Urteil des LSG Hamburg vom 11.08.2006

LSG Ham: degenerative veränderung, berufskrankheit, belastung, wahrscheinlichkeit, anerkennung, befund, osteochondrose, magnetresonanztomographie, unfallversicherung, skoliose

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 11.08.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg 25 U 77/97
Landessozialgericht Hamburg L 3 U 27/98
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen einer Berufskrankheit
nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der am XX.XXXXXXX 1939 geborene Kläger ist gelernter Stahlbauschlosser und hat in diesem Beruf – unterbrochen
durch eine von Oktober 1962 bis August 1968 andauernde Tätigkeit als Heizungsmonteur – von September 1953 bis
7. Mai 1993, zuletzt seit Januar 1973 bei der Firma W. & F., gearbeitet. Nach seinen eigenen Angaben leidet er seit
1979 unter Rückenschmerzen. Nachdem er aus einem medizinischen Rehabilitationsverfahren in der Reha-Klinik D.
im Oktober 1993 als weiter arbeitsunfähig für seine letzte Tätigkeit entlassen worden war, beantragte er am 20. Juni
1994 bei der Beklagten die Anerkennung seiner Wirbelsäulenschäden als Berufskrankheit.
Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie Unterlagen
des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt
Hamburg, von welcher der Kläger seit 1. April 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht, bei. Nachdem ihr
Technischer Aufsichtsdienst (TAD) nach Rücksprache mit dem Kläger und unter Zugrundelegung seiner Angaben zu
den Belastungen während der einzelnen Tätigkeiten in dem Bericht vom 21. August 1995 zu dem Ergebnis gelangt
war, der Kläger sei von 1953 bis 1993 wirbelsäulenbelastend tätig gewesen, ließ die Beklagte ihn durch den Chirurgen
Dr. H. untersuchen und begutachten. Dieser gelangte in dem Gutachten vom 24. Oktober 1995 unter Berücksichtigung
eines röntgenologischen Zusatzgutachtens von Dr. G. zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege ein degeneratives
Verschleißleiden der Wirbelsäule mit bevorzugter Lokalisation im Lendenwirbelsäulensegment L 5/S1 vor. Da die
übrigen Segmente einen im Wesentlichen altersentsprechenden Befund mit geringgradigen Verschleißreaktionen
zeigten und nicht zu erkennen sei, dass die Berufstätigkeit mit einem Bewegungsablauf verbunden gewesen sei, der
ausschließlich das Segment L5/S1 geschädigt haben könnte, sei aus medizinischer Sicht die Anerkennung einer
Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ausgeschlossen. Gegen den Zusammenhang zwischen der
beruflichen Tätigkeit und der klinischen Beschwerdesymptomatik spreche außerdem, dass mit Aufgabe der
beruflichen die Wirbelsäule belastenden Tätigkeit die Schmerzsymptomatik im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule
nicht nachgelassen habe. Nachdem sich der Staatliche Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 16. Januar 1996
dieser Beurteilung angeschlossen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. März 1996 und
Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1997 die Anerkennung des Wirbelsäulenleidens als Berufskrankheit und die
Gewährung von Entschädigungsleistungen ab.
Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht weitere Unterlagen der behandelnden Ärzte und
Krankenhäuser beigezogen. Der Chirurg M. hat in seinem auf Veranlassung des Gerichts erstellten Gutachten vom
16. Februar 1998 nach Untersuchung des Klägers zunächst darauf verwiesen, dass die Berufsgruppen der Schlosser
und Heizungsinstallateure nach allen vorliegenden Erkenntnissen nur grenzwertig wirbelsäulenbelastend tätig seien.
Beim Kläger fänden sich eine Skoliose der Wirbelsäule, Reste einer Scheuermann’schen Erkrankung im Bereich der
oberen Lendenwirbelsäule, ein fortgeschrittener Verschleiß der Bandscheiben der Halswirbelsäule sowie ein
Verschleißschadensbild der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule mit besonderer Betonung des Segments L5/S1. Das
Verschleißschadensbild der beruflich nicht belasteten Halswirbelsäule zeige einen stärkeren Ausprägungsgrad als
dasjenige der Lendenwirbelsäule. Während im Bereich der Lendenwirbelsäule die Segmente L2/3 und L3/4 noch
Auswirkungen der durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung aufwiesen, zeige das Segment L4/5 normale
Verhältnisse ohne degenerative Veränderungen und ohne Zwischenwirbelraumverschmälerung. Demgegenüber finde
sich im Segment L5/S1 ein erheblicher Aufbrauch der Bandscheibe. Ein derartiger Segmentsprung wie im
vorliegenden Fall lasse sich durch äußere Einwirkungen nicht erklären. Darüber hinaus spreche gegen einen
beruflichen Zusammenhang, dass die unbelastete Halswirbelsäule zumindest ein gleich starkes Verschleißleiden wie
die Lendenwirbelsäule aufweise.
Im Termin am 8. Juni 1998 hat das Sozialgericht den Orthopäden Dr. N. als weiteren Sachverständigen gehört. Dieser
hat angegeben, dass entgegen den Ausführungen des Chirurgen M. beim Kläger eine tieflumbale Skoliose nicht
vorliege. Das Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen und die Tatsache, dass sich solche in gleicher
Intensität auch im Bereich der unbelasteten Halswirbelsäule fänden, machten es unwahrscheinlich, dass die
Veränderungen an der unteren Lendenwirbelsäule belastungsbedingt entstanden seien.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. Juni 1998 abgewiesen. Bei einer beruflichen Verursachung des
Wirbelsäulenleidens wären Veränderungen in allen Bewegungssegmenten zu erwarten, und zwar von unten nach oben
abnehmend. Ein solches Schädigungsbild liege hier nicht vor. Darüber hinaus fänden sich auch in der Halswirbelsäule
entsprechende Veränderungen, die nicht beruflich verursacht worden seien. Unter Berücksichtigung dieses
Umstandes lasse sich nicht wahrscheinlich machen, dass die Veränderungen an der unteren Lendenwirbelsäule
belastungsbedingt entstanden seien.
