Urteil des LSG Hessen vom 05.11.1986

LSG Hes: arbeitserlaubnis, berufliche tätigkeit, verordnung, initiative, ausländischer arbeitnehmer, schreiner, integration, besitz, beschränkung, arbeitsmarkt

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 05.11.1986 (rechtskräftig)
Sozialgericht Fulda S 3c Ar 20/84
Hessisches Landessozialgericht L 6 Ar 1468/84
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. August 1984 abgeändert und die
Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit noch um die besondere Arbeitserlaubnis.
Der 1930 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Ausweislich einer Fotokopie einer am 19. Juni 1971
angefertigten Übersetzung einer am 21. Februar 1969 beglaubigten Abschrift eines Diploms der Volksrepublik S.
bestand der Kläger am 23. August 1954 die Prüfung als Handwerksmeister – Fachrichtung Tischler. Der Kläger ist seit
6. Dezember 1984 im Besitz einer räumlich und zeitlich unbeschränkten Aufenthaltsberechtigung nach § 3
Ausländergesetz.
Mit Bescheid vom 6. April 1982 anerkannte das Versorgungsamt XF. nach dem Schwerbehindertengesetz bei dem
Kläger als Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 30 % und führte folgende Behinderungen auf.
1) "Rezidivierendes Lumbalsyndrom, Gibbusbildung nach Kompressionsfraktur von Brustwirbelkörper 12, Fehlstatik
der Brustwirbelsäule. 2) Kreislauflabilität mit gefäßbedingten Kopfschmerzen. 3) Krampfadern und Plattfüße.”
Der Versorgungsarzt hatte eine Bewertung der Behinderung zu 1) mit 30 % und der Behinderungen zu 2) und 3) mit je
10 % zugrunde gelegt. Die äußerlich erkennbare dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit wurde
zugestanden. Im Bescheid vom 2. August 1979 lautete die Behinderung zu 1) "Rezidivierendes Lumbalsyndrom” und
war mit einer Einzel-MdE von 10 % bewertet worden. Zu der Erhöhung des MdE-Grades und Erweiterung der
Behinderung war es durch einen Autounfall am 10. Oktober 1980 gekommen.
Der Kläger reiste erstmals im April 1969 zur Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er arbeitete hier
von April 1969 bis Januar 1970 und von April 1970 bis Juli 1970 bei verschiedenen Bauunternehmen. Nachdem seine
Aufenthaltserlaubnis am 23. Juni 1970 abgelaufen war, verließ er am 24. Juli 1970 die Bundesrepublik und kehrte
nach J. zurück. Am 9. März 1971 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der
Arbeitsaufnahme bei der Firma R. Sch. KG in St. ein, erhielt die Aufenthaltserlaubnis und meldete sich am 22. März
1971 aus St. ab, ohne bei der Firma R. Sch. gearbeitet zu haben. Ausweislich des Versicherungsverlaufs der
Landesversicherungsanstalt Hessen vom 20. Juli 1983 und der Unterlagen der Beklagten sowie der Ausländerakten
übte der Kläger anschließend hier folgende Beschäftigungen aus, bzw. bezog Leistungen der Beklagten oder der
Krankenkasse:
13.07.71–05.05.72 St. OHG 05.06.72–02.08.72 H. W. 08.08.72 M., U. 14.08.72–23.08.72 S., S. 19.09.72–22.09.72
O., B. 16.10.72–24.10.72 H. Sch., D. 30.10.72–30.11.72 F. von P. KG 18.01.73–25.01.73 O. L. 09.03.73–23.03.73
F.fabrik P., St. 28.03.73–31.03.73 W. St. 10.04.73–05.07.73 w.a. H. 20.08.73–29.08.73 H. B., A. 05.11.73–20.12.73
F. (oder W.) H. 21.01.74–21.08.74 F. (oder W.) H. 26.09.74–27.04.75 Alg-Bezug 28.04.75–26.05.75 E. B., B.
27.05.75–05.07.75 Alg-Bezug 28.07.75–14.08.75 Alg-Bezug 10.11.75–18.01.76 H. W., M. 01.06.76–12.10.76 F. H.
