Urteil des LSG Hamburg vom 08.10.2008

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Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 08.10.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 21 KR 779/01
Landessozialgericht Hamburg L 1 KR 2/08
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das
Berufungsverfahren zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung von der Klägerin erbrachter ärztlich
verordneter Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche
Krankenversicherung (SGB V)) im Streit.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst, der auch gegenüber Versicherten der Beklagten Leistungen der
häuslichen Krankenpflege erbringt. Sie hat derartige Leistungen bereits gegenüber Versicherten der Rechtsvorgängerin
der Beklagten (BKK Stadt Hamburg) erbracht und ihre Tätigkeit auch nach dem Rechtsübergang auf die Beklagte
fortgesetzt. Für die Vergütung dieser Leistungen fand in der Vergangenheit die "Rahmenvereinbarung über die
Durchführung häuslicher Pflege- und Versorgungsleistungen - § 132 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V" vom 1. August
1994 Anwendung.
Dieser Vertrag war von dem die Beklagte seinerzeit vertretenden BKK-Landesverband NORD mit Schreiben vom 25.
Juni 1998 zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden (vgl. Blatt 86 der Akte L 1 KR 43/04). Mit Schreiben vom 18.
Dezember 1998 (vgl. Blatt 87 der Akte L 1 KR 43/04) erklärte jedoch der BKK-Landesverband NORD gegenüber dem
Verhandlungsführer der Anbieterverbände, der H. e.V. (H.), deren Mitglied die Klägerin ist, zunächst, die
Betriebskrankenkassen – also auch die Beklagte – ließen den Vertrag der übrigen Hamburger Primärkassen, welcher
hinsichtlich der Vergütung inhaltlich identisch ist mit dem gekündigten Vertrag, bis zum Abschluss eines neuen
Vertrages weiter gegen sich gelten. In den im Jahre 1999 aufgenommenen Vertragsverhandlungen konnte zunächst
keine Einigkeit erzielt werden. Die Beklagte vergütete auch weiterhin auf dieser Grundlage durch die Klägerin
erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Nachdem Anfang des Jahres 2000 zwischen den beteiligten Verbänden aber eine Teileinigung erzielt worden war, gab
der BKK-Landesverband NORD zu erkennen, dass er nunmehr den gekündigten Vertrag unter Einbezug verschiedener
Modifizierungen bis zum 31. März 2001 gegen sich gelten lassen wolle, und erneuerte dieses Angebot – nachdem
sich die H. unter anderem mit der Befristung auf den 31. März 2001 nicht einverstanden erklären konnte – mit
Schreiben vom 4. April 2000 unter Beifügung des Entwurfes einer ab 1. April 2000 geltenden Vereinbarung. In dem
Schreiben (Blatt 102 der Akte L 1 KR 43/04) heißt es:
"Die Regelungen und Anlagen des Vertrages vom 01.08.1994., der von uns zum 31.12.1998 gekündigt wurde, lassen
wir bis zum Abschluss der Verhandlungen eines neuen Vertrages mit folgenden Maßgaben gegen uns gelten: ".
Hiermit erklärten sich die H. und deren Mitglieder einverstanden und der BKK-Landesverband NORD fasste das
bisherige Ergebnis mit Schreiben vom 12. April 2000 (Blatt 8 ff. der Akte L 1 KR 19/06) zusammen und erklärte
namentlich, dass er "die Regelungen und Anlagen" des gekündigten Vertrages "bis zum Abschluss der Verhandlungen
eines neuen Vertrages" mit weiteren Maßgaben gegen sich gelten lasse. Daraufhin vergütete die Beklagte auch
weiterhin auf dieser Grundlage durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Nachdem die Beklagte dem BKK-Landesverband NORD am 26. Oktober 2000 das Verhandlungsmandat entzogen
hatte, übermittelte sie mit Schreiben vom 12. März 2001 der Klägerin (und anderen Pflegebetrieben; vgl. LSG
Hamburg, Urteil vom 10. November 2004 – L 1 KR 43/04 = Breithaupt 2005, 472 ff. sowie Blatt 106 der Akte L 1 KR
43/04) ein schriftliches Vertragsangebot mit einer Vergütungsregelung. In diesem den Beteiligten bekannten Schreiben
ist ausgeführt:
"Sollten Sie den Vertrag nicht unterschreiben wollen, bitten wir um kurzfristige Information, damit wir die Versorgung
des Patienten über einen Partner, der den Vertrag unterschrieben hat, sicherstellen können. Da wir in der Lage sind,
die Versorgung aller unserer Patienten mit Partnern sicherzustellen, die dem Vertrag beigetreten sind, bitten wir um Ihr
Verständnis, daß unser Vertragsangebot nicht verhandlungsfähig ist."
Die Klägerin nahm dieses Vertragsangebot zunächst nicht an. Eine Besprechung am 3. April 2001 von Vertretern der
Beklagten und der H. endete damit, dass die Beklagte die Verhandlungen vorerst für gescheitert erklärte. Mit
Schreiben vom 5. April 2001 unterrichtete sie daraufhin die Klägerin (und andere Pflegebetriebe; vgl. LSG Hamburg,
Urteil vom 10. November 2004 a.a.O.; Blatt 158 der Akte L 1 KR 43/04) davon, dass die Verhandlungen ohne
Ergebnis abgeschlossen worden seien. Damit ende die zwischen der H. und dem BKK-Landesverband NORD
abgeschlossene Übergangsregelung vom 12. April 2000 mit der Folge, dass Versicherte der Beklagten vom 4. April
2001 an nicht mehr zu Lasten der Beklagten betreut werden könnten.
Die Beklagte informierte ihre Versicherten schriftlich darüber, dass verordnete Leistungen der häuslichen
Krankenpflege zu ihren Lasten nur von Pflegediensten erbracht werden könnten, mit denen ein Versorgungsvertrag
bestehe und dass diese Voraussetzung der beauftragte Pflegedienst nicht erfülle. Doch könnten die Versicherten die
Leistungen, auf die sie nach wie vor einen Anspruch hätten, jederzeit von einem Pflegedienst erhalten, mit dem die
Beklagte einen Versorgungsvertrag geschlossen habe. Eine Liste der Vertragspartner war diesen Schreiben an die
Versicherten beigefügt.
Ein neuer Vertrag kam auch weiterhin zwischen den Beteiligten zunächst nicht zustande. Gleichwohl erbrachte die
Klägerin fortwährend Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber Versicherten der Beklagten, die jedoch von
der Beklagten für die Zeit seit April 2001 bis Juli 2002 nicht mehr vergütet wurden.
Die Klägerin hat am 15. August 2001 Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe ihr auch die ab 2001
erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach den Sätzen des Vertrages vom 1. August 1994 unter
Beachtung der Modifikationen vom 12. April 2000 zu vergüten. Es sei nämlich vertraglich die Fortgeltung des alten
Vertrages mit modifizierten Sätzen vereinbart worden. Diese Fortgeltung sei nicht beendet. Ein vertragsloser Zustand
habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.
Die Beklagte ist diesem Vorbringen entgegen getreten und hat sich mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2001 auf die
Beendigung der Vertragsverhandlungen und ferner darauf berufen, dass sie mittlerweile mit 80 Leistungserbringern
einen Vertrag geschlossen habe und deshalb in der Lage sei, die Versorgung ihrer Versicherten sicherzustellen.
Gleichwohl pflegte die Klägerin auch während des anhängigen Klageverfahrens Versicherte der Beklagten weiter und
machte die jeweiligen Vergütungsforderungen im Wege der Klagerweiterung laufend geltend. Insgesamt macht die
Klägerin für drei Versicherte der Beklagten –M. G., K. L., A. B. – Vergütungsforderungen geltend.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 21. November 2007 abgewiesen und sich zur Begründung auf die
Rechtsprechung des erkennenden Senates (Urteil vom 22. September 2004 – L 1 KR 1/03; Urteil vom 10. November
2004, a.a.O.; Urteil vom 24. Januar 2007 – L 1 KR 19/06 = Breithaupt 2008, 122 ff.) bezogen, wonach es in Fallkon-
stellationen wie der vorliegenden keine vertraglichen bzw. Ansprüche aus Bereicherungsrecht gebe.
Gegen das am 5. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Januar 2008 Berufung eingelegt. Zur
Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Ergänzend trägt sie vor, die Fortgeltung der alten
Regelung mit Modifizierungen sei durch den BKK-Landesverband Nord zu einem Zeitpunkt mit der H. vereinbart
worden, als dem BKK-Landesverband Nord das Mandat noch nicht entzogen worden war. Deshalb müsse sich auch
die Beklagte an diese Vereinbarung der Fortgeltung halten, weshalb auch die Entscheidung des Senats vom 10.
November 2004 – L 1 KR 43/04 – nicht verfangen könne. Die einseitige Erklärung des BKK-Landesverbandes Nord
vom 12. April 2000 habe ein Angebot zum Abschluss einer Vereinbarung dargestellt, welches u.a. von ihr, der
Klägerin, durch Leistungserbringung und Abrechnung zu den benannten Konditionen konkludent angenommen worden
sei. Überdies könnten bei bestehendem Kontrahierungszwang Vertragsverhandlungen nicht dadurch abgeschlossen
werden, dass Verhandlungen scheiterten. Keine Berücksichtigung habe in der erwähnten Entscheidung des Senats
auch der Umstand gefunden, dass die Beklagte die vorgelegten Verträge als nicht verhandelbar angeboten habe. Der
vertragslose Zustand und das Scheitern der Vertragsverhandlungen seien sonach nicht nur durch den Pflegedienst,
sondern auch durch die Beklagte verursacht worden. Von einer aufgedrängten Bereicherung könne schließlich keine
Rede sein. Vielmehr habe die Beklagte die Versorgung ihrer Versicherten zugelassen und sich schon gar nicht mit
rechtlichen Mitteln gegen die Leistungserbringung durch sie, die Klägerin, gewehrt. Schutz vor aufgedrängter
Bereicherung könne auch nur bei einer Verwendungskondiktion gewährt werden. Schließlich gehe der überwiegende
Teil der bereicherungsrechtlichen Literatur davon aus, dass ein Aufwendungsersatz auch bei einer aufgedrängten
Bereicherung bestehe. Für einen Aufdrängungsschutz, wonach der Gläubiger überhaupt keinen Anspruch gegen den
Schuldner haben solle, finde sich kein rechtlicher Ansatzpunkt. Sie habe schließlich von einem mutmaßlichen Willen
der Beklagten ausgehen können, dass diese die Pflege ihrer Versicherten übernimmt, so dass auch ein Anspruch auf
Aufwendungsersatz nach § 683 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe. Auf den die Berufung begründenden
Schriftsatz vom 5. Februar 2008 (Blatt 176 ff. der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. November 2007 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, an die Klägerin 8460,04 EUR nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz jeweils auf die im Schriftsatz
vom 5. Februar 2008 im einzelnen bezeichneten Beträge und für die dort im einzelnen bezeichneten Zeiträume zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die eindeutige Rechtsprechung des erkennenden Senates stehe gegen die Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausweislich der
Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zu¬lässig (§§ 143, 144, 151
Sozialgerichtsgesetz, SGG).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht ein
Zahlungsanspruch wegen der erbrachten Pflegeleistungen nicht zu.
Vertragliche Ansprüche für das Zahlungsbegehren der Klägerin scheiden aus. Im streitigen Zeitraum bestand
zwischen den Beteiligten kein Versorgungsvertrag. Dieser war wirksam zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden (so
bereits die Urteile des erkennenden Senats vom 22. September 2004 – L 1 KR 1/03, vom 10. November 2004 – L 1
KR 43/04, a.a.O. und vom 31. Oktober 2007 – L 1 KR 21/07 = PflR 2008, 122 ff.).
Auch nachwirkende Vertragsansprüche mit Blick auf den zum 31. Dezember 1998 gekündigten Vertrag sind nicht
gegeben.
Der gekündigte Vertrag wirkte nach Ablauf des Jahres 1998 nicht fort (siehe insoweit schon die Urteile des
erkennenden Senats: vom 22. September 2004, 10. November und 31. Oktober 2007, jeweils a.a.O.). Ein allgemeiner
Fortgeltungsgrundsatz lässt sich nicht aus der Pflicht zur Versorgung der Versicherten nach § 70 SGB V ableiten,
weil diese Vorschrift nichts über die Vergütung aussagt (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R = SozR 4-
2500 § 132a Nr. 1, S. 4 Rn. 8). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen vielmehr die Krankenkassen über die
Preise und deren Abrechnung Verträge mit den Leistungserbringern abschließen (§ 132a Abs. 2 SGB V). Kommen
solche Verträge nicht zustande, liegt ein vertragsloser Zustand vor, der nicht dadurch überbrückt werden kann, dass
Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht, abgerechnet und vergütet werden, so als ob das Vertragsverhältnis
fortbestünde (so aber im Ergebnis Kranig in: Hauck/Noftz, SGB V, § 132a Rn. 15 f.).
Diesem Ergebnis steht die mehrfache Erklärung des BKK-Landesverbandes NORD, die gekündigten Regelungen
zunächst, d.h. bis zum Abschluss der Verhandlungen eines neuen Vertrages, weiter gegen sich gelten lassen zu
wollen, nicht entgegen. Denn diese Übergangsregelung sollte nach ihrem Wortlaut jedenfalls in dem Zeitpunkt enden,
in dem die Verhandlungen abgeschlossen waren. Ein Abschluss von Verhandlungen liegt aber nicht nur dann vor,
wenn es zu einer neuen Vereinbarung kommt, sondern auch dann, wenn Verhandlungen scheitern und nicht mehr
weiter verhandelt wird. Von einem Scheitern der Verhandlungen in diesem Sinne ist auszugehen, nachdem die
Klägerin das ihr von der Beklagten unterbreitete Vertragsangebot vom 12. März 2001 nicht angenommen hatte und ihr
daraufhin mit Schreiben der Beklagten vom 5. April 2001 mitgeteilt worden war, dass ohne Vertragsabschluss ab dem
4. April 2001 Leistungen weder bewilligt noch vergütet würden, weil inzwischen genügend Pflegebetriebe das
Vertragsangebot akzeptiert hätten. Verhandlungen fanden nach diesem Zeitpunkt nicht mehr statt und es waren die
Verhandlungen zunächst im Sinne der Übergangsregelung abgeschlossen und diese hatte ihre Wirksamkeit verloren.
Dabei kann für die vorliegende Entscheidung offenbleiben, ob die bis zum 3. April 2001 praktizierte
Übergangsregelung allein auf der einseitigen Willensbekundung des die Beklagte vertretenden BKK-Landesverbandes
Nord oder aber auf einer zweiseitigen, durch konkludente Annahme des in der Erklärung des BKK-Landesverbandes
Nord liegenden Angebots, zustande gekommenen Übergangsvereinbarung beruhte. Denn keinesfalls kann sich die
Klägerin nach der Erklärung der Beklagten vom 12. März 2001, durch welche diese ihren einer Fortwirkung der
übergangsweisen Vergütungsregelung entgegenstehenden Willen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hatte, für den
Zeitraum danach auf ein fortbestehendes Vertrauen berufen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R =
SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 4 Rn. 8).
Ansprüche auf Aufwendungsersatz nach den §§ 683 ff. BGB scheiden ebenfalls aus. Insoweit fehlt es an den für
einen Aufwendungsersatz erforderlichen Voraussetzungen. Denn nach § 683 BGB kommt ein solcher nur in Frage,
wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des
Geschäftsherrn entspricht. Objektiv, d.h. bei Betrachtung der Gesamtlage des Geschäftsherrn für diesen nicht
nützliche, sachlich nicht vorteilhafte Maßnahmen liegen nie im Interesse des Geschäftsherrn (vgl. Seiler in:
Münchener Kommentar zum BGB, § 683 Rn. 4 f. m.w.N.). Bei objektiver Betrachtung fehlte es am Interesse der
Beklagten, ihre Versicherten durch die Klägerin pflegen zu lassen, weil sie die ihrem Versorgungsauftrag
entsprechenden Pflegeleistungen durch andere Pflegedienste hätte erbringen lassen können, die sie seinerzeit bereits
unter Vertrag hatte. Dies hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen und in dem Parallelverfahren L 1 KR 19/06
auch nachgewiesen. Bei dieser Sachlage hatte es überdies keinen Sinn, Pflegeleistungen von einem
Leistungserbringer entgegenzunehmen, der sich dem Vertragsregime erklärtermaßen gerade nicht anschließen wollte.
Über das Fehlen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs vermag vorliegend auch das zivilrechtliche
Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB, das auf die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten
entsprechend anwendbar ist (siehe BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R = SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 3
Rn. 6, unter Hinweis auf § 69 Satz 3 SGB V; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juli 2006 – L 24 KR 1127/05 =
PflR 2006, 534), nicht hinweg zu helfen (vgl. insoweit bereits LSG Hamburg, Urteil vom 31. Oktober 2007 – L 1 KR
21/07 = PflR 2008, 122 ff.).
Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen
Grund erlangt, ihm zum Ersatz des Wertes verpflichtet. Vorliegend hat die Beklagte im Rahmen des sozialrechtlichen
Dreiecksverhältnisses die Befreiung von dem ihr gegenüber bestehenden Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs. 2 SGB V)
der bei ihr Versicherten auf Gewährung von Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V)
erlangt, denen gegenüber die Klägerin ärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht und so
den Anspruch erfüllt und zum Erlöschen gebracht hatte. Dies geschah im Verhältnis zur Beklagten auch – wie gezeigt
– ohne rechtlichen Grund und die Beklagte ist grundsätzlich zum Ersatz des Wertes des durch das Tätigwerden der
Klägerin Erlangten verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R = SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 7
Rn. 13).
Eine Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz besteht gleichwohl im vorliegenden Fall nicht. Sie ist
ausgeschlossen, weil es sich um eine aufgedrängte Bereicherung handelt. Diese durch Rechtsfortbildung entwickelte
dogmatische Konstruktion ist im Rahmen der vorliegenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung anwendbar, weil die
Klägerin nicht unmittelbar an die Beklagte, sondern aufgrund des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses an deren
Versicherte leistete. Die Beklagte ist so ohne ihr Zutun bereichert worden und bedarf hiergegen eines wertungsoffenen
Aufdrängungsschutzes.
Eine aufgedrängte Bereicherung liegt vor, wenn für den Erwerbenden die ohne seine Zustimmung erfolgte objektive
Wertsteigerung subjektiv kein Interesse hat; dann kollidiert dessen Selbstbestimmungsrecht mit dem
Bereicherungsausgleich (vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 951 Rn. 18). Ist die Beseitigung der
Bereicherung nicht mehr möglich, so ist der Wertersatzanspruch entsprechend § 818 Abs. 2 BGB nach dem
subjektivierten Interesse zu bemessen, das der Zuwachs für den Erwerbenden hat (vgl. Bassenge a.a.O., § 951 Rn.
21; Lieb in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 313 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.
Juli 2006 – L 24 KR 1127/05 = PflR 2006, 534).
Ein solches Interesse an den von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege bestand hier für
die Beklagte im streitigen Zeitraum nicht. Zwar war sie nach § 37 SGB V verpflichtet, ihre Versicherten mit diesen
Leistungen zu versorgen. Sie hatte jedoch kein Interesse daran, dass die Leistungen durch die Klägerin erbracht
wurden. Sie hatte sich im hier streitigen Zeitraum auch mit dem entsprechenden Tätigwerden der Klägerin nicht
einverstanden erklärt (dies unterscheidet den vorliegenden vom Sachverhalt in den Urteilen des LSG Berlin-
Brandenburg vom 4. Juli 2006 – L 24 KR 1127/05 = PflR 2006, 534 und L 24 KR 1067/05 – juris). Die Erfüllung ihres
Versorgungsauftrags gegenüber den bei ihr Versicherten war nicht gefährdet, denn die Beklagte war zur Erfüllung der
Ansprüche ihrer – im strittigen Zeitraum nur drei durch die Klägerin betreuten – Versicherten durch die über 80
Pflegebetriebe in der Lage, mit denen sie im streitigen Zeitraum bereits in Vertragsbeziehungen stand. Darüber waren
sowohl die Versicherten als auch die Klägerin informiert. Die Klägerin vereitelte die Inanspruchnahme der
Vertragsunternehmen der Beklagten und wich zudem dem Einigungsdruck, der von vertragslosen Zeiten auch
ausgehen soll, aus, indem sie ohne Vertrag weiter Leistungen erbrachte. Dies lag nicht nur nicht im subjektiven
Interesse der Beklagten; es lag auch nicht in ihrem objektiven Interesse, denn der Leistungen der Klägerin bedurfte es
zur Erfüllung des Versorgungsauftrags der Beklagten nicht.
Die Leistungserbringung lag auch deshalb nicht im objektiven Interesse der Beklagten, weil die Zahlung für
vertragslose Leistungen im vorliegenden Fall das Vertragskonzept des Gesetzgebers konterkarieren würde. Dieses
Konzept könnte seine insbesondere wettbewerbliche und qualitätssichernde Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn
Leistungserbringer, die mangels Vertragsschluss nicht zur Leistungserbringung zugelassen (zur mit dem
Vertragsschluss verbundenen Zulassungsentscheidung siehe Kranig, a. a. O., § 132a Rn. 8, 10) und deren
vertragslose Leistungen auf die Einhaltung vertraglich zu regelnder Qualitätsanforderungen durch die Krankenkasse
nicht überprüfbar sind, ihre dennoch erbrachten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung im Ergebnis vergütet bekämen (vgl. – in anderen Zusammenhängen – BSG, Urteil vom 8. September
2004 – B 6 KA 14/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr. 3, 5 Rn. 14; BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R =
BSGE 94, 213, 220 Rn. 26).
Ein anderes Ergebnis könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn während des streitbefangenen Zeitraums zwischen
den Beteiligten gewiss gewesen wäre, dass auch die Klägerin einen Vertrag mit der Beklagten zu den von dieser
formulierten Bedingungen abschließen werde und eine kontinuierliche Erbringung von Leistungen der häuslichen
Krankenpflege gegenüber den Versicherten bis dahin deshalb sachgerecht gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der
Fall. Vertragsverhandlungen fanden zwischen den Beteiligten in jener Zeit nicht statt. Vielmehr beschritt die Klägerin
frühzeitig den Klageweg. Dass sie dennoch fortgesetzt leistete, vermag der Klägerin nunmehr nicht über den Umweg
über das Zivilrecht zu einem Zahlungsanspruch zu verhelfen.
Anders als in den vom Bundessozialgericht (Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R = SozR 4-2500 § 132a Nr. 1)
und vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Urteile vom 4. Juli 2006 – L 24 KR 1127/05 = PflR 2006, 534; L 24
KR 1067/05 - juris) entschiedenen Fällen liegt es hier auch nicht so, dass die Beklagte, wenn auch unter Kürzung des
Rechnungsbetrags, weiterhin Leistungen vergütete. Vorliegend geht es nicht darum festzustellen, in welcher Höhe die
Beklagte durch von ihr schon in geringerer Höhe vergütete Leistungen tatsächlich (noch) bereichert ist. Vielmehr liegt
es hier so, dass die Klägerin über einen langen Zeitraum hinweg ohne Vertrag fortwährend Leistungen erbrachte,
obwohl die Beklagte hierfür keinerlei Vergütung zahlte und deutlich gemacht hatte, der Leistungen zur Erfüllung ihres
Versorgungsauftrags nicht zu bedürfen. Dass sie der Leistungen der Klägerin auch tatsächlich nicht bedurfte, hat die
Beklagte im Berufungsverfahren deutlich machen können.
Die Kostenentscheidung beruht, da der Rechtsstreit noch im Jahre 2001 anhängig wurde, auf § 193 Abs. 4 Satz 2
SGG in der bis einschließlich 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Insbesondere liegt keine Divergenz vor. Bereits das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. Mai
2004 (B 3 KR 2/03 R = SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 9 Rn. 15) darauf hingewiesen, dass eine aufgedrängte
Bereicherung dann vorliegen könnte, "wenn die beklagte Krankenkasse weitere Pflegedienste benannt hätte, mit
denen sie in dem hier streitigen Zeitraum ebenfalls Vergütungsvereinbarungen zu niedrigeren Sätzen abgeschlossen
hatte, und wenn sie zudem nachgewiesen hätte, dass dadurch die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen der
ambulanten häuslichen Krankenpflege gesichert gewesen wäre". Anders als in dem vom Bundessozialgericht
entschiedenen Fall ist dies hier zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.