Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

LSG Hes: hotel, restaurant, ruhezeit, nahrungsaufnahme, dienstliche tätigkeit, versicherungsschutz, arbeitsunfall, taxi, abend, lokal

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.09.1979 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 1 U 11/78
Hessisches Landessozialgericht L 3 U 978/78
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 1978 aufgehoben und
die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer bei einem Überfall in R. erlittenen Verletzung als Arbeitsunfall.
Der 1941 geborene Kläger war bei der B. AG – – als Flugzeugführer tätig. Unter dem 12. Oktober 1977 zeigte dieser
der Beklagten förmlich an, daß er nach einem Flugeinsatz von F. nach R. während der Ruhezeit (lay-over) am 26.
September 1977 gegen 2.30 h Ortszeit auf der Avenida Atlantica von einem Neger bedroht und in den Rücken
angeschossen worden sei. Er habe einen Lebersteckschuß erlitten; die Gallenblase sei entfernt worden. Hierzu
erklärte die Flugbegleiterin M. F. (F.) am 13. Dezember 1977, der Überfall habe sich um 1.30 h ereignet, als sie sich
mit dem Kläger nach einem Abendessen auf dem Rückweg zu ihrer Hotelunterkunft befunden habe und sie auf ein
Taxi gewartet hätten.
Hierauf lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. Januar 1978 die Gewährung einer Entschädigung ab, da der
Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Der Überfall habe sich außerhalb der Dienstzeit und auch nicht bei einer
dienstlichen Verrichtung ereignet. Der nächtliche Aufenthalt auf der Avenida Atlantica in R. habe ausschließlich
privaten Interessen gedient.
Gegen diesen am gleichen Tage mit Einschreiben abgesandten Bescheid hat der Kläger am 9. Februar 1978 bei dem
Sozialgericht Darmstadt – SG – Klage erhoben und u.a. geltend gemacht: Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts – BSG – bestehe auf Dienstreisen der Versicherungsschutz auf Wegen zur Einnahme von
Mahlzeiten auch dann, wenn nicht das Hotelrestaurant, sondern eine nicht unverhältnismäßig weit entfernte
Gaststätte aufgesucht werde. Das sei hier bei den nur 20 Busminuten vom Hotel Intercontinental R. entfernt
gelegenen Restaurant "Churrascaria Jardim” der Fall gewesen. Die Wahl sei zudem auf dieses Restaurant gefallen,
weil dort wegen der bekannt einwandfreien hygienischen Verhältnisse die L.-Besatzungen häufig Mahlzeiten
einnähmen. Außerdem habe es sich nach einem anstrengenden Nachtflug um die erste warme Mahlzeit nach der
Auskunft in R. gehandelt, die der Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit diente und daher versichert gewesen
sei.
Das SG hat zunächst die Flugbegleiterin F. als Zeugin gehört. Diese hat u.a. bekundet, daß die Crew beim Eintreffen
in R. einig gewesen sei, sich nach dem Ausschlafen zum Essen in dem Restaurant "Churascaria Jardim” zu treffen,
ohne daß eine bestimmte Zeit ausgemacht gewesen sei. Sie sei nach etwa 30 Minuten Fahrt im Hotelbus zusammen
mit dem Kläger gegen 21.30 h am 25. September 1977 dort eingetroffen. Sodann hätten sie dort das Essen um diese
Zeit bestellt und auch sofort serviert bekommen. Sie hätten sich in diesem Restaurant etwa zwei Stunden aufgehalten
und sich mit anderen Kollegen von der (Flugzeugbesatzungen und in R. stationierte Mitarbeiter) unterhalten. Gegen
1.00 h (26. September 1977) hätten sie sodann das Restaurant verlassen. Während andere Kollegen hätten noch
woanders hingehen wollen, wollten sie zum Hotel zurückfahren. Beim Warten auf ein Taxi bzw. den Hotelbus sei der
Kläger plötzlich und unvermutet angeschossen worden.