12.10.76–01.12.76 arbeitsunfähig AOK G. 02.12.76–02.03.77 Alg-Bezug 14.04.77–19.08.77 G. H. Unterbrechung
12.07.–15.06.77 01.11.77–31.12.77 d. Baumarkt 03.05.78–12.05.78 W. P. KG, Sch. 07.08.78–23.12.78 H., H.
02.01.79–12.05.79 Alg-Bezug 14.05.79–26.05.79 Krankengeldbezug 27.08.79–21.09.79 Fa. G., W. 08.01.80–14.03.82
Amt für V. (US-Armee) 20.03.82–09.06.82 Alg-Bezug 12.07.82–22.03.83 Alg-Bezug 23.03.83–20.04.83 Anschluß-Alhi-
Bezug (bis Aufhebung) 16.05.84–12.06.84 Kur 01.11.84–20.02.85 Ch. Initiative "A. e.V.” 09.09.85–11.10.85 M.-F.
seit Mai 1972 sind folgende Lücken festzustellen
06.05.72–05.06.72 03.08.72–07.08.72 09.08.72–13.08.72 24.06.72–13.09.72 23.09.72–15.10.72 25.10.72–29.10.72
01.12.72–17.01.73 26.01.73–08.03.73 24.03.73–27.03.73 01.04.73–09.04.73 06.07.73–19.08.73 30.08.73–04.11.73
21.12.73–20.01.74 22.08.74–25.09.74 06.07.75–27.07.75 Urlaub in J. 15.08.75–09.11.75 ab 02.10.75 Alhi abgelehnt
wegen fehlender Verfügbarkeit 19.01.76–30.05.76 03.03.77–13.01.77 20.08.77–31.10.77 01.01.78–07.05.78 13.05.78–
06.08.78 24.12.78–01.01.79 13.05.79–26.08.79 (11.05.–07.06.79 = Sperre/Krankengeld 14.–26.05.79 Bescheid
19.06.79 = Alg-Ablehnung wegen fehlender Vorsprache) 22.09.79–07.01.80 10.06.82–11.07.82 (Alg-Ablehnung wegen
ungenehmigten Urlaub) ab 21.04.83 (Aufhebung Alhi-Bescheid 13.04.83 wegen verschlossenen Arbeitsmarkt nach 1-
jährigen Vermittlungsbemühungen) ab 17.10.85 Alhi-Ablehnung – Bescheid 18.03.86, da 1 Jahr seit letztem Bezug
vergangen
Mit Bescheid vom 13. April 1983 hob die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe wegen für den Kläger
verschlossenen Arbeitsmarktes nach einjährigen Vermittlungsbemühungen auf. Am 1. November 1983 beantragte der
Kläger die Erteilung einer Arbeitserlaubnis als Schreiner bei der Ch. Initiative " ” e. V ... Mit Bescheid vom 23.