Gegen das am 19. Juni 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 1998 Berufung eingelegt. Mit dieser macht
er geltend, die Sachverständigen seien zu Unrecht davon ausgegangen, ein lediglich monosegmentaler Schaden sei
nicht vereinbar mit einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Diese Auffassung sei nach neuen
wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht haltbar.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 7. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, dem Kläger Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen einer
Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung zu gewähren, hilfsweise eine ergänzende
Stellungnahme unter Berücksichtigung des Gutachtens und der Ausführungen von Dr. W1 im Termin am 11. August
2006 von Herrn Dr. B. nach § 106 SGG, weiter hilfsweise nach § 109 SGG einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998
zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage durch das Urteil vom 8. Juni 1998 zu Recht abgewiesen.
Das Landessozialgericht hat Befundberichte der Ärzte für Allgemeinmedizin Dr. S. (15. Juli 1999) und P. (16. Januar
2000) eingeholt.
Im Termin am 27. März 2002 ist die Chirurgin Dr. G1 als medizinische Sachverständige gehört worden, die den im
Kläger am 5. Februar 2002 untersucht und das schriftliche Gutachten vom gleichen Tag eingereicht hat. In diesem
Gutachten führt die Sachverständige als Diagnosen eine skoliotische Fehlhaltung der Wirbelsäule und
Beckenschiefstand bei Beinverkürzung links, Residuen einer Scheuermann’schen Erkrankung der oberen
Lendenwirbelsäule, eine Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule mit Betonung des Segmentes L 5/S 1,
fortgeschrittene degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule ab C 2/3 mit besonderer Betonung der Segmente C
6/C 7 sowie ein Impingementsyndrom des rechten Schultergelenkes auf. Sie weist darauf hin, dass die
Belastungsvoraussetzungen für die Entwicklung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bei dem
Kläger nicht vorlägen. Weiter führt sie aus, dass unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer
bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule überhaupt der Nachweis einer tatsächlichen
Bandscheibenschädigung in den unteren Segmenten in Form einer Höhenminderung der betroffenen Bandscheiben
sei. Darüber hinaus müssten sich Zeichen der spezifischen Belastung entsprechend dem Belastungsmuster von oben
nach unten zunehmend in den übrigen Segmenten der Lendenwirbelsäule nachweisen lassen. Diese Zeichen
bestünden in röntgenologisch nachweisbaren Verdichtungen an den Deck- und Tragplatten der Wirbelkörper
(Osteochondrosen) und in Randkantenausziehungen an den Wirbelkörpern (Spondylosen). In den unteren
Lendenwirbelsäulensegmenten seien beide Verdichtungsanzeichen, in den oberen Abschnitten unter Einschluss der
unteren Brustwirbelsäulensegmente seien Spondylosen zu erwarten. Die Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule des
Klägers vom 18. Mai 1993 zeige eine Höhenminderung des Bandscheibenraumes im Segment L 5/S 1 mit einer
diskreten Osteochondrose und ohne Spondylosen. Der darüberliegende Bandscheibenraum L 4/5 sei normal weit und
ohne Spondylose oder Osteochondrose. Der Bandscheibenraum L 3/4 sei leicht höhengemindert, eine stärkere
Höhenminderung finde sich in dem darüberliegenden Segment L 2/3, hier wieder mit Osteochondrose und ganz
geringen Spondylosen. In den Deck- und Bodenplatten des 12. Brustwirbels und der Lendenwirbel L 1 bis L 3 seien
muldenförmige Vertiefungen mit leichtem Sklerosierungssaum im Sinne von Scheuermann’schen Residuen zu
erkennen. Auf den Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule aus 1995 sei eine erhebliche Zunahme der
Veränderungen im Segment L 5/S 1 zu erkennen mit jetzt fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylosen. Der
Bandscheibenraum L 4/5 stelle sich weiterhin normal dar. Nach der Logik der von oben nach unten zunehmenden
Belastung seien die stärksten Veränderungen in den unteren Segmenten zu erwarten und in den darüber liegenden
Abschnitten eher die Anpassungsphänomene wie Spondylosen und je nach Ausprägung der Belastungen auch
Osteochondrosen. Im Falle des Klägers stelle sich ein völlig anderes Muster dar. Die Bandscheibenschädigung im
untersten Segment sei sehr deutlich ausgeprägt, im darüber liegenden Segment L 4/5 finde sich durchgängig ein
Normalbefund, im Segment L 3/4 finde sich eine geringe Höhenminderung und im darüber liegenden Abschnitt L 2/3
seien die Veränderungen wiederum stärker ausgeprägt als im darunter liegenden Segment. Es fehlten in den oberen
Segmenten die zu erwartenden Anpassungsphänomene durch Druckflächenvergrößerung (Spondylosen) und es finde
sich eine ungleichmäßige Verteilung der Osteochondrosen als Zeichen der Druckbelastung. Das vorhandene
Schadensbild und das Verteilungsmuster entsprächen nicht der Verteilung der einwirkenden Kräfte und könnten daher
nicht als belastungskonform angesehen werden. Bei Fehlen eines belastungskonformen Schadensbildes könne aus
gutachterlicher Sicht die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht empfohlen
werden. Die Diskussion um den Ursachenanteil der in den Vorgutachten herausgearbeiteten konkurrierenden Faktoren
erübrige sich. Eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV liege nicht vor.
