Urteil des LSG Hessen vom 18.12.1996

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.12.1996 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 10/19 U 1319/90
Hessisches Landessozialgericht L 3 U 144/94
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 1993 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte einen Unfall des Klägers vom 24. Juni 1984 als Arbeitsunfall zu entschädigen hat.
Der Unfall ereignete sich laut Angaben des Klägers am 24. Juni 1984 (Sonntag) gegen 24.00 Uhr auf dem Gelände
des Hotels Q. in C./Italien, als der Kläger auf dem Rückweg von einem "Geschäftsessen” im Rahmen eines
"Geschäftsführer-Meetings” zum Hotel den Weg zu seinem Zimmer durch ein Gartentor abkürzen wollte, dieses, da es
verschlossen war, überstieg und aus einer Höhe von 2,5 m heruntersprang. Dabei zog er sich Frakturen des Beckens,
der Fersenbeine rechts und links und des rechten Handgelenks zu.
Der Kläger und seine drei Brüder H. K. und B. waren zur Zeit des Unfalls mit gleichen Anteilen und Stimmrecht
Gesellschafter der R. GmbH sowie deren Geschäftsführer. Die GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin
(Komplementärin) der P. GmbH und Co Maschinen-Werkzeuge KG, an der wiederum der Kläger und seine drei Brüder
als Kommanditisten mit gleichen Anteilen beteiligt waren. Hauptzweck der KG war laut § 2 des
Gesellschaftsvertrages aus dem Jahre 1974 die Herstellung von Werkzeugen, insbesondere Rohrwerkzeugen,
Arbeitsgerät, Lötmaterial, Werkzeugen und Gerätschaften der Schweißtechnik sowie der Handel mit Werkzeugen und
Maschinen. Im Gesellschaftsvertrag war bestimmt, daß die Kommanditisten G. H. und K. R. verpflichtet sind, "ihre
Arbeitskraft vollen Umfangs in den Dienst der Gesellschaft zu stellen” und am Gewinn u.a. derart beteiligt sind, daß
sie für ihre geschäftsführende Tätigkeit eine monatliche Vorabvergütung von 4.000,– DM und ferner eine Tantieme
erhalten; die R. GmbH war für die Übernahme der persönlichen Haftung am Gewinn beteiligt (§§ 6, 7). In § 10 hieß es,
daß die Gesellschafter G. H. und K. R. die geschäftsführende Tätigkeit für die Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als
Geschäftsführer der Rothenberger GmbH ausüben und verpflichtet sind, die Tätigkeitsgebiete unter sich aufzuteilen.
Wesentliche, insbesondere über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Maßnahmen der
Geschäftsführung waren von den geschäftsführenden Gesellschaftern gemeinschaftlich mit Stimmenmehrheit zu
entscheiden. § 12 des Gesellschaftsvertrages sah vor, daß ein Gesellschafter, der in Angelegenheit der
Geschäftsführung sein eigenes Stimmrecht ausübt, von der Ausübung des Stimmrechts der R. GmbH
ausgeschlossen ist. In § 14 hieß es, daß es keiner Gesellschafterversammlung bedarf, solange die Gesellschafter der
R. GmbH, deren Geschäftsführer und die Kommanditisten identisch sind. Die R. GmbH und Co KG war u.a. an zwei
Unternehmen in Italien beteiligt, nämlich zum einen an der Firma R. zu 60 % sowie an der Firma H zu 16 %
unmittelbar und 24 % mittelbar über eine spanische R. Tochter. Der Kläger und seine drei Brüder waren ferner mit
gleichem Anteil und Stimmrecht Gesellschafter der R. Produktions GmbH (ehemals S.-E. Werkzeuge GmbH). Deren
Gegenstand und Zweck war laut § 2 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom 14. Mai 1984 die Entwicklung
und die Produktion von Werkzeugen und Maschinen sowie der Handel mit solchen. Zu alleinvertretungsberechtigten
Geschäftsführern waren der Kläger und der Ingenieur R. H. bestellt. Die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer
der R. Produktions GmbH erfolgte nach seinem Vortrag im Berufungsverfahren deshalb, weil in der KG nach
Aufteilung gemäß § 10 des Gesellschaftsvertrags zu seinem Tätigkeitsbereich die Produktion und Neuentwicklung,
die Neueinführung von Produkten und technische Begleitung gehörten, während H. R. für Export und
Auslandsbeteiligungen, K. R. für Handel mit Schweißtechnik, Standardwerkzeugen und Maschinen und B. R. für die
innere Verwaltung zuständig waren. § 5 des Gesellschaftsvertrages der R. Produktions GmbH sah vor, daß
Geschäftsführer, die zugleich Geschäftsanteile an der Gesellschaft innehaben, von ihrem Amt nur aus wichtigem
Grund und "nur durch einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter” abberufen werden können.
