Urteil des LSG Hessen vom 15.12.1993

LSG Hes: berufliche tätigkeit, verordnung, osteochondrose, rheuma, jugend, entschädigung, coxarthrose, alter, beendigung, anerkennung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.12.1993 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 7/3 U 156/91
Hessisches Landessozialgericht L 3 U 1031/92
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit (BK) zu entschädigen hat.
Der 1941 geborene Kläger war teilweise schon während der Schulzeit und nach Abschluß der mittleren Reife voll im
landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters tätig, das er zu Beginn der 80er Jahre übernahm. Anfang 1990
verkaufte er den Hof mit ca. 41 ha landwirtschaftlichen und 21 ha forstwirtschaftlichen Flächen.
Im März 1990 erstattete der Kläger bei der Beklagten Anzeige über das Vorliegen einer BK wegen seit langen Jahren
bestehender starker Schmerzen in den Knien, den Hüften, der Wirbelsäule, den Ellenbogen und Schultern, die durch
schwere und frühe Arbeit in der Landwirtschaft hervorgerufen worden seien. In einem dazu vorgelegten Attest der
praktischen Ärztin Dr. K. vom 5. März 1990 und der ärztlichen Anzeige über eine BK vom 10. April 1990 hieß es, daß
der Kläger seit dem 16. Lebensjahr über ständige Schmerzen in vielen Gelenken verursacht durch eine chronische
Arthritis klage. Weiterhin bestehe ein LWS-Syndrom und eine Coxarthrose, die auf einer chronischen Überbelastung
als Landwirt beruhten.
Die Beklagte zog diverse ärztliche Unterlagen u.a. den Bericht der Rheumaklinik vom 17. Februar 1990 bei. Darin
wurden Hinweise auf das Vorhandensein einer entzündlichen Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis als
Ursache für die seit der Jugend geklagten Schmerzen des Klägers in fast allen großen Gelenken verneint und als
Grund hierfür eine ständige körperliche und seelische Belastung auf beruflicher und privater Ebene bei auffälliger
Persönlichkeitsstruktur vermutet. Im Bericht vom 8. Juni 1990 der Orthopädischen Universitätsklinik über eine
Untersuchung des Klägers am 22. Februar 1989 wurden eine beginnende Coxarthrose bds., rezidivierende Lumbalgien
bei leichter rechtskonvexer Lumbalskoliose sowie eine initiale mediale Kniegelenksarthrose bds. diagnostiziert. Im
Arztbrief des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 6. März 1990 wurde eine schmerzhafte Coxarthrose bds. sowie
bezüglich der LWS eine linkskonvexe Torsionsskoliose und initiale Osteochondrose L 2/3 beschrieben. Die
Landesgewerbeärztin vertrat in ihrer Stellungnahme vom 22. Januar 1991 die Auffassung, daß die angeführten
Erkrankungen nicht als BK im Sinne der geltenden Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen seien und
auch eine Entschädigung wie eine BK nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht in Frage komme.
Dem stimmte der beratende Arzt der Beklagten Prof. Dr. G. in Stellungnahmen vom 4. Februar und 27. Februar 1991
zu. Gestützt darauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21. Februar 1991 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. März 1991 die Gewährung von Leistungen aus Anlaß einer BK ab.
Nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) wurde wegen "degenerativer Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen,
schmerzhafter Funktionsbehinderung in beiden Hüft- und Kniegelenken” ein Grad der Behinderung von 40 v.H.
festgestellt (Bescheid des Versorgungsamtes Gießen vom 3. Januar 1991). Die Landwirtschaftliche Alterskasse
(LAK) Hessen-Nassau bewilligte dem Kläger nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens vom 13. Juli 1990
des Dr. S. und eines orthopädischen Gutachtens des Dr. H. vom 1. Oktober 1990 mit den Hauptdiagnosen
"Coxarthrose bds., Schultersteife bds., rezidivierendes Lumbalsyndrom” ab Mai 1990 vorzeitiges Altersgeld (Bescheid
vom 17. Januar 1991).
Gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten hat der Kläger am 3. April 1991 beim Sozialgericht Marburg (SG)
Klage erhoben.