Nachdem anschließend von klägerischer Seite die Studie "Belastungskonformität berufsbedingter Erkrankungen der
Lendenwirbelsäule" von Seidler u. a. aus dem Jahre 2001 eingereicht worden war, nach welcher weder ein
monosegmentales Schadensbild noch das Fehlen der sogenannten Belastungskonformität ( im Sinne eines
abnehmenden Ausmaßes der Schädigungen in Richtung der oberen Lendenwirbelsäule ) das Vorliegen einer
Berufskrankheit ausschließt, ist auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das
arbeitsmedizinische Gutachten vom 3. Dezember 2003 von Dr. B. nebst nervenärztlichem Zusatzgutachten von Dr. K.
vom 18. August 2003 und orthopädischem Zusatzgutachten von Dr. S1 vom 11. August 2003 eingeholt und eine
Magnetresonanztomographie der gesamten Wirbelsäule am 5. August 2003 durchgeführt worden.
Der Orthopäde Dr. S1 weist nach Untersuchung am 5. August 2003 darauf hin, dass die am 23. September 1993
durchgeführte Kernspintomographie keinen Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall, aber minimale Protusionen bei L
3/4 und L 4/5 sowie eine deutliche Protusion bei L 5/S1 ergeben habe. Nach den am 5. August 2003 gefertigten
Röntgenaufnahmen fänden sich eine deutlich vermehrte Sklerosierung der beteiligten Wirbelkörper des Segmentes L
5/S1 mit deutlicher Verschmälerung des Wirbelkörperzwischenraumes sowie im Bereich des Segments L 2/3 eine
beginnende ventrale Abstützungsreaktion. Im Ergebnis wird in dem Gutachten unter anderem ausgeführt, es lägen
beim Kläger eine rechtskonkave thorakale Skoliose, ein chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit
degenerativen Veränderungen des lumbosacralen Übergangs mit gelegentlicher Wurzelreizung L 5/S1 rechts,
fortgeschrittene degenerative Veränderungen des cervico-thorakalen Überganges sowie Residuen einer
Scheuermann’schen Erkrankung der oberen Lendenwirbelsäule vor. Die nativradiologische Untersuchung zeige eine
hochgradige degenerative Veränderung des Segments L 5/S1 sowie eine mittelgradige degenerative Veränderung des
Segments L 3/4, die dazwischen liegenden Segmente seien unauffällig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
betrage 10 v.H.
In dem Bericht über die Magnetresonanztomographie vom 5. August 2003 führt der Radiologe Dr. R. unter anderem
aus, es finde sich eine fortgeschrittene Osteochondrose L 5/S1 mit nahezu vollständig aufgebrauchter Bandscheibe,
ein flacher relativ frischer Bandscheibenvorfall L 4/5, eine Osteochondrose L 1/2 und L 2/3, eine Chondrose L 3/4 und
Zeichen eines Morbus Scheuermann in den Segmenten Th 11/12 bis L 3/4. Die degenerativen Veränderungen in der
Lendenwirbelsäule beschränkten sich im Wesentlichen auf das Segment L 5/S1, während die Segmente L 1/2 und L
2/3 nur geringe bis mäßig ausgeprägte Veränderungen zeigten. Die Degenerationszeichen an der Halswirbelsäule
seien stärker ausgeprägt als an der Lendenwirbelsäule.
Der Nervenarzt Dr. K. kommt nach seiner Untersuchung am 5. August 2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger an
degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule mit pseudoradikulären Schmerzen am rechten Arm, sowie der
Lendenwirbelsäule mit Zeichen einer älteren Wurzelkompression der lumbalen Wurzeln L 2-4, rechts mehr als links,
und der S1-Wurzel rechts und dadurch bedingt an einer Anpassungsstörung bei chronischen Schmerzen leide.
Aufgrund des chronischen Schmerzerlebens bestehe eine MdE von 10 v.H.
In seinem Hauptgutachten kommt Privatdozent Dr. B. zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach
Nr. 2108 der Anlage zur BKV mit einer MdE von 10 v.H. vorliege, weil - die arbeitstechnischen Voraussetzungen
erfüllt seien, - eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliege, - keine Hinweise für außerberuflich bedingte
prädiskotische Deformitäten bestünden, - die gefährdende Tätigkeit im Mai 1993 aus gesundheitlichen Gründen habe
aufgegeben werden müssen.
Entgegen der Auffassung von Dr. H. liege nicht lediglich eine monosegmentale Erkrankung vor. Zwar sei das
Segment L 5/S1 am stärksten geschädigt. Jedoch hätten sich bei der jetzigen Untersuchung auch im Segment L 4/5
eine Chondrose mit Höhenminderung der Bandscheibe sowie eine Chondrose in den Segmenten L 3/4, L 2/3 und L 1/2
gefunden. Auch die Tatsache, dass beim Kläger die Halswirbelsäule stärker oder genauso geschädigt sei wie die
Lendenwirbelsäule, spreche nicht gegen einen beruflichen Zusammenhang. Neuere Studien würden Anhaltspunkte
dafür liefern, dass durch starke berufliche Wirbelsäulenbelastungen durch Heben und Tragen schwerer Lasten auch
das Risiko erhöht werde, an degenerativen Veränderungen der Hals- und/oder Brustwirbelsäule zu erkranken.
Die abgelaufene Scheuermann’sche Erkrankung spreche ebenfalls nicht gegen eine Berufskrankheit. Zum einen liege
bei dem Kläger nicht das Vollbild einer solchen Erkrankung vor. Zum anderen sei der Zusammenhang zwischen einem
Morbus Scheuermann und der Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht
gesichert. Bei dem Kläger liege auch keine relevante Lumbalskoliose vor, die als prädiskotische Deformität
angesehen werden könnte. Entgegen der Auffassung von Dr. G1 spreche das Fehlen so genannter
belastungsadaptiver Reaktionen nicht gegen eine Berufskrankheit. Es gebe keine epidemiologische Studie, der zu
entnehmen sei, dass das erhöhte berufliche Risiko für die Entwicklung eines lumbalen Bandscheibenvorfalls
gebunden sei an das Vorliegen so genannter belastungsadaptiver Veränderungen. Dr. G1 sei zuzustimmen, dass es
beim Heben schwerer Lasten zu einer Druckbelastung auf die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule komme, die von
oben nach unten zu nehmend sei. Im Gegensatz zur Annahme von Dr. G1 treffe dies auf die Ausprägung der
degenerativen Veränderungen bei dem Kläger nach den Ergebnissen der jetzigen Begutachtung zu. In der
Magnetresonanztomographie hätten sich die ausgeprägtesten degenerativen Veränderungen im Segment L 5/S1,
geringere in dem darüber liegenden Segment L 4/5 und noch geringere in den wiederum darüber liegenden Segmenten
gefunden.