Die Anzeige des Unfalls vom 24. Juni 1984 bei der Beklagten erfolgte auf Verlangen der Barmer Ersatzkasse. Die
Anzeige vom 10. August 1984 war vom Kläger unterschrieben und mit dem Firmenstempel der R. GmbH und Co
Werkzeuge-Maschinen KG, Kelkheim, Industriestraße 7, versehen. In ihr wurde der Verletzte als Unternehmer
bezeichnet. Die angegebene Mitgliedsnummer 6/6595762 betraf die S.-E. GmbH bzw. Produktions GmbH. Antragen
der Beklagten wegen der Einzelheiten des Unfalls wurden vom Kläger unter der Firma der R. GmbH und Co
Werkzeuge-Maschinen KG beantwortet, so mit Schreiben vom 5. September 1984 und 22. Oktober 1984. Darin hieß
es u.a., daß Zweck der am 20. Juni 1984 in Begleitung des Beiratsvorsitzenden A. R angetretenen Reise nach C.
"Gespräche zwischen R. I. SRL – Herrn B., Hydrocenter s.p.a. – Herrn M. und R. GmbH und Co KG – Herrn G. R.,
Herrn B. R.” gewesen sei. Thema und Grund des Geschäftsführertreffens sei der "Ausbau Italien” und im einzelnen
gewesen: a) Änderung der Geschäftsanteile auf 50:50 bei H. und R. I, b) Produktinformation aus Italien, c)
Umschichtung von Bedarf von Konkurrenz auf R., d) Strategie und Philosophie, e) gemeinsame Kundenbesuche von
Herrn G. R. mit R.-Vertreter Herrn N. P. im Großraum N. /P ... Das Geschäftsessen am 24. Juni 1984 von 21.00 Uhr
bis 24.00 Uhr sei Ausklang der Gespräche gewesen und habe der Klärung von Feinheiten gedient. Auch während
dieses Essens seien praktisch nur geschäftliche Punkte besprochen worden, vornehmlich zwischen G. und B. R. und
dem Beiratsvorsitzenden R., denn es sei um Wettbewerbsfragen, Organisation sowie Beteiligungsfragen gegangen.
Es sei eine allgemeine Auswertung der Gespräche vom 23. und 24. Juni 1984 erfolgt mit dem Ziel: 50 % Beteiligung
an R. I., 50 % Beteiligung an H., Direktbelieferung von Großkunden wie N. P ... Zum Nachweis dessen, daß bei dem
Treffen in C. über konkrete geschäftliche Interessen gesprochen wurde, wurden der Beklagten drei Schreiben
vorgelegt, die der Kläger anschließend am 18. Juli 1984 unter dem Briefkopf "P. International” – einer gesonderten
Abteilung innerhalb der R. GmbH und Co KG – an H. (Herrn M.), R. I. (Herrn B.) sowie H. R. gerichtet hatte.
