Urteil des LSG Hamburg vom 21.12.2006

LSG Ham: wahrscheinlichkeit, berufskrankheit, diabetes mellitus, anhörung, einwirkung, herzinfarkt, gutachter, anerkennung, unfallversicherung, kopfschmerzen

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 21.12.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 24 U 426/99
Landessozialgericht Hamburg L 3 U 16/03
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) die Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung einer Berufskrankheit
nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung streitig.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des
Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2003 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen.
Zwar sei der Kläger in erheblichem Ausmaß u. a. gegenüber Dioxinen/Furanen exponiert gewesen, aber die
Ursächlichkeit für die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen lasse sich nicht mit der erforderlichen
überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf diese Exposition zurückführen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er beziehe sich auf das positive Gutachten von Prof.
Dr. Z. sowie den neuro-psychologischen Befundbericht der Diplompsychologin W ... Angesichts der in der mündlichen
Verhandlung vorgelegten neuen Studie von B1 et al habe sich das Sozialgericht zu weiteren Ermittlungen gedrängt
sehen müssen. Der Umstand, dass er (der Kläger) zu dem am höchsten belasteten Personenkreis der bei B.
Beschäftigten gehört habe, müsse sich in dem Umfang der gerichtlichen Ermittlungen widerspiegeln.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2003 aufzuheben sowie den
Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1999
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Enzephalopathie sowie einer
Polyneuropathie als Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine
Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die sozialgerichtliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden.
Im Erörterungstermin vom 31. August 2004 ist dem Kläger eine Frist zur Stellung eines Antrages gemäß § 109
Sozialgerichtsgesetz (SGG) gesetzt worden.
Nachdem der zuerst benannte Prof. Dr. B1 den Gutachtenauftrag zurückgesandt hatte, hat Prof. Dr. M. das
Gutachten vom 16. Mai 2006 gemäß § 109 SGG erstattet. Darin kommt er zu dem Ergebnis, beim Kläger liege u. a.
eine Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor. Es bestehe eine GesamtMdE
von 60 v.H. (speziell für die Befindlichkeitsstörungen und die Enzephalopathie bereits von 30 v. H.). Dabei lägen bei
dem Kläger folgende Gesundheitsstörungen durch Dioxin (BK 1310) vor: • Befindlichkeitsstörungen mit depressiven
Gemütsverstimmungen, Beeinträchtigung der Vigilanz, Affektivität, Konzentration und vitalen Funktionen, darunter
sexuelle Störungen • Bild der sich auch nuklearmedizinische darstellenden Enzephalopathie • Nervliche Störungen im
Sinne der vorwiegend die Gefühlsbahnen und das vegetative System betreffenden Polyneuropathie • Abklingende
Hautveränderungen einer minimalen Chlorakne (ohne messbare MdE) • Abklingende Leberfunktionsstörungen (ohne
messbare MdE)
In seinem erneuten Gutachten vom 12. Oktober 2006 ist Dr. P. bei seiner Beurteilung geblieben, dass bei dem Kläger
keine mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch eine berufliche Einwirkung u. a. von Dioxin verursachte
Gesundheitsstörung vorliege. Dabei könne die Frage, ob Hautveränderungen oder eine Leberfunktionsstörung beruflich
bedingt seien, dahinstehen, denn auch Prof. Dr. M. komme insoweit zu keiner messbaren MdE. Die entscheidenden
Differenzen zum Gutachten M. lägen in der Zusammenhangsbewertung u. a. der psychischen Gesundheitsstörungen.
