Urteil des LSG Hessen vom 29.09.2008

LSG Hes: beschränkung, bezirk, stadt, niedergelassener, bewilligungsverfahren, beteiligter, prozessvertretung, hauptsache, ratenzahlung, vertrauensverhältnis

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 29.09.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gießen S 26 AS 1045/07
Hessisches Landessozialgericht L 9 B 242/08 AS
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 14. Juli 2008 geändert.
Der Klägerin wird Rechtsanwalt JD S. aus A-Stadt ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines am Gerichtsort
ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe:
I.
In der Hauptsache begehrt die Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Gegen den Bescheid vom 17. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2007 hat
die Klägerin am 11. November 2007 mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. November 2007 Klage erhoben und
die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten beantragt.
Das Sozialgericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 14. Juli 2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt
und Rechtsanwalt JD S. zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 19. August 2008 bei dem Sozialgericht Gießen Beschwerde eingelegt
mit dem Ziel der Beiordnung des Bevollmächtigten ohne die Beschränkung auf die Bedingungen eines am Gerichtsort
ansässigen Rechtsanwalts.
Zur Begründung trägt sie vor, sie habe ihren Bevollmächtigten mandatiert, weil er an ihrem Wohnort ansässig sei. Es
bestehe hier bereits ein Vertrauensverhältnis. Auch sei ein Mandantengespräch zur Prozessführung erforderlich
gewesen. Die Klägerin habe als vernünftige und kostenorientierte Partei die Kosten des Bevollmächtigten zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als sachdienlich und angemessen angesehen. Die eingeschränkte
Beiordnung des Bevollmächtigten sei daher nicht gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
sei eine nicht am Gerichtsort ansässige Partei kostenrechtlich nicht darauf zu verweisen, einen Rechtsanwalt am Ort
des Prozessgerichts mit ihrer Prozessvertretung zu beauftragen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 14. Juli 2008 zu ändern und
Rechtsanwalt JD S. aus A-Stadt ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen
Rechtsanwalts beizuordnen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf den der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein
Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht
aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen hat das Sozialgericht
bejaht und dementsprechend die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt und, da die anwaltliche Vertretung
erforderlich erscheint (§ 121 Abs. 2 ZPO), Rechtsanwalt JD S. beigeordnet.
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage der Zulässigkeit der Beschränkung der
Beiordnung des Bevollmächtigten zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts. Insoweit
bestimmte § 121 Abs. 3 ZPO in der bis zum 31. Mai 2007 geltenden Fassung (Gesetz vom 5. Dezember 2005, BGBl.
I 3202), dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn
dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Bereits zu dieser Bestimmung wurde vertreten, dass diese auf die
Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht unmittelbar anwendbar sei, weil es keine Zulassung von Rechtsanwälten zu einem
Sozialgericht gebe; die entsprechende Anwendung von § 121 Abs. 3 ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren erlaube
aber die Beiordnung eines Rechtsanwalts, der im Sozialgerichtsbezirk seinen Sitz habe, ohne Beschränkung auf die
Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. August 2005 – L 2
B 36/05 AL – JMBl. LSA 2006, 372; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Februar 2007 – L 6 B 355/06 R –; vgl.
auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. September 2007 - L 9 B 35/07 SO – keine Beiordnung eines
außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalts). Schon die frühere Rechtslage hätte daher unter
Zugrundelegung der genannten Entscheidungen die bedingungslose Beiordnung des Bevollmächtigten der Klägerin,
der seinen Sitz innerhalb des Sozialgerichtsbezirks GJ. hat, ermöglicht. Spätestens aber mit Inkrafttreten der
Neuregelung des § 121 Abs. 3 ZPO zum 1. Juni 2007 (Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes vom 26. März 2007 – BGBl. I 358)
kommt eine Beschränkung der Beiordnung bei in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Bevollmächtigten
nicht mehr in Betracht. § 121 Abs. 3 ZPO bestimmt jetzt, dass ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts
niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Die
Bestimmung sieht also eine Beschränkung der Beiordnung nur noch bei außerhalb des Prozessgerichtsbezirk
niedergelassenen Rechtsanwälten vor. Für diese kommt eine Beiordnung nur in Betracht, wenn dadurch Mehrkosten
nicht entstehen. Der Beiordnung eines Bevollmächtigten, der seinen Sitz in dem Bezirk des Prozessgerichts hat,
steht die Bestimmung nicht entgegen.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist
(§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten nicht stattfindet (§ 73a SGG i.V.m. §§ 118
Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).