Im weiteren wurden die sozialversicherungsrechtliche Stellung des Klägers, die unfallbringende Tätigkeit und der
eigentliche Unfallhergang mit dem Kläger auch noch in einem persönlichen Gespräch erörtert. In dem vom Kläger
durch seine Unterschrift genehmigten Gesprächsvermerk vom 6. Februar 1985 hieß es u.a., daß die R. KG durch
Umstrukturierung in den Unternehmen bereits seit einiger Zeit keine Herstellung mehr betreibe, sondern nur noch
Handel, und die S.-E. GmbH bzw. Produktions GmbH sich hälftig mit der Produktion von Werkzeugen und Maschinen
sowie mit dem Handel dieser Produkte befasse. Die Entwicklung der Unternehmensgruppe habe in der R. KG ihren
Anfang genommen. Hier befinde sich auch das Zentrum der Unternehmensgruppe, d.h., die Fäden liefen hier
zusammen. Die übrigen Unternehmen, insbesondere im Ausland, seien zum Vertrieb der Produkte gegründet worden.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers liege eindeutig in der R. KG, wobei die Gehälter teilweise aus steuer- und
sozialversicherungsrechtlichen Gründen auch über andere Gesellschaften gebucht würden. Zweck der Reise nach C.
sei es gewesen, die Beteiligungssituation bei den Firmen R. I. und H. mit den übrigen Gesellschaftern insbesondere
auf deren Wunsch neu zu ordnen mit dem Ziel einer jeweils hälftigen Beteiligung von R ... Darüber hinaus habe eine in
der Vergangenheit entstandene Konkurrenzsituation beseitigt werden sollen, zu der es deshalb gekommen sei, weil
die Firma H. als Konkurrenzbewerber zu R. I. aufgetreten sei. Außerdem seien – wie schon früher – mit dem
ehemaligen Mitarbeiter von R. in K., N. P., Kunden besucht worden. Im Rahmen der Verhandlungen sei auch das
Abschlußgespräch, bei dem auch eine Mahlzeit eingenommen worden sei, von hervorgehobener Bedeutung gewesen.
Die Beklagte befragte ferner den Beiratsvorsitzenden, Dipl.-Volkswirt A. R., der unter dem 21. Januar 1985 u.a.
erklärte, vordergründiger Zweck der Reise sei es gewesen, mit den dortigen Gesprächspartnern die Möglichkeiten und
Aktivitäten auf dem italienischen Werkzeugmarkt zu erörtern und abzustimmen, die Konkurrenzsituation zwischen R.
Deutschland und den italienischen R.-Töchtern auf dem dortigen Markt zu besprechen und die Beteiligung von R. an
den italienischen Töchtern partnerschaftlich neu zu ordnen.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 1986 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, daß der
Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nicht zu den versicherten Personen gehört habe. Ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis scheide aus, da sich die Mitarbeit des Klägers in der KG ausschließlich und unmittelbar aus
der sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Verpflichtung und seiner Stellung als Gesellschafter ergeben
habe, so daß ihm eine unternehmergleiche Stellung zukomme. Von der Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung
habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, daß er für die
R. Produktions GmbH, von der er als Geschäftsführer Gehalt beziehe und die für ihn auch Beiträge an die Beklagte
entrichte, in C. gewesen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1987 als unbegründet
zurück. Zum einen treffe es den Umständen nach nicht zu, daß die Tätigkeit des Klägers in Italien ausschließlich der
R. Produktions GmbH gedient habe. Zum anderen komme es darauf nicht an, da bei der Beurteilung der
versicherungsrechtlichen Stellung vom Gesamtbild auszugehen sei und dem Kläger nach diesem Gesamtbild eine
unternehmerähnliche Stellung zukomme. Die dagegen erhobene Klage des Klägers wurde vom Sozialgericht Frankfurt
am Main (SG) mit Vorbescheid vom 14. November 1989 wegen Fristversäumnis als unzulässig abgewiesen.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1990 beantragte der Kläger erneut Leistungen aus Anlaß des Unfalls vom 24. Juni 1984
mit der Begründung, daß die Beklagte von einem völlig falschen Sachverhalt ausgegangen und über den zutreffenden
Sachverhalt überhaupt noch nicht entschieden habe. Er habe nicht als vermeintlicher Arbeitnehmer der R. GmbH und
Co KG Leistungen verlangt, sondern wegen eines Unfalls, den er während seiner versicherten Tätigkeit als
Gesellschafter – Geschäftsführer der R. Produktions GmbH erlitten habe. Soweit die R. GmbH und Co KG genannt
worden sei, sei dies lediglich deshalb geschehen, weil er seinerzeit im Gebäude der KG sein Büro gehabt habe, auch
soweit er für die Produktions GmbH tätig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 16. März 1990 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 10. Oktober 1986 gemäß
§ 44 Sozialgesetzbuch-(SGB) X ab, weil das jetzige Vorbringen des Klägers keine andere Beurteilung rechtfertige.