Das SG hat einen Bericht der Rheuma-Kurklinik vom 20. August 1991 beigezogen, in dem u.a. eine Hüft- und
Kniearthrose bds., ein Rundrücken mit statisch bedingtem Lumbalsyndrom und psychische Alterationen diagnostiziert
wurden. Von der praktischen Ärztin Dr. K. wurden unter dem 19. November 1991 ein weiterer Befundbericht und
Krankenunterlagen seit 1985 übersandt. Das SG hat schließlich von Amts wegen das arbeitsmedizinische Gutachten
vom 15. Mai 1992 des Prof. Dr. , Universitätsklinik mit orthopädisch-rheumatologischem Zusatzgutachten vom 27.
Februar 1992 und ergänzender Stellungnahme vom 25. Juni 1992 des Dr. K. eingeholt. Darin wurde die Auffassung
vertreten, daß von den gesamten, das orthopädische Fachgebiet betreffenden und insgesamt mit einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. zu bewertenden Erkrankungen unter dem Gesichtspunkt der beruflichen
Verursachung von vornherein nur Krankheitserscheinungen der Wirbelsäule relevant sein könnten, wobei eine
Anerkennung allerdings nur in Anwendung der Öffnungsklausel des § 551 Abs. 2 RVO denkbar sei. Unter der
Voraussetzung, daß eine langjährige Überbelastung der Wirbelsäule insbesondere der LWS durch langjähriges Heben
und Tragen und/oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung über einen großen Teil der Arbeitszeit ohne
regelmäßigen Wechsel zwischen statisch belastenden und entlastenden Tätigkeiten stattgefunden habe, würden nach
neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zwar bestimmte chronische bandscheibenbedingte
Krankheitsbilder wie ein lokales Lumbalsyndrom, ein mono- und polyradikuläres Wurzelsyndrom (Ischias) oder ein
Kaudasyndrom zur Anerkennung als BK vorgeschlagen. Beim Kläger sei es jedoch zu keinem dieser ausgeprägten,
bandscheibenbedingten Krankheitsbilder gekommen. Neben einer Osteoporose und Bewegungsstörungen im Bereich
der Wirbelsäule bei Fehlstatik im Sinne einer Hyperlordose und Hyperkyphose mit interspinalen Ligamentosen und
Myotendinosen bestünden zwar auch degenerative Veränderungen. Es handele sich jedoch lediglich um dem Alter
des Klägers entsprechende degenerative Veränderungen der LWS, die nicht einmal sehr ausgeprägt seien.
Knochendeformierungen und -veränderungen an den Bandscheiben, die die Diagnose eines der erwähnten
Krankheitsbilder rechtfertigen könnten, seien nicht festzustellen. Im übrigen habe der Kläger in seiner vielseitigen
Tätigkeit als Landwirt Schwerarbeit und Arbeiten in gebückter und verdrehter Körperhaltung nur immer wieder über
kürzere Zeiträume, d.h. zwar stunden- und tagelang, jedoch nicht wochen- und monatelang ausgeführt, so daß ein
Wechsel zwischen statisch belastender und entlastender Tätigkeit gegeben gewesen sei.
Durch Urteil vom 15. Oktober 1992 hat das SG die Klage, mit der der Kläger nach seinem im Termin zur mündlichen
Verhandlung gestellten Antrag nur noch die Anerkennung und Entschädigung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK
beantragt hat, zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug
genommen.
Gegen das am 23. Oktober 1992 zur Post aufgelieferte Urteil hat der Kläger am 19. November 1992 Berufung
eingelegt. Er hat geltend gemacht, daß bei ihm eine BK im Sinne der inzwischen am 1. Januar 1993 in Kraft
getretenen Nrn. 2108 und 2110 der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18. Dezember 1992 vorliege.
Soweit Prof. Dr. K. dazu unter dem Gesichtspunkt der Öffnungsklausel des § 551 Abs. 2 RVO bereits Ausführungen
gemacht habe, sei nicht hinreichend gewürdigt worden, daß er bereits in der Wachstumsphase schwersten
körperlichen Belastungen insbesondere durch das Heben und Tragen von Kartoffel- und Düngesäcken sowie
gepreßten Strohballen ausgesetzt gewesen und die Ursache seiner jetzigen Beschwerden demnach schon in der
Jugend gesetzt worden sei. Unberücksichtigt sei auch geblieben, daß er jährlich an die 1000 Stunden auf einem
Schlepper verbracht und seine Wirbelsäule durch die Schwingungen verschleißfördernde Erschütterungen erlitten
habe. Ohne diese Arbeiten hätte er heute höchstwahrscheinlich keine Verschleißerscheinungen an der LWS.
