Urteil des LSG Hessen vom 29.11.2007

LSG Hes: versorgung, zweigpraxis, stadt, genehmigung, gemeinschaftspraxis, zahnarzt, verfügung, begriff, behandlung, hessen

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 29.11.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 374/07 ER
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 56/07 ER
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2007
aufgehoben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig die
Tätigkeit als Vertragszahnarzt an einem weiteren Ort in der C-Straße in C-Stadt bis zur rechtskräftigen Entscheidung
im Hauptsacheverfahren zu gestatten.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Genehmigung einer
vertragszahnärztlichen Tätigkeit außerhalb des Vertragszahnarztsitzes an einem weiteren Ort (Zweigpraxis).
Der Antragsteller ist zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zugelassen und
betreibt mit seinem Praxispartner Dr. Dr. S., der zugleich als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-
Chirurgie) zur vertragsärztlichen Versorgung wie auch als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen
ist, eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Der Praxispartner besitzt außerdem die bis 31. März 2009
befristete Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg in einer
Zweigpraxis in C-Stadt. Im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ist dem Praxispartner durch
inzwischen rechtskräftig gewordenen Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2007 vorläufig
auch die Ausübung einer Tätigkeit als Vertragszahnarzt in der Zweigpraxis in C-Stadt genehmigt worden. Die gegen
den Beschluss des Sozialgerichts von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde hat der erkennende Senat mit
Beschluss vom 13. November 2007 zurückgewiesen (Az.: L 4 KA 57/07 ER).
Den gemeinsam mit seinem Praxispartner gestellten Antrag vom 11. Dezember 2006 auf Genehmigung einer
zahnärztlichen Zweigpraxis in C-Stadt lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. April 2007 ab, weil die
allgemeinzahnärztliche Versorgung in C Stadt bei neun zugelassenen Vertragszahnärzten gewährleistet sei. Eine
Verbesserung der Versorgung durch den Antragsteller sei nicht möglich, wobei die Verbesserung der
vertragszahnärztlichen Versorgung durch den Praxispartner auf dem Gebiet der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
unstreitig sei. Den hiergegen unter Hinweis auf den Schwerpunkt "Kinderzahnheilkunde", der in C-Stadt und
Umgebung sonst nicht angeboten werde, eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit
Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2007 zurück. Die Angabe eines Tätigkeitsschwerpunktes beinhalte lediglich den
Hinweis auf eine besonders nachhaltige Ausübung der Zahnheilkunde in einem Teilbereich und führe nicht zu einer
Verbesserung der gesamten allgemeinzahnärztlichen Versorgung. Aus der fehlenden Angabe eines Schwerpunktes
bei den übrigen Vertragszahnärzten könne nicht geschlossen werden, dass diese nicht dennoch einen
entsprechenden Schwerpunkt hätten. Außerdem sei die ordnungsgemäße Versorgung am Sitz in A-Stadt nicht
gewährleistet. Die angegebenen Sprechzeiten (Montag bis Mittwoch von 12:00 bis 14:00 Uhr, Donnerstag 12:00 bis
17:00 Uhr und Freitag 9:00 bis 11:00 Uhr) in Verbindung mit der Entfernung zwischen den Praxissitzen von 59,8 km
und den damit verbundenen reinen Fahrzeiten (bei günstigsten Verhältnissen 45 Minuten je einfacher Wegstrecke)
führten zu einer zeitlichen Abwesenheit von zumindest 20,5 Stunden vom Sitz der Hauptpraxis in A-Stadt. Damit sei
dort eine ordnungsgemäße Versorgung nicht mehr gewährleistet.
Die hiergegen am 1. August 2007 erhobene Klage ist beim Sozialgericht Marburg nach Abtrennung des Verfahrens
des Antragstellers unter dem Aktenzeichen S 12 KA 375/07 anhängig.
Den am 1. August 2007 vom Antragsteller gemeinsam mit seinem Praxispartner gestellten Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht Marburg nach Abtrennung des Verfahrens mit Beschluss vom 27.