Wie sich aus dem Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1987 ergebe, habe sie sich bei ihrer ablehnenden
Entscheidung auch nicht nur auf die Stellung des Klägers innerhalb der R. GmbH und Co KG gestützt.
Am 17. April 1990 hat der Kläger beim SG Frankfurt am Main Klage erhoben und sein Vorbringen im wesentlichen
wiederholt. Der von ihm erst nach Erlaß des Bescheides vom 10. Oktober 1986 mit Schreiben vom 27. Oktober 1986
vorgetragene Sachverhalt, daß er seinerzeit in Italien ausschließlich für die R. Produktions GmbH tätig gewesen sei,
sei allein zutreffend. Aus der Tatsache, daß zuvor die Korrespondenz mit der Beklagten von der R. GmbH und Co KG
geführt worden sei, könne nichts anderes abgeleitet werden. Denn die Personalverwaltung der KG sei als zentrale
Abrechnungsstelle für sämtliche Produktionsgesellschaften tätig gewesen. Mit der Produktions GmbH habe er zwar
keinen schriftlichen Arbeits- und Dienstvertrag geschlossen. Er habe ausweislich der Gehaltsabrechnungen von dieser
zur Zeit des Unfalls als Geschäftsführer tatsächlich jedoch Gehaltszahlungen erhalten. Aufgabe dieser Firma sei
entgegen dem im Gesellschaftsvertrag ausgewiesenen Zweck nur die Produktion von Werkzeugen für die
Rohrbearbeitung sowie die Entwicklung der Produkte und die technische Anpassung an die technischen Erfordernisse
anderer Ländern, während die R. GmbH und Co KG für den Vertrieb sämtlicher Produkte der verschiedenen R.-Firmen
zuständig sei. Da er von den vier Brüdern der Techniker sei, sei er der Verantwortliche für den Produktionsbereich. Er
sei deshalb allein in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Produktions GmbH und als Fachmann nach Italien
gefahren. Zwar sei es bei den Gesprächen um die Beteiligungen der R. GmbH und Co KG an R. I. und H. gegangen.
Das Problem habe jedoch im Produktionsbereich gelegen bzw. vorrangig für diese Beteiligungen seien technische
Probleme gewesen, die den Verkauf von Produkten behindert hätten.
Mit Urteil vom 5. November 1993 hat das SG die Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht
erfüllt seien. Der Vortrag des Klägers, daß er an der Dienstreise nach Italien allein und ausschließlich in seiner
Funktion als Gesellschafter – Geschäftsführer der R. Produktions GmbH teilgenommen habe, sei bereits im früheren
Widerspruchsbescheid berücksichtigt und rechtlich zutreffend dahin gewürdigt worden, daß es im Ergebnis auf das
Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Firmengruppe ankomme und diese Gesamtschau eine
unternehmerähnliche Stellung ergebe, wie sie dem Kläger in der R. GmbH und Co KG als Mutterfirma der gesamten
Unternehmensgruppe zukomme. Sowohl aus § 7 des Gesellschaftsvertrages als auch aus den eigenen Angaben des
Klägers im Schreiben vom 22. Oktober 1984 ergebe sich, daß der Schwerpunkt seiner Tätigkeit eindeutig in der R. KG
liege, "wobei die Gehälter teilweise aus steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen auch über andere
Gesellschaften gebucht werden”. Jedenfalls folge aus der Gesamtschau der undurchsichtigen und unklaren
Firmenverhältnisse, daß eine eindeutige Abgrenzung der Tätigkeit des Klägers für die KG oder die R. Produktions
GmbH und eine eindeutige Zuordnung u.a. für den Unfallzeitpunkt nicht möglich sei.