Die Beklagte ist der Beurteilung von Dr. B. durch Einreichung der gutachterlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. L.
vom 19. Februar 2004 entgegengetreten, nach welcher neben dem Bandscheibenschaden, der auch bei einem Anteil
der Normalbevölkerung bestehen könne, Anhaltspunkte zur Differenzierung vorhanden sein müssten. Dazu gehöre ein
adäquates Verteilungsmuster der Schäden an der Lendenwirbelsäule, die als Reaktion auf eine
wirbelsäulenbelastende Tätigkeit entstünden und als Abgrenzungskriterium zu üblichen Alterungs- und
Degenerationsprozessen entscheidend seien. Belastungstypische Schäden seien anzunehmen, wenn sie auch in den
Bereichen der Wirbelsäule angetroffen würden, die einer besonderen Belastung ausgesetzt seien. Sie müssten also
als Reaktionen auf eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit beurteilt werden können. Sie seien grundsätzlich nur dann
auf eine berufliche Belastung zurückzuführen, wenn insbesondere die beiden unteren Segmente der
Lendenwirbelsäule betroffen und die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule über das altersübliche Maß hin-
ausgingen und von oben nach unten zunehmend ausgeprägt seien. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht
vor.
Darüber hinaus hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres TAD vom 13. Februar 2004 eingereicht, in welcher die
berufliche Wirbelsäulenbelastung des Klägers anhand des Mainz-Dortmund-Dosismodells (MDD) ermittelt wurde. Unter
Berücksichtigung der Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Tätigkeiten, wie er sie gegenüber dem TAD bereits
im August 1995 gemacht hatte, kommt diese Berechnung zu dem Ergebnis, dass in den
Beschäftigungsverhältnissen, für die die Zuständigkeit der Beklagten gegeben ist, eine Lebensbelastungsdosis von
14,6 X 106 Nh vorgelegen habe und damit der Grenzwert nach dem MDD von 25 X 106 Nh bei weitem nicht erreicht
sei.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. August 2004 hat Dr. B. unter anderem ausgeführt, dass er eine
telefonische Befragung des Klägers am 10. August 2004 zu Einzelheiten der beruflichen Belastung durchgeführt habe.
Unter Berücksichtigung der dabei erhaltenen Auskünfte und unter Herabsetzung der MDD-Richtwerte um 20 % ergebe
sich eine Gesamtbelastung des Klägers von 36,7 X 106 Nh. Darüber hinaus ist Dr. B. in dieser Stellungnahme auf die
Äußerungen von Dr. L. eingegangen und im Ergebnis bei seiner Auffassung geblieben, wonach aus medizinischer
Sicht eine Berufskrankheit zu bejahen sei.
In seiner von der Beklagten eingereichten Stellungnahme vom 26. November 2004 hat der TAD kritisiert, dass Dr. B.
eine telefonische Befragung des Klägers durchgeführt habe, obwohl dieser am 18. August 1995 persönlich befragt
worden sei. Im Übrigen sei die von Dr. B. vorgenommene Beurteilung der Belastung nicht nachvollziehbar, weil sie
nicht die Realität bei der Ausführung verschiedener praktischer Tätigkeiten berücksichtige.
Das Gericht hat zusätzlich Berechnungen der beruflichen Belastung nach dem MDD in den Betrieben, für die die
Beklagte nicht zuständig ist, durch die Technischen Aufsichtsdienste der See-Berufsgenossenschaft, der
Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft sowie der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft angefordert.
Diese kommen zu dem Ergebnis, dass in den Zeiträumen 1. September 1953 bis 14. Oktober 1962 und 20. August
1968 bis 19. Januar 1973 keine die von der Beklagten ermittelte Gesamtbelastungsdosis erhöhenden Belastungen
vorgelegen haben.
In der mündlichen Verhandlung am 11. August 2006 ist als weiterer Sachverständiger der Orthopäde Dr. W1 gehört
worden, der den Kläger am 25. Juli 2006 untersucht und das Gutachten vom 31. Juli 2006 eingereicht hat. Darin
kommt er zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule eine fortgeschrittene Spondylose
und Spondylarthrose mit Bandscheibenzermürbung des Segmentes L 5/S1 vorliege. Bei Aufgabe der belastenden
Tätigkeit im Jahre 1993 sei der Kläger 54 Jahre alt gewesen. Es habe sich auf den nativradiologischen Aufnahmen
damals eine nicht ausgeprägte Höhenminderung des Segments L 5/S1 und eine geringe Höhenminderung in den
Segmenten L 2/3 und L 3/4 gefunden. Das Segment L 4/5 sei überhaupt nicht höhengemindert gewesen. Eine
eindeutige Betonung der unteren drei Bewegungssegmente, die als wichtiges Kriterium eher für einen
Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung sprechen könne, habe nicht vorgelegen. Der zumindest
gleichermaßen bestehende degenerative Befall der Halswirbelsäule spreche durchaus gegen einen
Ursachenzusammenhang, wie auch die Tatsache, dass beim Kläger eine biomechanisch ungünstig eingreifende
rechtskonvexe Thorakalskoliose sowie Zeichen einer durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung bestünden. In
der Gesamtbeurteilung sei davon auszugehen, dass es sich bei den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen
nicht um eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV handele. Anlässlich seiner Erläuterungen im Termin
am 11. August 2006 hat der Sachverständige auf Frage des Gerichts darauf hingewiesen, dass sich nach den 1993
gefertigten Röntgenbildern – die für die Beurteilung der Höhenminderung einer Bandscheibe aussagekräftiger seien als
eine im Liegen durchgeführte Kernspintomographie – auch im am stärksten geschädigten Segment L 5/S1 eine nur
geringe Höhenminderung von nicht einmal der Hälfte gefunden habe und deshalb von einem altersentsprechenden
Befund auszugehen sei. Allerdings hätten die Veränderungen im Laufe der Zeit zugenommen, was durch die
Ergebnisse der Untersuchungen 2003 und 2006 deutlich werde. Hinsichtlich der erhobenen Befunde stehe er im
Einklang mit Dr. S1, der ebenfalls im Segment L 4/5 die geringsten Schäden festgestellt habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der
Sitzungsniederschrift vom 11. August 2006 aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen, die vorgelegen
haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers ( §§ 143, 144,
151 Abs. 1 SGG ) ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 8. Juni 1998
die Klage abgewiesen. Auch zur Überzeugung des Senats ist der Bescheid der Beklagten vom 7. März 1996 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 rechtmäßig, da die geltend gemachten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen des Klägers in Form seiner Wirbelsäulenbeschwerden nicht Folgen einer Berufskrankheit nach Nr.