Sodann hat das SG am 3. August 1978 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem
Kläger aufgrund der Schußverletzung vom 26. September 1977 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Er habe
einen Arbeitsunfall erlitten, da er einer Gefahr erlegen sei, die aufgrund seines dienstlich bedingten Aufenthaltes in R.
entstanden sei. Nicht private sondern dienstliche Gründe hätten ihn zur Unfallzeit an die Unfallstelle geführt. Eine
frühere Einnahme der Mahlzeit sei infolge der morgendlichen Ankunft am 25. September 1977 in R. kaum möglich
gewesen. Zur Nahrungsaufnahme sei der Kläger nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht genötigt gewesen, in
das überfüllte Restaurant in seinem Hotel zu gehen, zumal das von ihm aufgesuchte Restaurant als hygienisch
einwandfrei gegolten habe und er dort mit der L.-Crew gemeinsam habe essen können. Auch könne eine baldige
Rückkehr in das Vertragshotel aus dienstlichen Gründen nicht gefordert werden, weil der nächste Tag (26. September
1977) frei gewesen sei.
Gegen dieses ihr am 10. August 1978 zugestellte Urteil hat die Beklagte schriftlich bei dem Hessischen
Landessozialgericht am 29. August 1978 Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden. Unter dem 14. Dezember 1978 hat die die
Auskunft erteilt, daß der internationale Flughafen von R. etwa 15 km nördlich von der Stadtmitte entfernt auf der D.
und das Hotel Intercontinental R. in einem westlichen Außenbezirk etwa 25 km entfernt von der Stadtmitte lägen. In
diesem Hotel gäbe es verschiedene Restaurants. Während eine Brasserie, Snack-Bar und der Room-Service 24
Stunden in Betrieb seien, sei das Hauptrestaurant von 19.00 h bis 2.00 h geöffnet. In der Nähe (100 m) befände sich
mit Restaurationsbetrieben ähnlicher Güte lediglich noch das Hotel Nacional. Ansonsten liege in der näheren
Umgebung beider Hotels ein riesiges Elendsviertel, in dem es nach Einbruch der Dunkelheit häufig zu Diebstählen und
Überfällen komme. Das Restaurant "Churrascaria Jardim” liege im vom Hotel Intercontinental R. etwa 10 km entfernt
gelegenem Stadtteil C ... Der Kläger sei am 25. September 1977 in R. um 7.17 h Ortszeit angekommen und habe laut
Einsatzplan am 28. September 1977 um 7.25 h ebenfalls Ortszeit wieder abfliegen und zur Flugvorbereitung den
Dienst etwa eine Stunde vorher wieder beginnen sollen.
Am 8. Mai 1979 übersandte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in R. einen Stadtplan. Gleichzeitig
teilte es mit, daß die Entfernung zwischen dem Restaurant "Churrascaria Jardim” und dem Hotel Intercontinental R.
etwa 12 km betrage. Es liege in dem Stadtteil C., der mit seinen unzähligen Restaurants, Hotels und Nachtclubs das
wahre Zentrum des nächtlichen Lebens darstelle.
Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Auch nach der Rechtsprechung des BSG bestehe auf einer
Dienst- oder Geschäftsreise nicht ständig Versicherungsschutz. Dies gelte insbesondere für die Ruhezeit des Klägers
nach seiner Ankunft im Hotel in R. am 25. September 1977 gegen 8.00 h bis zum vorgesehenen Dienstbeginn am 28.
September 1977 gegen 5.00 h. Der Überfall habe sich in der dienstfreien Zeit am 26. September 1977 gegen 1.30 h
ereignet. Zwischen der Nahrungsaufnahme und dem nächsten planmäßigen Dienstbeginn habe ein Zwischenraum von
rund 53 Stunden gelegen. Damit fehle es bereits am zeitlichen Zusammenhang. Im übrigen sei im Hinblick auf diese
Dienstausgestaltung die Nahrungsaufnahme in der Zeit von etwa 21.45 h bis nach Mitternacht nicht zur Befähigung
des alsbaldigen Dienstantritts erforderlich gewesen. Das Aufsuchen das in dem Vergnügungsviertel C. gelegenen
Restaurants "Churrascaria Jardim” sowie Dauer und Art des Aufenthaltes dort habe erkennbar der unversicherten
Freizeitgestaltung gedient. Außerdem sei dieses Lokal von den Restaurationsbetrieben im Hotel Intercontinental R.
unverhältnismäßig weit entfernt gelegen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 1978 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bringt ergänzend vor: Er sei auf dem Wege zu dem Restaurant
"Churrascaria Jardim” und von dort zurück bereits deshalb geschützt gewesen, weil er die Ruhezeit habe
zweckentsprechend nutzen müssen. Dazu gehöre auch die Einnahme der üblichen und für die Erhaltung der
Arbeitsfähigkeit notwendigen Mahlzeiten in hygienisch einwandfreien Gaststätten, um sich ständig dienstbereit halten
zu können. Als Kapitän sei er außerdem gehalten gewesen, sich in der Ruhezeit in der betriebsüblichen Weise um die
Crew zu kümmern, d.h., jedenfalls mit ihr das gleiche Lokal aufzusuchen. Abgesehen davon, daß die Entfernung vom
Hotel Intercontinental R. zu dem Restaurant "Churrascaria Jardim” nach den gegebenen örtlichen Verhältnissen in R.