Gegen das seinen Prozeßbevollmächtigten am 21. Januar 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Februar 1994
Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, daß er ausschließlich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der
Produktions GmbH bzw. S.-E. GmbH an den Gesprächen in Italien teilgenommen habe. Als von der GmbH besoldeter
Geschäftsführer mit einem Gesellschaftsanteil von nur 25 % sei er jedoch Arbeitnehmer gewesen, zumal er bei der
Gestaltung seiner Geschäftsführertätigkeit durchaus weisungsgebunden gewesen sei. So sei er in stärkerem Maße
von den Entscheidungen der sog. Geschäftsführerkonferenz abhängig gewesen, die als ständige Einrichtung der R.
Gesellschaften existiere und mehrmals jährlich unter dem Vorsitz des Dipl.-Volkswirt R. tage und an der sämtliche
Geschäftsführer der R. Gesellschaften teilnähmen. Diese Konferenz entscheide über die Handhabung sämtlicher
wesentlicher Geschäftsvorgänge. Die Konferenz müsse auch ihre Genehmigung erteilen, soweit er seinen Urlaub, der
sich nach der im Betrieb üblichen Urlaubszeit für Arbeitnehmer richte, verlängern wolle und wenn er sich einen
Dienstwagen zu einem Preis von mehr als 100.000,– DM anschaffen wolle. Auch die Notwendigkeit von
Geschäftsreisen werde in der Konferenz erörtert und entschieden. Seine Arbeitszeit umfasse die Arbeitszeit der
sonstigen Mitarbeiter; er arbeite lediglich länger als diese. Wie man im Wege einer sog. Gesamtschau zu dem
Ergebnis kommen könne oder müsse, daß er "im Rahmen der Firmengruppe” eine unternehmerähnliche Stellung
gehabt habe, sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr könne nur darauf abgestellt werden, für welche konkrete Firma der
R.-Gruppe er im Zeitpunkt des Unfalls tätig gewesen sei und ob er in Bezug auf diese Firma eine
arbeitnehmerähnliche oder unternehmerähnliche Stellung gehabt habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 1993 aufzuheben und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 1990 zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides
vom 10. Oktober 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1987 aus Anlaß des
Arbeitsunfalls vom 24. Juni 1984 Entschädigungsleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist weiterhin der Ansicht, daß eine isolierte Betrachtung der Tätigkeiten des Klägers sowohl im Tagesgeschäft als
auch während der im Streit stehenden Italienreise wegen seiner vielfältigen Funktionen innerhalb der R.-Gruppe und
der Verzahnung der unterschiedlichen Unternehmen untereinander nicht; denkbar sei und sich aus der Gesamtschau
der Tätigkeiten eine unternehmerähnliche Stellung auch bezüglich der Tätigkeit für die S.-E. GmbH bzw. Produktions
GmbH ergebe. Soweit diese GmbH Beiträge für den Kläger entrichtet habe, seien diese ggf. zurückzuerstatten. Auch
ein formalrechtliches Versicherungsverhältnis sei dadurch den Umständen nach nicht begründet worden. Außerdem
werde bestritten, daß die Reise des Klägers nach Italien der S.-E. GmbH bzw. Produktions GmbH gedient habe. Der
ermittelte Sachverhalt, insbesondere die Erstangaben des Klägers sprächen eindeutig dagegen. U.a. könne es nicht
richtig sein, daß Antragen nur deshalb von der R. GmbH und Co KG beantwortet worden seien, weil dort eine zentrale
Personalbearbeitung erfolge, zumal Antragen im Rahmen der Ermittlung des JAV bei der R. Produktions GmbH und
der Firma Ro. durchaus direkt von diesen Firmen beantwortet worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. März 1990 abgewiesen, mit dem diese
eine Rücknahme ihres Bescheides vom 10. Oktober 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
Oktober 1987 gemäß § 44 SGB 10 abgelehnt hat. Der Bescheid vom 10. Oktober 1986 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1987, durch den der Anspruch des Klägers auf Entschädigung des Unfalls
vom 24. Juni 1984 als Arbeitsunfall abgelehnt worden war, ist nach Rechtskraft des Vorbescheides des SG Frankfurt
am Main vom 14. November 1989 zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) geworden. Zu
einer danach entgegen der Ansicht des Klägers allein noch in Betracht kommenden Neufeststellung gemäß § 44 Abs.
