Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 05.03.1974 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 2 J 529/73
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Frankfurt/Main vom 4. April 1973 insoweit
aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin über den 30. Juni 1969 hinaus Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit zu zahlen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zur Hälfte zu erstatten.
Für das Berufungsverfahren sind die Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die 1919 geborene Klägerin war nach ihren Angaben seit 1934 als Hausgehilfin, Büfettfrau, Beiköchin in Gaststätten,
Fabrikarbeiterin und von 1954 bis zu ihrer Erkrankung im August 1965 als Stundenfrau beschäftigt.
Am 1. September 1965 wurde ihr im B.-Krankenhaus in F. wegen Brustkrebs die linke Brust abgenommen und auch
die axillaren Lymphknoten ausgeräumt.
Auf ihren Antrag vom 12. Oktober 1965 wurde der Klägerin von der Beklagten mit Bescheid vom 25. Juli 1966 Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. August 1965 gewährt. Der Entscheidung lag eine Stellungnahme des Prüfarztes der
Beklagten vom 7. April 1966 zugrunde, der ab August 1965 keine Erwerbsarbeit für zumutbar hielt. Diese
Stellungnahme stützt sich auf die Krankengeschichte des Krankenhauses B. in F. sowie ein ärztliches Gutachten des
Beobachtungskrankenhauses " ” vom 23. Februar 1966, in dem bei der Klägerin ein Zustand nach operativer
Entfernung der linken Brust und Ausräumung der axillaren Lymphknoten wegen Brustkrebs, operativ-bedingte
Lymphabflußstörung und geringfügige Gefühlsstörungen am linken Arm, eine leichte Gebrauchsbehinderung des
linken Armes und ein erhebliches Übergewicht festgestellt worden sind.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin in der Zeit vom 31. März bis 3. April 1969 in ihrer Klinik "Haus
nachuntersucht. Im Gutachten vom 6. Mai 1969 hielten die Internisten Dr. N. und Dr. C. das Grundleiden, den
Brustdrüsenkrebs links, nach nunmehr fast fünfjährigem Bewährungszeitraum für klinisch ausgeheilt. Die
Lymphstauung des linken Armes sei nicht völlig zu beseitigen. Hierdurch seien der Klägerin nur noch Arbeiten
zumutbar, bei dem der linke Arm geschont werden könne. Unter Beachtung dieses Umstandes seien ihr wieder leichte
Arbeiten im Stehen, Sitzen und Umhergehen in geschlossenen Räumen möglich. Als Reinmachefrau könne sie nur
noch 2 Stunden täglich arbeiten. In einem fachgynäkologischem Gutachten des N.-Krankenhauses in F. vom 27. April
1969 bestätigte Dr. K. die klinische Ausheilung des Grundleidens und stellte bezüglich der Lymphstauung ein nahezu
unverändertes Fortbestehen seit der Operation fest. Zum Leistungsvermögen der Klägerin führte er aus, daß die
wiederaufgenommenen zweistündigen Putzarbeiten am Tag wohl nicht auf Kosten ihrer Gesundheit verrichtet worden
seien; eine darüber hinausgehende Beschäftigung dieser Art solle jedoch vermieden werden. Andererseits sei die
Klägerin durchaus in der Lage, leichtere Arbeiten (z.B. im Büro), bei denen der linke Arm weitgehend geschont werden
könne, zunächst bis zu 6 Stunden täglich durchzuführen.
Daraufhin entzog die Beklagte mit Bescheid vom 22.5.1969 die Erwerbsunfähigkeitsrente mit Ablauf des Monats Juni
1969 mit der Begründung, daß durch Abheilung des Geschwulstleidens eine Änderung gegenüber den zur
Rentengewährung führenden Befundes eingetreten sei.
Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen diesen Bescheid und trug vor, daß in den von der Beklagten
veranlaßten Gutachten nicht alle bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen gewürdigt worden seien. Sie legte ein
Attest des Lungenfacharztes Dr. H. vom Dezember 1970 vor, der die Klägerin wegen der erheblichen, langsam
fortschreitenden Lymphstauung im linken Arm nach Brustamputation, einer produktiven indurativen Lungen-Tbc, einer
fortschreitenden Skoliose der Halswirbelsäule, Hyperlordose der Lendenwirbelsäule, Aortensklerose und einer neuro-
zirkulatorischen Dystonie für dauernd erheblich erwerbsbeeinträchtigt hielt. Die Klägerin könne Arbeitsleistungen nicht
länger als 3 Stunden täglich erbringen.
Die Beklagte widersprach der Beurteilung durch Dr. H. unter Bezugnahme auf die von ihr veranlaßten Gutachten.
Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens bei Dr. med. B., Chefarzt des E.-
Krankenhauses in F ... Dieser kam in seinem Gutachten vom 29. Juli 1972 zu dem Ergebnis, daß die bestehenden
Gesundheitsstörungen eine erhebliche Schonung und dauernde ärztliche Behandlung erforderten. Die Klägerin sei in
der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten, abwechselnd im Sitzen und Stehen, regelmäßig auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt täglich nicht mehr als höchstens 4 Stunden zu verrichten.
Mit Urteil vom 4. April 1973 hob das Sozialgericht Frankfurt den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 1969 auf. In den
Gründen der Entscheidung ist ausgeführt, daß das 1965 aufgetretene Geschwulstleiden zwar erfolgreich operiert
worden sei und es auch zu keiner Metastasierung gekommen sei. Dies sei der Beklagten jedoch auch schon im
Zeitpunkt der Rentenbewilligung bekannt gewesen, so daß sich zwischen Bewilligung und Entziehung der Rente in
diesem Befund nichts geändert habe. Indessen habe sich die schon bald nach der Operation aufgetretenen
Lymphstauung im linken Arm bis heute nicht zurückgebildet, sondern eher verschlimmert. Diese Gesundheitsstörung
lassen noch Arbeiten zu, bei denen der linke Arm geschont werden können. Wegen der weiter festgestellten Leiden
sie das zeitliche Leistungsvermögen in Übereinstimmung mit den zuletzt geäußerten ärztlichen Einschätzungen auf
halbschichtige leichte bis mittelschwere Arbeiten zu begrenzen. Damit sei die Klägerin entgegen der von der
Beklagten vertretenen Auffassung nicht berufsfähig, so daß der angefochtene Bescheid habe aufgehoben werden
müssen.
Mit der am 28.5.1973 eingegangenen Berufung wendet sich die Beklagten gegen das ihr am 10. Mai 1973 zugestellte
Urteil.
Sie räumt zwar ein, daß die Klägerin auch über den 30. Juni 1969 hinaus als berufsunfähig anzusehen sei. Sie sei
jedoch nicht mehr erwerbsunfähig, weil sie infolge einer Änderung in ihren gesundheitlichen Verhältnissen wieder in
der Lage sei eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und dabei mehr als nur geringfügige
Einkünfte zu erzielen. Dies sei vom Sozialgericht offenbar übersehen worden, denn es hat den angefochtenen
Bescheid offensichtlich nur deshalb für rechtswidrig gehalten, weil die Klägerin nach seiner Auffassung nicht wieder
die Hälfte der Leistungsfähigkeit einer gesunden Vergleichsperson erlangt habe, also nicht wieder berufsfähig
geworden sei. Dann hätte es aber – auf der Grundlage des von Dr. B. festgestellten Leistungsvermögens – die Rente
zumindest teilweise entziehen, d.h. die Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß § 1286 Abs. 1 Satz 3 der
Reichsversicherungsordnung – RVO – in eine Berufsunfähigkeitsrente umwandeln müssen und nicht den Bescheid
insgesamt aufheben müssen. Die hierfür erforderliche Änderung in den Verhältnissen der Klägerin sei darin zu sehen,
daß das Grundleiden, das bei der Rentenbewilligung keinerlei Erwerbstätigkeiten mehr zugelassen habe, inzwischen
als klinisch ausgeheilt gelte mit der Folge, daß die Klägerin wieder halbtags – mit gewissen Einschränkungen –
arbeiten könne.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 4. April 1973 insoweit abzuändern, als die
Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 22. Mai 1969 verurteilt worden ist, an die Klägerin anstelle von
Rente wegen Berufsunfähigkeit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen und insoweit die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der angefochtene Bescheid habe deshalb aufgehoben werden müssen, weil eine Änderung in ihren gesundheitlichen
Verhältnissen nicht eingetreten sei. Ihr Zustand bei der Rentenbewilligung sei der gleiche gewesen wie bei der
Rentenentziehung. Die Annahme, daß das Geschwulstleiden ausgeheilt, sei, sei unzutreffend. Wie das angefochtene
Urteil überzeugend ausgeführt habe, habe sich die Lymphstauung eher verschlimmert angebessert. Damit fehle es an
den Voraussetzungen des § 1286 Abs. 1 RVO, so daß der Rentenentziehungsbescheid der Beklagten habe
aufgehoben werden müssen.
Wegen des Sachverhalts im einzelnen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Rentenakten der Beklagten, die
vorgehen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist auch sachlich begründet.