Wie bereits im früheren Gutachten ausgeführt, sei kein Zusammenhang zwischen der Dioxin-Belastung und den
geklagten Befindlichkeitsstörungen festzustellen. Gegen einen Kausalzusammenhang würde der Krankheitsverlauf als
auch der Einfluss belastender Lebensereignisse – Erkrankung und Tod der Ehefrau und eigener Herzinfarkt –
sprechen. In den ärztlichen Unterlagen seien bis zum Herzinfarkt im Jahre 1988 keinerlei psychische Auffälligkeiten
dokumentiert. Die Beratungsstelle (und damit Prof. Dr. M.) habe der Kläger erst 1989 erstmals aufgesucht. Die bei der
Untersuchung W. gefundenen emotionalen Veränderungen ließen sich im Zusammenhang mit den belastenden
Lebensereignissen interpretieren. Bereits im April 2002 seien die Befindlichkeitsstörungen nicht mehr nachweisbar
gewesen. Wenn jetzt dargelegt werde, der Kläger habe entsprechende Beschwerden bereits während der Tätigkeit bei
der Firma B. gehabt, aber aus Angst vor beruflichen Konsequenzen keinem Arzt berichtet, überzeuge dies nicht, denn
die behandelnden Ärzte hätten ohne Einverständnis des Kläger eine Weitergabe an den Betrieb nicht veranlassen
dürfen. Auch die SPECT-Untersuchung aus dem Jahre 2003 belege keinen Ursachenzusammenhang, denn ihr Befund
sei sowohl mit einer toxischen Enzephalopathie als auch mit einer degenerativen Erkrankung vereinbar. Ebenso
blieben die Darlegungen, wonach das Auftreten klinischer Folgeerscheinungen nach Expositionsende möglich sei,
hinsichtlich neurotoxischer Effekte – wie auch die weiteren beschriebenen möglichen Erklärungen bei Prof. Dr. M. - im
Stadium theoretischer Vorstellungen.
Der Kläger hat einen Befangenheitsantrag gegen Dr. P. gestellt sowie schriftsätzlich hilfsweise beantragt, Prof. Dr. M.
ergänzend zu den Ausführungen von Dr. P. zu hören und eine ergänzende schriftliche Stellungnahme einzuholen. Im
mündlichen Verhandlungstermin vom 31. Oktober 2006 hat der Senat den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Die
Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin im schriftlichen Verfahren
nach Eingang einer weiteren schriftsätzlichen Stellungnahme des Klägers erklärt. In dieser Stellungnahme hat der
Kläger seinen Antrag auf ergänzende Anhörung und ergänzende schriftliche Stellungnahme durch Prof. Dr. M.
wiederholt.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil
sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 SGG).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143,
144, 151 SGG) ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit den
angegriffenen Bescheiden zu Recht u. a. die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt. Nach Überzeugung des
Gerichts liegt bei dem Kläger keine Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vor.
Die geltend gemachten Ansprüche scheitern daran, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der (Mit-
)Ursächlichkeit der beruflich bedingten Dioxinexposition nicht festgestellt werden kann.
Streitgegenstand ist nur noch die Gewährung von Verletztenrente wegen gesundheitlicher Störungen als Folge einer
Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung. Im erstinstanzlichen Verfahren ist das
Begehren des Klägers hierauf eingeschränkt worden. Damit ist der Bescheid vom 13. Februar 1997 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1999 bestandskräftig geworden, soweit er das Vorliegen weiterer
Berufskrankheiten (und damit diesbezügliche Leistungen) ablehnt (insbesondere hinsichtlich einer Berufskrankheit
nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung(BKV)). Als gesundheitliche Störungen kommen eine
Enzephalopathie, eine Polyneuropathie, eine Chlorakne und Leberfunktionsstörungen in Betracht. Die geklagten
Befindlichkeitsstörungen sind keine eigenständige Erkrankung, sondern Symptome einer Enzephalopathie.
Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil ein
Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB
VII) am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Verletztenrente (aufgrund eines Arbeitsunfalls) ist gemäß § 580 Abs. 1 i. V. m. § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO zu gewähren,
wenn die unfallbedingte MdE über die 13. Woche hinaus nach dem Arbeitsunfall andauert und mindestens 20 v. H.
beträgt.
Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Ein Anspruch auf Entschädigung
der Folgen einer Berufskrankheit setzt das Vorliegen einer Berufskrankheit voraus (§§ 547, 551 Abs. 1 RVO).
Berufskrankheiten sind die in der Anlage zur BKV aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den
§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Dies bedeutet, dass die
schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende
Kausalität) und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit-) verursacht haben muss (sog.
haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit,
schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen,
genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte
dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus.