1 SGB 10 ist die Beklagte nicht verpflichtet.
Nach § 44 Abs. 1 SGB 10 ist ein eine Sozialleistung ablehnender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit nur dann zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, daß bei
seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als
unrichtig erweist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn nach wie vor ist davon auszugehen, daß der Kläger
am 24. Juni 1984 keinen Arbeitsunfall erlitten hat.
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Unfall, den ein Versicherter bei
einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Unter welchen Umständen der
Unfall sich am 24. Juni 1984 im einzelnen ereignete, kann dahinstehen. Jedenfalls gehörte der Kläger nach
zutreffender Ansicht des SG und der Beklagten nicht zum in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten
Personenkreis. Bei Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens sprechen alle Umstände dafür, daß der Kläger
als Gesellschafter-Geschäftsführer der R. GmbH und Co Maschinen-Werkzeuge KG an den Gesprächen in Italien
teilnahm, so u.a. seine Schreiben vom 18. Juli 1984 im Anschluß an das Treffen an H., R. I. und H. R. unter dem
Briefkopf "R. International” (einer gesonderten Abteilung innerhalb der R. GmbH und Co KG), ferner die Unfallanzeige
vom 10. August 1984 sowie die Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 5. September 1984 und insbesondere
vom 22. Oktober 1984 unter der Firma der R. GmbH und Co KG sowie der von ihm genehmigte Gesprächsvermerk
vom 6. Mai 1985. Vor allem im Schreiben vom 20. Oktober 1984 hieß es eindeutig, daß Zweck der Reise "Gespräche
zwischen R. I. SRL – Herrn B., H. s. p. a. – Herrn M. und R. GmbH und Co KG – Herrn Günter R., Herrn B. R.”
gewesen seien. Soweit erstmals mit dem Widerspruchsschreiben vom 27. Oktober 1986 geltend gemacht wurde, daß
der Kläger ausschließlich in seiner Eigenschaft als Gesellschafter-Geschäftsführer der R. Produktions GmbH in Italien
gewesen sei, deren Mitgliedsnummer in der Unfallanzeige aufgeführt worden war, kann dem schon deshalb nicht
gefolgt werden. Insbesondere überzeugt auch die im weiteren dafür gegebene Begründung nicht, daß bei den
Gesprächen in Italien Produkt- bzw. Produktionsfragen und nicht – wie zuvor angegeben – Beteiligungs-, Vertriebs-
und Konkurrenzfragen im Vordergrund gestanden hätten. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist im übrigen auch schon
deshalb unerheblich, weil dem Kläger seinem Vortrag im Berufungsverfahren zufolge bei der Aufteilung gemäß § 10
des KG-Vertrages als dem Techniker von den Brüdern gerade die Sparte "Produktion und Neuentwicklung, die
Neueinführung von Produkten und technische Begleitung” als Tätigkeitsbereich in der R. GmbH und Co KG
zugewiesen worden war, dem er nach § 7 des KG-Vertrages seine volle Arbeitskraft zu widmen hatte. Aus dieser
Zuweisung des Bereichs "Produktion und Neuentwicklung, die Neueinführung von Produkten und technische
Begleitung” in der KG an den Kläger resultierte dann wiederum seine Bestellung zum Geschäftsführer der Produktions
GmbH. Daraus folgt zugleich, daß sich die Tätigkeiten des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer in der R.