Da die Beklagte anerkennt, daß der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit auch über den 30.6.1969 hinaus zu
gewähren ist und das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der Weitergewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente über
diesen Zeitpunkt hinaus angegriffen hat, hatte der Senat nur zu prüfen, ob insoweit der angefochtene
Entziehungsbescheid zu Recht aufgehoben worden ist. Dies war zu verneinen. Der Klägerin steht über den 30.6.1969
hinaus nicht mehr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, sondern nur noch wegen Berufsunfähigkeit zu.
Nach § 1286 Abs. 1 Satz 3 RVO ist die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach
§ 1253 Abs. 1 RVO umzuwandeln, wenn der Berechtigte infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht
erwerbsunfähig, sondern nur noch berufsunfähig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Eine Änderung in den
gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin ist entgegen ihrer Auffassung darin zu sehen, daß die Grunderkrankung,
nämlich das Brustkarzinom, nach fast fünfjähriger Bewährungszeit als klinisch ausgeheilt gilt, obgleich im objektiven
Befund keine Änderung dieses Leidens seit der Rentenbewilligung eingetreten ist. Grundlage der Rentenbewilligung
war, was die Klägerin verkennt, nicht die Krebserkrankung als solche, sondern die durch diese Erkrankung bedingte
herabgesetzte Leistungsfähigkeit, die in ihrem Falle bei der Rentenbewilligung dahingehend beurteilt worden ist, daß
ihr auf unbestimmte Zeit keine Erwerbstätigkeiten mehr zuzumuten waren. Daß diese Beurteilung unzutreffend war,
wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Wenn im Vergleich zu dem bei der Rentenbewilligung vorhandenen
Leistungsvermögen sich eine Änderung in der Beurteilung dieses Vermögens daraus ergibt, daß nach allgemeiner
medizinisch-wissenschaftlicher Auffassung infolge mehrjähriger karzinomfreier Bewährungszeit das Leiden als
klinisch ausgeheilt anzusehen ist, so liegt darin eine Änderung im Sinne von § 1286 Abs. 1 RVO. Insoweit befindet
sich der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und andere Landessozialgerichte, die
zu § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) mehrfach entschieden haben, daß bei bestimmten Erkrankungen
(tuberkulöse Prozesse) der Zeitfaktor für die Beurteilung des Leidens eine wesentliche Rolle spielt, nämlich dann,
wenn der Ablauf eines aktivitätsfreien bzw. rückfallfreien Zeitraums nach ärztlicher Erfahrung als "Bewährungsfrist”
zur Sicherstellung der Heilung anzusehen ist, d.h. erst nach Ablauf dieser Frist die klinische Heilung der Erkrankung
mit genügender Sicherheit festzustellen ist. Obwohl der bloße Zeitablauf für die Annahme einer Änderung des
Leidenszustandes in der Regel nicht ausreicht, ist in der unverändert fortbestehenden Stabilität tuberkulöser
Erkrankung über einen längeren Zeitraum eine Änderung im Gesundheitszustand des Berechtigten zu sehen (vgl.
BSG SozR Nr. 17 zu § 62 BVG – BSGE 17, 63; ferner BSG Soz.Entsch. SlG IX/3, § 1 (b 2) Nr. 17; LSG
Niedersachsen, Breith. 1960, 1094; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt, 1968, 335.) Der Senat ist der Auffassung, daß
diese Grundsätze auch hinsichtlich der Beurteilung von Krebserkrankungen bei unverändert fortbestehendem
karzinomfreiem Zustand über eine längere Zeitspanne grundsätzlich Anwendung finden müssen. Wenn auch bei den
Krebserkrankungen der Aussagewert des Ablaufs der sog. 5-Jahres-Grenze für die Beurteilung der Krebsheilung
umstritten sein mag (vgl. hierzu Nixdorf/Bornemann, Ärztliche Begutachtung, 2. Aufl. S. 385), so kann doch nach den
medizinisch-wissenschaftlichen Erfahrungen aufgrund der massenstatistischen Ergebnissen über die 5-Jahre
Überlebenszeit bzw. Heilung bei den verschiedenen Krebsarten auch dem Ablauf einer längeren karzinomfreien
Zeitspanne die Bedeutung einer Änderung im Zustand der Krebserkrankung beigemessen werden.