Als Berufskrankheiten gelten nach Nr. 1310 der Anlage zur BKV Erkrankungen durch halogenierte Ackyl-, Aryl- und
Alkylaryloxide (unter anderem 2, 3, 7, 8-TCDD, sog. Dioxin).
Es kann unentschieden bleiben, ob "abklingende Hautveränderungen nach Chlorakne" sowie "abklingende
Leberfunktionsstörungen" bei dem Kläger vorliegen, denn auch Prof. Dr. M., der als einziger medizinischer Gutachter
diese Störungen bejaht, stellt eine aus ihnen folgenden MdE - aktuell oder für die Vergangenheit - nicht fest. Dr. G.,
der zwar eine Lebererkrankung diagnostiziert, ordnet ihr schon deswegen keine MdE zu, weil er einen Zusammenhang
mit einer Belastung u. a. mit Dioxin verneint. Dr. K. kann Hautveränderungen im Sinne einer (stattgehabten) Chlorakne
nicht finden und gibt keine MdE-Einschätzung ab. Daher sind diese Störungen für den geltend gemachten
Verletztenrentenanspruch ohne Bedeutung.
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der (Mit-)Ursächlichkeit der beruflich bedingten Dioxinexposition kann
hinsichtlich der geltend gemachten Enzephalopathie schon deswegen nicht festgestellt werden, weil sich die
geklagten Befindlichkeitsstörungen nicht ausreichend sicher auf eine Enzephalopathie zurückführen lassen. Das
Vorliegen einer Enzephalopathie lässt sich deswegen nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit feststellen. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. P. passen die vom Kläger
angegebenen Symptome nicht nur zu einer Enzephalopathie, sondern auch zu anderen Erkrankungen wie
beispielsweise einer depressiven oder einer Somatisierungsstörung. Weder die von W. durchgeführten Testverfahren
noch die SPECT-Untersuchung können das Vorliegen einer Enzephalopathie beweisen. Das Gericht folgt mit Dr. P.
nicht der von der allgemeinen Auffassung in der medizinischen Wissenschaft angedeuteten abweichenden Meinung
des Gutachters Prof. Dr. M., die SPECT-Untersuchung habe einen Aussagewert für die Funktionsfähigkeit des
Gehirns als Organ. Vielmehr lässt sich mit ihr allenfalls die Aktivität bestimmter Gehirnregionen im Moment der
Untersuchung belegen. Damit lässt sie keine verlässliche Schlussfolgerung auf eine Hirnerkrankung zu. Mit den
durchgeführten Tests kann nur ein Bild der vorliegenden (größtenteils vom Probanten angegebenen, für den Tester
nicht sicher überprüfbaren) Befindlichkeitsstörungen und ggfs. den einzelnen Fähigkeiten (wie Gedächtnisleistung)
gezeichnet werden. Sowohl Dr. L. als auch Dr. P. legen überzeugend dar, dass bei dem Kläger im Zeitpunkt des
Auftretens der Befindlichkeitsstörungen besonders belastende Lebenssituationen vorlagen (eigene Herzerkrankung
sowie Erkrankung und Tod der Ehefrau), welche solche psychischen Reaktionen vollständig erklären können, sowie
ein Teil der Beschwerden (insbesondere der Schwindel und die Kopfschmerzen) wahrscheinlich durch das
Herzkranzgefäßleiden (zusammen mit der Lipid- und der Zuckerstoffwechselstörung) des Klägers verursacht worden
sei. Dabei ist von Bedeutung, dass psychische Auffälligkeiten erstmals nach dem Herzinfarkt des Klägers
dokumentiert wurden. Demgegenüber kann nicht allein aufgrund der Behauptung des Klägers – ohne jeden Beleg – die
Erkenntnis gewonnen werden, die Befindlichkeitsstörungen seien schon vor den belastenden Lebensereignissen
eingetreten. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von der Möglichkeit zielgerichteter Angaben absieht, gibt der
Kläger erstmals gegenüber Prof. Dr. M. im Jahre 1989 (oder 1994) an, seit 1975 Beschwerden zu haben. Angesichts
der relativ geringfügigen Beeinträchtigung durch die Beschwerden ist schon zweifelhaft, ob der Kläger sich so weit
zurück ausreichend sicher erinnern konnte. Außerdem fehlen insoweit zeitnahe konkrete Ausführungen zu Art und
Umfang der Beschwerden. Sollte es sich anfangs lediglich um Kopfschmerzen und Schwindelgefühle gehandelt haben
sollte, bliebe hierfür - selbst bei Unterstellung der Angaben als wahr - das Gefäßleiden als erklärender Verursacher.
