährung der Vollversorgung besser zu stellen als entsprechende Berechtigte in den übrigen Staaten des ost- und
südosteuropäischen Raumes sowie in den sog. "z.Z. unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten”.
Die Besserstellung entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Dieses habe er in § 64 Abs. 1 und Abs. 2
BVG eindeutig zum Ausdruck gebracht. Übergeordnete Gesichtspunkte, wozu in erster Linie politische, finanzielle und
devisenwirtschaftliche Erwägungen zählten, könnten keine besonderen Gründe im Sinne des § 64 e Abs. 1 BVG sein.
Es sei nicht Sache der Exekutive oder auch des Gerichts, derartige übergeordnete Gesichtspunkte zu prüfen, wenn
der Gesetzgeber seine Entscheidung dahin getroffen, daß er einen Rechtsanspruch mit § 64 Abs. 1 BVG begründen
wollte. Im übrigen sei es den Gericht praktisch nicht möglich nachzuprüfen, ob mehr oder weniger allgemeine
politische, finanzielle und devisenwirtschaftliche Erwägungen oder die Haushaltslage des Bundes der Versorgung in
dem in § 64 Abs. 1 BVG genannten Umfang entgegenstünden. Gemäß § 60 Abs. 1 und 2 BVG sei dem Antrag der
Klägerin mit Wirkung ab 1. Juni 1968 stattzugeben gewesen. Die Berufung habe zugelassen werden müssen, weil die
Rechtssache hinsichtlich der Auslegung des § 64 e Abs. 1 BVG i.V.m. § 64 Abs. 1 BVG grundsätzliche Bedeutung
habe (§ 150 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Gegen das der Beigeladenen am 23. April 1971 zugestellte Urteil ist die Berufung am 30. April 1971 beim Hessischen
Landessozialgericht eingegangen, während die Berufung des Beklagten gegen das ebenfalls am 23. April 1971
zugestellte Urteil am 3. Mai 1971 vorlag.
Der Beklagte führt aus, das Sozialgericht habe die Besonderheiten der Versorgung für Berechtigte außerhalb des
Geltungsbereiches des BVG verkannt. Es könne nicht der Maßstab angelegt werden, der sonst bei der
Inlandversorgung für die Verwaltung und die Gerichte üblich sei. Die durch das 3. NOG geänderte Fassung des letzten
Halbsatzes des Abs. 1 vom § 64 BVG weise eindeutig darauf hin, daß die §§ 64 a bis 64 f BVG nicht nur
Anpassungen an die bei der Versorgung von Kriegsopfern im Ausland zu berücksichtigenden Besonderheiten, sondern
auch gewisse Einschränkungen gegenüber den im Bundesgebiet zu gewährenden Leistung enthielten. Es sei
unmöglich, im Gesetz die besonderen Gründe in einer Weise zu umschreiben, daß sie in dem vom Sozialgericht
gewünschten Umfang nachprüfbar seien. Für die Berechtigten in Oststaaten könne es nur eine einheitliche, den
Richtlinien Ost entsprechende Regelung geben, ohne daß es darauf ankommt, mit welchen dieser Staaten
diplomatische Beziehungen bestünden. Die besonderen Gründe des § 64 e Abs. 1 BVG stünden den besonderen
Gründen des § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG gleich.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 9. März 1971 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt, unter Abänderung des Urteils vom 9. März 1971 die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die der Klägerin als deutscher Staatsangehörigen zustehenden Kannleistungen stützten sich auf § 64
Abs. 1, § 64 e Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG. Der Begriff der Versorgung in angemessenem Umfang
in § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG einerseits und den der besonderen Gründe im Sinne von § 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG
andererseits sei im wesentlichen als inhaltsgleich anzusehen. An dieser Inhaltsgleichheit ändere es entgegen der vom
Sozialgericht vertretenen Ansicht nichts, daß die in Rede stehenden übergeordneten Gesichtspunkte sowohl für die
Voraussetzungen zur Einschränkung der Versorgung als auch für die Ausgestaltung der als Folge ihres Vorliegens im
Gesetz dann vorgesehenen Teilversorgung nach Maßgabe des § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG von Bedeutung seien. Der
Gesetzgeber habe sich nicht entschließen können, einige der anderen besonderen Gründe im Gesetz zu
umschreiben. Es sei indessen nicht ausgeschlossen, daß das im Zuge der Entwicklung hinsichtlich bestimmter
Gesichtspunkte eines Tages für angezeigt gehalten werden könne. Besondere Gründe seien zweifelsohne dann für
gegeben zu erachten, wenn die Leistungen des fremden Staates für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene oder
entsprechende Sozialleistungen die Leistungen nach dem BVG oder das Durchschnittseinkommen der gewerblichen
Arbeitnehmer des Wohnsitzstaates das Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer im Geltungsbereich
des BVG nicht unerheblich unterschritte. Bei verständiger Würdigung aller Gesichtspunkte und der
Gesamtzusammenhänge sei nur eine Teilversorgung nach dem festgelegten Umfang möglich. Die Versorgung von
Kriegsopfern in den ost- und südosteuropäischen Staaten sei aus mancherlei Gesichtspunkten grundsätzlich als eine
Einheit anzusehen und deshalb seien auch bei der Entscheidung im Einzelfall die Gesamtumstände nicht außer
Betracht zu lassen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, Deutsche und deutsche Volkszugehörige in J.