August 2007 als unbegründet "zurückgewiesen", weil kein Anordnungsanspruch bestehe. Nach § 24 Abs. 1, 2 und 3
S. 1 bis 2 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) in der Fassung des
Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG vom 22. Dezember 2006 - BGBl. I Seite 3439) sei u. a.
Voraussetzung, dass die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort außerhalb des Vertragszahnarztsitzes
durch die Zweigpraxis verbessert werde (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Zahnärzte-ZV). Dies sei durch die Eröffnung einer
Zweigpraxis durch den Antragsteller im Gegensatz zu seinem Praxispartner nicht der Fall. Zwar stelle der Begriff der
"Verbesserung" der vertragszahnärztlichen Versorgung nunmehr geringere Anforderungen als der Begriff der
"Erforderlichkeit" nach § 15a BMV-Ä/EKV-Ä (a.F.). Der Begriff der Verbesserung setze aber zumindest eine
Bedarfslücke voraus, die zwar nicht unbedingt zur Gewährleistung der vertragszahnärztlichen Versorgung
geschlossen werden müsse, die aber eine nachhaltige Verbesserung des Angebots oder der Erreichbarkeit am Ort der
Zweigpraxis herbeiführe. Eine Versorgungsverbesserung könne daher nur eintreten, wenn die bereits vorhandenen
ärztlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten
Umfang erbringen könnten. Hierbei stehe dem Zulassungsgremium nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 20. Dezember 1995, Az.: 6 RKa 55/94) ein gerichtlich nur eingeschränkt
nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Nach der Absicht des Gesetzgebers könne nicht jede Eröffnung einer
weiteren Praxis bzw. Zweigpraxis unter dem Gesichtspunkt der freien Arztwahl zur Versorgungsverbesserung in
diesem Sinne führen, sonst hätte es einer besonderen Regelung nicht bedurft. Lägen die Voraussetzungen für eine
Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so diene die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung.
Auch in der ortsnäheren Erbringung spezieller Leistungen sei eine Versorgungsverbesserung zu erkennen. Eine
Verbesserung sei in der Regel auch dann anzunehmen, wenn unabhängig vom Versorgungsgrad im
bedarfsplanungsrechtlichen Sinne regional oder lokal nicht oder nicht im erforderlichen Umfang angebotene Leistungen
im Rahmen der Zweigpraxis erbracht werden und die Versorgung auch nicht durch andere Vertragszahnärzte in
zumutbarer Entfernung sichergestellt werden könne. Dies gelte auch, wenn in der Zweigpraxis spezielle
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten würden, die im Planungsbereich nicht im erforderlichen
Umfang vorhanden seien. Die vom Antragsteller angestrebte Zweigpraxis verbessere in diesem Sinne nicht die
vertragszahnärztliche Versorgung. Er habe lediglich behauptet, sein Schwerpunkt liege im Bereich der
Kinderzahnheilkunde. Diese gehöre aber zur Ausbildung aller Zahnärzte. Eine weitere Vertiefung, Ausbildung oder
Weiterbildung sei auch nach der Weiterbildungsordnung der Landeszahnärztekammer Hessen nicht vorgesehen. Der
Antragsteller habe auch nicht dargelegt, worin sich seine Tätigkeit von der anderer Vertragszahnärzte am Ort der
Zweigpraxis unterscheide. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Vertragszahnärzte ohne
Schwerpunktbezeichnung "Kinderzahnheilkunde" Kinder nicht in gleicher Weise wie der Antragsteller versorgen
könnten. Wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs könne das Vorliegen eines Anordnungsgrundes dahingestellt
bleiben.