GmbH und Co KG einerseits und der R. Produktions GmbH andererseits überhaupt nicht eindeutig abgrenzen und
trennen lassen, u.a. nicht inhaltlich bzw. danach, ob sie nun Produkt- und Produktionsfragen zum Gegenstand hatten.
Auch deshalb muß der Kläger sich an seinen Erstangaben gegenüber der Beklagten festhalten lassen, an den
Gesprächen in Italien für die R. GmbH und Co KG teilgenommen zu haben, zumal dies seinen noch völlig
unbeeinflußt vom vorliegenden Verfahren abgefaßten Briefen vom 18. Juli 1984 an die italienischen Partner und
seinen Bruder H. R. im Anschluß an die Gespräche voll entspricht. Als Gesellschafter-Geschäftsführer der KG stand
der Kläger nicht in einem abhängigen Dienstverhältnis zur KG, dessen wesentliches Merkmal die persönliche
Abhängigkeit von einem fremden Unternehmer/Arbeitgeber ist (u.a. Bundessozialgericht –BSG– SozR 2100 § 7 Nr. 7).
Die KG ist eine Personengesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit, bei der Träger der Rechte und Pflichten und
Arbeitgeber der in der KG beschäftigten Personen die Gesellschafter zur gesamten Hand sind. Das schließt zwar
nicht aus, daß auch die Gesellschafter einer KG insbesondere die Kommanditisten außerhalb ihres
Gesellschaftsverhältnisses in einem Beschäftigungsverhältnis zur KG stehen oder für sie wie ein nach § 539 Abs. 1
Nr. 1 RVO Beschäftigter tätig werden. Das ist auch bei einem Kommanditisten jedoch dann nicht der Fall, wenn er
sich nur aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung und Verpflichtung in der KG betätigt (BSG SozR § 539
RVO Nr. 33; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 111. Aufl., S. 470 o). Keine abhängige Beschäftigung,
sondern eine selbständige Tätigkeit bzw. eine Tätigkeit des Kommanditisten als Mitunternehmer liegt ferner dann vor,
wenn dem Kommanditisten durch den Gesellschaftsvertrag unter zulässiger Abweichung von § 164
Handelsgesetzbuch (HGB) – allein oder neben anderen Kommanditisten, anstelle des Komplementärs oder neben
diesem – die Geschäftsführung bzw. die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Handlungen (§ 116 HGB)
übertragen werden und er damit die volle Stellung eines geschäftsführenden Gesellschafters im Sinne des HGB erhält
(s. z.B. §§ 117, 115 Abs. 1 HGB), so daß er bei seiner Tätigkeit nicht von den Komplementären oder Beschlüssen der
Gesellschaft abhängig ist (s. dazu Brackmann, a.a.O., S. 470 n I und o; SozR 5790 Art. 2 § 9 a Nr. 11; LSG Baden-
Württemberg in Breithaupt 1964, 183 und Breithaupt 1959, 945). Die Höhe der Anteile an der Gesellschaft und die
Mitwirkung bei außergewöhnlichen Handlungen sind insoweit unerheblich (BSG SozR 5750 Art. 2 § 9 a Nr. 11). Der
zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter einer KG steht grundsätzlich auch dann nicht in einem
Beschäftigungsverhältnis, wenn er neben seinem Anteil am Gesellschaftsgewinn für seine Tätigkeit als
Geschäftsführer eine besondere Vergütung erhält (S. BSG SozR § 537 RVO a.F. Nr. 1).
