Urteil des LSG Hessen vom 27.07.1983

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.07.1983 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 5 Ar 122/82
Hessisches Landessozialgericht L 6 Ar 1296/82
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. November 1982 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs in der Zeit ab dem 1. März 1982.
Der Kläger ist 1941 geboren. Er ist Versicherungskaufmann und verfügt über eine Ausbildung als staatlich geprüfter
Betriebswirt.
Der Kläger war bis September 1974 als Sachbearbeiter in verschiedenen Versicherungsunternehmen beschäftigt. In
der Folgezeit bezog er bis zum 31.12.1979 Leistungen durch die Beklagte in Form von Arbeitslosengeld,
Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld.
In der Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 30. September 1981 war der Kläger als kaufmännischer Angestellter bei Firma
KG, KX., beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Monatsgehalt von 2.746,00 DM. Am 29. September 1981 meldete sich der
Kläger mit Wirkung zum 1. Oktober 1981 arbeitslos und stellte einen Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Am 13.
Oktober 1981 teilte er der Beklagten mit, er sei ab 7. Oktober 1981 bei Firma Immobilien, beschäftigt. Am 11.
November 1981 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und bat darum, daß nunmehr "ohne Verzug” über
seinen Antrag auf Arbeitslosengeld entschieden werde. Durch Bescheid vom 27. November 1981 bewilligte die
Beklagte daraufhin dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Oktober 1981 bis zum 7. Oktober 1981 unter
Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgeltes von 635,00 DM und einer dem Grunde nach gegebenen
Anspruchsdauer von 234 Leistungstagen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und Klage, die vor
dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S-5/Ar-12/82 geführt wurde. Nachdem die Beklagte durch
Bescheid vom 9. Februar 1982 das der Leistungsbemessung zugrunde liegende Arbeitsentgelt auf nunmehr 660,00
DM erhöht hatte, erklärte der Kläger in diesem Verfahren die Hauptsache durch Schriftsatz vom 23. September 1982
für erledigt.
Das am 7. Oktober 1981 begonnene Arbeitsverhältnis des Klägers bei Firma endete am 28. Februar 1982 durch
arbeitgeberseitige Kündigung. In diesem Arbeitsverhältnis hatte der Kläger zuletzt einen Monatsverdienst von
3.026,00 DM bezogen. Am 12. Februar 1982 stellte der Kläger mit Wirkung zum 1. März 1982 einen Antrag auf
Wiederbewilligung von Arbeitslosengeld. Aufgrund dieses Antrages bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 11.
März 1982 Arbeitslosengeld für die Dauer von nunmehr noch 229 Leistungstagen. Sie legte wiederum ein
Arbeitsentgelt von 635,00 DM zugrunde. Mit seinem Widerspruch vom 22. März 1982 wandte sich der Kläger gegen
diesen Bescheid und beanstandete die bewilligte Höhe und Dauer der Leistung. Durch Widerspruchsbescheid vom 26.
März 1982 wurde der Widerspruch, soweit er sich gegen die Dauer des Leistungsanspruchs richtete, zurückgewiesen,
da der Kläger keine neue Anwartschaft bei Firma begründet habe. Im Bescheid vom 14. April 1982 wurde die Höhe
des Arbeitslosengeldes neu festgesetzt und nunmehr auch für die Zeit ab 1. März 1982 von einem wöchentlichen
Arbeitsentgelt von 660,00 DM ausgegangen. Auf dieser Grundlage erhielt der Kläger schließlich in der Folgezeit bis
zum 22. November 1982 Arbeitslosengeld und im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe, die durch den Bezug von
Unterhaltsgeld unterbrochen war. Soweit sich der Kläger noch gegen die Höhe der ab 1. März 1981 bewilligten
Leistung wandte, wurde sein Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22. April 1982 gleichfalls
zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger am 3. Mai 1982 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, ihm stehe statt der
bewilligten 229 Leistungstage ein Arbeitslosengeldanspruch für insgesamt 312 Leistungstage für die Zeit ab dem 1.
März 1982 zu. Zwar habe er sich bereits am 1. Oktober 1981 erstmals arbeitslos gemeldet. Die Beklagte habe ihn
jedoch davon in Kenntnis setzen müssen, daß es für ihn vorteilhafter sein könnte, auf die Leistung während der Zeit
vom 1. Oktober 1981 bis zum 6. Oktober 1981 zu verzichten, um dadurch einen längeren und höheren – auf dem
Verdienst bei Firma beruhenden – Arbeitslosengeldanspruch zu begründen.