November 1983 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die derzeitige Situation auf dem örtlichen
Arbeitsmarkt erlaube es nicht, die Arbeitserlaubnis zu erteilen. Mit Widerspruch vom 28. November 1983 hat der
Kläger vorgetragen, er habe sich die Arbeit selbst gesucht und lebe schon seit 14 Jahren ordnungsgemäß in der
Bundesrepublik Deutschland. Laut dem ausgewiesenen Diplom sei er Schreinermeister, dies gelte nicht nur für
Serbien, sondern auch für die Bundesrepublik. Im vorgelegten Schreiben der Ch. Initiative " ” e.V. vom 22. November
1983 teilte diese dem Kläger u.a. mit, daß der Arbeitsvertrag vom 1. November 1983 rückwirkend aufgelöst werden
müsse, da die Handwerkskammer W. die in S. abgelegte Meisterprüfung nicht als gleichwertig anerkenne. Mit dem
Kläger am 13. Januar 1984 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 1984 wies die Beklagte den
Widerspruch zurück mit der Begründung, daß die Ch. Initiative " ” e.V. kein Stellenangebot erteilt habe, so daß keine
Vermittlungsbemühungen hätten unternommen werden können. Es stünden 23 vorrangig zu vermittelnde Schreiner zur
Verfügung. Im übrigen handele es sich bei der Ch. Initiative " ” e.V. nicht um einen in die Handwerksrolle
eingetragenen Schreinerbetrieb, so daß dort keine handwerklichen Leistungen im Schreinerbereich erbracht werden
dürften.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Februar 1984 Klage erhoben und eine unbefristete Arbeitserlaubnis ohne
Beschränkung, hilfsweise eine Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung bei der Ch. Initiative " ” e.V., hilfsweise eine
Neubescheidung begehrt. Der Kläger hat vorgetragen, er sollte als Schreinermeister eingestellt werden, es werde
deshalb bestritten, daß im fraglichen Vermittlungsbezirk vorrangig zu vermittelnde Schreinermeister arbeitslos seien.
Es bestünde aber auch ein Anspruch nach § 2 Abs. 7 Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO). Er lebe bereits seit mehr
als 14 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und sei bis 1982 als Schreiner tätig gewesen. Seine gesamte
Familie sei hier fest integriert und ohne eine Arbeitserlaubnis sei er gezwungen, zur Aufnahme einer Arbeitstätigkeit
ohne seine Familie nach J. zurückzukehren. Sein 19-jähriger Sohn besuche hier die Fachschule für Schreiner. Ohne
Arbeitserlaubnis müsse er Sozialhilfe beantragen, die monatlich DM 478,40 betrage. Es sei zutreffend, daß er seine
letzte Tätigkeit als Schreiner aus gesundheitlichen Gründen habe aufgeben müssen, da er keine schweren
Hebearbeiten mehr verrichten könne. Ohne schwere Hebearbeiten könne er aber noch in seinem Beruf als Schreiner
arbeiten. Er habe einen zweiten Antrag auf Rente bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz gestellt.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Ehefrau des Klägers sei im Besitz einer bis 20. April 1988 befristeten
Arbeitserlaubnis, allerdings sei sie seit 12. August 1982 arbeitslos und beziehe Arbeitslosenhilfe. An einer im August
1983 vom Arbeitsamt angebotenen Arbeit sei sie nicht interessiert gewesen. Außerdem habe der Kläger erwachsene
Kinder, die ihm gegenüber zum Unterhalt verpflichtet seien. Die 27-jährige Tochter sei inzwischen verheiratet und
habe 2 Kinder. Ein 25-jähriger Sohn lebe nicht mehr im Haushalt und nach den Angaben in den
Arbeitslosenhilfeanträgen des Klägers und seiner Ehefrau sei die Anschrift des 25-jährigen Sohnes nicht bekannt. Der
jüngste Sohn des Klägers habe nach Abbruch der Ausbildung in der Zeit vom 1. Juli 1982 bis 4. September 1983 beim
Arbeitsamt Hanau Leistungen bezogen und habe dann in einen Grundausbildungslehrgang Holz übernommen werden
können. Die Teilnahme an diesem Lehrgang solle dem Sohn des Klägers die Erreichung des Hauptschulabschlusses
ermöglichen und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Dies alles zeige, daß hier keine besonderen
Umstände vorlägen, die von der Situation vieler ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland derart
abwichen, daß die Annahme einer unbilligen Härte gerechtfertigt wäre.