Gegen den ihm am 28. August 2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 12. September 2007
Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Er ist der Auffassung, die Versorgung der
Versicherten werde am Ort der beantragten Zweigpraxis durch seine Tätigkeit verbessert. Bei dem
Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" handle es sich um eine spezielle Behandlungsmethode, die im
Planungsbereich nicht in erforderlichem Umfang angeboten werde. Zwar seien Tätigkeitsschwerpunkte nicht in der
Weiterbildungsordnung enthalten, gleichwohl beinhalteten sie eine nachhaltige Spezialisierung, die eine Verbesserung
der Versorgung mit sich bringe und von der Landeszahnärztekammer auch zertifiziert würden. Durch die Kombination
der zahnärztlichen Behandlung mit dem Schwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" mit der MKG-chirurgischen Tätigkeit des
Praxispartners ergebe sich eine erhebliche Verbesserung zur Behandlung von Kleinkindern über mehrere Stunden in
Narkose. Eine derartige Behandlungsmöglichkeit bestehe ansonsten im Umkreis von 50 km um C-Stadt nur noch in
Privatkliniken. Die Behandlung von Kleinkindern unter sechs Jahren über mehr als drei bis vier Stunden in Narkose
werde lediglich von dem Anästhesisten der Gemeinschaftspraxis durchgeführt. Außerdem ergebe sich auch durch die
Kombination der Kieferchirurgie mit der konservierenden Behandlung eine erhebliche Verbesserung für viele Patienten.
Denn oftmals müssten die Krankheitsbilder sowohl chirurgisch als auch konservierend angegangen werden, wie etwa
bei einer Missbildung, etwa dem sog. Ankyloglosson (Verwachsen der Zunge mit dem Boden der Mundhöhle). Hier
werde von dem Praxispartner Dr. Dr. S. der chirurgische Eingriff durchgeführt, während der Antragsteller kariöse
Zähne saniere. Eine derartige kombinierte Behandlungsmöglichkeit bestehe in C-Stadt und Umgebung nicht. Diese
Leistungen könnten auch nicht von anderen Zahnärzten erbracht werden, weil diese nicht in Gemeinschaftspraxis mit
einem MKG-Chirurgen niedergelassen seien. Die Behandlungsmöglichkeit für Kleinkinder in Narkose erfordere
natürlich auch strukturelle Voraussetzungen der Praxis. Außerdem bestehe eine Zusammenarbeit mit der P-Klinik, in
die die Patienten bei Notwendigkeit postoperativ eingewiesen werden könnten.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2007 aufzuheben und die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig die Tätigkeit als Zahnarzt an
einem weiteren Ort in der C-Straße in C-Stadt, hilfsweise bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren, zu gestatten.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Kombination zwischen Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" eines Praxispartners
mit der MKG-chirurgischen Tätigkeit des anderen Praxispartners könne nicht zur Begründung einer
Versorgungsverbesserung herangezogen werden. Sowohl der Bundesmantelvertrag-Ärzte als auch § 24 Zahnärzte-ZV
stellten auf die Versorgungsverbesserung durch den jeweiligen einzelnen Vertragszahnarzt ab, die sich aus dessen
Behandlungs- oder Untersuchungsmethoden ergeben müsse. Eine Kombination der Fachkompetenzen in einer
Gemeinschaftspraxis könne insoweit nicht herangezogen werden, weil damit nicht die Verbesserung der örtlichen
Versorgung durch den Vertragszahnarzt selbst, sondern die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis gegenüber
Einzelniederlassungen ins Auge gefasst würden. Im Übrigen nimmt die Antragsgegnerin auf die Begründung des
angegriffenen Beschlusses Bezug.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und
Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist sachlich begründet. Der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 27.
August 2007 war aufzuheben und die Antragsgegnerin gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig die Tätigkeit als Zahnarzt in der Zweigpraxis in C-
Stadt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gestatten.
Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass eine einstweilige Anordnung nur ergehen kann, wenn
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 1 und
2 Zivilprozessordnung – ZPO). Dies ist hier der Fall. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt der
Anordnungsanspruch vor, denn aufgrund der bekannten und zwischen den Beteiligten unstreitigen Tatsachen steht
fest, dass die Versorgung der Versicherten am Ort der geplanten Zweigpraxis (in C-Stadt) durch die
vertragszahnärztliche Tätigkeit des Antragstellers mit Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" verbessert wird
und hierdurch die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes (in A-Stadt) nicht
beeinträchtigt wirt (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 Zahnärzte-ZV).
