Urteil des LSG Hessen vom 19.12.1994

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.12.1994 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 20 J 1837/92
Hessisches Landessozialgericht L 11 J 825/93
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 1993 aufgehoben
und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung eines Neufeststellungsbescheids der Witwenrente der Klägerin und in
diesem Zusammenhang die Anerkennung von Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) im Streit.
Die 1925 geborene Klägerin ist die Witwe des im Jahre 1920 geborenen und 1974 verstorbenen Versicherten A. H.
Beide Eheleute sind als Volksdeutsche in Rumänien geboren.
Der Verstorbene war bis 1945 als Soldat bei der Deutschen Wehrmacht und hat nach westalliierter Gefangenschaft im
Jahre 1946 seinen Wohnsitz im Gebiet der heutigen Bundesrepublik genommen. Die Klägerin selbst war nach
Kriegsende nach Rußland verschleppt worden und ist im Jahre 1949 in die Bundesrepublik eingereist. Im Jahre 1950
erfolgte die Eheschließung. Die Klägerin und der Verstorbene erhielten als Vertriebene den Flüchtlingsausweis "A”.
Ausweislich der Angaben der Klägerin und des Inhalts der Verwaltungsakten war der Versicherte von 1945 bis zum
Frühjahr 1951 als Arbeiter in Bayern und danach bis in das Frühjahr 1952 in Österreich versicherungspflichtig
beschäftigt. Vom Sommer 1952 bis zum Jahresende 1955 war der Kläger sodann erneut im Bundesgebiet als Arbeiter
tätig. Zum Jahreswechsel 1955/56 fuhren die Klägerin und der Versicherte mit ihren Kindern nach Rumänien. Nach
Angaben der Klägerin erfolgte die Reise, weil die Eltern des Versicherten und die Mutter der Klägerin noch in
Rumänien lebten und keine Ausreisegenehmigung erhalten hatten, die Mutter des Versicherten wegen eines
Schlaganfalls pflegebedürftig geworden und der Vater des Versicherten wegen eines Asthmaleidens zur Pflege nicht
in der Lage war; man habe die Eltern in das Bundesgebiet holen wollen. In Rumänien seien der Klägerin und dem
Versicherten nach erfolgter Meldung innerhalb der ersten Woche nach Ankunft und Stellung der Ausreiseanträge für
die Angehörigen die deutschen Reisepässe abgenommen worden. In der Folgezeit sei dann weder ihnen selbst noch
ihren Angehörigen die Ausreise gestattet worden. Ausweislich der Angaben der Klägerin war der Versicherte ab Januar
1956 als Arbeiter versicherungspflichtig in Rumänien beschäftigt. Nach einer Bescheinigung der Direktion für Fragen
der Arbeit und der Sozialen Fürsorge/Arad (Rumänien) vom 15. Oktober 1983 dauerte diese Beschäftigung bis zum 1.
März 1969; danach wurde dem Versicherten bis zu seinem Tode am 1974 eine Rente gewährt.
Im Mai 1983 kam die Klägerin erneut in die Bundesrepublik und erhielt auf ihren Antrag hin eine Zweitschrift ihres
Vertriebenenausweises "A” vom 8. November 1955.
Am 24. Juni 1983 stellte die Klägerin Antrag auf Hinterbliebenenrente, die von der Beklagten mit Bescheid vom 8.
November 1983 auf der Grundlage vorläufig anerkannter Versicherungszeiten und unter Vorbehalt einer
Neubescheidung bewilligt wurde. Mit Neufeststellungsbescheid vom 24. Februar 1984 setzte die Beklagte die
beantragte Rente neu fest; dabei wurden die von dem Versicherten vom 21. Januar 1956 bis zum 28. Februar 1969 in
Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten nicht anerkannt, da sie nach Abschluß der allgemeinen
Vertreibungsmaßnahmen zurückgelegt worden seien und der Versicherte erst nach dem Stichtag des 31. März 1952
in das Vertreibungsgebiet zurückgekehrt sei. Das von der Klägerin gegen diesen Bescheid angestrengte
Widerspruchs- und Klageverfahren blieb erfolglos; mit Urteil vom 29. Mai 1985 wies das Sozialgericht Frankfurt am
Main (SG) die Klage ab, weil die Klägerin und der Versicherte erst nach dem Stichtag des 31. März 1952 nach
Rumänien zurückgekehrt seien und der Versicherte deshalb den Aussiedlerstatus gemäß § 1
Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) nicht habe erwerben können. Das sei aber für die Anrechnung der streitigen
Zeiten Voraussetzung.