2108 der Anlage zur BKV sind.
Auf diesen Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, da ein
Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am
1. Januar 1997 im Streit ist (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihm
folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere bei Vorliegen einer MdE um wenigstens 20 v.H. Verletztenrente in
der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß §
551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die in der Anlage zur BKV aufgeführten
Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet
(§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Voraussetzung ist danach, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die
versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist ( sogenannte haftungsbegründende Kausalität ) und den Gesundheitsschaden
verursacht hat ( sogenannte haftungsausfüllende Kausalität ). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (
versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden ) mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, ohne dass eine völlige Gewissheit zu fordern ist, genügt für den – doppelten –
Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als
dagegen sprechen. Allerdings ist die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht ausreichend. Zu den
Berufskrankheiten zählen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der
Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten.
Der Kläger gehört aufgrund seiner Beschäftigungen als Stahlbauschlosser und Heizungsmonteur, zuletzt seit Januar
1973 bei der Firma W. & F., zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis. Bei ihm liegen
mit den Veränderungen der Lendenwirbelsäule auch Erkrankungen vor, die von der Nr. 2108 der Anlage zur BKV
erfasst werden. Allerdings ist schon fraglich, ob bei dem Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der
Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegen. Zwar ist der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme
vom 21. August 1995 unter Zugrundelegung der vom Kläger selbst gemachten Angaben zu den einzelnen Arbeiten
von einer durchgehend von 1953 bis 1993 andauernden wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit ausgegangen, jedoch ist er
in der unter dem 13. Februar 2004 vorgenommenen, die gleichen Angaben des Klägers berücksichtigenden
Berechnung der Belastung nach dem MDD, das nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 18. März
2003 (B 2 U 13/02 R) und 19. August 2003 (B 2 U 1/02 R) als geeignetes Verfahren für die Beurteilung der beruflichen
Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV angesehen wird, zu dem Ergebnis gelangt,
dass für die Zeiträume von Oktober 1962 bis August 1968 und Januar 1973 bis Mai 1993 lediglich von einer den
Grenzwert des MDD von 25 X 106 Nh bei weitem nicht erreichenden Lebensbelastungsdosis von 14,6 X 106 Nh
ausgegangen werden kann. Da nach den Berechnungen der Seeberufsgenossenschaft, der Maschinenbau- und
Metall-Berufsgenossenschaft sowie der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft während der zwischen August
1968 und Januar 1973 ausgeübten Tätigkeiten jeweils keine Tagesbelastungsdosis von 5500 Nh erreicht wurde,
können diese Tätigkeiten die tatsächliche Lebensbelastungsdosis nicht weiter erhöhen mit der Folge, dass danach die
arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht
erfüllt sind. Soweit Dr. B. in seiner Berechnung der Lebensbelastungsdosis zu einem Ergebnis von 36,7 X 106 Nh
gelangt ist und die arbeitstechnischen Voraussetzungen damit als erfüllt ansieht, beruht dieser Umstand zum einen
darauf, dass er bei seiner Berechnung telefonisch beim Kläger erfragte Angaben berücksichtigt, die nicht unerheblich
von den gegenüber dem TAD gemachten abweichen und zum Teil – worauf der TAD der Beklagten in seiner
Stellungnahme vom 26. November 2004 zu Recht hinweist – nicht der Realität der Arbeitswelt entsprechen. Wenn Dr.