§ 24 Abs. 3 Zahnärzte-ZV in der Fassung des VÄndG eröffnet mit Wirkung vom 1. Januar 2007 jedem zugelassenen
Vertragszahnarzt die Möglichkeit, vertragszahnärztliche Tätigkeiten außerhalb seines Vertragszahnarztsitzes an
weiteren Orten auszuüben, wenn und soweit 1. die die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert
und 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird.
Der Begriff der Versorgungsverbesserung ist im Gesetz nicht näher beschrieben und auch aus den
Gesetzesmaterialien zum VÄndG ergeben sich keine konkretisierenden Hinweise für seine Auslegung (ebenso
Schallen, Zulassungsverordnung, Kommentar, 5. Auflage 2006, § 24 Rdnr. 643). Ausgangspunkt der Beurteilung ist
die bestehende vertragszahnärztliche Versorgung vor dem Hintergrund des gesetzlichen Auftrages an die
Krankenkassen und die Leistungserbringer zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten und gleichmäßigen dem
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Versorgung der Versicherten (§ 70
Abs. 1 SGB V). Hiernach gewinnen grundsätzlich auch bedarfsplanungsrechtliche Gesichtspunkte und
Differenzierungen Relevanz für die Frage, ob die Zulassung einer Zweigpraxis eine Verbesserung der
Versorgungssituation an dem Ort der Zweigpraxis bedeutet. Für Zahnärzte gelten jedoch die Regelungen über die
Zulassungsbeschränkungen nicht mehr (§§ 101 Abs. 6, 103 Abs. 8 und 104 Abs. 3 in der Fassung des GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007, BGBl. I, 378). Die von dem Antragsteller beabsichtigte
vertragszahnärztliche Tätigkeit in der Zweigpraxis in C-Stadt befindet sich somit in einem Bereich, ohne
planungsrechtliche Einschränkungen. Ob insoweit neben zusätzlichen qualitativen vertragszahnärztlichen Tätigkeiten
auch lediglich quantitativ zusätzliche Tätigkeiten als Verbesserung der Versorgung der Versicherten angesehen
werden können (so Schallen, a.a.O., Rdnr. 652), kann der Senat dahingestellt lassen, zusätzliche qualitativ bessere
Tätigkeiten stellen in jedem Falle insoweit auch eine Versorgungsverbesserung der Versicherten dar, wenn in dem
betreffenden Planungsbereich regional oder lokal solche nicht oder nicht im erforderlichen Umfang angeboten werden.
In diesem Sinne liegt auch nach den Mantelverträgen-Zahnärzte eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten
an den weiteren Orten in der Regel (auch) dann vor, wenn in der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden angeboten werden, die im Planungsbereich nicht im erforderlichen Umfang angeboten werden
(s. z.B. § 6 Abs. 6 S. 4 bis 6 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte )BMV-Z(, Stand 1. Juli 2007). Dabei handelt es sich bei
diesen Regelungen - worauf das erstinstanzliche Gericht zutreffend hingewiesen hat - um nicht abschließende
Norminterpretationen des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Zahnärzte-ZV. Nach Auffassung des Senats stellen auch
vertragszahnärztliche Tätigkeiten mit dem Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde", wie sie der Antragsteller
ausübt, eine qualitative Verbesserung der Versorgung der Versicherten im Sinne dieser Vorschrift dar. Bei einem
Vertragszahnarzt, der diesen Tätigkeitsschwerpunkt führt, ist davon auszugehen, dass er auf diesem Gebiet über
vertiefende und neueste Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt, die ein Vertragszahnarzt ohne diesen
Tätigkeitsschwerpunkt zumindest nicht in gleichem Umfang besitzt, auch wenn die Kinderzahnheilkunde grundsätzlich
Gegenstand der Ausbildung aller Zahnärzte ist. Die Voraussetzungen zum öffentlichen Führen u. a. des
Tätigkeitsschwerpunktes "Kinderzahnheilkunde" sind in der Ordnung zur Anerkennung besonderer Kenntnisse und
Fertigkeiten in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vom 13. Dezember 2004 (beschlossen in der
Delegiertenversammlung der Landeszahnärztekammer Hessen am 19. Mai 2001 aufgrund § 25 Nr. 14
Heilberufsgesetz i. V. m. § 15 der Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Hessen) geregelt. Danach erteilt die
Landeszahnärztekammer aufgrund einer strukturierten Fortbildung ("Curriculum") die Genehmigung zum öffentlichen
