Urteil des LSG Hamburg vom 05.09.2007

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Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 05.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 10 RJ 855/04
Landessozialgericht Hamburg L 1 R 171/06
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. August 2006 aufgehoben und
die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist der Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Altersrente unter Berücksichtigung einer Beschäftigung
im Ghetto Warschau von Februar 1941 bis September 1942 und von Ersatzzeiten.
Der am XX.XXXXXXX 1926 in M., Polen, geborene, jüdische Kläger lebt seit 1970 in den USA, ist seit 1978 US-
amerikanischer Staatsbürger und bezieht dort eine Rente. Zuvor lebte er von 1926 bis 1969 in Polen und von 1969 bis
1970 für kurze Zeit zunächst in Österreich und sodann in Italien.
Am 2. Mai 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmals Rente (Request for Application for German Pension
for Work in Ghettos). Er trug vor, Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) zu sein, eine
Entschädigung aufgrund des BEG aber nicht beantragt zu haben. Für die Verfolgteneigenschaft und -zeiten beziehe er
sich auf die Entschädigungsakten der Claims Conference, die dort auf seinen Antrag auf Leistungen aus dem Artikel 2
Fonds angelegt worden seien. Er habe sich von Februar 1941 bis September 1942 im Ghetto Warschau aufgehalten
und dort auf Anraten und durch Vermittlung des Judenrates Reinigungsarbeiten in Büros verrichtet. Er habe die
Arbeiten freiwillig verrichtet, um nicht in ein Konzentrationslager deportiert zu werden. Die Tätigkeit sei durch
Gutscheine zum Erwerb von Lebensmitteln, ausgegeben vom Judenrat, entlohnt worden. Nach dem Gesetz zur
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) seien die Beschäftigungszeiten als
deutsche Versicherungszeiten anzuerkennen. Zusammen mit diesen Beschäftigungszeiten und den
Verfolgtenersatzzeiten erfülle er die Wartezeit für die Gewährung einer Altersrente. Zum Nachweis seines Aufenthalts
im Ghetto Warschau von Februar 1941 bis September 1942 legte der Kläger die englische Übersetzung einer
Bescheinigung des Jüdischen Historischen Instituts von Polen vom 8. Juli 1998 vor. Mittel der Glaubhaftmachung
würde er nachreichen. Aus den durch die Beklagte von der Claims Conference angeforderten Unterlagen ergab sich,
dass der Kläger dort im März 1993 im Rahmen seines Leistungsantrags sein Verfolgungsschicksal wie folgt
geschildert hatte: Von März 1940 bis September 1942 habe er versteckt gelebt im Untergrund in T. in der Provinz S ...
Im September 1942 sei er – mit seiner Familie – verraten und verhaftet worden. Im Oktober 1942 seien er und seine
Eltern und Geschwister für etwa zwei Wochen in einem Lager außerhalb des Ghettos Warschau untergebracht
worden. Von Oktober 1942 bis Mai 1943 habe er im Ghetto Warschau gelebt. Im Mai 1943 sei ihm die Flucht aus dem
Ghetto gelungen. Bis Januar 1945 habe er versteckt gelebt im Untergrund zwischen den drei Dörfern P., Z. und L. in
der Provinz S ... Angaben zu einer Beschäftigung im Ghetto enthält der Vortrag des Klägers nicht. Die Claims
Conference bewilligte dem Kläger eine monatliche Leistung aus dem Artikel 2 Fonds rückwirkend ab August 1995.
Durch Bescheid vom 16. September 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer
Versichertenrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem
ZRBG ab, da keine auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Zeiten vorlägen. Die Zeit von Februar 1941 bis
September 1942 könne nicht als Zeit einer Beschäftigung in einem Ghetto anerkannt werden, weil nicht ausreichend
glaubhaft gemacht sei, dass es sich hierbei um eine entgeltliche Beschäftigung aus freiem Willensentschluss
gehandelt habe. Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten für die Zeit der Verfolgung könne aufgrund der fehlenden
Versicherteneigenschaft ebenfalls nicht erfolgen, so dass keine auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten
vorlägen.