Das Sozialgericht hat Auskünfte bei der Ch. Initiative " ” e.V. vom 29. März 1984 und vom April 1984 eingeholt. Das
Sozialgericht hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung des Finanzreferenten der Ch. Initiative " ” e.V. als
Zeugen. Auf das Protokoll vom 16. August 1984 wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16. August 1984 hat das Sozialgericht Fulda (S-3c/Ar-20/34) unter Abweisung der Klage in übrigen die
angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Arbeitserlaubnis
ohne Beschränkung auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb für die Dauer von 5 Jahren
zu erteilen. In der Begründung hat es ausgeführt, im 5-Jahres-Zeitraum vom 1. November 1978 bis 31. Oktober 1983
habe der Kläger nicht ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt bzw. nur unschädliche Zeiten des
Arbeitslosengeld- bzw. Unterhaltsgeld-Bezuges oder sonstige Zeiten ohne Beschäftigungsverhältnis bis zu 3 Monaten
zurückgelegt, da er vom 21. September 1979 bis 3. Januar 1980 beschäftigungslos gewesen sei, ohne
Arbeitslosengeld zu beziehen. Dem Kläger stehe jedoch eine Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs. 7 AEVO zu. Der Kläger
sei 1969 zur Arbeitsaufnahme angeworben worden und befinde sich inzwischen 15 Jahre in der Bundesrepublik
Deutschland. Seine gesamte Familie mit Ausnahme des wehrdienstleistenden Sohnes befinde sich hier und sei
integriert. Die lange Aufenthaltsdauer und die Beschäftigung im Bundesgebiet haben zu einer Eingliederung in das
Arbeitsleben geführt. Der Kläger sei nach den Unterlagen der Beklagten niemals unrechtmäßig beschäftigt gewesen.
Die Aufenthaltsdauer des Klägers überschreite die Mindestarbeitszeit um ca. das Dreifache, die Beschäftigung
überschreite die Mindestarbeitszeit um mehr als das Doppelte. Die überwiegend unverschuldete Arbeitslosigkeit
mache im Hinblick auf die Gesamtdauer des Inlandaufenthaltes und der Inlandsbeschäftigung die Ablehnung der
Arbeitserlaubnis zu einer besonderen Härte.
Gegen das ihr am 5. Oktober 1984 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. November 1984 Berufung eingelegt und
vorgetragen, als Ausnahmeregelung innerhalb des Rahmens des § 2 AEVO sei die Bestimmung des § 2 Abs. 7 eng
auszulegen. Der Arbeitnehmer solle eine besondere Arbeitserlaubnis nur erhalten, wenn ihn die Versagung dieser
Erlaubnis nach den unmittelbar in seiner Person liegenden Umständen hart treffen würde. Ein langjähriger Aufenthalt
im Bundesgebiet allein reiche nicht aus. Während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland sei der
Kläger lediglich 8 Jahre und 11 Tage hier beschäftigt gewesen, einschließlich der Zeiten des Arbeitslosengeld- und
Arbeitslosenhilfe-Bezuges. Zudem sei er nicht überwiegend unverschuldet arbeitslos geworden. Auch habe der Kläger
keine minderjährigen Kinder mehr und sei nicht 75 % seiner Aufenthaltszeit erwerbstätig gewesen. Es komme hinzu,
daß der Kläger vom 14. August bis 23. August 1972, vom 1. Juni bis 12. Oktober 1976 und vom 14. April bis 24. April
1977 unerlaubt beschäftigt gewesen sei. Unterlagen über die Arbeitserlaubnisvorgänge lägen jedoch nicht mehr vor.
Lediglich die Arbeitserlaubniskarte enthalte Eintragungen über Beschäftigungsverhältnisse. Für die Beschäftigung bei
der Fa. S. sei eine Arbeitserlaubnis für die Zeit vom 14.08.1972– 13.08.1974 erteilt worden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. August 1984 abzuändern und die Klage in vollem
Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, zu Recht sei das erstinstanzliche Bericht davon ausgegangen, daß die Versagung der
Arbeitserlaubnis nach seinen besonderen Verhältnissen eine Härte i.S. des § 2 Abs. 7 AEVO darstellen würde.
