Urteil des LSG Hessen vom 05.09.2007

LSG Hes: treu und glauben, aufrechnung, erlass, angemessenheit, darlehensvertrag, verzicht, hauptsache, vermieter, widerruf, heizungsanlage

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 05.09.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 8 AS 181/07 ER
Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 145/07 ER
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 27. März 2007 wird
zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des
Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am 27.04.2007 bei dem Sozialgericht Kassel eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin, der das
Sozialgericht mit Entscheidung vom 30.04.2007 nicht abgeholfen hat, mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 27.03.2007 aufzuheben und den Antrag der Antragsteller
zurückzuweisen
ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zunächst zu Recht verpflichtet, an die Antragsteller vorläufig bis zum
Abschluss des Widerspruchsverfahrens weitere Kosten für die Heizung in Höhe von 26,46 EUR zu zahlen. Insoweit
liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist
sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als
auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die
glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Grundsätzlich
soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht
vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes - GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung
schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine
nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988
– 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den
Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem
Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund
ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Beschluss des 7. Senates des Hessischen
Landessozialgerichts vom 29.06.2005, Az. L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig, SGG, § 86b, Rdnr. 28). Ist die Klage in
der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne
Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist.
Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln
offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des
Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 24.05.2004, Az. L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom
31.07.2002, Az: L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung
stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang
des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Davon ausgehend ist das Sozialgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsteller nach der im
vorliegenden Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung einen
Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Kosten für die Heizung in Höhe von 26,46 EUR monatlich glaubhaft gemacht
haben. Der erforderliche Anordnungsanspruch ist damit gegeben.
Im Hinblick auf die nach § 22 Abs. 1 SGB, Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
berücksichtigungsfähigen laufenden Kosten für die Heizung ist nach mittlerweile gesicherter Rechtsprechung (z. B.
Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.03.2006, Az. L 9 AS 124/05 ER; Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.12.2005, Az. L 8 AS 427/05 ER; Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, Az. L 19 B 68/05 AS ER; Landessozialgericht Thüringen, Beschluss vom
07.07.2005, Az. L 7 AS 334/05 ER) auf die Festsetzungen im Mietvertrag oder auf die Vorauszahlungsfestsetzungen
der Energieversorgungsunternehmen abzustellen, für die eine Vermutung der Angemessenheit spricht, soweit nicht
konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen (so auch
Münder, SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, § 22, Rdnr. 65; Juris Praxiskommentar, SGB II, § 22, Rdnr. 62). Dies
hat zur Folge, dass der Leistungsträger im Zweifel das Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte konkret darzulegen
und ggf. zu beweisen hat. Kommt er dem nicht nach, hat es bei der Vermutung der Angemessenheit zu verbleiben.
So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin hat lediglich darauf verwiesen, sie orientiere sich im Interesse der
Gleichbehandlung der Leistungsempfänger an Pauschalbeträgen für bestimmte Brennstoffe. Dies entspricht jedoch
nicht der Intention des Gesetzgebers, der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind, geregelt hat. Die Anwendung von Pauschalbeträgen ist
damit gerade nicht gesetzeskonform. Die Antragsgegnerin hat selbst darauf verwiesen, dass die Höhe der Heizkosten
von zahlreichen Faktoren wie Bauzustand der Wohnung, Lage im Gebäude, Geschosshöhe, Wärmeisolierung,
Heizungsanlage und meteorologischen Daten abhängt. Diese Faktoren stehen überwiegend nicht zur kurzfristigen
Disposition des Hilfeempfängers. Dementsprechend kommt es, wie bei der Ermittlung der Bruttokaltmiete, auf die
Besonderheiten des Einzelfalles an. Die Antragsgegnerin zitiert die Entscheidung des 9. Senates des Hessischen
Landessozialgerichtes vom 21.03.2006 (L 9 AS 124/05 ER) verkürzt, wenn sie darauf verweist, nach dieser
Entscheidung könne eine Orientierung an quadratmeterbezogenen Richtwerten erfolgen. Dies steht – wie der 9. Senat
zutreffend ausgeführt hat – unter der Prämisse, dass die Richtwerte nach Maßgabe der Besonderheiten des
Einzelfalles anzupassen sind. Im Übrigen hat der 9. Senat ausgeführt, dass quadratmeterbezogene Richtwerte eben
nur einen Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Heizkosten bilden. Auch der weiteren Argumentation der
Antragsgegnerin ist nicht zu folgen, wonach das Abstellen auf die Vorauszahlungen an den Vermieter oder das
Energieversorgungsunternehmen mit § 22 Abs. 1 SGB II nicht vereinbar sei, weil es auf die tatsächlichen
Aufwendungen ankomme. Gerade Vorauszahlungen stehen in einem Bezug zu den tatsächlichen Heizkosten (in aller
Regel orientiert an den tatsächlichen Kosten der letzten Heizperiode), während die Antragsgegnerin auf
Pauschalbeträge für bestimmte Brennstoffe abstellen will, die als Durchschnittswerte keinerlei Bezug zu den
genannten Faktoren haben, die für die Höhe der Heizkosten im Einzelfall aber bestimmend sind.