Allein der Hinweis, der Kläger habe wegen der Beschwerden keinen Arzt aufgesucht bzw. diesem von den
Beschwerden nicht berichtet, weil er seinen Arbeitsplatz nicht habe gefährden wollen, ist nicht geeignet, die fehlenden
Beschwerdeangaben gegenüber den behandelnden Ärzten zu erklären. Da sich die Beschwerden vollständig durch
eine psychische Reaktion auf belastende Lebensumstände bzw. durch das Gefäßleiden erklären lassen, kann auch
keine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Mitverursachung festgestellt werden.
Das Gericht folgt weder der Auffassung von Prof. Dr. Z. noch von Prof. Dr. M., die beide das Vorliegen einer
Enzephalopathie und ihre berufliche Verursachung bejahen. Prof. Dr. Z. gibt für seine Einschätzung keine
nachvollziehbare Begründung an. Als wesentliches Argument für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs weist er
auf den zeitlichen Zusammenhang des Auftretens der Beschwerden mit der beruflichen Tätigkeit hin. Dabei unterstellt
er die Angabe des Klägers, seine Beschwerden seien bereits seit 1975 aufgetreten, trotz fehlender Dokumentation als
zutreffend. Wie oben bereits dargelegt, geht das Gericht nicht davon aus, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die später
angegebenen Beschwerden vorlagen. Es überzeugt weiter nicht, dass Prof. Dr. Z. trotz der Feststellung eines
auffälligen Persönlichkeitsprofils bei dem Kläger unter Hinweis auf ein im Charakter Dioxin-typisches Beschwerdebild
den Ursachenzusammenhang bejaht. Dabei legt er schon nicht dar, ob sich in der Studie nur zufällig eine bestimmte
Struktur der Befindlichkeitsstörungen darstellte oder, ob sie ein für den Einfluss von Dioxin charakteristisches
Beschwerdebild belegt. Im Übrigen weist Dr. L. zu Recht darauf hin, dass die vom Kläger bei seiner Begutachtung im
Jahre 1996 vorgebrachten Beschwerden sich nicht zum Vollbild der Befindlichkeitsstörungen, wie sie bei
Dioxinexponierten häufig gefunden werden, verdichten. Dies bestätigt Dr. P. durch seine Darlegung, dass die
Beschwerden bei dem Kläger nicht vollständig zu den Dioxin-typischen neurotoxischen Symptomen gehören. Prof. Dr.
M. unterstellt ebenfalls einen zeitlichen Zusammenhang des Auftretens der Beschwerden mit der beruflichen
Tätigkeit, indem er entsprechend den Angaben des Klägers von Beschwerden seit 1975 ausgeht. Auch er führt als
Argument für einen Ursachenzusammenhang auf, dass die an sich unspezifischen Beschwerden bei B.mitarbeitern
als Symptomenkomplex bemerkenswert häufig aufgetreten seien und Dioxin solche Beschwerden verursachen könne.
Für die Begründung des Kausalzusammenhanges ist diese Darlegung jedenfalls dann nicht ausreichend, wenn es sich
– wie hier – um in der Allgemeinbevölkerung stark verbreitete Beschwerden handelt und belastende Lebensumstände
bzw. Erkrankungen bei dem Kläger vorliegen, die ebenfalls einen Ursachenzusammenhang begründen können.