im Sinne der Rechtsprechung des BSG als nicht unverhältnismäßig weit anzusehen sei, komme es auf diese
Entfernung deshalb nicht an, weil ihm die Hotelunterkunft der als Aufenthaltsort dienstlich zugewiesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 151, 143, 145 Sozialgerichtsgesetz
– SGG –).
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil mußte aufgehoben werden, da
der Kläger wegen der Folgen des am 26. September 1977 erlittenen Überfalls gegen die Beklagte keinen Anspruch auf
Gewährung einer Entschädigung hat. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Ein Arbeitsunfall (§ 548
Reichsversicherungsordnung – RVO –) liegt nicht vor.
Zunächst sieht der Senat nach den Ermittlungen im Verwaltungs- und Streitverfahren, insbesondere den Angaben des
Klägers, den Bekundungen der Zeugin F. sowie der Auskünfte der und des Generalkonsulats der Bundesrepublik
Deutschland in R. folgenden, von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Sachverhalt als erwiesen an: Der Kläger
landete als Flugzeugführer mit einer Maschine der am 25. September 1977 gegen 7.17 h Ortszeit auf dem
internationalen Flughafen von und begab sich von dort mit der Crew in das ihm zugewiesene und etwa 30 km entfernt
gelegene Hotel Intercontinental R., wo er gegen 8.30 h eintraf. Bis zum vorgesehenen Dienstbeginn um etwa 5.00 h
(Fahrzeit zum Flughafen zuzüglich einer Stunde Flugvorbereitung) am 28. September 1977 zum Rückflug um 7.25 h
Ortszeit bestand Ruhezeit (lay-over). Nach dem Eintreffen im Hotel schlief der Kläger bis etwa gegen 20.00 h. Gegen
21.00 h traf er mit der Zeugin F. zusammen, um, wie mit den anderen Crew-Mitgliedern am Morgen vereinbart, zum
gemeinsamen Abendessen in das um rund 10 km entfernt gelegenen Stadtteil C. befindliche Restaurant "Churrascaria
Jardim” zu fahren, wo er etwa um 21.30 h bis 21.45 h eintraf. Dort wurde das Essen sogleich bestellt und auch sofort
serviert. Am 26. September 1977 gegen 1.00 h verließ er mit der Zeugin F. das Restaurant, nachdem er sich dort
auch noch mit Crew-Mitgliedern anderer L.-Besatzungen und ortsansässigen Angestellten der unterhalten hatte.
Während andere Crewmitglieder in dem Vergnügungsviertel C. noch woanders hingehen wollten, beabsichtigte er mit
der Zeugin F. in das Hotel Intercontinental R. zurückzukehren. Auf der Suche nach einem Taxi bzw. beim Warten auf
den Hotelbus wurde er in der dem Restaurant "Churascaria Jardim” nahegelegenen Avenida Atlantica von einem
Einheimischen unvermittelt von hinten angeschossen. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. B. und des Dr. L. (Deutsche
Klinik für Diagnostik in W.) vom 4. März 1979 bedingen die Folgen dieser Schußverletzung seit dem Wegfall der
Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung am 1. Juli 1978 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE –
um 30 v.H.
Aufgrund dieses erwiesenen Sachverhalts ist der Versicherungsschutz nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil
der Kläger die Verletzungen bei einem Überfall erlitt und diesem nicht ein betriebsbezogenes Motiv zugrunde lag. Der
Zusammenhang ist vielmehr von vornherein gegeben, sofern die betriebliche Tätigkeit oder der Weg zur Arbeitsstätte
zum Zwecke der Arbeitsaufnahme den Beschäftigten an die Stelle geführt haben, wo im fraglichen Zeitpunkt eine zur
Gewalttat entschlossene Person seiner habhaft werden kann und wenn die Beweggründe des Angreifers sich nicht
aus einer persönlichen Verfeindung mit dem Angegriffenen erklären (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 1. März 1978 – L-3/U
– 1217/77 – in Breithaupt 1979, 25 mit weiteren zahlreichen Nachweisen).