Aufgrund seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes und seiner langjährigen Tätigkeit im Bundesgebiet könne er
in seiner Heimat keine hinreichende Existenz mehr finden. Seine Familienangehörigen befänden sich mit einer
Ausnahme ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie fest integriert seien. Der ledige Sonn M. geb. 27.
Januar 1962 und der ledige Sohn N. M. geb. 1964 lebten beide im Haushalt des Klägers; der am 1958 geborene Sohn
Z. M. sei mit einer Deutschen verheiratet und wohne in B.; die am 7. Mai 1956 geborene Tochter Q. I. sei verheiratet
und wohne in B. S. die am 30. Juni 1952 geborene Tochter S. M. sei verheiratet und wohne in J ... Auch die Ehefrau
des Klägers sei in der Bundesrepublik Deutschland voll integriert und arbeite seit 1. April 1984 in der Kurklinik R. 30
Stunden wöchentlich. Wenn bei ihr Zeiten der Arbeitsunterbrechung vorlägen, handele es sich um saisonale
Unterbrechungen. Von der einen Tochter abgesehen habe er keine Kontakte in J. und verfüge dort auch über keinen
Grundbesitz, so daß er nicht in der Lage sei, sich dort eine neue Existenzgrundlage aufzubauen. Während seiner fast
15-jährigen Berufstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland habe er sich ein Bandscheibenleiden zugezogen, wie
sich aus den Behindertenakten ergebe, das mit einer MdE von 20 % bewertet worden sei. Eine Bescheinigung der Ch.
Initiative " ” e.V., daß diese ihn weiter beschäftigen werde, könne nicht beigebracht werden, da das bestehende
Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 1985 fristgerecht gekündigt worden sei. Er habe dort hauptsächlich Möbel
transportieren müssen, was er wegen seines Bandscheibenleidens nur eingeschränkt habe verrichten können. Der
Kläger hat das Kündigungsschreiben der Ch. Initiative " ” e.V. vom 31. Januar 1985 sowie eine Arbeitsbestätigung des
Kursanatoriums R. vom 15. Mai 1985 – seine Frau betreffend – vorgelegt.
Der Senat hat die Behindertenakten des Versorgungsamtes XF., die Ausländerakten des Main-Kinzig-Kreises, die
Leistungsakten der Beklagten und eine Arbeitserlaubnis-Teilakte der Beklagten beigezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, sowie der Gerichtsakte
ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, § 143 SGG.
Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff. SGG liegen nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei der
Arbeitserlaubnis nicht um eine einmalige Leistung (vgl. Meyer-Ladewig SGG, 2. Aufl. § 144 RdNr. 7 und Urteil des
BSG vom 22.09.1976 – 7 RAr 107/75 in BSGE 42, S. 212).
Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet. Dabei ist Streitgegenstand nur noch die besondere
Arbeitserlaubnis.
Die vom Kläger zunächst begehrte Arbeitserlaubnis für eine Beschäftigung bei der Ch. Initiative " ” ist nicht mehr
streitbefangen, da das dort für die Zeit vom 1. November 1984 bis 23. Februar 1985 bestandene Arbeitsverhältnis
durch Kündigung aufgelöst wurde und der Kläger einen entsprechenden Antrag nicht mehr stellt.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. August 1984 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb insoweit
abzuändern, als es der Klage teilweise stattgegeben hat (Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf eine bestimmte
berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb für die Dauer von 5 Jahren). Die Klage war in vollem Umfang
abzuweisen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 19
Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.V. § 2 Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO in der Fassung der Bekanntmachung vom
12. September 1980, BGBl. I S. 1754, berichtigt 1981 S. 1245, gehindert durch Verordnung vom 24. September 1981
BGBl. I S. 1042, Verordnung vom 9. Juli 1984 BGBl. I S. 890 und Verordnung vom 24. Juli 1986 BGBl. I S. 1160).