Bezüglich der hier maßgeblichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die prognostische Beurteilung von
Krebserkrankung kann hier auf die Übersicht der statistischen Ergebnisse über die 5-Jahres-Bewährungszeit bei
Nixdorf/Bornemann (a.a.O. S. 386 ff.) sowie auf die "Empfehlungen zur sozialmedizinischen Beurteilung von
Versicherten mit bösartigen Geschwulsterkrankungen” verwiesen werden, die vom Deutschen Zentralausschuß für
Krebsbekämpfung und Krebsforschung e.V. in Übereinstimmung mit dem Verband Deutscher
Rentenversicherungsträger ausgearbeitet worden sind (vgl. hierzu Nixdorf-Bornemann, a.a.O. S. 372 ff.). Auf der
Grundlage dieser Erfahrungen und Bewertungsrichtlinien haben sämtliche im vorliegenden Verfahren gehörten
Gutachter nach Erreichung einer fast fünfjährigen Bewährungszeit bei der Klägerin eine klinische Heilung ihres
Geschwulstleidens bestätigt und – trotz der bestehenden Folgeerkrankungen der Brustoperation, insbesondere der
erheblichen Lymphstauung am linken Arm sowie weiterer Gesundheitsstörung, ihr Leistungsvermögen nunmehr
dahingehend beurteilt, daß ihr seit Juni 1969 jedenfalls wieder bis zu 4 Stunden täglich leichte bis mittelschwere
Arbeiten – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – zumutbar sind. Dem ist auch das angefochtene Urteil gefolgt,
indem es ausgeführt hat, der Klägerin würden ärztlicherseits nur noch halbschichtige leichte bis mittelschwere
Arbeiten zugemutet. Wenn daraus das Gericht den Schluß gezogen hat, daß damit die Klägerin noch nicht wieder die
Hälfte des Leistungsvermögens einer gesunden Vergleichsperson erreicht habe, so war dies, wie auch die Beklagte
einräumt, zu billigen; jedoch war damit die unterhalb dieser Leistungsgrenze liegende Grenze der Erwerbsunfähigkeit
überschritten. Erwerbsunfähig ist nach § 1247 Abs. 2 RVO eine Versicherte dann, wenn sie auf nicht absehbare Zeit
eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr als nur geringfügige
Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin weder hinsichtlich
ihres zeitlichen Leistungsvermögens vor noch ist sie gehindert, mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Für
unterhalbschichtige Arbeiten ist der Kläger, die auf das allgemeine Arbeitsfeld zu verweisen ist, auch der Arbeitsmarkt
nicht praktisch verschlossen. Der Große Senat des Bundessozialgerichts (SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO) hat auch
gesprochen, daß für weibliche Teilzeitkräfte, die nach ihren beruflichen Fähigkeiten und nach ihrem
Gesundheitszustand noch sog. Dienstleistungsberufe unterhalbschichtig ausüben können, der Arbeitsmarkt nicht
praktisch verschlossen ist, weil die Zahl der Arbeitssuchenden die Zahl der betreffenden Teilzeitarbeitsplätze übertrifft
(vgl. auch BSG SozR Nr. 25 zu § 1247 RVO). Hieran ändern auch die zusätzlich bei der Klägerin bestehenden
Leistungsbeschränkungen nichts. Zwar sind ihr nach übereinstimmenden Feststellungen der ärztlichen Gutachter
mehr als zweistündige Arbeiten in den Reinigungsberufen nicht zuzumuten. Jedoch gibt es, insbesondere in dem für
die Klägerin in Frage kommenden Verweisungsgebiet des Rhein-Main-Ballungszentrums in ausreichendem Umfang
andere Arten von Betätigungsmöglichkeiten, die die Klägerin nicht verrichten kann, z.B. Tätigkeiten als
Platzanweiserin, Garderobenfrau, Büfetthilfe. Daß ihr der Arbeitsmarkt wegen der nicht unerheblichen
Gebrauchsbehinderung des linken Armes und der durch die Veränderung der Wirbelsäule bedingten funktionellen
Schwäche praktisch deshalb gänzlich verschlossen wäre, weil diese Beeinträchtigungen eine zusätzliche "starke”
Beschränkung ihre Einsatzfähigkeit bedingten, ist jedenfalls nach den ärztlichen Gutachten nicht ersichtlich.
Insbesondere hält auch Dr. B. der sämtliche bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörung im Hinblick auf ihr
Leistungsvermögen eingehend gewürdigt hat noch grundsätzlich halbtägige Arbeiten leichter bis mittelschwerer Art,
soweit die der Schonungsbedürftigkeit des linken Armes Rechnung tragen, für möglich, so daß die Klägerin damit
praktisch an der Grenze wiedergewonnener Berufsfähigkeit liegt. Der früheren Beurteilung von Dr. H., der mehr als
dreistündige Arbeiten täglich wegen der Funktionsstörungen am linken Arm für ausgeschlossen hielt, kommt
demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil dieser Arzt offensichtlich von den z. Zt. von der Klägerin
stundenweise verrichteten schweren Reinigungsarbeiten ausgegangen ist.
Das angefochtene Urteil war daher mit der Maßgabe aufzuheben, daß der Klägerin statt der bisher gewährten
Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1. Juli 1969 nur noch Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zu § 1286 RVO war die Revision zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr.
1 SGG).