Im vorliegenden Fall waren die Kommanditisten, u.a. der Kläger, nach § 7 des KG-Vertrages verpflichtet, "ihre
Arbeitskraft vollen Umfangs in den Dienst der Gesellschaft zu stellen”. Die Mitarbeit des Klägers in der Gesellschaft
gründete sich somit unmittelbar auf seiner Stellung als Gesellschafter der KG. Aus §§ 6, 7 des
Gesellschaftsvertrages ergibt sich ferner, daß sich die Pflicht der Kommanditisten zur Mitarbeit in der Gesellschaft
mit voller Arbeitskraft auf die "geschäftsführende Tätigkeit” bezog, wofür sie eine monatliche Vorabvergütung und
Tantieme von der KG erhielten bzw. insoweit in weitergehendem Umfang an deren Gewinn beteiligt waren. Sie waren
nach § 10 des KG-Vertrages verpflichtet, die Tätigkeitsgebiete unter sich aufzuteilen und hatten nur wesentliche,
insbesondere über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Maßnahmen gemeinschaftlich mit
Stimmenmehrheit zu entscheiden. An der Eigenschaft des Klägers und der übrigen Kommanditisten als
gleichberechtigte geschäftsführende Gesellschafter der KG ändert auch die Bestimmung in § 10 des KG-Vertrages
nichts, daß die Gesellschafter (Kommanditisten) die geschäftsführende Tätigkeit für die Gesellschaft "in ihrer
Eigenschaft als Geschäftsführer der R. GmbH”, also der Komplementärin und juristischen Person, ausüben und in § 3
des Gesellschaftsvertrages der R. GmbH als Gegenstand des Unternehmens "die Beteiligung an der R. GmbH und Co
Maschinen-Werkzeuge KG und die Geschäftsführung in diesem Unternehmen” ausgewiesen war. Vielmehr ergibt sich
aus den übrigen Bestimmungen u.a. auch aus § 12 des KG-Vertrages, daß abweichend von § 164 HGB die
Geschäftsführung der KG den Kommanditisten der KG oblag. Dementsprechend war die Komplementär-GmbH nach §
6 Nr. 4 des KG-Vertrages auch nur "für die Übernahme der persönlichen Haftung” und nicht – auch – für die
Geschäftsführung in der KG durch ihre mit den Kommanditisten personengleichen Gesellschafter-Geschäftsführer am
Gewinn der KG beteiligt.
Die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer der KG war damit in jedem Fall selbständig bzw.
unternehmerischer Art, was der Kläger auch nicht bestreitet. Der den Umständen nach im Zusammenhang mit dieser
Tätigkeit am 24. Juni 1984 erlittene Unfall war deshalb unversichert, weil die Beklagte von der gesetzlichen
Ermächtigung des § 543 RVO, die Versicherungspflicht auf Unternehmer/Mitunternehmer (§ 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO) zu
erstrecken, keinen Gebrauch gemacht hat und eine freiwillige Unternehmerversicherung (§ 545 RVO i.V.m. der
Satzung der Beklagten) vom Kläger nicht abgeschlossen wurde.
Ob die Stellung des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer in der R. Produktions GmbH bei gleichen
Beteiligungsverhältnissen wie in der KG sozialversicherungsrechtlich nicht wesentlich anders beurteilt werden kann,
ob sie – wegen der juristischen Selbständigkeit der GmbH – zwar nicht die eines Mitunternehmers, jedoch in jedem
Fall unternehmerähnlich oder jedenfalls selbständig (§ 611 ff. Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–) und keinesfalls
abhängig und "fremdbestimmt” war und auch ein sog. formalrechtliches Versicherungsverhältnis insoweit nicht in
Betracht kommt, hatte der Senat nach dem festgestellten Sachverhalt nicht mehr zu prüfen und zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160
Abs. 2 SGG.