Wie das Sozialgericht Fulda in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, lagen die Voraussetzungen des §
2 Abs. 1 AEVO (i.d.F. der Verordnung vom 24. September 1981) bei dem Kläger nicht vor, da er nicht die letzten 5
Jahre ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit rechtmäßig im Geltungsbereich der Verordnung ausgeübt hat. An
dieser Vorschrift hatte sich auch nichts durch die ab 15. Juli 1984 wirksame Verordnung vom 9. Juli 1984 geändert.
Eine schädliche (da mehr als 3 Monate betragende) Unterbrechung war bei dem Kläger in der Zeit vom 22. September
1979 bis 7. Januar 1980 eingetreten.
Der Kläger hat aber auch nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AEVO i.d.F. der 8. Verordnung zur Änderung der
Arbeitserlaubnisverordnung (vom 24. Juli 1986) erfüllt. Danach ist die Arbeitserlaubnis unabhängig von der Lage und
Entwicklung des Arbeitsmarktes und ohne die Beschränkung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 zu erteilen, wenn der
Arbeitnehmer in den letzten 8 Jahren vor Beginn der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis 5 Jahre eine unselbständige
Tätigkeit rechtmäßig im Geltungsbereich dieser Verordnung ausgeübt hat. Dabei findet allerdings eine Verlängerung
der Achtjahresfrist durch bestimmte nicht anrechenbare Zeiten im Gegensatz zu dem bisherigen § 2 Abs. 6 AEVO
(i.d.F. der Verordnung vom 19. Juli 1984) nicht statt. In der Zeit von Juli 1978 bis Juli 1986 (letzte 8 Jahre vor
Inkrafttreten der Verordnung vom 24. Juli 1986) hat der Kläger nicht 5 Jahre lang eine unselbständige Beschäftigung
ausgeübt, da sich selbst unter Einbeziehung der aufgrund des positiven Urteils erster Instanz erlaubt ausgeübten
Beschäftigungen in den Jahren 1984 und 1985 nur eine Gesamtbeschäftigungszeit von ca. 37 Monaten ergibt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Fulda ist der erkennende Senat nicht der Meinung, daß bei dem Kläger
die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 AEVO vorliegen (i.d.F. der Verordnung vom 9. Juli 1984) bzw. die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 AEVO (i.d.F. der Verordnung vom 27. Juli 1986, Art. I Nr. 1, f., die den bisherigen
Abs. 7 unverändert zu Abs. 6 gemacht hat). Danach kann die Arbeitserlaubnis nach Abs. 1 unabhängig von den
Voraussetzungen der Absätze 1, 2 und 3 erteilt werden, wenn die Versagung nach den besonderen Verhältnissen des
Arbeitnehmers eine Härte bedeuten würde. Dabei steht der Beklagten bei Prüfung des Härtefalls kein Ermessen zu,
die Entscheidung ist vielmehr in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar (vgl. Hennig-Kühl-Heuer, AFG,
Loseblattkommentar, 47. Ergänzung April 1986, § 19, 2.3).