seien den dortigen Staatsbürgern nicht gleichgestellt. Sie erhielten nicht die den j. Kriegsopfern gezahlten
Versorgungs- und Sozialrenten.
Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15. August 1973 weder erschienen noch vertreten war, hat der
Senat auf Antrag der Beklagten beschlossen, nach Lage der Akten zu entscheiden.
Die Versorgungsakte mit der Grundlisten-Nr. hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider
Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Zulassung in jeden Fall statthaften Berufungen (§ 150 Nr. 1 SGG) des Beklagten und der Beigeladenen,
über die gemäß §§ 110, 126 SGG nach Lage der Akten entschieden werden konnte, sind frist- und formgerecht
eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG); sie sind auch begründet.
Im Streit befindet sich der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung für die Zeit vom 1. Juni
1968 und deren Höhe.
Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf
Hinterbliebenenrente gemäß § 38 BVG hat; insoweit besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit. Die Klägerin
ist auch aufgrund der Feststellung des Bundesverwaltungsamtes Köln vom 14. Januar 1971 als deutsche
ist auch aufgrund der Feststellung des Bundesverwaltungsamtes Köln vom 14. Januar 1971 als deutsche
Staatsangehörige anzusehen, die ihren Wohnsitz in J. hat, mit welchem Staat die Bundesrepublik Deutschland
diplomatische Beziehungen unterhält. Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob ihr ab 1. Juni 1968 volle
Hinterbliebenenrente zusteht, wie sie Witwen gezahlt wird, die in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz
haben. Das hat das Sozialgericht zu Unrecht angenommen.
Da der Beklagte den ersten Bescheid im Juli 1968 erteilt hat, war von §§ 64 ff. i.d.F. des 3. NOG auszugehen.
Nach § 64 Abs. 1 BVG erhalten Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in Staaten haben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält,
Versorgung wie Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes, soweit die §§ 64 a bis 64 f nicht Abweichendes
bestimmen. Nach § 64 e Abs. 1 BVG erhalten sie eine Teilversorgung nach Maßgabe des § 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4
BVG, wenn zu besorgen ist, daß den Kriegsopfern oder Gruppen von Kriegsopfern durch einen z.Z. unter fremder
Verwaltung stehenden deutschen Gebietes oder in einem bestimmten Staat aus Gründen, die die Kriegsopfer nicht zu
vertreten haben, auf Dauer keine Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 BVG bezeichneten Umfang gewährt werden kann,
oder wenn andere besondere Gründe einer solchen Versorgung entgegenstehen. danach kann ihnen mit Zustimmung
des Bundesministers für Arbeit Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werden. Wird in einen solchen Falle
Versorgung gewährt, so ist sie nach Art, Höhe und Dauer festzulegen. Die Versorgung kann aus besonderen Gründen
wieder eingeschränkt oder entzogen werden. In der ab 1. Januar 1972 gültigen Fassung des § 64 e Abs. 1 BVG sind
besondere Gründe im allgemeinen gegeben, wenn a) die Leistung des fremden Staates für Kriegsbeschädigte und
Kriegshinterbliebene oder entsprechende Sozialleistungen die Leistungen nach diesem Gesetz oder das
Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer des Aufenthaltsstaates das Durchschnittseinkommen der
gewerblichen Arbeitnehmer im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei Inkrafttreten des Dritten Anpassungsgesetzes
nicht unerheblich unterschreiten oder b) der fremde Staat Renten nach diesem Gesetz ganz oder teilweise auf eigene
Renten anrechnet oder c) zu besorgen ist, daß den Kriegsopfern oder Gruppen von Kriegsopfern in einem Staat aus
Gründen, die die Kriegsopfer nicht zu vertreten haben, auf Dauer keine Versorgung in dem in § 64 Abs. 2 BVG
bezeichneten Umfang gewährt werden kann. Diese Gründe stehen indessen nur beispielhaft für andere.