B. zum Beispiel aufgrund der Angaben des Klägers, es seien Heizkörper mit einem Gewicht von 50 bis 200 kg zu
transportieren gewesen, in seine Berechnung einen Mittelwert der genannten Gewichte von 125 kg einfließen lässt,
widerspricht er seinen Ausführungen in dem ursprünglichen Gutachten vom 3. Dezember 2003, nach welchen die
entsprechenden Gewichte immer zu zweit getragen wurden. Darüber hinaus berücksichtigt er nicht, dass der Kläger
die jeweils zur Baustelle transportierten Materialien auch verarbeiten musste, die Verarbeitung erheblich länger
andauert als der Transport und bei ihr erheblich geringere Belastungen als beim Transport auftreten. Der Ansatz von
220 Arbeitsschichten pro Jahr für Transportarbeiten erscheint deshalb aus technischer Sicht nicht realistisch. Zum
anderen hat Dr. B. seiner Ermittlung der Lebensbelastungsdosis nicht die MDD-Richtwerte zu Grunde gelegt, sondern
diese unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht, wonach es sich bei den Werten für die
Druckkraft, die Beurteilungsdosis sowie die Gesamtdosis nicht um Grenzwerte, sondern lediglich um
Orientierungswerte handelt, jeweils um 20 % herabgesetzt. Lediglich unter Herabsetzung des Wertes für die
Druckkraft von 3200 N auf 2560 N und für die Beurteilungsdosis von 5500 N auf 4400 N gelangt er zu der ermittelten
Lebensbelastungsdosis von 36,7 X 106 Nh, die die von ihm von 25 X 106 Nh auf 20 X 106 Nh herabgesetzte
Gesamtdosis überschreitet. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der medizinische Sachverständige die
MDD-Richtwerte bei seiner Berechnung auf einen willkürlichen Wert herabsetzt. Im Übrigen ist es zur Überzeugung
des Senats zwar durchaus möglich, dass die bisher geltenden MDD-Richtwerte zu hoch sind. Allerdings werden sie
bei einer jeweiligen Herabsetzung auf 80 % der bisherigen Werte für Druckkraft, Tagesbelastungsdosis und
Gesamtdosis insgesamt um weit mehr als 20 % gemindert. Logisch könnte allenfalls erscheinen, den Wert für die zu
berücksichtigende Druckkraft entsprechend herabzusetzen, was sich dann hinsichtlich der anderen Werte proportional
auswirken würde. Letztlich kann die Frage nach der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen aber
dahingestellt bleiben. Zur Überzeugung des Senats fehlt es nämlich auch bei deren Unterstellung nach dem
Gesamtergebnis der durchgeführten Ermittlungen an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des wesentlich ( teil- )
ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Exposition und den beim Kläger aufgetretenen Erkrankungen der
Lendenwirbelsäule und damit an der sogenannten haftungsausfüllenden Kausalität. Entgegen den Ausführungen Dr.
B.s in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2003 reicht für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der
Anlage zur BKV nicht aus, dass im konkreten Einzelfall die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, eine
bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegt, keine Hinweise für außerberuflich bedingte
prädiskotische Deformitäten bestehen und die gefährdende Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben
wurde. Vielmehr ist es für jeden Einzelfall darüber hinaus erforderlich, den Ursachenzusammenhang zwischen der
beruflich bedingten Belastung und der Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
positiv festzustellen. Das Schadensbild der streitigen Berufskrankheit entspricht nämlich den Volkskrankheiten durch
chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben. Es gibt kein hiervon eindeutig abgrenzbares
belastungstypisches Krankheitsbild, sondern allenfalls ein belastungskonformes Wirbelsäulen-Schadensbild der
Berufskrankheit. Dies wird unter anderem in der von klägerischer Seite eingereichten Studie von Seidler u.a. aus dem
Jahre 2001 verkannt, nach welcher weder ein monosegmentales Schadensbild noch das Fehlen der sogenannten
Belastungskonformität im Sinne eines abnehmenden Ausmaßes der Schädigungen in Richtung der oberen
Lendenwirbelsäule das Vorliegen einer Berufskrankheit ausschließt. Wenn dem so wäre, gäbe es praktisch kein
Abgrenzungskriterium für beruflich verursachte Lendenwirbelsäulenschäden von solchen, die auf chronisch-
degenerativen Veränderungen beruhen, mit der Folge, dass niemals die Wahrscheinlichkeit des
Ursachenzusammenhanges mit einer belastenden Tätigkeit positiv festgestellt werden könnte. Dementsprechend
weisen die von Dr. B. in seinem Gutachten bzw. seiner ergänzenden Stellungnahme mehrfach in Bezug genommenen
Konsensempfehlungen ( Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der
Lendenwirbelsäule (Teil I), veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005, S. 211 ff ), die zur Überzeugung
des Senats den aktuellen Stand der Wissenschaft zu dieser Frage wiedergeben, auch darauf hin, dass für die
Anerkennung von entsprechenden Schäden als Berufskrankheit das Vorliegen eines belastungskonformen
Schadensbildes Voraussetzung ist. Dieses wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen
Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien a. Lebensalter
beim Auftreten der Schädigung b. Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter c. Verteilungsmuster der
Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule d. Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und
mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person e. Entwicklung einer Begleitspondylose
(Randzackenbildung an den Wirbelkörpern). Danach sind Grundvoraussetzungen für die Anerkennung als
Berufskrankheit zum einen eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare
Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und zum anderen eine ausreichende
berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten
Erkrankung aufweisen muss. Die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des
Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab. Erst bei Erfüllung dieser
Grundvoraussetzungen ist abzuwägen, ob ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist. Diese Abwägung hat unter
folgenden Kriterien zu erfolgen: a. eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der
Lendenwirbelsäule spricht für einen Ursachenzusammenhang, b. ein Befall der Hals- und/oder Brustwirbelsäule kann
je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen, c. eine Aussparung der beiden unteren
Lendenwirbelsäulensegmente spricht gegen eine berufliche Verursachung, d. eine Begleitspondylose muss über das
Altersmaß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen, um eine positive Indizwirkung für eine
berufsbedingte Verursachung zu haben, e. bei monosegmentaler Höhenminderung im Röntgenbild ohne
Begleitspondylose sprechen Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden magnetresonanztomo- graphischen
Begleitbefunden eher gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit, wenn das 45. Lebensjahr überschritten ist (vgl. zum
ganzen Konsensempfehlungen, aaO, S. 216 f).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich zur Überzeugung des Senats ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen der – dem Ausmaß nach unterstellten – beruflichen Belastung des Klägers und den bei ihm vorliegenden
Wirbelsäulenschäden nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Insoweit hat der medizinische
Sachverständige Dr. W1 zu Recht ausgeführt, dass der Beurteilung der unmittelbar nach Aufgabe der belastenden
Tätigkeit erhobene Befund von 1993 zu Grunde zu legen ist. Diese Auffassung steht im Einklang mit den
Konsensempfehlungen (aaO, S. 214). Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger 54 Jahre alt. Unter
Berücksichtigung dieses Alters ist es schon fraglich, ob der 1993 erhobene röntgenologisch erhobene Befund seiner
Ausprägung nach altersuntypisch war. Der Sachverständige Dr. W1 hat dies auf ausdrückliches Befragen durch das
Gericht verneint und zur Begründung darauf hingewiesen, dass sich auf den nativradiologischen Aufnahmen von 1993
eine nicht ausgeprägte Höhenminderung des Segments L 5/S1, eine geringe Höhenminderung in den Segmenten L 2/3
und L 3/4 und keine Höhenminderung in dem Segment L 4/5 fänden. Dies steht im Einklang mit den Ausführungen Dr.