Nachdem in der Zeitung der Rumäniendeutschen, der "Banater Post” am 20. Januar 1991 ein Bericht über das Urteil
des Bundessozialgerichtes vom 13. Dezember 1984 zum Aktenzeichen 11 RA 69/83 erschienen war, stellte die
Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 17. April 1991 Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides und
Anerkennung der rumänischen Versicherungszeiten des Versicherten, dem die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai
1991 entsprach; unter Anrechnung der Zeit seit 1956 wurde die Witwenrente der Klägerin neuberechnet, der
Monatsbetrag der Rente auf 787,07 DM und der Nachzahlungsbetrag auf 19.042,08 DM festgesetzt. Zur Auszahlung
des Nachzahlungsbetrages kam es indes nicht, nachdem zuständigen Bediensteten der Beklagten umgehend Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des Bescheides gekommen waren. Mit Schreiben vom 20. September 1991 teilte die Beklagte
der Klägerin mit, daß man in Verkennung des Sachverhaltes die Zeiten in Rumänien irrtümlich anerkannt habe und der
Bescheid deshalb alsbald wieder aufgehoben werden müsse. In ihrem Antwortschreiben auf diese Anhörung gemäß §
24 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) widersprach dem die Klägerin unter erneutem Hinweis auf
die Entscheidung des BSG.
Die Beklagte hob ihren Bescheid vom 29. Mai 1991 daraufhin mit weiterem Bescheid vom 16. Oktober 1991 auf und
setzte gleichzeitig wegen der erfolgten Überzahlung einen Rückzahlungsbetrag in Höhe von 1.946,55 DM fest. Die
Klägerin widersprach am 11. November 1991 und trug vor, die Rückkehr nach Rumänien im Dezember 1955 sei
ausschließlich wegen der pflegebedürfigen Eltern erfolgt, wobei ein fester Rückkehrwille nicht bestanden habe,
vielmehr habe man die Eltern in das Bundesgebiet holen wollen. Der Ausreiseantrag sei bereits 1956 gestellt worden
und damit liege ein alsbaldiger Rückkehrentschluß vor.
Mit Bescheid vom 24. Juli 1992 gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als sie die Festsetzung des
Erstattungsbetrages in Höhe von 1.946,55 DM aufhob; im übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Mit am 7. August 1992 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhobener Klage verfolgte die Klägerin ihr
Begehren weiter. Vom SG wurde die Klägerin persönlich gehört; auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Mit Urteil
vom 7. Juni 1993 gab das SG der Klage statt. Nach Auffassung der Kammer sei eine Wohnsitzbegründung in
Rumänien nach dem Stichtag des 31. März 1952 nicht erfolgt, denn eine Aufenthaltsnahme müsse mit dem
rechtsgeschäftlichen, d.h. insbesondere freien Willen erfolgen, nicht nur vorübergehend zu bleiben und den Ort zum
Mittelpunkt oder Schwerpunkt der eigenen Lebensverhältnisse zu machen. Die Kammer war insoweit überzeugt, daß
die Klägerin und der Versicherte seinerzeit nicht für längere Zeit oder auf Dauer hätten nach Rumänien zurückkehren
wollen; sie hätten in Deutschland ihren Wohnsitz nicht aufgegeben und ihren gesamten Hausrat in der Bundesrepublik
gelassen. Nach allem sei davon auszugehen, daß die Familie lediglich für eine begrenzte Zeit nach Rumänien
gefahren sei, wofür sich der Versicherte lediglich Urlaub genommen habe. Der Entschluß, in Rumänien zu bleiben, sei
schließlich nur aufgrund der faktischen Verhältnisse getroffen worden. Die Familie hätte sich in die seinerzeitigen
Machtverhältnisse fügen müssen, nachdem nach Entzug der Reisepässe eine legale Rückreise in das Bundesgebiet
nicht mehr möglich gewesen sei. Wegen der Zwangsausübung auf die Eheleute sei die Stichtagsregelung auf den
vorliegenden Fall nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht anwendbar, denn die Regelung beruhe auf der Erwägung,
daß es Vertriebene gegeben habe, die zwischen den Fronten hin- und herirrten und nicht gewußt hätten, wohin sie
gehen sollten. Damit stelle die Vorschrift jedoch entscheidend auf die Motivationslage ab, darauf also, ob subjektive,
der Entscheidung des Versicherten unterliegende Gründe vorgelegen hätten. Es sei nicht erkennbar, daß auch solche
Gründe zur Nichtanerkennung als Aussiedler hätten führen sollen, die nicht im Entscheidungbereich der Versicherten
lägen. Nach Auffassung des SG entspricht dies auch dem Urteil des BSG vom 13. Dezember 1984 (11 RA 69/83 –
SozR 5050 § 15 FRG Nr. 27). Soweit nämlich schon eine besondere Motivationslage, die noch im freien
Entscheidungsbereich der betreffenden Person liege, zu einem schwerwiegenden Grund für eine Rückkehr führen
könne, müsse dies nach Auffassung der Kammer erst recht für eine unfreiwillige Rückkehr durch Festhalten der