Führen eines Kammerzertifikates "Fortbildung". Hierauf aufbauend wird die Genehmigung zum Führen eines
Tätigkeitsschwerpunktes erteilt, wenn zusätzlich entsprechend praktische Erfahrungen und Fertigkeiten im jeweiligen
Bereich/Gebiet gemäß den Vorgaben dieser Ordnung sachgerecht nachgewiesen werden (Präambel und §§ 3, 4 der
zuvor zitierten Ordnung). Systematisch vermittelte vertiefende Kenntnisse theoretischer und insbesondere auch
praktischer Art auf speziellen Gebieten der Zahnheilkunde dienen der qualitativen Verbesserung der Versorgung der
Versicherten nicht zuletzt auch deshalb, weil ein entsprechend fortgebildeter Zahnarzt in der Regel und typischer
Weise auch über verbesserte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf diesem Gebiet verfügen wird, zumal die
Landeszahnärztekammer zur Qualitätssicherung die Qualitätsanforderungen für Referenten, Hospitation und
Supervisionspraxen selbst festlegt (§ 6 Nr. 3 der zuvor zitierten Ordnung). Darüber hinaus ist der Zahnarzt, der einen
Tätigkeitsschwerpunkt führt, verpflichtet, an kontinuierlicher Fortbildung teilzunehmen und dies auf Anforderung der
Landeszahnärztekammer Hessen nachzuweisen. Die Befugnis zum Führen des Tätigkeitsschwerpunktes kann
widerrufen werden, wenn die erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (§ 7 Nrn. 2 und 3 der zuvor
zitierten Ordnung).
Wie der Antragsteller unbestritten vorgetragen hat, sind in C-Stadt und Umgebung keine weiteren Zahnärzte
zugelassen, die den Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" führen. Damit steht jedenfalls fest, dass die dort
zugelassenen Vertragszahnärzte offenbar keine Fortbildung nach der zuvor zitierten Ordnung zur Anerkennung
besonderer Kenntnisse und Fertigkeiten in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit diesem Schwerpunkt betrieben
haben und demzufolge auch nicht die in der entsprechenden Fortbildung zweifellos vermittelten Kenntnisse und
Fertigkeiten in gleichem Umfang beziehungsweise in gleicher Qualität gegenüber dem Versicherten anwenden können.
An dem Eintritt einer Versorgungsverbesserung durch die Eröffnung der beantragten Zweigpraxis hat der erkennende
Senat daher keine Zweifel.
Darüber hinaus wird hierdurch auch nicht die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des
Vertragsarztsitzes in A-Stadt beeinträchtigt, wie der Senat bereits in dem vergleichbaren Fall des Mitinhabers der
Gemeinschaftspraxis Dr. Dr. S. mit Beschluss vom 13. November 2007 entschieden hat (Az.: L 4 KA 57/07 ER).
Nach § 6 Abs. 6 S. 7 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) bzw. § 8a Abs. 1 S. 7 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte
(EKV-Z), jeweils Stand vom 1. Januar 2007 mit Änderungsvertrag mit Wirkung vom 1. Juli 2007, wird eine
ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes in der Regel dann nicht
beeinträchtigt, wenn die Dauer der Tätigkeit des Vertragszahnarztes in der oder den Zweigpraxen ein Drittel seiner
Tätigkeit am Vertragszahnarztsitz nicht übersteigt. In dem gemeinsamen Rundschreiben der Kassenzahnärztlichen
Bundesvereinigung (KZVB) und der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zu den Mantelneuregelungen
zum 1. Juli 2007 infolge der Zulassung rechtlichen Neuregelungen im SGB V und in der Zahnärzte-ZV durch das
Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) vom 15. Juni 2007 heißt es zur näheren Erläuterung, dass sich die
Bundesmantelvertragspartner an der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts orientiert hätten, wonach
eine Nebentätigkeit eines Vertragszahnarztes in der Regel die Erfüllung seiner vertragszahnärztlichen Pflichten dann
nicht infrage stellt, wenn die Nebentätigkeit ein Drittel der Dauer seiner Tätigkeit in der vertragszahnärztlichen Praxis
nicht übersteigt. Dies ändert allerdings nichts an der grundsätzlichen Verpflichtung des Vertragszahnarztes, an jedem
seiner Tätigkeitsorte eine ordnungsgemäße Versorgung seiner Patienten sicherzustellen. Er hat daher am jeweiligen
Tätigkeitsort während seiner angekündigten Behandlungszeiten zur Verfügung zu stehen und im Abwesenheitsfall eine
entsprechende Vertretung beziehungsweise eine Notfallversorgung zu organisieren.