Der Unfallversicherungsschutz war vielmehr deshalb nicht gegeben, weil der Kläger sich zur Zeit des Überfalls weder
bei einer seinem Unternehmen zuzurechnenden betrieblichen Tätigkeit (§ 548 RVO) noch auf einem mit einer solchen
in Zusammenhang stehenden Weg befand (§ 550 RVO). Wie der Senat (vgl. die Urteile vom 16. Januar 1974 – L-3/U –
541/73 – in Breithaupt 1974, 837 und vom 10. November 1976 – L-3/U – 587/75 – in Breithaupt 1977, 869) und das
BSG (vgl. u.a. die Urteile vom 13. Februar 1975 – 8 RU 86/74 – in E 39, 180 und 23. Juni 1977 – 2 RU 15/77 – in
SozR 2200 § 548 RVO Nr. 33) wiederholt entschieden haben, besteht für die Besatzungsmitglieder von Flugzeugen,
die sich auf einer Dienstreise befinden, grundsätzlich auch während der Ruhezeit der Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung. Dieser Unfallversicherungsschutz ist jedoch nicht schon deshalb gegeben, weil der Versicherte
durch eine dienstliche Tätigkeit gezwungen ist, sich außerhalb seines Beschäftigungs- oder Wohnortes aufzuhalten.
Vielmehr ist entscheidend, ob die Betätigung, bei welcher der Unfall eintritt, rechtlich wesentlich mit seinem
Beschäftigungsverhältnis zusammenhängt. Dazu gehören zum Beispiel nicht der Besuch einer Vergnügungsstätte
innerhalb oder gar außerhalb des Hotelgebäudes oder eine dem persönlichen Vergnügen oder der Erbauung dienende
sonstige Beschäftigung. Grundsätzlich gehört auch auf Dienstreisen die Nahrungsaufnahme selbst zum
unversicherten persönlichen Lebensbereich. Steht die Einnahme des Essens nicht in einem rechtlich wesentlichen
Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis, gehören auch das Zurücklegen des Weges zum Essen an einer
außerhalb der Betriebsstätte – bzw. wie im vorliegenden Fall der Hotelunterkunft – gelegenen Ort und der Rückweg
von dort nicht zur versicherten Tätigkeit nach § 548 RVO. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß nur in
besonders gelagerten Ausnahmefällen, zum Beispiel bei außergewöhnlichen Begleitumständen, die auf betriebliche
Gründe zurückzuführen sind, der Unfallschutz zu bejahen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 – 2 RU 111/58 – in
SozR Nr. 26 zu § 543 RVO a.F.; 26. April 1962 – 2 RU 148/59 – in SozSich 1962, 186; 29. November 1963 – 2 RU
239/62 – in SozR Nr. 47 zu § 543 RVO a.F.; 24. August 1976 – 8 RU 126/75 – in SozR 2200 § 548 RVO Nr. 23).
Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem Urteil des 2. Senats des BSG vom 23. Juni 1977 (2 RU 15/77 in SozR
2200 § 548 RVO Nr. 33) entnehmen, auch wenn es dort unter anderem heißt, daß es dem Dienst- oder
Geschäftsreisenden versicherungsrechtlich freigestellt sei, im Hotel oder in einem nicht unverhältnismäßig weit
entfernten Restaurant zu essen. Dieser Satz darf nicht isoliert von den sonstigen Ausführungen des 2. Senats des
BSG in diesem Urteil betrachtet werden. Danach gehören die Wege zur Nahrungsaufnahme während einer Dienstreise
zu den Verrichtungen, die im ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, die den Versicherten
in die fremde Stadt geführt hat. Auf diesem Wege besteht Versicherungsschutz gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 RVO. Dies
entspricht außerhalb einer Dienstreise dem Versicherungsschutz gemäß § 550 Abs. 1 RVO auf Wegen zur
Nahrungsaufnahme vom Ort der Tätigkeit und zurück (vgl. BSG a.a.O.). Hieraus, d.h., aus der Entsprechung von
solchen Wegen nach § 550 Abs. 1 RVO als Betätigung nach § 548 RVO auf einer Dienstreise zieht die Beklagte
zutreffend den Schluß, daß die Grundsätze über den Versicherungsschutz auf Wegen zur Nahrungsaufnahme nach §