Nach alledem hat es dabei zu verbleiben, dass für die Angemessenheit der Heizkosten auf die Vorauszahlungen
aufgrund des Mietvertrages oder aufgrund der Festsetzungen der Energieversorgungsunternehmen abzustellen ist,
sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Verhalten vorliegen.
Derartige Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht schlüssig dargetan. Diese
hat lediglich pauschal geltend gemacht, Vorauszahlungen seien in aller Regel höher als die zu erwartenden Kosten,
um spätere Nachforderungen zu vermeiden. Weiter könne der Leistungsträger unwirtschaftliches Heizverhalten kaum
nachweisen. Die Heizkosten der Antragsteller seien fast doppelt so hoch wie die von ihr ermittelten angemessenen
Heizkosten (unter Anwendung der Pauschalbeträge). Ob auch im Falle der Antragsteller erhöhte und unangemessene
Vorauszahlungen festgesetzt sind, hat die Antragsgegnerin damit gerade nicht dargetan. Die Antragsgegnerin
verkennt die aufgezeigte Darlegungs- und Beweislast, wenn sie vorträgt, die Antragsteller hätten keine triftigen Gründe
wie zum Beispiel schlechte Bausubstanz geltend gemacht, so dass eine Anpassung der quadratmeterbezogenen
Richtwerte nach oben nicht erfolgen könne. Es ist vielmehr Aufgabe der Leistungsträger die Besonderheiten des
Einzelfalles im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu klären und daran die Leistungen auszurichten. Die
Antragsgegnerin hat jedoch keinerlei Ermittlungen getätigt, sondern lediglich Pauschalbeträge zugrunde gelegt. Dies
steht, wie ausgeführt, mit § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht im Einklang. Im Übrigen ist hier kein Abzug in Höhe von 18%
für den Warmwasseranteil vorzunehmen, weil die Warmwasserbereitung nicht über die Heizungsanlage, sondern über
einen elektrisch betriebenen Durchlauferhitzer erfolgt. Dies hat die Gemeinde A-Stadt als Vermieter unter dem
27.03.2007 bestätigt. Im Ergebnis ist nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Anspruch der Antragsteller auf
Berücksichtigung weiterer Kosten für die Heizung in Höhe von 26,46 EUR monatlich glaubhaft gemacht.
Der Senat folgt dem Sozialgericht auch, soweit es die Antragsgegnerin verpflichtet hat, von der monatlichen
Einbehaltung eines Betrages von 50,00 EUR zur Tilgung des Darlehens für die Mietkaution abzusehen. Auch insoweit
ist von einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch auszugehen. In der Literatur wird die Auffassung vertreten,
dass ein solches Darlehen grundsätzlich zins- und tilgungsfrei zu gewähren ist (so Münder, SGB II, Lehr- und
Praxiskommentar, § 22, Rdnr. 101). Dem tritt der Senat zumindest für den Fall, dass die gewährten laufenden
Grundsicherungsleistungen die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO nicht übersteigen, bei. Hierfür sind folgende
Erwägungen bedeutsam: Rechtsgrundlage für die Erbringung einer Mietkaution als Darlehen ist § 22 Abs. 3 S. 3 SGB
II. Demgegenüber regelt § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II die Gewährung eines Darlehens im Einzelfall zur Deckung eines
(sonstigen) unabweisbaren Bedarfs. Nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II wird ein solches Darlehen durch monatliche
Aufrechnung in Höhe von bis zu 10% der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in
Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Eine entsprechende Regelung
zur Tilgung des Darlehens enthält § 22 Abs. 3 SGB II gerade nicht. Bereits diese Gesetzessystematik legt den
Schluss nahe, dass der Gesetzgeber nicht von einer Tilgung eines Mietkautionsdarlehens vor Fälligkeit des
entsprechenden Rückzahlungsanspruches ausgegangen ist. Den Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzesbegründung zu §
22 Abs. 3 SGB II, BT-Drucks 16/1688, Seite 14) ist zu entnehmen, dass der zuständige Leistungsträger eine
Mietkaution grundsätzlich in Form eines Darlehens erbringen solle, da sich aus der Natur der Mietkaution bereits
ergebe, dass diese im Regelfall an den Mieter zurückfließe. Insofern sei es im Regelfall nicht gerechtfertigt, die
Kaution dem Hilfebedürftigen endgültig zu belassen. Die Gesetzesbegründung enthält damit keine ausdrücklichen
Hinweise auf die Möglichkeit einer ratenweisen Tilgung des Darlehens aus den laufenden Grundsicherungsleistungen.