rumänischen Behörde gelten. Auf die Entscheidungsgründe im übrigen wird ergänzend Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 18. August 1993 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. August 1993 eingelegte Berufung der
Beklagten, die zunächst auf das Urteil des SG Frankfurt vom 29. Mai 1985 in der gleichen Sache verweist. Nach
Ansicht der Beklagten kann die erneute Einreise in das Bundesgebiet keinen Aussiedlungstatbestand begründen, wie
sich aus dem Umstand ergebe, daß für den Sohn Adam der Klägerin bei seiner erneuten Einreise in das Bundesgebiet
kein Vertriebenenausweis habe ausgestellt werden können. Im übrigen stütze sich die angefochtene Entscheidung
des SG zu Unrecht auf das Urteil des BSG vom 13. Dezember 1984, denn diese Entscheidung betreffe schon vom
Sachverhalt her einen anderen Fall; vorliegend sei festzustellen, daß der Versicherte wie auch die Klägerin selbst
bereits einen mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum Jahre 1955 aufgewiesen und somit einen Aufenthalt
von ständiger Dauer im Bundesgebiet begründet hätten. Einschlägig sei hier die Entscheidung des BSG vom 17.
November 1987, aus welcher sich ergebe, daß Beitragszeiten, die nach Abschluß der Vertreibung zurückgelegt
worden seien, nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Nicht das Festhalten durch die rumänischen Behörden sei
maßgebend, sondern die Tatsache, daß die Klägerin und der Versicherte bereits jahrelang ihren Wohnsitz in der
Bundesrepublik Deutschland gehabt hatten und die Rückkehr nach Rumänien – wenn auch durch familiäre Gründe
bedingt – letztlich eine freiwillige Entscheidung der Klägerin und des Versicherten dargestellt habe. Im übrigen sei
angesichts des langjährigen Zeitraums das vom SG in den Vordergrund gestellte Motiv des Festhaltens durch die
rumänischen Behörden nicht als beweiskräftig gewertet worden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 1993 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, daß der weitere Aufenthalt in
Rumänien nicht freiwillig erfolgt sei, sondern die Familie dort durch rechtswidrige Maßnahmen des rumänischen
Staates entgegen internationalem Recht festgehalten worden sei.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der
Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache begründet.
Gemäß § 45 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch: Verwaltungsverfahren (SGB X) darf ein Verwaltungsakt, der ein
Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er
rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit nur unter Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 1). Ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes
vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Betroffene erbrachte Leistungen verbraucht oder eine
Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen
kann (Abs. 2). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Abs. 2 nur bis zum
Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (Abs. 3).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind zugunsten der Beklagten erfüllt. Zunächst ist festzustellen, daß der
begünstigende Bescheid vom 29. Mai 1991 rechtswidrig war, da die Zeiten vom 21. Januar 1956 bis zum 28. Februar
1974 nicht anzurechnen waren. Zwar hat das SG im angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, daß sowohl
die Klägerin als auch der Versicherte Vetriebene gemäß § 1 Abs. 1 BVFG sind, da sie als deutsche Volkszugehörige
ihren Wohnsitz außerhalb des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember 1937 hatten und
diesen im Zusammenhang mit den Ereignissen des 2. Weltkrieges infolge Vertreibung verloren hatten; auch findet das
Fremdrentenrecht gemäß § 1 Buchst. a Fremdrentengesetz (FRG) auf die Klägerin und den Versicherten Anwendung,
da sie als Vertriebene anerkannt worden waren. Entgegen der Auffassung des SG sind jedoch die hier strittigen
rumänischen Versicherungszeiten von 1956 bis 1974 nicht gemäß § 15 FRG deutschen Beitragszeiten
gleichzustellen. Entscheidend ist insoweit – und hierauf weist die Beklagte zu Recht hin – daß die Klägerin und der
Versicherte auf ihren Antrag hin bereits den Vertriebenenausweis A vor dem streitigen Zeitraum erhalten hatten. In der
Erteilung des Vertriebenenausweises A, also der Anerkennung als Heimatvertriebener, liegt zugleich – als
notwendiges Anspruchselement – die den Rentenversicherungsträger und damit auch die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit bindende Feststellung, daß der Versicherte "vertrieben worden ist”. Mithin ist auch im
vorliegenden Fall dadurch, daß dem Versicherten der Vertriebenenausweis A ausgestellt wurde, zugleich für
Rentenversicherungsträger und Sozialgerichte verbindlich ein abgeschlossener Vertreibungsvorgang bejaht worden.