Der Antragsteller hat die Dauer seiner Tätigkeiten am Vertragszahnarztsitz mitgeteilt. In der Summe umfassen diese
einen Zeitraum von 53,5 Stunden pro Woche. Die beabsichtigten Praxisöffnungszeiten in der Zweigpraxis sind vom
Antragsteller mit 12 Stunden angegeben worden. Selbst wenn man die zwischen den Beteiligten unstreitigen
Fahrtzeiten von A-Stadt nach C-Stadt beziehungsweise umgekehrt von 45 Minuten pro Strecke hinzuaddiert, stellen
dann 16,5 Stunden noch kein Drittel von 53,5 Stunden pro Woche dar.
Nicht gehört werden kann die Antragsgegnerin auch mit ihrer Argumentation, die so genannte Drittelregelung knüpfe
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an einer 40-Stunden-Woche an. Zwar ist es zunächst zutreffend,
dass das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2002 (B 6 KA 20/01 R; vgl. auch BSG,
Entscheidungen vom 11. September 2002, B 6 KA 23/01 R und vom 5. Februar 2003, B 6 KA 22/02 R) ausgeführt
hat, dass ein Vertragsarzt oder Vertragspsychotherapeut nicht mehr als 13 Stunden wöchentlich in einem
Beschäftigungsverhältnis außerhalb seiner vertragsärztlichen beziehungsweise vertragspsychotherapeutischen
Tätigkeit stehen könne. Insoweit ist das Bundessozialgericht von einer 40-Stunden-Woche ausgegangen. Diese
Rechtsprechung kann aber nicht auf die Genehmigung einer Zweigpraxis übertragen werden. Das ergibt sich bereits
aus dem Wortlaut der bundesmantelvertraglichen Regelungen. Denn in § 6 Abs. 6 S. 7 des BMV-Z beziehungsweise §
8a Abs. 1 S. 7 EKV-Z knüpft die Drittelregelung nicht an einer 40 Stunden-Woche an, sondern ausdrücklich an die
Dauer der Tätigkeit des Vertragszahnarztes am Vertragszahnarztsitz. Darunter kann nur die tatsächliche Tätigkeit des
Vertragszahnarztes verstanden werden und nicht eine (fiktive) 40-Stunden-Woche. Auch aus dem gemeinsamen
Rundschreiben der Bundesmantelvertragspartner kann nichts anderes entnommen werden. Denn darin heißt es, man
habe sich an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts "orientiert", als man die Drittelregelung statuiert hat. Aber
auch die übrigen Ausführungen weisen eindeutig nach, dass die Bundesmantelvertragspartner davon ausgehen, dass
die Tätigkeit in der Zweigpraxis "ein Drittel seiner Tätigkeit am Vertragszahnarztsitz nicht übersteigt". Damit knüpfen
die Bundesmantelvertragspartner eindeutig gerade nicht an einer 40-Stunden-Woche an. Sie haben sich
ausschließlich bezüglich des prozentualen Anteils an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts orientiert. Auch
aus § 6 Abs. 6 S. 10 BMV-Z bzw. § 8a Abs. 1 Satz 10 EKV-Z kann entnommen werden, dass die
Bundesmantelvertragspartner nicht auf eine fiktive Arbeitszeit, sondern auf tatsächliche Tätigkeitszeiten abstellen
wollten. Denn dort heißt es bezüglich der Dauer der Tätigkeit von angestellten Zahnärzten in der Zweigpraxis, dass
deren Tätigkeit "ein Drittel der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit am Vertragszahnarztsitz nicht überschreiten" darf.