550 RVO entsprechend anzuwenden sind. Diesem Versicherungsschutz liegt der Gedanke zugrunde, daß die
Nahrungsaufnahme den Versicherten befähigen soll, seine Beschäftigung alsbald bis zum Schluß der Arbeitsschicht
fortzusetzen. Der Weg zur Nahrungsaufnahme ist dabei zeitlich eng in die betriebliche Tätigkeit eingebettet. Wird
dieser Gesichtspunkt auf die entsprechenden Wege auf Dienstreisen übertragen, erfordert die Anerkennung eines
rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhangs zwar nicht gleichermaßen eine enge zeitliche Aufeinanderfolge
von Tätigkeit – Weg – Tätigkeit, da auf Dienstreisen generell eher ein ursächlicher Zusammenhang anzunehmen sein
wird als bei sonst gleichen Verhältnissen am Wohn- oder Betriebsort. Allerdings darf der zeitliche Zusammenhang
nicht völlig außer Acht gelassen werden, vielmehr muß eine angemessene zeitliche Beziehung zwischen Tätigkeit
und Weg sowie anschließender erneuter Aufnahme der Tätigkeit bestehen. Je länger auf Dienstreisen Zwischenräume
der Freizeit (lay-over, Ruhezeit) eingeschoben sind, umso mehr beschränkt sich der Unfallversicherungsschutz auf
das zur Aufrechterhaltung der Arbeitsaufnahme Notwendige. Zur Abgrenzung von der unversicherten
eigenwirtschaftlichen Tätigkeit werden dabei auch die Grenzen des Allgemeinüblichen zu berücksichtigen sein.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich nach den vom Senat getroffenen Feststellungen, daß der Kläger durch
die Ausführung der Dienstreise nicht in die Notwendigkeit versetzt war, in der Nacht des Überfalls gerade zu dieser
Zeit und an diesem Ort sich aufhalten zu müssen. Vielmehr trägt sein Verhalten deutlich das Gepräge einer privaten
Freizeitgestaltung, wie sie sich aus ihrem Zustandekommen, ihrem Ort und ihrer Dauer ergibt. Der Kläger war am
Morgen des 25. September 1977 etwa gegen 8.30 h in seiner Hotelunterkunft angekommen und hatte erst wieder den
Dienst am 28. September 1977 in den frühen Morgenstunden wieder aufzunehmen. Bereits am Morgen des
Ankunftstages war mit der Crew vereinbart worden, sich in dem im Vergnügungsviertel C. gelegenen Restaurant
"Churascaria Jardim” abends zu treffen, um dort zu essen und beisammen zu sein. Das hat die Zeugin F. bekundet
und wird besonders daraus deutlich, daß für die Einnahme der Abendmahlzeit nicht ein fest bestimmter Zeitpunkt
vereinbart war. Vielmehr bestand ganz allgemein Übereinstimmung, sich am Abend dort zu treffen. Ferner ergibt sich
aus dem Vorbringen des Klägers und der Bekundung der Zeugin F., daß nicht nur die Einnahme einer Mahlzeit Zweck
des Aufsuchens dieses Restaurants gewesen ist. Vielmehr wollte man mit L.-Angehörigen, die mit anderen
Flugzeugen nach R. gekommen waren, oder in dieser Stadt ständig ihren Dienst tun, den Abend vorbringen. Das
ergibt auch die Dauer des Aufenthaltes in diesem Lokal. Nach den Bekundungen der Zeugin F. traf sie mit dem Kläger
dort gegen 21.45 h ein, bestellte sofort das Essen und es wurde auch sofort serviert. Das Restaurant wurde aber nicht
etwa sofort nach der Essenseinnahme wieder verlassen, sondern man hielt sich dort noch bis etwa gegen 1.00 h, also
über drei Stunden auf. Auch diese Dauer des Aufenthaltes macht deutlich, daß die private Freizeitgestaltung im
Vordergrund stand. Es ist ständige Rechtsprechung des BSG, daß Unterbrechungen versicherter Wege, die zwei
Stunden überschreiten, den Versicherungsschutz ausschließen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 1977 – 8 RU 42/76
– in SozR 2200 § 550 RVO Nr. 27).