Angesichts seines nicht sehr hohen Alters und seiner Statur erscheine es höchst fraglich, die aufgetretenen
Veränderungen als altersbedingt darzustellen. Die Aufgabe der Tätigkeit als Landwirt sei im wesentlichen gerade auch
auf die durch die degenerativen Veränderungen der LWS bedingten Rückenschmerzen zurückzuführen. Erst als diese
zu seinen seit mindestens 20 Jahren bestehenden Schmerzen in den Gelenken hinzugetreten seien, sei er nicht mehr
in der Lage gewesen, seiner Arbeit als Landwirt nachzugehen. Nach deren Beendigung hätten sich die Beschwerden
auch deutlich gebessert.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 15. Oktober 1992 aufzuheben und die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 21. Februar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1991
zu verurteilen, die Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu
entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als BK nach der Nr. 2108 oder 2110 der
Neufassung der BKVO allein schon aus medizinischen Gründen nicht anerkannt werden könne. Die gefundenen
degenerativen Veränderungen der LWS seien erwiesenermaßen gering und dem Alter des Klägers entsprechend, die
Bandscheibenräume erhalten gewesen. Die von allen Ärzten festgestellte lumbale Torsionsskoliose bzw.
Drehverbiegung sei anlagebedingt und könne nicht durch ständige Überanstrengung hervorgerufen werden. Außerdem
seien die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule nur ein Teil der vom Kläger umfassend angegebenen Schmerzen
in allen großen Gelenken des Körpers gewesen, in denen auch wesentlich deutlichere Veränderungen nachgewiesen
worden seien. Es sei deshalb auch nicht ersichtlich, daß die Wirbelsäulenbeschwerden den Kläger zur Aufgabe der
Tätigkeit als Landwirt gezwungen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten und der LAK Hessen-Nassau, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz – SGG – a.F.) jedoch unbegründet.
Das SG und die Beklagte haben zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung einer
Wirbelsäulenerkrankung verneint. Dieser Anspruch kann sich insbesondere auch nicht auf die inzwischen am 1.
Januar 1993 in Kraft getretene Zweite Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18. Dezember 1992 stützen, durch
die die vom Sachverständigen Prof. Dr. K. im wesentlichen diskutierten neuen medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisse über Wirbelsäulenerkrankungen normatives Recht geworden sind. Nach den neu eingeführten Listennrn.
2108 und 2110 gehören zu den BKen nunmehr zwar auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch
langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
sowie außerdem bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung
von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die
Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren. Nach Artikel 2 Abs. 2 der
Verordnung vom 18. Dezember 1992 gilt dies auch für Versicherte, die beim Inkrafttreten der Verordnung am 1.
Januar 1993 an einer Krankheit leiden, die erst aufgrund der Verordnung als BK im Sinne des § 551 Abs. 1 RVO
anerkannt werden kann, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Da zu den
tatbestandlichen Voraussetzungen einer BK nach den Nrn. 2108 und 2110 die Unterlassung der schädigenden
Tätigkeit gehört und der Kläger die von ihm als schädigend angeschuldigte Tätigkeit als Landwirt erst Anfang 1990
aufgegeben hat, kann die grundsätzliche Anwendbarkeit der Neuregelung auf den Kläger mithin nicht verneint werden.
Beim Kläger besteht jedoch keine als BK nach den Nrn. 2108 und/oder 2110 entschädigungsfähige
bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS.
Dazu gehören entsprechend den noch unter dem Gesichtspunkt der Öffnungsklausel nach § 551 Abs. 2 RVO
gemachten Darlegungen des Prof. Dr. K. bandscheibenbedingte lokale Lumbalsyndrome, mono- und polyradikuläre
lumbale Wurzelsyndrome ("Ischias”) und Kaudasyndrome mit chronischen oder chronisch rezidivierenden
Beschwerden und Funktionseinschränkungen, die therapeutisch nicht mehr voll kompensiert werden können und die
den geforderten Unterlassungstatbestand begründen (s. Merkblätter des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
zu den Nrn. 2108 und 2110). Es kann unerörtert bleiben, ob die langjährige Tätigkeit des Klägers in der Land- und
teilweise in der Forstwirtschaft seit seiner Jugend, insbesondere das schwere Heben und Tragen von Lasten und das
Fahren land- oder forstwirtschaftlicher Schlepper, grundsätzlich zu derartigen Krankheitsbildern führen kann.
Jedenfalls ist es beim Kläger durch die berufliche Tätigkeit dazu nicht gekommen.
Nach dem zwei Jahre nach Beendigung der Tätigkeit als Landwirt erstellten orthopädischen Gutachten vom 27.
Februar 1992 des Dr. K. waren beim Kläger im Bereich der LWS röntgenologisch neben einer in jedem Fall
berufsunabhängigen Osteoporose nur degenerative Veränderungen in Form einer deutlich verstärkten Zeichnung der
Grund- und Deckplatten mit sog. WK-Rahmenfiguren ohne Ausziehungen an den vorderen Ober- und Unterkanten und
eine geringe Verdichtung im Bereich der kleinen Wirbelgelenke nachweisbar. Von der Orthopädischen
Universitätsklinik war im Februar 1989 – also ein Jahr vor Beendigung der Tätigkeit als Landwirt – insoweit allenfalls
eine beginnende Osteochondrose L 5/S 1 und vom Arzt für Orthopädie Dr. H. im Jahr der Beendigung der Tätigkeit nur
eine beginnende Osteochondrose bei L 2/3 (Bericht vom 6. März 1990) bzw. eine initiale Osteochondrose an den
ventralen Wirbelkörperkanten bei erhaltenen Bandscheibenräumen (Gutachten vom 1. Oktober 1990) diagnostiziert
worden. Hierbei handelt es sich nach der Beurteilung des Dr. K. und des Prof. Dr. K. um dem Alter des Klägers von
damals 49 bzw. 51 Jahren entsprechende und nicht einmal sehr ausgeprägte degenerative Veränderungen. Soweit der
Kläger meint, daß er in diesem Alter ohne die Tätigkeit in der Landwirtschaft wahrscheinlich noch keine degenerativen
Veränderungen aufgewiesen hätte, entbehrt dies jeder nachvollziehbaren Grundlage. Es ist allgemein anerkannt, daß
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule unabhängig von schweren bzw. spezifischen Tätigkeiten im Sinne der
Nrn. 2108 und 2110 der BKVO als normaler physiologischer Alterungsprozeß ablaufen und sich am häufigsten schon
zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr bemerkbar machen (s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und
Berufskrankheit, 4. Aufl. S. 435). Außerdem reicht das Vorhandensein röntgenologischer LWS-Veränderungen nicht
aus, den Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung im Sinne der Nrn. 2108 und 2110
zu begründen. Vielmehr müssen entsprechende chronisch rezidivierende Beschwerden und
Funktionseinschränkungen hinzukommen (s. Merkblätter, a.a.O.), d.h. es muß ein durch die degenerativen
Veränderungen verursachtes chronisches lokales Lumbalsyndrom, Ischiassyndrom oder Kaudasyndrom vorliegen.
Diese Annahme ist laut Prof. Dr. K. aber schon angesichts des Fehlens entsprechender Knochendeformierungen und
veränderungen an den Bandscheiben nicht zu rechtfertigen. Es ist auch unstreitig, daß beim Kläger ein
Kaudasyndrom nie festgestellt wurde. Ebensowenig ergeben sich aus den seit 1985 vorliegenden Arztberichten und
Gutachten auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet irgendwelche Anhaltspunkte für ein mono- oder
polyradikuläres Wurzelsyndrom bzw. Ischiassyndrom. Das Lasègue-Zeichen war stets negativ; Reflexstörungen,
Sensibilitätsstörungen, motorische Störungen oder Hinweise auf radikuläre Schmerzausstrahlungen wurden nie
beschrieben. Auch ein lokales bandscheibenbedingtes Lumbalsyndrom infolge mechanischer Irritationen des hinteren
Längsbandes (z.B. durch intradiscale Massenverschiebung), der Wirbelgelenkkapsel und des Wirbelperiosts (s.
Merkblätter, a.a.O.), wurde von Dr. K. nicht diagnostiziert. Festgestellt wurde nur eine leichte
Bewegungseinschränkung der LWS, die nach Beurteilung des Arztes auf eine röntgenologisch nachgewiesene
Fehlstellung der Wirbelsäule im Sinne einer Hyperkyphose und einer Hyperlordose mit bestehenden interspinalen
Ligamentosen und Myotendinosen beruht. Eine Fehlstellung der Wirbelsäule mit Rundrücken der BWS und verstärkter
Lendenlordose bzw. lumbaler Skoliose/Torsionsskoliose wurde auch von den Ärzten der Orthopädischen
Universitätsklinik (Bericht vom 22. Februar 1989), von Dr. H. (Bericht vom 6. März 1990, Gutachten vom 1. Oktober
1990), den Ärzten der Rheuma-Kurklinik (Bericht vom 20. August 1991) und der behandelnden Ärztin Dr. K. (Bericht
vom 19. November 1991) festgestellt. Zwar wurden seit 1987 wiederholt auch die Diagnosen "rezidivierende
Lumbalgien”, "Lumbalsyndrom” gestellt. Diese Diagnose wurde von den Ärzten der Orthopädischen Universitätsklinik
und der Rheuma-Kurklinik jedoch ebenfalls auf die Fehlstellung der Wirbelsäule und nicht auf lokalisierte, degenerativ
veränderte Bereiche der LWS bezogen. Worauf diese Fehlstellung ihrerseits beruht, ob sie angeboren und/oder
erworben z.B. durch die u.a. von Dr. H. wiederholt beschriebene Beinverkürzung, O-Beinbildung beiderseits und
ausgeprägte Senk-Spreizfüße mitbedingt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls handelt es sich bei auf derartigen
Fehlhaltungen der Wirbelsäule beruhenden Schmerzen nicht um eine "bandscheibenbedingte” Erkrankung im Sinne
der Nrn. 2108 und 2110 (s. auch Merkblätter, a.a.O.).
Im übrigen stehen die starken Schmerzangaben des Klägers bezüglich der LWS im Zusammenhang mit
entsprechenden Schmerzangaben für den Bereich der gesamten Wirbelsäule sowie überhaupt aller großen Gelenke
des Körpers, insbesondere der Schulter-, Ellenbogen-, Huft- und Kniegelenke mit Ausnahme allenfalls der Hand-,
Finger- und/oder Kiefergelenke, die schon von Jugend an bzw. ab dem 16. Lebensjahr bestanden, in den letzten fünf
Jahren vor der Berufsaufgabe zugenommen und ständig unabhängig von Belastungen vorgelegen haben sollen. Diese
den gesamten Stütz- und Bewegungsapparat betreffenden erheblichen Schmerzzustände wurden dabei ärztlicherseits
u.a. auch zum Teil oder sogar wesentlich als psychosomatisch/psychogen bedingt angesehen im Rahmen einer
gestörten Persönlichkeitsentwicklung und auffälligen Persönlichkeitsstruktur bei erheblichen familiären und
persönlichen Problemen mit jahrelangem Alkoholabusus (s. Unterlagen der Dr. K. u.a. Arztbriefe der Neurologischen-
und Psychiatrischen Universitätsklinik vom 20. Februar 1989 und 29. März 1989, Arztbrief der Rheumaklinik Bad vom
17. Februar 1989 und Bericht der Rheuma-Kurklinik S. vom 20. August 1991). Von daher ist mit der Beklagten auch
nicht ersichtlich, daß gerade Schmerzen und Beschwerden im Bereich der LWS für die Aufgabe der Tätigkeit als
Landwirt von wesentlicher Bedeutung waren. Soweit sie somatisch verursacht sind, sind sie mit Wahrscheinlichkeit
jedenfalls nicht bandscheibenbedingt, sondern auf die berufsunabhängige Fehlstellung der Wirbelsäule
zurückzuführen. Damit scheidet sowohl eine Entschädigung nach den Nrn. 2108 und 2110 der am 1. Januar 1983 in
Kraft getretenen BKVO als auch eine weitere Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 551 Abs. 2 RVO aus.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160
Abs. 2 SGG.