Der Beklagte kann darüber hinaus bei der Bewilligung der Versorgungsbezüge den Umfang der Versorgung
bestimmen, wobei er sich im Rahmen der durch die Richtlinien gesetzten Grenzen halten muß. Es handelt sich dabei
um Ermessensentscheidungen, so daß die Bescheide und Widerspruchsbescheide nur dann rechtswidrig sein
können, wenn von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht wird, d.h. wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder wenn die Verwaltung bei
Ausübung des Ermessens gegen verfassungsrechtliche Grundsatz verstoßen hat.
Gegen den Zweck der gesetzlichen Ermächtigung hat die Verwaltung mit der Festsetzung der Höhe der
Hinterbliebenenrente mit monatlich 70,– DM ab 1. Januar 1969 nicht verstoßen, da sie ihre Entscheidung nach den
Richtlinien getroffen hat, die der Bundesminister für Arbeit für die Auslandsversorgung aufgestellt hat. Danach stand
ihr bei einem Alter von noch nicht 60 Jahren lediglich der Regelbetrag von monatlich 45, DM zu, der auf monatlich
70,– DM zu erhöhen war, nachdem die Klägerin hatte nachweisen können daß sie nicht nur vorübergehend
erwerbsunfähig ist und keine fremde Rente oder rentenähnliche Leistungen bezieht. (Rundschreiben des BMA vom 25.
Juni 1968 – V/1 – 5193 Punkt 4 CSSR/Jugesl. 1604/68). Dabei ist die höhere Leistung bei bereits laufender
Teilversorgung vom Monat der Aufnahme der laufenden Zahlung an zu gewähren und nicht vom Antrag der
Rentenerhöhung ab. Die Art, Höhe und Dauer der Versorgung geht vorliegend damit auf die von dem Bundesminister
für Arbeit und Sozialordnung festgelegten Richtlinien zurück, die von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt werden.
Die Versorgung ist zwischenzeitlich ab 1. Januar 1970 auf 75,– DM erhöht worden.