Der Kläger brauchte nicht zur Einnahme der Mahlzeit das in dem Vergnügungsviertel C. gelegene Restaurant
aufzusuchen, er konnte vielmehr entweder in den zahlreichen Restaurationsbetrieben in seinem Hotel oder in denen
des unweit gelegenen Hotel Nacional essen. Dem steht nicht entgegen, daß möglicherweise diese
Restaurationsbetriebe stark besucht waren und er wegen der Überfallgefahr aus dem unweit gelegenen Elendsviertel
darauf angewiesen war, ein Taxi nehmen zu müssen. Dem Umstand, daß der Kläger durch die in dem Hotel
Intercontinental R. untergebracht war, und er auch während der Ruhezeit erreichbar sein mußte, kommt rechtlich keine
Bedeutung zu. Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 16. Januar 1974 (L-3/U – 541/73 in Breithaupt 1974, 837)
und vom 10. November 1976 (L-3/U – 587/75) entschieden hat, ist die Ruhezeit keine Dienstzeit. Aus § 4 Abschnitt 4
Abs. 1 des Manteltarifvertrages Nr. 2 für das Bordpersonal folgt vielmehr, daß dieses während der Ruhezeit von
jeglicher Dienstleistung befreit ist. Diese Zeit ist lediglich zweckentsprechend zu verwenden. Das kann aber nur
bedeuten, daß diese Zeit zum Ausruhen dienen soll und negative Einflüsse auf den Körper zu unterlassen sind. Etwas
anderes folgt auch nicht daraus, daß der Kläger als Flugzeugführer eingesetzt war und einige Aufgaben mehr zu
erfüllen hatte als das übrige Bordpersonal. Auch das ist von dem Senat in dem dem Prozeßbevollmächtigten des
Klägers und der Beklagten bekannten Urteil vom 10. November 1976 (a.a.O.) festgestellt worden. Danach umfassen
die einem Flugzeugführer nach dem Flugbetriebshandbuch zugewiesenen Aufgaben neben den Tätigkeiten, die mit
dem Flug unmittelbar zusammenhängen, nur solche, die in aller Regel zeitlich kurz vor oder/und nach dem Flug zu
verrichten sind. Die hat hierzu in ihrer Auskunft vom 14. Dezember 1978 ausgeführt, daß der Kläger am 28.
September 1977 zur Flugvorbereitung mit dem Dienst etwa eine Stunde vor dem geplanten Abflug um 7.25 h Ortszeit
hätte wieder beginnen müssen. Nach alledem ist die Ruhezeit Freizeit, die sich die Piloten frei gestalten können.
Hieran ändert nichts, daß alle Besatzungsmitglieder jederzeit erreichbar sein sollen (vgl. Hess. LSG a.a.O.). Das
bedeutet, daß entgegen der Auffassung des Klägers er nicht gezwungen war, mit der Besatzung seiner Maschine ein
gemeinsames Abendessen einzunehmen oder sonst den Abend zusammen zu verbringen.
Im übrigen bewertet der Senat die Entfernung zwischen dem Hotel Intercontinental R. und dem Restaurant
"Churrascaria Jardim” in dem Vergnügungsviertel C. nicht mehr als "nicht unverhältnismäßig weit”. In seinem Urteil
vom 23. Juni 1977 (2 RU 15/77 in SozR 2200 § 548 RVO Nr. 33) hat der 2. Senat des BSG als eine nicht
unverhältnismäßig weite Entfernung ein lediglich 5 Gehminuten vom Hotel entfernt gelegenes Restaurant angesehen,
ohne allerdings eine weitere Abgrenzung zu treffen. Im hiesigen Fall hatte der Kläger von seinem Hotel zu dem
Restaurant "Churascaria Jardim” etwa 10 bis 12 km zurückzulegen bei einer Fahrtdauer mit dem Hotelbus zwischen
25 und 50 Minuten, je nachdem wie sich die Verkehrsverhältnisse gerade gestalteten. Nach den Bekundungen der
Zeugin F. haben beide mit dem Hotelbus nach dort etwa 30 Minuten benötigt. Eine so lange Fahrtdauer und
Wegestrecke sieht der Senat nicht mehr als nur "nicht unverhältnismäßig weit” an.
Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger seinen Dienst bereits über 14 Stunden beendet hatte
und diesen erst nach einem weiteren Zwischenraum von etwa 53 Stunden hätte wieder aufnehmen sollen. Unter
diesen Umständen ist der Sachverhalt nicht anders zu beurteilen, als wenn der Kläger in seiner dienstfreien Zeit
zwischen zwei Flügen sich an seinem Heimatort aufgehalten haben würde und auf dem Weg zu oder von einer
privaten Angelegenheit verunglückt wäre.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.