Daher kommt es nicht darauf an, ob auch sachliche Gründe dagegen sprechen, die BSG-Rechtsprechung zur Frage
des Umfangs einer abhängigen Beschäftigung neben einer vertragsärztlichen Tätigkeit auf die Genehmigungspraxis
bezüglich Zweigpraxen zu übertragen.
Auch die Residenzpflicht steht einer Genehmigung der Zweigpraxis nicht entgegen. Insoweit ist eine wertende
Gesamtwürdigung aller Umstände nach Maßgabe des Zwecks der Residenzpflicht vorzunehmen. Für eine
Notfallversorgung, für die auch der Mitinhaber der Gemeinschaftspraxis zur Verfügung steht, ist längstens auf eine
einfache Fahrzeit von 45 Minuten abzustellen. Diese Zeit ist noch ausreichend, denn in besonders dringenden Fällen
steht der Rettungsdienst zur Verfügung und durchgehende Anwesenheitszeiten können am Vertragszahnarztsitz
ohnehin nicht gewährleistet werden. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass bereits die gedankliche Möglichkeit
der Errichtung einer Zweigpraxis notwendig mit Wegezeiten verbunden ist. In ihrem gemeinsamen Rundschreiben
stellen die Bundesmantelvertragspartner allein darauf ab, dass an jedem der Tätigkeitsorte eine ordnungsgemäße
Versorgung der Patienten sicherzustellen ist und im Abwesenheitsfall eine Vertretung beziehungsweise eine
Notfallversorgung zu organisieren ist. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass eine einfache
Fahrtstrecke von 45-minütiger Dauer, einer ordnungsgemäßen zahnärztlichen Versorgung der Patienten an beiden
Orten nicht entgegensteht. Es besteht auch - dies ist gerichtsbekannt - eine gute ausgebaute Verkehrsanbindung mit
der BAB 66 zwischen A-Stadt und C-Stadt. Gerade im zahnärztlichen Bereich muss nicht ständig mit extrem eiligen
Notfallversorgungen gerechnet werden. Im Übrigen steht im Ballungszentrum A-Stadt auch ein funktionsfähiges
Rettungsdienstsystem zur Verfügung. Bezogen auf den Vertragszahnarztsitz A-Stadt ist weiter darauf hinzuweisen,
dass der Antragsteller dort in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig ist, so dass ein Zahnarzt auch bei
Abwesenheit des Antragstellers für eilige Behandlungen von Patienten zur Verfügung steht.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Nach herrschender Meinung, der auch der Senat folgt, vermindern sich die
Anforderungen an den Anordnungsgrund und es ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel
zu entsprechen, wenn die Klage offensichtlich zulässig und begründet ist (vgl. Keller: in Meyer-Ladewig, SGG,
Kommentar, 8. Aufl. § 86b Rdnr. 29 m.w.N.). So ist es auch hier. Der mit der Klage bei dem Sozialgericht Marburg
angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.
Juli 2007 ist - zumindest bezüglich des Antragstellers - offensichtlich rechtswidrig und verletzt diesen in seinen
Rechten. Es ist nicht erkennbar, welche öffentlichen Interessen bestehen sollten, die einer vorläufigen Regelung zu
Gunsten des Antragstellers entgegenstehen könnten. Auch hat die Antragsgegnerin keinen Vortrag gehalten, dass es
zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich wäre, die Ausübung einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit des
Antragstellers in C-Stadt zu verhindern. Die Hauptsache wird durch die Entscheidung nicht vorweg genommen, da die
einstweilige Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren befristet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert beträgt 5.000,00 EUR und folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz
(GKG). Der Senat folgt insoweit den Vorschlägen im Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand: 1. April
2007, unter 16.10 m.w.N.; www.rlp.de), wonach insoweit von dem dreifachen Regelstreitwert auszugehen ist, der im
Hinblick auf den Charakter eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu dritteln ist.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht angefochten werden (§ 177 SGG).