Urteil des LSG Hamburg vom 21.05.2010
LSG Ham: einkommen aus erwerbstätigkeit, aufschiebende wirkung, arbeitsstelle, rückforderung, unterlassen, nebeneinkünfte, gerichtsakte, auskunft, firma, verordnung
Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 21.05.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 56 AS 739/06
Landessozialgericht Hamburg L 5 AS 70/09
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger beantragte am 27. September 2004 bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II. Er gab dabei keine Erwerbstätigkeit an. Die Beklagte erließ in der Folgezeit verschiedene
Bescheide und Änderungsbescheide, letztlich wurden dem Kläger für folgende Zeiträume folgende Leistungen bewilligt
und ausbezahlt:
1. Januar 2005 – 30. April 2005 monatlich 681,50 EUR (Bescheid vom 20.12.2004) 1. Mai 2005 – 31. Juli 2005
monatlich 681,50 EUR (Bescheid vom 26.05.2005) 1. August 2005 – 31. August 2005 monatlich 679,90 EUR
(Bescheid vom 26.05.2005) 1. September 2005 – 31. Oktober 2005 monatlich 673,14 EUR (Bescheid vom
18.10.2005) 1. November 2005 – 31. März 2006 monatlich 673,14 EUR (Bescheid vom 18.10.2005).
Am 15. März 2006 erfuhr die Beklagte von der Steuerberaterin des Klägers, dass dieser seit dem 1. April 2004
durchgehend einer Erwerbstätigkeit bei der Firma N. nachging und hieraus ein Einkommen von monatlich 260,- EUR
bezog.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 1.
Januar 2005 bis zum 31. März 2006 in Höhe von insgesamt 2.464,70 EUR auf. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt,
weil falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht worden seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 17. März 2006 Klage. Zugleich stellte er einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung (Az: S 56 AS 565/06 ER). Diesen Antrag legte das Sozialgericht als Widerspruch gegen den
Bescheid vom 15. März 2006 aus und stellte mit Beschluss vom 7. April 2006 fest, dass dieser Widerspruch
aufschiebende Wirkung habe.
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger vor, die Rückforderung sei zu hoch; die Beklagte habe zu Unrecht
Freibeträge und Werbungskosten nicht bzw. in zu niedriger Höhe berücksichtigt. Mit Schreiben vom 17. Mai 2006
reichte der Kläger eine weitere Klage gegen die Beklagte ein (Az: S 56 AS 1023/06), mit der er die Verurteilung der
Beklagten zur Neuberechnung seines anzurechnenden Einkommens begehrte.
Am 2. August 2006 erließ die Beklagte einen Bescheid, der den Bescheid vom 15. März 2006 ersetzte und mit dem
die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.
Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 in Höhe von monatlich 167,47 EUR, für den Zeitraum vom 1. November 2005
bis zum 31. März 2006 in Höhe von monatlich 128,00 EUR zurückgenommen wurde. Zur Begründung wurde
ausgeführt, die Bewilligung von Leistungen sei rechtswidrig gewesen; die fehlerhafte Bewilligung beruhe auf falschen
bzw. unvollständigen Angaben des Klägers hinsichtlich seines Einkommens. Dem Kläger seien Leistungen in Höhe
von insgesamt 2.314,70 EUR zu Unrecht gezahlt worden.
Am 2. August 2006 erging ferner ein Widerspruchsbescheid, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers
gegen den Bescheid vom 15. März 2006 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 2. August 2006 zurückwies. Mit
Schreiben vom 16. August 2006 erhob der Kläger eine weitere Klage gegen diesen Widerspruchsbescheid (Az: S 56
AS 1671/06). Auch hier trug er vor, die Beklagte habe Freibeträge und Werbungskosten nicht hinreichend
berücksichtigt.