Ebensowenig enthält die Begründung einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass das Darlehen erst nach Rückzahlung
der Kaution durch den Vermieter getilgt werden soll. Der Gesamtzusammenhang spricht jedoch dafür, dass der
Gesetzgeber von einem tilgungsfreien (und zinsfreien) Darlehen ausgegangen ist. Zumindest geben sowohl der
Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzesbegründung im Hinblick auf die Möglichkeit einer (Sonder-) Aufrechnung
nichts her, so dass für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Rückzahlungsvereinbarung im Darlehensvertrag auf die
allgemeine Vorschrift des § 51 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB I) abzustellen ist. Insoweit ist
der Einbehalt von Teilen der laufenden Grundsicherungsleistungen zur Tilgung des Darlehens auf der Grundlage des
Darlehensvertrages als Aufrechnung zu beurteilen (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom
06.09.2006, Az. L 13 AS 3108/06 ER). Nach § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen
Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf
Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. § 54 Abs. 2 SGB I regelt die Pfändbarkeit von
einmaligen Geldleistungen und kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht. Nach § 54 Abs. 4 SGB I können
Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Die Pfändungsgrenzen für
Arbeitseinkommen ergeben sich aus § 850c Abs. 1 ZPO. Danach unterfällt ein monatlicher Betrag von 930,00 EUR
dem Pfändungsschutz. Dieser Betrag erhöht sich im Falle einer Unterhaltsgewährung aufgrund gesetzlicher
Verpflichtung für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, um 350,00 EUR monatlich. Der Antragsteller zu 1. lebt
zusammen mit dem Antragsteller zu 2., seinem minderjährigen Sohn, in einer Bedarfsgemeinschaft.
Dementsprechend gilt hier eine Pfändungsgrenze von 1.280,00 EUR. Die Antragsgegnerin leistete in der Zeit vom
01.03.2007 bis 30.04.2007 aufgrund des Bescheides vom 01.03.2007 an die Antragsteller einen monatlichen Betrag
von 717,40 EUR. Wird das gezahlte Kindergeld von 154,00 EUR hinzugerechnet, so ergab sich ein
Gesamteinkommen der Antragsteller von 871,40 EUR. Dieser Betrag, der den Grundsicherungsbedarf darstellt, bleibt
deutlich unter der genannten Pfändungsgrenze von 1.280,00 EUR zurück. Sogar der Pfändungsfreibetrag für eine
Einzelperson von 930,00 EUR wird unterschritten. Dies gilt gleichermaßen für die Leistungen ab dem 01.05.2007. Die
Antragsgegnerin leistet seit diesem Zeitpunkt monatlich 743,86 EUR an die Antragsteller (Bescheid vom 03.05.2007).
Mithin besteht keinerlei Raum für eine Aufrechnung gegen die Ansprüche der Antragsteller mit dem Anspruch auf
Darlehensrückzahlung.
Im Übrigen führt § 51 Abs. 2 SGB I zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen bezieht sich die Vorschrift auf - hier
nicht gegebene - Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen bzw. auf Beitragsansprüche. Zum
anderen kann die Aufrechnung nur bis zum Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit oder Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II
erfolgen. Die Antragsteller sind jedoch bereits entsprechend hilfebedürftig. Weiter findet auch § 43 Abs. 1 SGB II
keine Anwendung, der eine privilegierte Aufrechnung zulässt, soweit es um Ansprüche auf Erstattung oder auf
Schadensersatz geht, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige
Angaben veranlasst hat. Auch ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Im Ergebnis hat es dabei zu verbleiben, dass zu
keinem Zeitpunkt seit dem 01.03.2007 eine Aufrechnung zulässig war bzw. ist.