Die zu gewährende Versorgung für die in Jugoslawien lebende Klägerin kann nämlich gemäß § 64 e Abs. 1 BVG der
Höhe nach beschränkt und in Form einer Teilversorgung gewährt werden. Das hat das Sozialgericht verkannt, wenn
es ihr einen Rechtsanspruch gemäß § 64 Abs. 1 BVG zugebilligt hat, ohne dabei zu beachten, daß Versorgung in
gleicher Weise wie Berechtigten in Geltungsbereich dieses Gesetzes nur dann zu gewähren ist, soweit die §§ 64 a bis
64 f nichts Abweichendes bestimmen. Daß der Klägerin eine volle Versorgung nicht zustehe, erklärt sich aus dem
Begriff der "besonderen Gründe” des § 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG, der sich auch in § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG
wiederfindet. Danach kann die Versorgung aus besonderen Gründen jederzeit wieder eingeschränkt oder entzogen
werden. Zu Recht weist die Beigeladene darauf hin, daß der Hinweis in § 64 e Abs. 1 BVG auf § 64 Abs. 2 Satz 2 bis
4 BVG bedeutet, daß Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werden kann. Diese Bezugnahme unterstreicht
weiter, daß der Gesetzgeber den Begriff der Versorgung in angemessenen Umfang einerseits und den der besonderen
Gründe andererseits als in wesentlichen inhaltsgleich angesehen hat. Das ergibt sich besonders auch aus dem
schriftlichen Bericht den Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden des Deutschen Bundestages über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des
Kriegsopferrechts – Drittes Neuordnungsgesetz – KOV – (Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksache V/1012
zu Drucksache V/1216). Danach zählen zu den übergeordneten Gesichtspunkten, die sowohl für die besonderen
Gründe im Sinne von § 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG als auch für die Versorgung in angemessenen Umfang in Sinne von §
64 Abs. 2 Satz 2 BVG maßgebend sind, politische, finanzielle und devisenwirtschaftliche oder andere übergeordnete
Gesichtspunkte. Auch können u.U. die wohlverstandenen Belange der Betroffenen selbst, die im übrigen bei Ausüben
des Ermessens stets zu berücksichtigen sind, eine Beschränkung rechtfertigen oder erfordern. Es wird dann
ausgeführt, daß diese vielfältigen, teilweise auch vertraulichen und der Entwicklung unterliegenden Gründe sich
schwer in der Fassung eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung umschreiben lassen. Daher sei nach
eingehender Prüfung der Begriff der besonderen Gründe gewählt worden, zumal er die für die Anpassung an neue
Gegebenheiten notwendige Beweglichkeit belasse. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff "besondere Gründe”, dessen
allgemeiner Sinngehalt zu ermitteln und aus dem Gesetz selbst auszulegen ist, ist dann ab 1. Januar 1972 in der
neuen Fassung des § 64 e Abs. 1 BVG Satz 4 definiert worden und stimmt weitgehend mit der Begriffsauslegung
überein, die bis dahin von der Bundesregierung gegeben worden ist. Nach dieser war nämlich besonders zu
berücksichtigen, daß die Gewährung der auf unsere sozialen Verhältnisse abgestellten Leistungen des
Bundesversorgungsgesetzes sich nicht störend auf die Leistung des Wohnsitzstaates auswirken dürfen. Denn in ost-
und südosteuropäischen Staaten hätte man aus verschiedenen Gründen wenig Verständnis dafür, wenn die von der
Bundesrepublik Deutschland versorgten Kriegsopfer, die weitgehend Staatsangehörige des jeweiligen
Aufenthaltsstaates sind, deutscherseits nicht unbeträchtliche Versorgungsleistungen erhielten. Die behutsame
Gestaltung der deutschen Leistungen liege auf weite Sicht im Interesse aller von der Bundesrepublik betreuten
Kriegsopfer. Sie lasse auch eine im wesentlichen gleiche Behandlung der von der Bundesrepublik versorgten
Kriegsopfer in J. angezeigt erscheinen. Anderenfalls könnte die weitere Versorgung der im Rahmen der deutschen
Wehrmacht eingesetzt gewesenen Personen und ihrer Hinterbliebenen möglicherweise gefährdet werden. Dieser
Gesichtspunkt berücksichtige allgemeine Rechts- und Lebensverhältnisse im Aufenthaltsstaat, wobei auch finanzielle
und devisenwirtschaftliche Gesichtspunkte, so z.Z. die Haushaltslage des Bundes sowie die Zahl der in Betracht
kommenden Versorgungsberechtigten eine beträchtliche Rolle spielten. Zu Recht wird von der Beigeladenen auch
hervorgehoben, daß es nicht vertretbar sei, die Deutschen und deutschen Volkszugehörigen in J. durch Gewährung
des Vollversorgung unverhältnismäßig besser zu stellen als entsprechende Berechtigt in den übrigen Staaten des ost-
und südosteuropäischen Raumes und in den z.Z. unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten.