Mit Beschluss vom 1. September 2006 verband das Sozialgericht die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung. Mit Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zu Recht habe die
Beklagte nach den Vorschriften des SGB II und der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) in den jeweiligen
Fassungen vor und nach den Rechtsänderungen durch das Freibetragsneuregelungsgesetz (vom 14.8.2005, BGBl. I
S. 2407 f.) von den bekannt gewordenen Einkünften des Klägers Absetzungen vorgenommen. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen. Die von dem Kläger behaupteten Kosten für eine HVV-Monatskarte in Höhe
von 51,00 EUR könnten auch nach der alten Rechtslage keine Berücksichtigung finden. Denn es fehle an einem
Nachweis dieser Kosten in Form der Vorlage der erworbenen Fahrkarten. Auch eine Entfernungspauschale nach § 3
Nr. 3 a) bb) ALG II-V komme nicht in Betracht. Denn der Kläger habe trotz mehrfacher Aufforderung keine Auskunft
darüber erteilt, an wie vielen Tagen pro Monat er seine Arbeitsstelle aufgesucht habe und sich auch nicht
einverstanden damit erklärt, dass das Gericht diese Angaben direkt beim Arbeitgeber erfrage. Die Bescheide seien
von Anfang an rechtswidrig gewesen, da der Kläger bereits seit dem 1. April 2004 seiner Erwerbstätigkeit nachgehe
und somit schon bei Erlass der Bewilligungsbescheide Einkommen erzielt habe. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen,
dass einer Rücknahme der Bewilligungsbescheide gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
X) entgegenstehen würde, könne der Kläger sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht berufen, da die
Bewilligungen auf vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen Angaben des Klägers beruhten. Der Kläger habe nämlich
sein Einkommen aus Erwerbstätigkeit gegenüber der Beklagten nicht angegeben, obwohl er dazu verpflichtet gewesen
sei. Im Antrag des Klägers vom 27. September 2004 und den Fortzahlungsanträgen vom 13. April 2005 und 14.
Oktober 2005 seien diese Einkünfte nicht angegeben worden, so dass die Beklagte bei Erlass der nunmehr teilweise
aufgehobenen Bewilligungsbescheide davon ausgegangen sei, dass der Kläger keine Einkünfte erziele. Der Kläger
habe auch nicht im Ansatz erklärt, wann und auf welche Weise die Beklagte von seinen Einkünften aus der
Arbeitsstelle vor dem 14. März 2006 erfahren haben solle, obwohl er diese in den Leistungsanträgen jeweils nicht
angegeben gehabt habe. Die Bewilligungsbescheide seien auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen
gewesen.
Gegen den ihm am 16. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. Juni 2009 Berufung eingelegt.
Er macht geltend, dass in den Antragsformularen auf Fortzahlung lediglich gefragt werde, ob eine Änderung
eingetreten sei. Eine Änderung sei aber nicht eingetreten, da eine zuvor bereits bestehende Arbeitsstelle
fortbestanden habe. Das Antragsformular sei entsprechend zu überarbeiten.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11.
Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. März 2006 und 2. August 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2009 hat das Gericht das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –
auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 21. Mai 2010 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten der
Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das
Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
Das Gericht konnte auch trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden. Denn er war
ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das persönliche Erscheinen
des Klägers war nicht erforderlich.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Bescheide der Beklagten vom 15. März 2006 und 2. August 2006 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 sind rechtmäßig. Das hat das Sozialgericht in dem mit der
Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2009 richtig entschieden und auch zutreffend begründet. Das
Gericht sieht nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es auf die
Begründung des Gerichtsbescheides Bezug nimmt.
Das Berufungsvorbringen gibt lediglich zu folgender Bemerkung Anlass: Der Kläger kann nicht damit durchdringen,
dass die von der Beklagten verwendeten Formulare in seinem Fall zu fehlerhaften Angaben geführt hätten. Im
Erstantrag war durchaus Raum für Angaben zu den Einkünften; hier hat der Kläger es aber gerade unterlassen, seine
Nebeneinkünfte offenzulegen. In den Folgeanträgen hätte er ohne weiteres unter "Änderungen" – nämlich als
Änderung gegenüber den vorherigen Angaben – die Arbeitsstelle angeben oder in einer gesonderten Erklärung die
unterlassene Angabe nachholen müssen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.