Der Kläger erhob am 27. Oktober 2003 Widerspruch. Bereits zuvor hatte er am 8. Oktober 2003 zur
Glaubhaftmachung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine eidesstattliche Versicherung vom 5. August
2003 vorgelegt. Nach dieser sei er von Februar 1941 bis September 1942 zwangsweise im Ghetto Warschau
gewesen. Der dortige Judenrat habe empfohlen, dass jede dazu fähige Person arbeiten sollte, um nicht selektiert oder
in ein Konzentrationslager deportiert zu werden. Aus seinem freien Willen heraus sei er zur Arbeit gegangen und habe
Büros gereinigt. Es sei eine harte Arbeit gewesen, 10 bis 12 Stunden am Tag. Für die Arbeit habe er vom Judenrat als
Bezahlung Gutscheine erhalten, für die er Brot und andere Lebensmittel habe kaufen können, um seinen täglichen
Lebensunterhalt zu sichern. In seiner Widerspruchsbegründung trug der Kläger vor, er sei zu der von ihm verrichteten
Reinigung in Büroräumen nicht durch obrigkeitliche Gewalt oder Anordnung herangezogen worden. Vielmehr habe er
sich auf Anraten des Judenrates unter dem Druck der Lebensverhältnisse freiwillig um eine berufliche Tätigkeit
bemüht, um auf diese Weise eine Chance zum Überleben zu haben. Die Tätigkeit sei durch den Judenrat entlohnt
worden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie stellte
darauf ab, dass durch Verordnung vom 26. Oktober 1939 für die im Generalgouvernement ansässigen Juden mit
sofortiger Wirkung der Arbeitszwang eingeführt worden sei und alle Juden zwischen dem 14. und 60. Lebensjahr sich
in Ausführung dieser Verordnung unverzüglich beim Judenrat zur Erfassung hätten melden müssen. Aufgabe des
Judenrates sei damit die Registrierung der Juden zur Zwangsarbeit gewesen. Von einer Empfehlung zur freiwilligen
Arbeitsleistung könne bei diesem Sachverhalt nicht ausgegangen werden. Bei der vom Kläger im Ghetto Warschau
ausgeübten Tätigkeit handele es sich um Zwangsarbeit, die nicht vom ZRBG erfasst werde.
Mit seiner am 21. Juni 2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Erneut hat er vorgetragen,
sich von Februar 1941 bis September 1942 im Ghetto Warschau aufgehalten zu haben und hierfür Bezug auf die
Entschädigungsakten der Claims Conference genommen. Es sei gerichtsbekannt, dass der Judenrat des Ghettos
Warschau den Bewohnern dringend empfohlen habe, zum Zwecke der Erhöhung ihrer Lebenschancen und zur
Bestreitung des Lebensunterhalts eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Ihm sei es gelungen, durch Vermittlung des
Judenrates eine Beschäftigung für Reinigungsarbeiten in Büros zu erhalten. Die Tätigkeit sei durch Gutscheine des
Judenrates zur Bestreitung des gesamten Unterhaltes entlohnt worden. Darauf, ob er diese Umstände bereits im
Entschädigungsverfahren angegeben habe, komme es nicht an. Die freiwillige Aufnahme einer Tätigkeit und deren
Entlohnung habe er ausschließlich in der Versicherungsangelegenheit geltend und im Sinne des ZRBG glaubhaft zu
machen. Dies habe er getan. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe es in den Ghettos trotz der generellen
Arbeitsverpflichtung nicht ausschließlich Zwangsarbeit gegeben.
Durch Urteil vom 24. August 2006 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte
verurteilt, dem Kläger Altersrente unter Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto Warschau von Februar 1941
bis September 1942 und von Ersatzzeiten zu gewähren. Dem Kläger sei es gelungen, glaubhaft zu machen, dass er
sich von Februar 1941 bis Mai 1943 im Ghetto Warschau aufgehalten und dort von Februar 1941 bis September 1942
aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt eine Beschäftigung im Sinne des ZRBG ausgeübt habe. Hierfür
bestehe eine gute Möglichkeit unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, auch gegenüber der Claims
Conference, und der historischen Erkenntnisse, sofern der Kläger die Beschäftigung auf die Zeit von Februar 1941 bis
September 1942 beschränke, wie er es in seinem Rentenantrag geltend gemacht habe. Neben der Ghetto-Beitragszeit
seien auf die allgemeine Wartezeit für die begehrte Rente auch verfolgungsbedingte Ersatzzeiten anzurechnen. Mit
diesen habe der Kläger die Wartezeit erfüllt und Anspruch auf eine Regelaltersrente ab 1. Juli 1997.
Gegen das am 11. September 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Mit
dieser trägt sie unter anderem vor, eine entgeltliche Beschäftigung, die aus freiem Willensentschluss zustande
gekommen sei, sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger Zwangsarbeit
verrichtet habe. Selbst wenn man es als glaubhaft ansehe, dass der Kläger für eine gewisse Zeit im Ghetto eine
freiwillige Tätigkeit aufgenommen habe, sei davon auszugehen, dass er nur eine geringfügige Entlohnung in Form von
Sachbezügen erhalten habe. Die Gewährung von guter Verpflegung, welche das Überleben sichere, reiche zur
Annahme von Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG nicht aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach Lage der Akten,
die Berufung zurückzuweisen.
Er entgegnet, er habe sich von Februar 1941 bis September 1942 im Ghetto Warschau aufgehalten und beziehe sich
hierfür auf die Entschädigungsakten der Claims Conference. Für seine freiwillige Beschäftigung im Ghetto und deren
Entgeltlichkeit beziehe er sich auf seine Angaben im Rentenverfahren. Den Ausführungen des Sozialgerichts zu den
Voraussetzungen einer gelungenen Glaubhaftmachung schließe er sich an. Auch nach seiner Auffassung sei zur
Glaubhaftmachung ein Sachverhalt darzulegen, der den Lebenserfahrungen entspreche und in sich schlüssig sei,
zudem dürften keine anderweitigen Widersprüche vorliegen. Dies habe das Sozialgericht mit Blick auf seinen Vortrag
und unter Würdigung historischer Quellen zu Recht so gesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt
der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht
verurteilt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Regelaltersrente.
Der Anspruch setzt neben der Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 35 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VI) voraus, dass die allgemeine Wartezeit erfüllt ist. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 SGB VI), die vorliegend aufgrund des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 deutsch-amerikanisches
Sozialversicherungsabkommen auf 18 Monate verkürzt ist, werden nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate
mit Beitragszeiten und mit Ersatzzeiten angerechnet. Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 Satz 1, § 247 Abs. 3 Satz
1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht oder nach den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge
(Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Entsprechende Beiträge sind für den vorliegend
allein in Rede stehenden Zeitraum durch oder für den Kläger nicht gezahlt worden.
Pflichtbeitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI jedoch auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach
besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Eine besondere Vorschrift in diesem Sinne ist § 2 Abs. 1 ZRBG. Danach
gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt (Ghetto-Beitragszeiten).
Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, liegen vor,
wenn 1. die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt
wurde und 2. das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert
war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird (§ 1
Abs. 1 Satz 1 ZRBG).
Nach § 1 Abs. 2 ZRBG ergänzt dieses Gesetz die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG). Damit gilt auch für seine
Anwendung § 3 Abs. 1 WGSVG. Für die Feststellung der nach dem ZRBG erheblichen Tatsachen genügt es daher,
wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG glaubhaft gemacht, wenn ihr
Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen,
überwiegend wahrscheinlich ist. Die glaubhaft zu machende Tatsache muss so hinreichend konturiert und
konkretisiert und so widerspruchsfrei vorgetragen sein, dass sie bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden
Möglichkeiten nach Gesamtwürdigung aller Umstände die überwiegende, relativ wahrscheinlichste
Sachverhaltsvariante ist.
Erste erhebliche, glaubhaft zu machende Tatsache ist der zwangsweise Aufenthalt des Verfolgten in einem Ghetto.
Zwar ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger Verfolgter gewesen ist; dies folgt zumal aus dem Bescheid der
Claims Conference über Leistungen an den Kläger aus dem Artikel 2 Fonds. Auch entspricht es dem Stand der
historischen Forschung, dass in Warschau, das sich im vom Deutschen Reich besetzten polnischen Gebiet, dem
sog. Generalgouvernement, befand, am 2. Oktober 1940 ein Zentralghetto errichtet und dieses am 16. Mai 1943
liquidiert worden ist. Der Senat sieht jedoch den Aufenthalt des Klägers im Ghetto Warschau in der Zeit von Februar
1941 bis September 1942 für nicht glaubhaft gemacht an. Er folgt nicht der Bewertung des Sozialgerichts, es bestehe
unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, auch denen gegenüber der Claims Conference, die gute
Möglichkeit, er habe sich in der Zeit von Februar 1941 bis September 1942 im Ghetto Warschau aufgehalten. Dies ist
deshalb nicht überwiegend wahrscheinlich, weil das, was der Kläger zu seinem Verfolgungsschicksal und hier
insbesondere zu der Zeit von Februar 1941 bis September 1942 gegenüber der Claims Conference noch im März 1993
angegeben hatte, dem widerspricht, was er in seinem Rentenantrag im Jahr 2003 gegenüber der Beklagten angab.
Die ausgesprochen differenzierten und detailreichen Angaben des Klägers gegenüber der Claims Conference sind mit
seinen kargen Angaben im Rentenverfahren unvereinbar. Nach jenen war er von Oktober 1942 bis Mai 1943, nach
diesen von Februar 1941 bis September 1942 im Ghetto Warschau. Nach den Angaben gegenüber der Claims
Conference lebte der Kläger in der Zeit von Februar 1941 bis September 1942, für die das Sozialgericht eine Ghetto-
Beitragszeit anerkannt hat, versteckt im Untergrund. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, warum der Kläger
gegenüber der Claims Conference falsche Angaben gemacht haben sollte; denn anspruchsberechtigt wäre der Kläger
nach den Regeln des Fonds sowohl bei einem Verstecktleben von mindestens 18 Monaten als auch bei einem
zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto von mindestens 18 Monaten gewesen. Auch fällt auf, dass der deutlich
differenziertere und detailreichere Vortrag im Antragsverfahren der Claims Conference keine Anknüpfungspunkte für
die Annahme enthält, der Kläger habe im Ghetto – in welcher Zeit auch immer – überhaupt irgendeine Tätigkeit
ausgeübt. Der Senat kann daher seinen Angaben im Rentenverfahren, in dem der Kläger eine Beschäftigung im Sinne
des ZRBG darlegen und glaubhaft machen musste, keinen Glauben schenken.
Auch die englische Übersetzung einer Bescheinigung des Jüdischen Historischen Instituts von Polen aus dem Jahr
1998 stimmt mit den Angaben des Klägers gegenüber der Claims Conference aus dem Jahr 1993 nicht überein. Die
Auskunft, die im Original trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden ist, stützt zwar die Angaben des Klägers im
Rentenverfahren. Sie vermag jedoch an der Bewertung des Senats hinsichtlich der nicht gelungenen
Glaubhaftmachung nichts zu ändern, weil sie ersichtlich nur auf den eigenen Angaben des Klägers beruht, denn die
Auskunft gibt dessen Zeiten und Orte des Verstecktlebens während seiner Verfolgung wieder. Der Wert dieser
Auskunft geht daher nicht über den der Angaben des Klägers gegenüber der Claims Conference hinaus.
Der Rückgriff des Sozialgerichts auf allgemein-historische Quellen vermag für die zu verlangende Glaubhaftmachung
des Aufenthalts im Ghetto während der Zeit der behaupteten Beschäftigung nichts beizutragen. Diese Quellen
könnten einem konkreten und im Wesentlichen widerspruchsfreien Vortrag des Klägers Plausibilität verleihen, können
diesen aber nicht ersetzen.
Der Kläger, der zur Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung auf den Widerspruch in den Angaben zu
seinem Aufenthalt während seiner Verfolgung hingewiesen worden ist, hat zu dessen Erläuterung und Ausräumung
nichts vorgetragen. Die danach fortbestehenden Unklarheiten hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsache eines
Aufenthalts im Ghetto Warschau in der Zeit von Februar 1941 bis September 1942, für die das Sozialgericht eine
Ghetto-Beitragszeit angenommen hat, gehen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Aufgrund der schon nicht gelungenen Glaubhaftmachung seines Aufenthalts im Ghetto Warschau in der Zeit von
Februar 1941 bis September 1942 kommt die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit nach dem ZRBG nicht in
Betracht.
Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4, § 250 Abs. 1 SGB VI) dürften bei dem Kläger zwar tatbestandlich vorliegen. Für ihre
Berücksichtigung als rentenrechtliche Zeiten ist jedoch Voraussetzung, dass zumindest eine Beitragszeit vorliegt, da
erst dies die Versicherteneigenschaft begründet, an die § 250 Abs. 1 SGB VI anknüpft. Der Kläger aber hat nicht
einen Kalendermonat mit einer Beitragszeit zurückgelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.