Durch Urteil vom 16. November 1982 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat
ausgeführt, durch die Beschäftigung bei Firma habe der Kläger keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben,
so daß ab dem 1. März 1982 der alte Anspruch fortbestanden habe. Der geltend gemachte Anspruch stehe ihm auch
nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Die Beklagte habe auch keine ihr obliegende
Aufklärungspflicht verletzt; sie sei insbesondere nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß er im
Falle eines Verzichtes auf den Anspruch für die Zeit vom 1. bis 6. Oktober 1981 bei einer eventuellen späteren
Arbeitslosigkeit möglicherweise einen höheren und längeren Anspruch haben werde.
Gegen dieses dem Kläger am 1. Dezember 1982 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Dezember 1982
eingegangene Berufung. Der Kläger führt aus, für die Beurteilung der anstehenden Rechtsfragen sei allein auf den 27.
November 1981, den Tag des Erlasses des ersten Leistungsbescheides, abzustellen. An diesem Tage habe die
Beklagte gewußt, daß ihm zur Erfüllung einer Anspruchsdauer von 312 Leistungstagen nur noch ganze 78
Beitragstage fehlten, nachdem für die Zeit ab dem 7. Oktober 1981 bis zu diesem Tage weitere
Arbeitslosenversicherungsbeiträge entrichtet worden waren. Bei pflichtgemäßer Beratung hätte die Beklagte ihn zu
diesem Zeitpunkt darauf aufmerksam machen müssen, daß es von Vorteil sein könnte, wenn er auf den Anspruch für
die Dauer von 5 Tagen verzichtete. Die Entscheidung über einen solchen Verzicht hätte dann bei ihm gelegen. Da ihm
die wirtschaftliche Lage des neuen Arbeitgebers bekannt gewesen sei, hätte er sich unter diesen Voraussetzungen zu
einem Leistungsverzicht entschlossen. Da aber auch die Beklagte von der wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers
habe wissen müssen, sei sie auch nicht durch den mit Wirkung zum 1. Oktober 1981 gestellten Leistungsantrag von
ihrer Verpflichtung zur Beratung entbunden worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Bescheid vom 11. März 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26. März 1982 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die bewilligten 229 Leistungstage hinaus für weitere
83 Leistungstage Arbeitslosengeld unter Anrechnung der bezahlten Arbeitslosenhilfe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Zwar habe jeder Antragsteller das Recht, vom
Arbeitsamt über seine Rechte und Pflichten informiert zu werden. Dieser Verpflichtung sei sie jedoch durch ihr
Merkblatt nachgekommen. Seitens der Beklagten habe auch kein Anlaß dazu bestanden, dem Kläger gegenüber
darauf hinzuweisen, daß es möglicherweise günstiger sein könnte, auf eine Antragstellung für einige wenige Tage im
Falle einer erneuten Arbeitsaufnahme zu verzichten, um so gegebenenfalls zu einem höheren Anspruch auf
Arbeitslosengeld zu kommen. Auch im Zusammenhang mit der Bearbeitung des die Zeit vom 1. Oktober 1981 bis
zum 6. Oktober 1981 betreffenden Antrags sei eine solche Notwendigkeit nicht gegeben gewesen. Weder das
Arbeitsamt noch der Kläger selbst hätten zu diesem Zeitpunkt gewußt, wie lange das neue Arbeitsverhältnis andauern
würde.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren
Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte der Beklagten (Arbeitsamt KX. St. – Nr. XXXXX), die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§ 151 Abs. 1,
§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Insbesondere steht § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG der eingelegten Berufung nicht
entgegen. Der Kläger macht mit seiner Berufung für die Zeit ab dem 1. März 1982 einen Leistungsanspruch auf
Arbeitslosengeld von 312 Leistungstagen gegenüber tatsächlich bewilligten 229 Leistungstagen geltend und damit
wiederkehrende Leistungen von insgesamt mehr als 13 Wochen. Dem entspricht insoweit auch sein in erster Instanz
gestellter Antrag. Daß der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren seine Bereitschaft hat erkennen lassen, bei einem
Obsiegen nachträglich gegebenenfalls noch auf die ihm in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis zum 6. Oktober 1981
erbrachte Leistung zu verzichten, steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen; denn die Möglichkeit einer
Rückabwicklung der Leistungsgewährung in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis zum 6. Oktober 1981 hat keinen
Eingang in die in erster und zweiter Instanz gestellten Anträge gefunden und ist demzufolge nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens geworden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht in der Zeit ab dem 1. März 1982 kein über die tatsächlich
bewilligten 229 Leistungstage hinausgehender Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Das Sozialgericht ist insoweit zu
Recht davon ausgegangen, daß der Kläger durch die Zwischenbeschäftigung in der Zeit vom 7. Oktober 1981 bis zum
28. Februar 1982 keinen weitergehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld begründet hat. Auch ein sozialrechtlicher
Herstellungsanspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld für einen über 229 Leistungstage hinausgehenden Zeitraum
steht dem Kläger nicht zu.