Langjähriger Aufenthalt allein vermag keinen Härtefall zu begründen (vgl. Hennig-Kühl-Heuer s.o.). Kommt jedoch eine
intensive Verbindung mit dem hiesigen Arbeitsmarkt hinzu i.S. einer Integration in diesen, ohne daß deshalb schon
die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AEVO (in den verschiedenen Fassungen) erfüllt sein müßten, können besondere
Verhältnisse vorliegen, die die Ablehnung der Arbeitserlaubnis als hart erscheinen lassen. Dabei kann zu Ungunsten
des Ausländers Berücksichtigung finden, wenn er wiederholt ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet hat. Im Falle des
Klägers konnte der erkennende Senat keine Beschäftigungsverhältnisse des Klägers ohne Arbeitserlaubnis
feststellen. Die Beklagte hat nur eine Teilakte vorgelegt, die lediglich Unterlagen des aktuellen Vorgangs bezüglich
des abgelehnten Antrags vom 1. November 1983 enthält. Zur Vorlage weiterer Aktenunterlagen sah sich die Beklagte
nicht in der Lage, da diese Unterlagen entweder überhaupt nicht ordnungsgemäß gesammelt oder bei der Beklagten
verlorengegangen sind. Die von der Beklagten vorgelegte Fotokopie der sogenannten Arbeitserlaubniskarte (AEK), die
lediglich handschriftliche Eintragungen in Kurzform enthält, ist nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, daß alle
dort nicht verzeichneten Beschäftigungen des Klägers deshalb ohne Arbeitserlaubnis verrichtet wurden. Auch aus den
in der Ausländerakte des Main-Kinzig-Kreises enthaltenen korrekten Unterlagen in Form von Kopien zahlreicher
Arbeitserlaubnisse läßt sich nicht der Umkehrschluß ziehen, daß alle anderen Beschäftigungsverhältnisse des
Klägers deshalb unerlaubt gewesen wären. Wenn schon die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts über die von
ihr selbst erteilten Arbeitserlaubnisse keine Akten führt und sich statt dessen mit unübersichtlichen und
unvollständigen handschriftlichen Kurzvermerken begnügt, kann auch dem Kläger kein Vorwurf daraus gemacht
werden, wenn er die Arbeitserlaubnisvorgänge nicht mehr zur Verfügung hat. Ohne vollständige
Rekonstruktionsmöglichkeit aller Arbeitserlaubnisunterlagen kann das Gericht dann nicht davon ausgehen und dies
seiner Entscheidung zugrunde legen, daß der Kläger teilweise unerlaubt gearbeitet hat, wenn es hierfür keine positiven
Beweise gibt. Vermutungen, auch wenn sie naheliegen, reichen dabei nicht aus. Bei Prüfung der Härte ist der
erkennende Senat deshalb davon ausgegangen, daß der Kläger alle nachgewiesenen und der Entscheidung zugrunde
gelegten Beschäftigungen erlaubt ausgeübt hat.
Im Rahmen der Härtefallprüfung können auch besondere gesundheitliche Verhältnisse berücksichtigt werden, wenn
sie im Zusammenhang mit der inländischen Beschäftigung stehen. Nach Auffassung des erkennenden Senats liegen
bei dem Kläger insoweit keine besonderen Verhältnisse vor. Nach dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 2.
August 1979 wurde bei dem Kläger im Rahmen des Schwerbehindertengesetz ein rezidivierendes Lumbalsyndrom
festgestellt, das allerdings nur mit einer Einzel-MdE von 10 % bewertet wurde und schon deshalb wegen seiner
geringen Beeinträchtigung im Rahmen der Arbeitserlaubnis nicht berücksichtigt werden kann, ungeachtet der
fehlenden Prüfung, ob sich insoweit entscheidend die in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Beschäftigung
des Klägers körperlich negativ niedergeschlagen hat. Die spätere Erweiterung der Behinderung zu 1 (durch
Hinzukommen von Gibbusbildung nach Kompressionsfraktur von Brustwirbelkörper 12) und Erhöhung der Einzel-MdE
auf 30 % steht im Zusammenhang mit einem Autounfall und nicht mit der Arbeit.
Auch die Familienverhältnisse des Klägers bedeuten keine besonderen Verhältnisse i.S. einer Härte. Minderjährige
Kinder, denen er unterhaltspflichtig ist, hat der Kläger nicht. Die Ehefrau des Klägers ist im Besitz einer bis zum 20.
April 1980 gültigen Arbeitserlaubnis und nach Angaben des Klägers im Termin am 5. November 1986 ist seine
Ehefrau seit 1972 in einem Beschäftigungsverhältnis, das nur durch saisonale Unterbrechungen zu vorübergehenden
Zeiten der Arbeitslosigkeit geführt habe. Zwei Söhne des Klägers stehen in einem Beschäftigungsverhältnis, eine
Tochter ist in Deutschland und eine Tochter in J. verheiratet. Seit Dezember 1984 ist der Kläger im Besitz einer
räumlich und zeitlich unbeschränkten Aufenthaltserlaubnis.
Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Urteil vermochte der Senat im Falle des Klägers auch nicht eine wirtschaftliche
und soziale Integration in der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen. Der Senat hält auch nach Änderung des § 2
Abs. 1 AEVO (durch Verordnung vom 24. Juli 1986) daran fest, daß im Rahmen der Härteprüfung die von der
Beklagten aufgestellte Regelung (Durchführungsanweisung zum Arbeitserlaubnisrecht – DAAER 1.1.145 in Dienstblatt
der Beklagten Runderlaß 93/83 – Ergänzungslieferung Januar 1985) einen geeigneten Maßstab darstellt, eine
Integration zu bejahen, wie dies auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1985 ein geeigneter Maßstab war (vgl. Beschluss
des erkennenden Senats vom 25. Juni 1986 – L-6/Ar-1256/84 (A)). Danach liegen besondere Verhältnisse i.S. einer
Härte vor, wenn der ausländische Arbeitnehmer durch eine Auslandsdienststelle der Beklagten vermittelt oder vor dem
Anwerbestopp am 23. November 1973 eingereist ist und während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet weit
überwiegend, d.h. grundsätzlich 75 % der Aufenthaltszeit, erwerbstätig war. Der vor dem Anwerbestopp eingereiste
Kläger war bis zur Antragstellung am 1. November 1983 nicht wenigstens 75 % der Aufenthaltsdauer erwerbstätig,
und zwar unabhängig davon, ob die Zeit ab der ersten Einreise im April 1969 oder ab der zweiten Einreise am 9. März
1971 gerechnet wird. Wird die gesamte Zeit von April 1969 bis 1. November 1983 mit 14 Jahren 7 Monaten
berücksichtigt, entfallen darauf nur ca. 50 % reine Beschäftigungszeiten (ca. 7 1/4 Jahre). Unter weiterer
Berücksichtigung der Zeiten von Arbeitslosengeld- bzw. Arbeitslosenhilfebezug von ca. 28 Monaten ergeben sich 65
%. Wird die Gesamtzeit ab der zweiten Einreise im März 1971 bis 1. November 1983 mit 12 Jahren und 7 Monaten
berechnet, entfallen darauf weniger als 50 % reine Beschäftigungszeiten. Hier ergibt sich unter Berücksichtigung der
zusätzlichen Leistungsbezugszeiten ein geringfügig höherer Verhältnissatz von ca. 67 %. Wenn nicht die Stellung des
Antrags am 1. November 1983, sondern der Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 16. August 1984
oder zweiter Instanz am 5. November 1986 als Ende des Gesamtzeitraums angenommen wird, verschlechtern sich
die gewonnenen Verhältniszahlen noch zusätzlich. Aber auch bei Betrachtung der einzelnen Arbeitsverhältnisse kann
eine wirtschaftliche und soziale Integration gerade nicht gesehen werden. Im Gegenteil erscheint dem erkennenden
Senat das vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegte Arbeitsleben als herausragendes Beispiel
einer mißlungenen Integration. Lediglich einmal in seinem Arbeitsleben in der Bundesrepublik Deutschland hat der
Kläger ein Beschäftigungsverhältnis von mehr als 10-monatiger Dauer absolviert, nämlich vom 8. Januar 1980 bis 14.
März 1982 bei der Armee; dem steht eine Gesamtzahl von 23 Beschäftigungsverhältnissen in der Zeit von Juli 1971
bis März 1982 gegenüber. Angesichts der Tatsache, daß der Kläger ausweislich der in der Leistungsakte befindlichen
Arbeitsbescheinigungen in vielen Fällen den Arbeitsplatz durch eigene Kündigung bzw. eigenes Verhalten verloren
hat, vermochte der erkennende Senat nicht die Wertung im Urteil des Sozialgerichts Fulda nachzuvollziehen, daß der
Kläger überwiegend unverschuldet arbeitslos geworden sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG geregelten Fälle vorliegt.