War aber hiernach die Vertreibung bereits abgeschlossen, so können die nachfolgenden streitigen Zeiten nach den
Vorschriften des FRG nicht mehr den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt werden (BSG,
vom 17.11.1987 – Az. 4a RJ 73/86). Entgegen der Auffassung des SG vermag der Senat vorliegend auch keinen
abweichend vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG ausnahmsweise anzuerkennenden Sonderfall der Rückkehr aus
besonders schwerwiegenden Gründen nach dem Stichtag des 31. März 1952 zu erkennen. Der Senat vermag schon
die Überzeugung des Sozialgerichtes nicht zu teilen, daß die Klägerin und der Versicherte nicht aus freiem Entschluß
zur Pflege ihrer Eltern nach Rumänien zurückgekehrt seien. So sprechen gegen diese Darstellung der Klägerin
mehrere Gesichtspunkte, die das SG nicht weiter erörtert hat, wie z.B. die Tatsache, daß tatsächlich die gesamte
Familie nach Rumänien fuhr, was bei dem angegebenen Vorhaben doch eher hinderlich erscheinen mußte. Gegen die
Darstellung der Klägerin spricht ferner die Tatsache, daß sie erst viele Jahre nach dem Eintritt des Rentenfalles
sowohl bei dem Versicherten wie ihr selbst ins Bundesgebiet zurückgekommen ist und zwischenzeitliche
Ausreisebemühungen, die das zwangsweise Festhalten durch rumänische Behörden nahegelegt hätten, nicht
dokumentiert sind. Ferner spricht gegen die Darstellung der Klägerin auch die Tatsache, daß keinerlei diplomatische
Verwicklungen in dieser Angelegenheit bekannt geworden sind, was angesichts des Festhaltens deutscher
Staatsbürger durch rumänische Behörden so ohne weiteres nicht erklärbar scheint. Jedoch können diese Zweifel an
der Darstellung der Klägerin dahingestellt bleiben, weil es nach Auffassung des Senats entscheidend auf den
Abschluß der Vertreibung ankommt. Gerade wenn man dem SG folgt und keine erneute Wohnsitznahme im
Vertreibungsgebiet und damit den vom BSG in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1984 (SozR 5050 § 15 Nr. 27)
beschriebenen Ausnahmefall nicht annimmt, müßte vorliegend gelten, daß der Wohnsitz in der Bundesrepublik die
ganzen Jahre über beibehalten worden ist. Das verdeutlicht, daß, sofern die Schilderung der Klägerin zutrifft, das
völkerrechtswidrige Verhalten der rumänischen Behörde einen Tatbestand geschaffen hat, der mit dem deutschen
Vertreibungsrecht nicht zu erfassen ist.
Nimmt man schließlich entgegen der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil eine Rückkehr im Sinne des § 1
Abs. 2 Nr. 3 BVFG an, so scheitert eine Vertreibung im Sinne des Gesetzes schließlich an der gesetzlichen
Stichtagsbegrenzung des 31. März 1952, wie das SG Frankfurt im Urteil vom 29. Mai 1985 überzeugend ausgeführt
hat.
Der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 1991 war somit von Anfang an rechtswidrig und konnte von der Beklagten
unter Beachtung der in § 45 SGB X genannten Beschränkungen aufgehoben werden. Dabei hatte die Beklagte
insbesondere das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes mit dem öffentlichen Interesse
an einer Rücknahme abzuwägen. Diese Abwägung hat die Beklagte jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 24. Juli
1992 ordnungsgemäß vorgenommen, da sie die tatsächlich zur Auszahlung gekommenen Rentenbeträge für die Zeit
vom 1. Juli 1991 bis zum 30. November 1991 nicht zurückverlangt und im übrigen ausgeführt hat, daß die noch nicht
ausbezahlten Rentenbeträge noch nicht verbraucht worden sind. Zutreffend weist die Beklagte im Rahmen ihrer
Ermessenserwägungen auch darauf hin, daß der Fehler unmittelbar nach Erlaß des Verwaltungsaktes bemerkt und
korrigiert wurde. Der Senat hält diese Abwägung für ausreichend. Obwohl die Beklagte in keinem ihrer Bescheide auf
die Rechtsgrundlage des § 45 SGB X hingewiesen hat, hat sie die Erfordernisse dieser Vorschrift jedoch in vollem
Umfang beachtet, so daß ihr Handeln insgesamt rechtmäßig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 160
Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zuzulassen.