Nach § 106 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld
nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Bestimmungen innerhalb der Rahmenfrist. Nach § 106 Abs. 1 Nr.
4 AFG in der bis zum 31.12.1981 geltenden Fassung hatte der Kläger am 1. Oktober 1980 einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld für insgesamt 234 Leistungstage erworben. Dieser Anspruch ist – vermindert um die bereits
erbrachten fünf Leistungstage – auf den Zeitpunkt des erneuten Eintritts der Arbeitslosigkeit im Anschluß an das am
7. Oktober 1981 aufgenommene Arbeitsverhältnis übergegangen. Nur dann wäre dieser Anspruch als erloschen
anzusehen gewesen und damit beim Eintritt der erneuten Arbeitslosigkeit nicht mehr zum Tragen gekommen, wenn
zum Zeitpunkt der Antragstellung mit Wirkung zum 1. März 1981 ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden
wäre (§ 125 AFG). Dies ist jedoch unzweifelhaft nicht der Fall.
Ein neuer Anspruch entsteht nur dann, wenn auch eine neue Anwartschaft begründet worden ist (Henning-Kühl-Heuer
Anm. 7 zu § 106 AFG; BSG Urt. v. 4.9.1979 – 7 RAr 58/78 = Dienstblatt C Nr. 2546a AFG § 102). Dazu ist es indes
bei der Zwischenbeschäftigung des Klägers in der Zeit vom 7. Oktober 1980 bis zum 28. Februar 1981 nicht
gekommen, da nach § 104 Abs. 3 AFG die – grundsätzlich drei Jahre betragende – Rahmenfrist nicht in eine
vorangegangene Rahmenfrist, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte, hineinreicht, so daß
vorliegend für die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld allein auf die am 1. Oktober 1981 begründete
Anwartschaft abzustellen ist.
Dem Kläger steht auch nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Institut des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs kein weitergehender Arbeitslosengeldanspruch zu. Zwar hätte der Kläger, wenn er zum 1.
Oktober 1981 keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt hätte bzw. eine Bewilligung wegen eines nachfolgenden
Verzichts bzw. einer wirksamen Antragsrücknahme nicht gekommen wäre, am 1. März 1982 tatsächlich eine
Anwartschaftszeit auf einen Arbeitslosengeldanspruch in Höhe von 312 Leistungstagen erworben gehabt. Eine den
Herstellungsanspruch auslösende unterbliebene oder fehlerhafte Beratung der Beklagten gegenüber dem Kläger über
die Möglichkeiten einer solchen Vorgehensweise liegt jedoch nicht vor.
Das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dient der Abwendung desjenigen Schadens, der durch ein
rechtswidriges vorangegangenes Tun oder Unterlassen des Leistungsträgers – insbesondere im Zusammenhang mit
bestehenden Hinweis-, Belehrungs- oder Auskunftspflichten – verursacht worden ist. Das Entstehen solcher Hinweis-,
Belehrungs- oder Auskunftspflichten des Leistungsträgers setzt indes stets einen konkreten Anlaß voraus (BSG
SozR 7290 § 72 Nr. 7 m.w.N.), aus dem heraus diese Pflichten entstanden sind. Bereits daran fehlt es im
vorliegenden Fall.