H. s, der in seinem Gutachten vom Oktober 1995 den erhobenen Befund als im Wesentlichen altersentsprechend
bezeichnet hat und keinen vorauseilenden Verschleiß der Lendenwirbelsäulensegmente gegenüber den anderen
Wirbelsäulenabschnitten feststellen konnte. Soweit Dr. B. in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2003 ausführt, das
Ausmaß der Degeneration im Bereich der Lendenwirbelsäule sei als altersvorauseilend einzuschätzen, lässt sich
diesem Gutachten eine Begründung für diese Einschätzung nicht entnehmen. Erst in der ergänzenden Stellungnahme
vom 18. August 2004 weist dieser Sachverständige in anderem Zusammenhang darauf hin, dass nach den
Konsensempfehlungen die Höhenminderung der Bandscheibe um mehr als ein Drittel, wie sie beim Kläger im
Segment L 5/S1 vorliege, als altersuntypischer Befund anzusehen sei. Diese Beurteilung stützt sich ersichtlich auf
den anlässlich der Begutachtungen im Jahre 2003 erhobenen Befund und berücksichtigt nicht, dass das Schadensbild
bei Aufgabe der belastenden Tätigkeit erheblich geringer ausgeprägt war und sich erst unabhängig von einer
beruflichen Belastung anschließend eine Verschlechterung eingestellt hat. Allerdings verkennt das Gericht nicht, dass
die tätig gewordenen Sachverständigen das Ausmaß der von ihnen festgestellten Höhenminderung jeweils lediglich
subjektiv beschrieben haben. Begriffe wie "ausgeprägte Verschmälerung" (Dr. H.), "erheblicher Aufbrauch" (M.),
"deutliche Verschmälerung" (Dr. G1 und Dr. S1), "leicht höhengemindert, geringgradig höhengemindert, hochgradig
höhengemindert" (Dr. R.) oder auch "nicht ausgeprägte Höhenminderung" (Dr. W1 im Gutachten vom 31. Juli 2006)
lassen eine objektive Feststellung der tatsächlich bestehenden Höhenminderung der jeweils beschriebenen
Bandscheibe nicht zu. Selbst die von Dr. W1 im Termin am 11. August 2006 verwendete Formulierung "geringe
Höhenminderung von nicht mal zur Hälfte" lässt nicht konkret erkennen, ob die in den Konsensempfehlungen
geforderte Höhenminderung um ein Drittel vorliegt. Der Begriff "nicht mal zur Hälfte" kann sowohl ein Drittel oder mehr
als auch ein Viertel oder weniger umfassen. Trotz der danach bestehenden Ungewissheit bezüglich des genauen
Ausmaßes der zu den jeweiligen Untersuchungszeitpunkten vorliegenden Höhenminderung der Bandscheibe
insbesondere des Segments L 5/S1 und damit bezüglich der Frage, ob ein altersentsprechendes Schadensbild oder
eine altersuntypische Schädigung vorliegt, bedurfte es insoweit keiner weiteren Ermittlungen des Gerichts.
Unabhängig von dieser Frage fehlt es nämlich an dem für die Annahme der Wahrscheinlichkeit eines
Ursachenzusammenhanges und damit die Anerkennung als Berufskrankheit erforderlichen belastungskonformen
Schadensbild. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts auf Grund des Gesamtergebnisses der durchgeführten
Ermittlungen fest. Mit Ausnahme von Dr. B. haben alle während des Verfahrens gehörten Sachverständigen
einschließlich der von Dr. B. herangezogenen Zusatzgutachter Befunde beschrieben, die sich nicht mit dem bei
entsprechender beruflicher Belastung zu erwartenden Schadensbild in Einklang bringen lassen. So vermochte keiner
der Sachverständigen bei dem Kläger eine Begleitspondylose als Positivkriterium für die Annahme eines
Ursachenzusammenhanges festzustellen. Der Orthopäde Dr. S1 weist trotz der nach 1993 eindeutig eingetreten
Verschlechterung der Schädigungen in seinem Gutachten vom 11. August 2003 ausdrücklich darauf hin, dass sich im
Bereich der Wirbelsäule keine Spondylose zeigt. Erstmals Dr. W1 hat 2006 eine Spondylose des Segments L 5/S1
festgestellt, die wegen ihres Auftretens erst weit nach der bandscheibenbedingten Erkrankung nicht mehr als
Begleitspondylose definiert werden kann. Darüber hinaus stellen alle Sachverständigen übereinstimmend an der
Halswirbelsäule des Klägers ein zumindest gleich starkes Verschleißleiden wie an der Lendenwirbelsäule fest. Der
Radiologe Dr. R. führt in seinem Zusatzgutachten vom 15. August 2003 darüber hinausgehend ausdrücklich und
nachvollziehbar aus, dass in Zusammenfassung aller Veränderungen die Degenerationszeichen an der
Halswirbelsäule stärker ausgeprägt sind als in der Lendenwirbelsäule. Nicht zu beanstanden ist, dass die
Sachverständigen Dr. N., M. und Dr. G1 diesen Umstand als gegen den Ursachenzusammenhang zwischen den
Lendenwirbelsäulenveränderungen und der beruflichen Belastung sprechendes Argument angesehen haben. Soweit
Dr. B. dieser Einschätzung widerspricht und darauf verweist, dass durch schweres Heben und Tragen auch die
Halswirbelsäule belastet und geschädigt werden könne, handelt es sich nicht um gesicherte wissenschaftliche
Erkenntnisse. Diese Auffassung steht unter anderem im Widerspruch zu den von Dr. B. selbst in Bezug genommenen
Konsensempfehlungen, nach welchen ein Befall der Halswirbelsäule, insbesondere wenn er stärker ausgeprägt ist als
die Veränderungen der Lendenwirbelsäule und auch noch – wie im Falle des Klägers – mit einer klinischen Erkrankung
einhergeht, je nach Fallkonstellation durchaus gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Dies gilt
gleichermaßen für den Fall eines monosegmentalen Schadensbildes, auf welches insbesondere Dr. H., aber auch Dr.