Dies hat zur Folge, dass die in dem Darlehensvertrag vom 25.01.2007 enthaltene Tilgungsvereinbarung in Höhe von
50,00 EUR monatlich beginnend mit dem Monat nach Auszahlung des Darlehens rechtswidrig ist. Es kann
dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung gemäß § 58 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch,
Verwaltungsverfahren (SGB X) i.V.m. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig ist. Der Antragsgegnerin ist es
jedenfalls in Anwendung des in § 242 BGB geregelten und über § 61 S. 2 SGB X anwendbaren Grundsatzes von Treu
und Glauben verwehrt, sich auf die Tilgungsvereinbarung als Rechtsgrundlage für die Aufrechnung zu berufen, denn
die Antragsgegnerin hat die Aufnahme der rechtswidrigen Rückzahlungsvereinbarung in den Darlehensvertrag
veranlasst. Es würde eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn sie sich nun darauf berufen könnte.
Gleiches gilt im Hinblick auf den Vortrag der Antragsgegnerin, in dem Darlehensvertrag liege ein (Teil-) Verzicht auf
Sozialleistungen im Sinne des § 46 Abs. 1 1. Halbs. SGB I, der zu einem entsprechenden Erlöschen des
Sozialleistungsanspruches geführt habe. Auch hierauf kann sich die Antragsgegnerin nach Treu und Glauben nicht
berufen, denn sie selbst hat den Verzicht - rechtswidrig - herbeigeführt. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren
Ausführungen zu der Frage, ob der Antragsteller zu 1. den Verzicht wirksam nach § 46 Abs. 1 2. Halbsatz SGB I
widerrufen und welche Auswirkungen ein solcher Widerruf des Verzichts im Falle von Dauerleistungen hat. Insoweit
spricht viel dafür, dass die Angaben des Antragstellers zu 1. im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung vom 09.03.2007 und aus Anlass der weiteren Vorsprache bei dem Sozialgericht am 12.03.2007 als
konkludent erklärter Widerruf des Verzichts zu werten sind. Es reicht aus, wenn dem Wortlaut und den
Begleitumständen der Erklärung entnommen werden kann, dass an dem Verzicht nicht mehr festgehalten wird. Auch
ist eine Erklärung gegenüber dem Gericht ausreichend, zumal hier sowohl der Antrag vom 09.03.2007 als auch der
Vermerk vom 12.03.2007 der Antragsgegnerin zugeleitet worden sind. Weiter ist entgegen der Auffassung der
Antragsgegnerin davon auszugehen, dass der Widerruf eines Verzichts bei laufenden Leistungen alle nach dem
Zugang des Widerrufs fälligen Teilleistungen erfasst. Einer weiteren Vertiefung bedarf es jedoch - wie ausgeführt -
nicht.
Der Senat hat weiter bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass es für die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
gebotene summarische Prüfung lediglich auf einen Anordnungsanspruch im Sinne einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit ankommt. Dieser war - auch unter Berücksichtigung der Folgen für die Beteiligten - zu bejahen.
Insoweit führt der Ansatz weiterer Heizkosten zu lediglich geringfügig höheren Leistungen an die Antragsteller (26,46
EUR monatlich). Dies rechtfertigt, die endgültige Klärung verbleibender Zweifel im Hauptsacheverfahren
herbeizuführen. Sollte sich erweisen, dass die einstweilige Anordnung insoweit von Anfang an ganz oder teilweise
ungerechtfertigt war, sind die Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der
Vollziehung der Anordnung entsteht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO). Im Hinblick auf die Aussetzung des
Einbehalts von monatlich 50,00 EUR entsteht der Antragsgegnerin ohnehin kein Schaden, weil der
Rückzahlungsanspruch aufgrund des Darlehensvertrages, der zudem durch die Abtretung des
Kautionsrückzahlungsanspruches des Antragstellers zu 1. gesichert ist, davon unberührt bleibt.
Letztlich ist auch der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Hiervon ist offenbar auch das Sozialgericht
ausgegangen, auch wenn es dazu keine Ausführungen gemacht hat. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss
für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige
Entscheidung erfordert (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07.11.2005, Az. L 9 AS 66/05; Conradis,
SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der
Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Meyer-Ladewig, SGG, § 86b Rdnr. 28). Derartige
erhebliche Nachteile sind hier zu bejahen, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nicht gedeckte Bedarf im
Hinblick auf die Heizkosten bestritten werden kann. Insoweit verfügen die Antragsteller abgesehen von dem
Kindergeld über keinerlei eigene Einkünfte und Vermögen. Dies gilt zumindest für die Zeit seit dem 01.03.2007. Weiter
führt die Herabsetzung der laufenden Leistungen nach dem SGB II im Wege der Aufrechnung zur Tilgung des
Mietkautionsdarlehens dazu, dass das gesetzlich gewährleistete Existenzminimum nicht mehr sichergestellt ist.
Insgesamt ist es deshalb den Antragstellern nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).