Zwar hatte der Kläger bereits am 13. Oktober 1981 mitgeteilt gehabt, daß er ab dem 7. Oktober 1981 bei Firma eine
Tätigkeit aufgenommen habe. Dafür aber, daß die Beklagte zu diesem Zeitpunkt oder zum Zeitpunkt der
Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers gewußt hat oder jedenfalls hätte wissen müssen, daß Firma
... sich in einer wirtschaftlichen Situation befand, die eine erneute Arbeitslosigkeit vor Erfüllung einer neuen
Anwartschaftszeit zumindest unwahrscheinlich erscheinen ließ und daß im Anschluß an eine erneute Arbeitslosigkeit
ein über fünf Leistungstage hinausgehender Anspruch gegeben sein würde – allenfalls unter diesen engen
Voraussetzungen wäre ein entsprechender Hinweis der Beklagten zur Rücknahme des damals noch nicht
beschiedenen Arbeitslosengeldantrags in Betracht gekommen – gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Ob und wann das
Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, auch wenn dieser in einem Unternehmen tätig ist, dessen wirtschaftliche
Situation möglicherweise ungünstig ist, enden wird, hängt von so vielen Unwägbarkeiten ab, daß eine einigermaßen
sichere Aussage hierüber kaum jemals möglich sein wird. Dies gilt selbst dann, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse
dazu führen, daß – wie es offenbar bei Firma der Fall gewesen ist – ein Konkursverfahren eingeleitet wird, da auch bei
dessen Abwicklung dem Konkursverwalter ggf. noch Arbeitnehmer des in Konkurs geratenen Unternehmens zur
Verfügung stehen müssen, sei es, um das Unternehmen selbst fortzuführen oder aber auch, um dem
Konkursverwalter bei der Liquidation des Unternehmens zur Seite zu stehen. Anlaß zu einer Beratung, wie sie sich
der Kläger vorstellt, hätte für die Beklagte deshalb allenfalls dann bestanden, wenn etwa der Kläger seinerseits zum
damaligen Zeitpunkt der Beklagten bereits so konkrete Informationen über die Entwicklung seines
Arbeitsverhältnisses hätte zukommen lassen, daß daraus auch für die Beklagte die tatsächliche Entwicklung dieses
Arbeitsverhältnisses absehbar gewesen wäre. Dies war jedoch unzweifelhaft nicht der Fall.
Ohne eine solche Information und ohne eine auf den möglichen späteren Leistungsanspruch gerichtete gezielte
Anfrage des Klägers bestand unter diesen Voraussetzungen jedoch keine besondere Beratungspflicht der Beklagten
gegenüber dem Kläger. Nicht jede auch nur entfernt denkbare Möglichkeit der Gestaltung von Leistungsansprüchen
wird insoweit von der Beratungsverpflichtung eines Leistungsträgers nach § 14 SGB I umfaßt. Auch daß das
Merkblatt für Arbeitslose keinen Hinweis auf die Möglichkeiten eines Leistungsverzichts enthält, vermag insoweit den
vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht zu begründen. Merkblätter dieser Art sind ihrer Natur nach auf die
Zusammenfassung der wichtigsten beiderseitigen Rechte und Pflichten beschränkt.
Für die Zeit nach der erfolgten Entscheidung über den Arbeitslosengeldantrag des Klägers aus Anlaß der am 1.
Oktober 1981 eingetretenen Arbeitslosigkeit – also zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte bereits von der
bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses wußte – konnte eine dem Ziel des Klägers entsprechende
Beratung und Information durch die Beklagte nicht mehr erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt war ein Verzicht des Klägers
im Sinne von § 46 SGB I auf die für die Zeit vom 1. Oktober 1981 bis zum 6. Oktober 1981 erfolgte
Arbeitslosengeldzahlung nicht mehr möglich. Auf bereits bewilligte und vom Leistungsempfänger vorbehaltlos
entgegengenommene Leistungen kann insoweit nicht mehr rechtswirksam verzichtet werden, da auf sie kein
Anspruch mehr besteht (Jahn SGB I, Anm. 3 zu § 46).
Auch eine nachträgliche Rücknahme des aus Anlaß der am 1. Oktober 1981 eingetretenen Arbeitslosigkeit gestellten
Leistungsantrags kam nach diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht. Daß der Kläger gegen den Leistungsbescheid
vom 27. November 1981 Widerspruch eingelegt und vor dem Sozialgericht Kassel Klage erhoben hatte, steht dieser
Auffassung nicht entgegen. Denn jedenfalls in dem Umfang, wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 27. November
1981 dem Kläger bereits Leistungen zugestanden und diese auch ausgezahlt hatte, war dieser Bescheid gegenüber
dem Kläger bindend geworden (BSGE 47, S. 288). Damit jedoch war der Antrag des Klägers insoweit verbraucht (BSG
Urt. v. 25.9.1979 – 3 RK 22/79 = DAngVers 1980, S. 137), so daß die Rücknahme des Antrags ab diesem Zeitpunkt –
ähnlich etwa wie die Rücknahme eines Rechtsmittels – keinen Einfluß mehr auf den insoweit bereits erledigten Teil
des ursprünglichen Anspruchs haben kann.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Revision hat der Senat gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung beimißt.