N. abgestellt hat. Zu Recht haben beide darauf hingewiesen, dass nach den 1993 erhobenen Befunden eine eindeutige
bandscheibenbedingte Erkrankung lediglich in dem Segment L 5/S1 festzustellen war. Zutreffend hat Dr. N. unter
Hinweis auf die nicht einheitliche Auffassung in der Literatur dargelegt, dass ein derartiges Verteilungsmuster aus
biomechanischen Gründen nicht als belastungskonform angesehen werden kann. Damit steht er im Einklang zu den
Ausführungen in den Konsensempfehlungen, nach welchen bei einer monosegmentalen Chondrose im Röntgenbild
ohne Begleitspondylose nach Überschreiten des 45. Lebensjahres Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden
magnetresonanztomographischen Begleitbefunden in anderen Segmenten eher gegen das Vorliegen einer
Berufskrankheit sprechen. Letztlich haben bis auf Dr. B. alle Sachverständigen übereinstimmend festgestellt, dass
das Segment L 4/5 beim Kläger praktisch nicht von den degenerativen Veränderungen betroffen ist und deshalb keine
Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten, sondern vielmehr eine Aussparung eines der
beiden unteren Segmente der Lendenwirbelsäule vorliegt. Allein Dr. B. beschreibt auf Seite 37 f seines Gutachtens
vom 3. Dezember 2003 das Vorliegen gleichmäßig von unten nach oben abnehmender degenerativer Veränderungen.
Woraus er dieses ableitet, wird allerdings nicht ersichtlich. In dem auf seine Veranlassung von Dr. S1 erstellten
Zusatzgutachten weist dieser Orthopäde ausdrücklich darauf hin, dass eine hochgradige degenerative Veränderung
des Segments L 5/S1 sowie eine mittelgradige degenerative Veränderung die Segments L 3/4 vorliegen, das
dazwischen liegende Segment aber unauffällig ist. Auch das Ergebnis der Magnetresonanztomographie vom 5.
August 2003, auf die Dr. B. seine Einschätzung ausdrücklich stützt, wird von dem Radiologen Dr. R. in dem
Zusatzgutachten vom 15. August 2003 dahingehend bewertet, dass sich deutliche degenerative Veränderungen in der
Lendenwirbelsäule weitgehend auf das Segment L 5/S1 beschränken, während die Segmente L 1/2 und L 2/3 nur
geringe bis mäßig ausgeprägte Veränderungen zeigen. Bei einem belastungskonformen Schadensbild zu erwartende
Veränderungen, die geringer sind als im Segment L 5/S1, aber stärker ausgeprägt als im Segment L 2/3, in den
Segmenten L 3/4 und insbesondere L 4/5 werden von Dr. R. in keiner Weise erwähnt. Diese Beurteilung steht im
Einklang mit derjenigen von M. und Dr. G1, die in ihren Gutachten mehrfach darauf hingewiesen haben, dass das
Segment L 4/5 sowohl 1993 als auch 1995 einen Normalbefund aufweist und auch im Segment L 3/4 geringere
Veränderungen vorliegen als im Segment L 2/3. Zutreffend hat deshalb Dr. W1 in seinem Gutachten und auch im
Termin am 11. August 2006 dargelegt, dass das Segment L 4/5 bei Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Jahr 1993
noch keine und nach der zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des gesamten Wirbelsäulenleidens im Jahr
2006 auch nur geringe degenerative Veränderungen aufweist. Ebenfalls zu Recht hat er dabei darauf verwiesen, dass
seine Befunderhebung und -beurteilung insbesondere in Bezug auf das Segment L 4/5 völlig im Einklang steht mit
derjenigen von Dr. S1 im Jahr 2003, und zusätzlich beide bestätigt werden durch das Ergebnis der
Magnetresonanztomographie vom 5. August 2003. Unter Berücksichtigung dieser eindeutigen und völlig
übereinstimmenden Befunderhebungen vermag die Einschätzung von Dr. B., wonach ein gleichmäßig von unten nach
oben abnehmendes Schadensbild vorliegen soll, in keiner Weise zu überzeugen.
Nach alledem ist keines der in den Konsensempfehlungen aufgeführten, für einen ursächlichen Zusammenhang der
Erkrankung mit der beruflichen Belastung sprechenden Kriterien gegeben, während andererseits mit dem zumindest
1993 noch vorliegenden monosegmentalen Befall, insbesondere aber dem durchgehend festgestellten Normalbefund
im Segment L 4/5 gewichtige gegen einen solchen Zusammenhang sprechende Argumente erfüllt sind. Bei einer
Gesamtabwägung kann deshalb der ursächliche Zusammenhang der Lendenwirbelsäulenerkrankung mit der
vorangegangenen beruflichen Belastung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Der Senat hatte keine Veranlassung, dem Hilfsantrag des Klägers entsprechend eine weitere Stellungnahme nach §
106 oder § 109 SGG von Dr. B. einzuholen. Zur Überzeugung des Senats war der der Entscheidung zu Grunde zu
legende Sachverhalt vollständig aufgeklärt. Weder ist ersichtlich noch wurde vom Kläger auch nur ansatzweise
vorgetragen, welche weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse durch die Einholung noch einer Stellungnahme
hätten gewonnen werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der
Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG noch die des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegen.