Urteil des LSG Hessen vom 01.11.1989

LSG Hes: rkg, unwiderlegbare vermutung, auszahlung, öffentlich, meinung, berufsunfähigkeit, altersrente, wartezeit, altersgrenze, gleichstellung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 01.11.1989 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 5 Ar 487/86
Hessisches Landessozialgericht L 6 Ar 1131/88
I. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. August 1988 wird abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 23.
Juni 1986 sowie vom 11. April 1988 sowie der Widerspruchsbescheid vom 6. August 1986 in der durch das
Teilanerkenntnis vom 3. August 1988 bestimmten Gestalt werden aufgehoben. Im übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Eine weitere
Kostenerstattung erfolgt nicht.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Gewährung einer Bergmannsrente zum Ruhen der Leistungen auf
Arbeitslosengeld führt.
Der Kläger ist 1932 geboren. Er kam am 23. Dezember 1984 als Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland. Zuvor
hatte er in der Volksrepublik Polen gelebt und war dort zuletzt als Abteilungssteiger im Steinkohlenbergbau
beschäftigt.
Von der Beklagten erhielt der Kläger ab dem 7. Januar 1985 Arbeitslosengeld bei einer Anspruchsdauer von 468
Leistungstagen. Die Leistungsgewährung erfolgte zunächst bis zum 10. April 1985 und erneut – nach einer
vorangehenden Gewährung von Unterhaltsgeld – ab dem 26. April 1985 bis zum 29. Mai 1986. In der Zeit vom 1.
Dezember 1985 bis zum 29. Mai 1986 wurde an den Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 11.547,10 DM
ausbezahlt.
Seit dem 23. Juni 1986 steht der Kläger wieder in einem Beschäftigungsverhältnis.
Am 5. Dezember 1985 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Gewährung von Bergmannsrente. Durch
Bescheid vom 26. Mai 1986 wurde dem Rentenantrag des Klägers mit Wirkung zum 1. Dezember 1985 entsprochen.
Vom 1. Dezember bis zum 30. Juni 1986 wurde die Bergmannsrente in Höhe von monatlich. 1.487,10 DM festgesetzt.
Zusätzlich wurde ein Krankenversicherungszuschuß in Höhe von monatlich 108,56 DM zuerkannt und ein
Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 175,48 DM abgezogen. Der Rentenbescheid enthält den Hinweis, daß
wegen etwaiger Ansprüche dritter Stellen – genannt war auch das Arbeitsamt – die Nachzahlung für die Zeit vom 1.
Dezember 1985 bis zum 30. Juni 1986 in Höhe von 9.941,26 DM vorsorglich einbehalten werde.
Die Abrechnung erfolge unaufgefordert, sobald die Sachlage geklärt sei. Die laufende Rentenzahlung wurde ab dem 1.
Juli 1986 aufgenommen.
Die Beklagte wurde von der Beigeladenen mit Schreiben vom 26. Mai 1986 über die Rentengewährung unterrichtet.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Wirkung vom 29. Mai 1986 die Leistung von Arbeitslosengeld ein und machte
gegenüber der Beigeladenen Erstattungsansprüche geltend. Die Beigeladene überwies daraufhin den gesamten
Rentennachzahlungsbetrag, wie er von ihr für die Zeit vom 1. Dezember 1985 bis zum 30. Juni 1986 errechnet worden
war, an die Beklagte.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1986 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld gegenüber dem Kläger mit
Wirkung vom 1. Dezember 1985 auf und forderte vom Kläger die bis zum 29. Mai 1986 gewährten Leistungen in Höhe
von 11.547,10 DM unter Anrechnung der von der Beigeladenen erfolgten Erstattung zurück. Der dagegen vom Kläger
eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 6. August 1986 zurückgewiesen. Im
Widerspruchsbescheid führte die Beklagte aus, die Bewilligung der Bergmannsrente habe mit Wirkung zum 1.
Dezember 1985 zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in voller Höhe geführt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 Sozialgesetzbuch X (SGB X) sei deshalb die Leistungsbewilligung ab dem 1. Dezember 1985 aufzuheben
gewesen. Demzufolge sei der Kläger auch verpflichtet, die gewährten Leistungen in voller Höhe zurückzuzahlen.
Am 11. September 1986 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die
Beklagte am 11. April 1988 einen Änderungsbescheid erlassen. Die Höhe des Erstattungsbetrages wurde danach auf
die für den Zahlungszeitraum 1. Dezember 1985 bis 29. Mai 1986 entfallende Rentennachzahlung in Höhe von
8.429,45 DM begrenzt. Der Differenzbetrag von 1.511,81 DM wurde wieder an den Kläger ausbezahlt. In der
mündlichen Verhandlung vom 3. August 1988 gab die Beklagte überdies die Erklärung ab, die Aufhebung der
Bewilligung des Arbeitslosengeldes werde insgesamt auf die Höhe der Nachzahlung begrenzt. Diese Erklärung wurde
vom Kläger als Teilanerkenntnis angesehen und insoweit von ihm angenommen.
Die im übrigen weiterverfolgte Klage, mit der der Kläger neben der Aufhebung der ergangenen Bescheide begehrt
hatte, die Beklagte zur Weitergewährung des Arbeitslosengeldes und zur Auszahlung des von der Beigeladenen
erstatteten Betrages in Höhe von 8.429,45 DM zu verurteilen, hat das Sozialgericht durch Urteil vom 3. August 1988
unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Klage insgesamt als zulässig angesehen.
Hinsichtlich des Begehrens auf Auszahlung des Betrages von 8.429,45 DM ist das Sozialgericht dabei davon
ausgegangen, die Zulässigkeit des gestellten Antrags ergebe sich insoweit aus § 131 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG). Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht die Aufhebung der Bewilligung des
Arbeitslosengeldes in der zuletzt noch umstrittenen Höhe vorgenommen und vom Kläger die Erstattung gefordert,
denn der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei in dieser Höhe nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz
(AFG) zum Ruhen gekommen. Bei der dem Kläger gewährten Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer
Berufsfähigkeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) handele es sich um ähnliche Bezüge
öffentlich-rechtlicher Art, wie sie in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG genannt seien. Zwar stehe der Versicherungsfall
des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG, durch den die Annahme einer verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit fingiert
werde, gleichrangig neben der Bergmannsrente nach Nr. 1 dieser Vorschrift. Für den Bezug der Bergmannsrente nach
Nr. 2 sei jedoch nicht erforderlich, daß der betreffende Bergmann als solcher nicht mehr arbeiten könne oder gar
berufsunfähig sei. Die Gewährung dieser Art der Bergmannsrente erfolge deshalb, weil der Bergmann von einem
bestimmten Alter an wie ein Empfänger der übrigen im § 118 Abs. 1 Nr. 4 aufgeführten Leistungen nicht mehr zu
arbeiten brauche. Durch diese Rente solle der Lebensunterhalt des früheren Bergmanns sichergestellt werden, ohne
daß es darauf ankomme, ob die Leistung auch im Einzelfall den Lebensunterhalt tatsächlich sicherstelle (Hinweis auf
BSG SozR 4100 § 118 Nr. 12). Nicht von Bedeutung sei der Umstand, daß der Kläger zu der ihm gewährten Rente
monatlich bis zu 3.897,02 DM brutto hinzuverdienen könne, ohne daß davon der Anspruch auf die ihm zuerkannte
Rente berührt werde. Auch das in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 erwähnte Knappschaftsruhegeld sowie die
Knappschaftsausgleichsleistung erlaube eine Beschäftigung außerhalb eines knappschaftlichen Betriebes. Mit der
Zuverdienstmöglichkeit entfalle für die Bergmannsrente weder das Merkmal des Lohnersatzes, noch fehle es
deswegen an einer für die Altersruhegelder typischen und damit für die Vergleichbarkeit wesentlichen Voraussetzung,
dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Die Gewährung der Bergmannsrente habe die Beklagte berechtigt, die
Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufzuheben (Hinweis auf BSG SozR 1300 § 48 Nrn. 22,
26). Für die Vergangenheit sei die Aufhebung allerdings auf die Höhe der nachträglich bewilligten Rente beschränkt
gewesen. Dem habe die Beklagte mit dem während des Klageverfahrens erteilten Bescheid vom 11. April 1988 sowie
mit dem in der mündlichen Verhandlung vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnis insoweit Rechnung getragen,
als für den Zeitraum vom 1. Dezember 1985 bis zum 29. Mai 1986 sowohl die Aufhebung der Arbeitslosengeld-
Bewilligung als auch die geltend gemachte Erstattung auf die Höhe der auf diesen Zeitraum entfallenden
Rentennachzahlung von 8.429,45 DM beschränkt worden sei. Die rückwirkende Aufhebung der
Arbeitslosengeldbewilligung scheitere auch nicht an einer fehlenden Ermessensausübung. Ein atypischer Fall liege
nicht vor, zumal das dem Kläger zufließende Einkommen über die Verrechnung des Erstattungsanspruchs mit der
Rentennachzahlung hinaus mit keiner Rückzahlungsverpflichtung verbunden gewesen sei.
Gegen das dem Kläger am 12. September 1988 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. Oktober 1988 eingegangene
Berufung. Der Kläger ist der Meinung, bei der Bergmannsrente handele es sich nicht um eine Leistung öffentlich-
rechtlicher Art, die den in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG genannten Leistungen ähnlich sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. August 1988 abzuändern sowie die
Bescheide vom 23. Juni 1986 sowie vom 11. April 1988 und den Widerspruchsbescheid vom 6. August 1986 in der
durch das Teilanerkenntnis vom 3. August 1988 bestimmten Gestalt aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den
von der Beigeladenen erstatteten Betrag von 8.429,45 DM an ihn auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hält die sozialgerichtliche Auffassung für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie trägt vor, die vom Kläger bezogene Bergmannsrente wegen Vollendung des
50. Lebensjahres müsse dem Kreis der medizinischen Rentenleistungen zugerechnet werden. Bis zur Änderung durch
das 21. Rentenanpassungsgesetzes habe die Bergmannsrente, wie die übrigen medizinischen Rentenleistungen auch,
dem Ruhen nach § 80 RKG unterlegen. Aus welchen Gründen trotz der Ausklammerung aus der Ruhensvorschrift des
§ 80 RKG durch das 21. Rentenanpassungsgesetz eine Einbeziehung der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2
RKG in die Vorschrift des § 118 AFG unterblieben sei, könne seitens der Beigeladenen nicht mitgeteilt werden.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren
Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr.: ) und die weiterhin
beigezogene Versichertenakte der Beigeladenen (Versicherungsnr. ) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und kraft Zulassung statthafte Berufung (§§ 151, 150 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz
–SGG–) ist, soweit das Anfechtungsbegehren des Klägers betroffen ist, begründet. Hinsichtlich des weitergehend
geltend gemachten Auszahlungsanspruchs war die Berufung dagegen zurückzuweisen.
1. Die Beklagte hat nach Auffassung des Senats zu Unrecht die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben. Sie
hat gleichfalls zu Unrecht von der Beigeladenen die Erstattung des dem Kläger geleisteten Arbeitslosengeldes unter
Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gefordert.
Denn die Zuerkennung der Bergmannsrente führt nach Meinung des Senats nicht zum Ruhen des Anspruchs auf
Arbeitslosengeld. Ein die Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertigender Sachhalt nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
SBG X liegt deshalb nicht vor.
Die Voraussetzungen für ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach der vorliegend allein in Betracht kommenden
Bestimmung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG sind nicht gegeben.
Nach Regelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die
dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der
Rentenversicherung der Angestellten, Knappschaftsruhegeld oder Knappschaftsausgleichsleistung aus der
knappschaftlichen Rentenversicherung oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art für eine Zeit vor Vollendung des
65. Lebensjahres des Arbeitslosen zuerkannt sind.
Nach § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG ruht der Anspruch nur bis zur Höhe der zuerkannten Leistung, wenn die Leistung auch
während einer Beschäftigung und ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt wird.
Entgegen der Meinung des Sozialgerichts handelt es sich bei der dem Kläger gewährten Bergmannsrente um keine
Rente, die den "ähnlichen Bezügen öffentlich-rechtlicher Art” im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG zugerechnet
werden könnte.
Ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art sind solche Leistungen, die die gleichen gemeinsamen und typischen
Merkmale aufweisen, wie die ausdrücklich in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG genannten Ruhegelder und
Ausgleichsleistungen für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Abgesehen von der öffentlich-rechtlichen Art
der Bezüge kommen daher nur Leistungen in Betracht, die bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt
werden, als Lohnersatz gedacht und ihrer Gesamtkonzeption nach so bemessen sind, daß sie allgemein den
Lebensunterhalt sicherstellen (BSG Urteil vom 9. November 1983 – 7 RAr 58/82 = SozR 4100 § 118 Nr. 12 m.w.N.). §
118 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AFG beruht auf der Überlegung, Personen, die bereits anderweitig versicherungsmäßig
versorgt und typischerweise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, grundsätzlich kein Arbeitslosengeld zu
gewähren (Hennig/Kühl/Heuer, Anm. 1 zu § 118).
Diese Voraussetzungen sind bei der Bergmannsrente nach § 45 RKG, auch wenn diese – wie hier – unabhängig von
einer tatsächlichen Feststellung der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit zuerkannt worden ist, nicht
gegeben.
Bei der Bergmannsrente nach § 45 RKG handelt es sich um eine besondere Rentenart, bei der Merkmale überwiegen,
wie sie der Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1246 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 23
Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) zu eigen sind. Ein Anspruch auf Bergmannsrente besteht nach § 45 RKG für
einen Versicherten, der vermindert bergmännisch berufsfähig ist und die Wartezeit nach § 49 RKG erfüllt hat (Nr. 1),
oder der das 50. Lebensjahr vollendet hat und im Vergleich zu der von ihm bisher verrichteten knappschaftlichen
Arbeit keine wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten mehr ausübt und zudem die Wartezeit nach § 49 Abs. 2 RKG erfüllt
hat (Nr. 2). Zwar knüpft die Bergmannsrente nach dem Gesetzeswortlaut des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG unzweifelhaft an
die Vollendung eines bestimmten Lebensalters – hier des 50. Lebensjahres – an. Indes handelt es sich nur auf den
ersten Blick um eine – vorgezogene – Altersrente. Vielmehr geht die getroffene Regelung davon aus, daß Bergleute,
die lange Jahre Hauer- oder gleichgestellte Arbeiten verrichtet haben, in der Regel mit Vollendung des 50.
Lebensjahres solche Arbeiten nicht mehr verrichten können und deshalb gezwungen sind, eine minder entlohnte
Tätigkeit aufzunehmen. Die Rente wird demnach auch bei der Fallgestaltung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG wegen des
mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze vermuteten Eintritts verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit
gewährt. Die Erwerbsminderung wird also fiktiv unterstellt (Konnert, Unterschiede zwischen dem Recht der
Rentenversicherung der Arbeiter und der Knappschaftlichen Rentenversicherung, in Mitteilungen der
Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken Nr. 5/1983, S. 230). Mit Erreichen des 50. Lebensjahres
besteht insoweit die unwiderlegbare Vermutung des Eintritts verminderter Berufsfähigkeit. Es handelt sich demnach
nicht um eine Altersrente (Miesbach-Busl, Anm. 1 zu § 45 RKG m.w.N.).
Auch hinsichtlich ihrer Höhe ist sie nicht in einer Weise ausgestaltet, daß damit im allgemeinen der Lebensunterhalt
(BSG a.a.O.) sichergestellt werden könnte. So beträgt der Jahresbetrag der Bergmannsrente sowohl nach § 45 Abs. 1
Nr. 1 als auch nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr lediglich 0,8 v.H. der für
den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage. Bei dem in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG genannten
Knappschaftsruhegeld sowie der ebenfalls dort genannten Knappschaftsausgleichsleistung liegt der Bemessungssatz
dagegen bei 2 v.H. Und selbst bei der – in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht genannten – Knappschaftsrente wegen
Berufsunfähigkeit liegt der Jahresbetrag für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr bei 1,2 v.M., solange eine
knappschaftlich Versicherungspflichtige Beschäftigung verrichtet wird, und bei 1,8 v.H. der für den Versicherten
maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage, wenn dies nicht der Fall ist.
Bei der Bergmannsrente wird deshalb auch eine sehr weitgehende Möglichkeit eingeräumt, die Rente neben der
Ausübung einer Erwerbstätigkeit weiter zu beziehen. Ein Weiterbezug der Rente ist noch bei einer Minderentlohnung
gegenüber der Ausgangsentlohnung von 7,5 v.H. gegenüber der Ausgangsentlohnung möglich (BSG, Urteil vom 29.
Juni 1977 – 5 RKn 5/77). Nach den Berechnungen der Beigeladenen erfolgt im Falle des Klägers ein Ausschluß der
Weitergewährung von Bergmannsrente erst dann, wenn dieser ein Arbeitsentgelt von mindestens 3.897,02 DM brutto
monatlich erzielen würde. Auch dies macht deutlich, daß der Bezieher einer solchen Bergmannsrente in einem sehr
weiten Umfang dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und gerade nicht dem Personenkreis zugerechnet werden kann,
der typischerweise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist.
Auch aus einem weiteren Grund hält der Senat eine Gleichstellung mit den übrigen in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG
erwähnten Renten nicht für gerechtfertigt: So kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Bergmannsrente wegen
verminderter bergmännischer Berufsunfähigkeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG nicht die Ruhensfolge nach sich zieht, da
ihre Ausgestaltung allein an das Leistungsvermögen des Bergmannes angebunden ist und überdies nach § 80 RKG
die umgekehrte Ruhensfolge bis zur Höhe des Arbeitslosengeldes ausdrücklich festgeschrieben ist. Eine
Gleichstellung der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG mit den anderen in § 118 Abs. 1 Nr. 4 genannten
Rentenarten hätte bei der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 jedoch auch zur Folge, daß – nachdem die
Bergmannsrente neben dem Bezug von Arbeitslosengeld nur gewährt wird, wenn eine bestimmte Höhe des
Arbeitsentgelts nicht überschritten wird – Arbeitslosengeld bei der Bergmannsrente gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG
in voller Höhe ruhen würde und dies auch dann der Fall wäre, wenn die medizinischen Voraussetzungen nach § 45
Abs. 1 Nr. 1 RKG tatsächlich vorlägen, ihre Feststellung jedoch – wegen des zwischenzeitlich erfolgten Eintritts des
50. Lebensjahres – unterblieben sind. Im Rahmen des § 118 AFG macht auch dies eine Gleichbehandlung der
Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 RKG mit der nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG gewährten Rente erforderlich.
Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide der Beklagten, so wie sie sich aufgrund des von der Beklagten zuletzt
abgegebenen Teilanerkenntnisses dargestellt haben, waren nach alledem aufzuheben. Das sozialgerichtliche Urteil
konnte insoweit keinen Bestand haben.
2. Dagegen ist die auch im Berufungsverfahren in zulässiger Weise weiterverfolgte Leistungsklage unbegründet. Ein
materiell-rechtlicher Anspruch gegenüber der Beklagten auf Auszahlung der von der Beigeladenen an die Beklagte
aufgrund der Überleitungsanzeige vom 26. Juni 1986 geleisteten Zahlungen steht dem Kläger nicht zu.
Zwar steht nach den Ausführungen zu Ziffer 1) fest, daß es nicht zu einem Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs
gekommen ist. Dies führt zunächst jedoch lediglich dazu, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihrerseits die von der
Beigeladenen erstatteten Beträge an letztere zurückzuerstatten (§ 112 SGB X). Der vom Kläger geltend gemachte
Anspruch kann deshalb allenfalls von der Beigeladenen erfüllt werden, nachdem es sich dabei um originäre
Rentenansprüche handelt. Eine direkte Zugriffsmöglichkeit gegenüber der Beklagten auf Auszahlung dieser
Ansprüche besteht nicht. Es ist allein Sache der Beigeladenen darüber zu entscheiden, ob eine Auszahlung dieser
Beträge an den Kläger erfolgen kann, oder ob – was naheliegt – ein Ruhen des Anspruchs auf Bergmannsrente
gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 RKG eintritt, auch wenn in dieser Bestimmung, wie sie seit dem 21.
Rentenanpassungsgesetz vom 25. Juli 1978 (BGBl. I, S. 1089) gefaßt ist, nach ihrem Wortlaut lediglich von der
"Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit” gesprochen wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei die Rechtslage berücksichtigt, wie sie sich
durch die zuletzt am 3. August 1988 von der Beklagten abgegebenen Erklärungen darstellt. Berücksichtigt wurde aber
auch, daß nach wie vor ungewiß bleibt, ob und in welchem Umfang der Kläger tatsächlich eine Auszahlung der
rückwirkend gewährten Rente an sich verlangen kann.
4. Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.