Der Senat folgt in vollem Umfang dem Vortrag der Beigeladenen und des Beklagten, daß solche besonderen Gründe
in Falle J. bestehen, die es rechtfertigen, im Rahmen der Ermächtigung eine Kannleistung als Teilversorgung zu
gewähren, die auf § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG beruht (so auch BSG Urt. v. 10.2.1972, Az.: 8 RV 427/71). Diese
Vorschrift enthält damit eine von § 64 Abs. 1 i.V.m. §§ 38, 40 BVG abweichende Regelung, bei der im Einzelfall die
Gesamtumstände nicht außer Betracht gelassen werden können. Eine derartige Regelung stellt keinen Verstoß gegen
den in Art. 20 GG enthaltenen Grundsatz der Sozial- und Rechtsstaatlichkeit oder gegen andere übergesetzliche
Vorschriften des GG – hier besonders Art. 3 GG – dar. Denn die Verwaltung hat sich mit der Gewährung der
Teilversorgung im Rahmen des Gesetzes gehalten. Ihre Regelung verstößt auch nicht gegen den
Verfassungsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit und auch nicht gegen den der Sozialstaatlichkeit, weil die Richtlinien
Ost diesen Grundsätzen entsprechen. Die angefochtene Ermessensentscheidung verletzt ferner nicht das in Art. 3
GG normierte Grundrecht der Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz. Dieser Grundsatz verbietet, daß
wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird, ohne daß ein sich aus der Sache ergebender oder sonst wie
einleuchtender Grund für die ungleiche Behandlung vorliegt. Eine Regelung darf nicht willkürlich sein (BVerfG 1, 14
ff.). Eine Willkür kann aber nicht darin gesehen werden, daß die Auslandversorgung anderen Regelungen unterliegt als
die Inlandsversorgung und daß sie nicht in der Höhe gewährt wird, in der im Inland ein Versorgungsanspruch besteht.
Diese unterschiedliche Behandlung ist durch die bestehenden Ungleichheiten gerechtfertigt, wobei jedoch innerhalb
der Auslandsversorgung eine gleiche Behandlung unter Berücksichtigung der einzelnen Lebensverhältnisse im
Aufenthaltsstaat gewährleistet ist.
Diese besonderen Gesichtspunkte bei der Versorgung von Kriegsopfern in Ost- und Südosteuropa haben den
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung legitimiert, im Rahmen einer pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens
einschränkende Ausnahmen von seiner allgemein erteilten Zustimmung zur Gewährung der Versorgung zu treffen,
sowohl dem Grunde wie der Höhe nach. Das ergibt sich aus § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG, wonach der Bundesminister für
Arbeit und Sozialordnung berechtigt ist, eine Teilversorgung zu gewähren (BSG in SozR Nr. 2 zu § 64 BVG). Die
Ermächtigung gestattet, ihre Art, Höhe und Dauer festzulegen und aus besonderen Gründen wieder einzuschränken
oder zu entziehen.
Wenn das BSG aus § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG folgert, daß dem BMA eine Berechtigung zur Zulassung einer
sachgerechten abgestuften Versorgung erteilt worden ist, so ist dem in vollem Umfange zuzustimmen. Diese
Erwägungen sind nämlich auf sachgerechte Gründe gestützt, durch die die Unterschiede in den staatspolitischen,
wirtschaftlichen und rechtlichen Sach- und Lebensverhältnissen zwischen den beteiligten Ländern gebührend
berücksichtigt sind. Ein fehlerhafter Gebrauch bei der Ausübung des insoweit eingeräumten Ermessens ist damit nicht
feststellbar, so daß kein Raum für eine Beanstandung dieser Regelung durch die Gerichte bleibt (BSG 15, 161, 167;
Urt. v. 25.5.1971 Az.: 10 RV 579/69). Vielmehr zwingen derartige übergeordnete Gründe zu einer pauschalen
Regelung der Geilversorgung. In ihrem Rahmen brauchen die Gerichte nicht nachzuprüfen, ob Art und Umfang der
Teilversorgung und ihrer Bedingungen im Einzelfall zweckmäßig und angepaßt sind.
Der Senat konnte damit nicht feststellen, daß die von dem Beklagten getroffene Regelung der Teilversorgung ab 1.
Januar 1969 mit monatlich 70,– DM einen Ermessensfehlgebrauch im Sinne der Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 2
SGG darstellt. Damit war auf die Berufungen der Beigeladenen und des Beklagten das Urteil des Sozialgerichts
Frankfurt/Main vom 9. März 1971 aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.