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der (Mit-)Ursächlichkeit der beruflich bedingten Dioxinexposition kann auch
hinsichtlich der geltend gemachten Polyneuropathie nicht festgestellt werden. Prof. Dr. M., der als einziger Gutachter
eine durch Dioxin verursachte Polyneuropathie bei dem Kläger annimmt, diskutiert diese Erkrankung und ihre
Verursachung weder in seinem Gutachten noch in den vorhergehenden Stellungnahmen. Mit Dr. L. ist das Gericht der
Auffassung, dass über viele Jahre bereits der Nachweis des Vorliegens einer Polyneuropathie fehlt. Dr. L. kann bei
seiner Untersuchung im Jahre 1996 lediglich Kribbelerscheinungen in den Oberschenkeln durch mechanische Irritation
feststellen. Obwohl Prof. Dr. Z. daneben noch einen geringgradigen Beschwerdeanteil im Sinne einer sensiblen
Neuropathie annimmt, lehnt er einen Ursachenzusammenhang mit einer Dioxinexposition überzeugend deswegen ab,
weil die Zuckerstoffwechselstörung des Klägers diese Symptome vollständig erklärt. Auch Dr. P. sieht die bei seiner
Untersuchung inzwischen weiterentwickelten Beschwerden im Sinne einer beginnenden Polyneuropathie als
vollständig durch den Diabetes mellitus erklärt an.
Für den Fall, dass der Kläger hilfsweise beantragen will, den Gutachter Prof. Dr. M. ergänzend zu dem Gutachten
vom Dr. P. vom 12. Oktober 2006 zu hören und eine ergänzende schriftliche Stellungnahme einzuholen, gilt
Folgendes: Soweit der Kläger eine ergänzende Anhörung und eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M. in
seinem Schreiben vom 29. November 2006 anspricht, jedoch dies nicht als Hilfsantrag verstanden wissen will, ist
bereits fraglich, ob es sich um einen Antrag oder eine bloße Anregung handeln soll. Wie mit gerichtlichem Schreiben
vom 8. Dezember 2006 – auf das der Kläger bis heute nicht reagiert hat – mitgeteilt, kann es sich dabei allenfalls um
einen Hilfsantrag handeln. Wird – wie im letzten Schreiben des Klägers ausgeführt – dies nicht gewünscht, kann es
sich nur um eine Anregung handeln. Im Übrigen ist der gleichlautende Antrag – als Hilfsantrag – bereits im Schreiben
vom 29. Oktober 2006 gestellt worden. Nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2006
darauf hingewiesen hatte, dass er weder eine ergänzende Anhörung noch eine ergänzende Stellungnahme einzuholen
beabsichtige, ist die Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch die Berichterstatterin erteilt
worden. Damit stellt sich die Frage, ob der Antrag fallengelassen worden ist. Aber selbst unterstellt, es würde sich um
einen (ordnungsgemäßen) Beweisantrag handeln, der entweder aufrechterhalten oder neu gestellt worden wäre, so
wäre kein Anlass zur ergänzenden Anhörung und/oder der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr.
M. ersichtlich. Der Kläger macht nicht deutlich, in welchen Punkten er weiteren Aufklärungsbedarf sieht bzw. welche
Fragen offen geblieben seien. Nach Aktenlage gibt es hierfür ebenfalls keinen Anhalt. Dr. P. hat bereits in der ersten
Instanz ein schriftliches Gutachten erstellt und ist in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2003 durch das
Sozialgericht gehört worden. Prof. Dr. M. hat – nach mehreren Stellungnahmen im sozialgerichtlichen Verfahren – erst
im Berufungsverfahren das Gutachten vom 16. Mai 2006 erstattet. Er konnte damit auf sämtliche von Dr. P.
dargelegten Erwägungen eingehen und hat sich mit ihnen in seinem Gutachten auch auseinandergesetzt. Zwar ist Dr.
P. im Berufungsverfahren erneut gutachtlich tätig geworden, ist aber bei seiner bisherigen Einschätzung geblieben und
hat sich in weiten Teilen auf seine früheren Ausführungen bezogen. Daher ist bereits keine neue Gutachtenlage
ersichtlich, zu der Prof. Dr. M. noch nicht hätte Stellung nehmen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.