Urteil des LSG Hamburg vom 02.07.2009

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Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 02.07.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 58 AS 215/07
Landessozialgericht Hamburg L 5 AS 52/07
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 9. August 2007 aufgehoben
und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 25. September 2006 und vom 8. November 2006 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2006 verpflichtet, die Kosten der Unterkunft des Klägers in
Höhe von 339,04 Euro anzuerkennen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu
tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft.
Der 1980 geborene Kläger bewohnte seit dem 1. Juni 2006 eine ca. 48 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung im T.-Weg,
Hamburg. Nach dem Mietvertrag waren er und seine Mutter Mieter der Wohnung. Die Miete betrug inklusive Heiz- und
Betriebskosten EUR 459,05. Die Mutter des Klägers meldete die Wohnung im Einwohneramt des Bezirksamtes
Harburg als ihre Nebenwohnung an.
Mit Antrag vom 30. August 2006 beantragte er laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB
II). Im Antrag gab er an, seine Mutter wohne zur Untermiete und zahle an ihn EUR 50,-.
Mit Bescheid vom 25. September 2006 gewährte die Beklagte laufende Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2006
bis 28. Februar 2007 in Höhe von EUR 564,52. Darin enthalten waren Kosten der Unterkunft in Höhe von EUR 219,52.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 2. Oktober 2006, der sich gegen die nur hälftige Anerkennung der
Unterkunftskosten – tatsächlich zahle seine Mutter an ihn lediglich EUR 130 bzw., nach dem Schreiben vom 27.
November 2006, EUR 100 – sowie gegen den Zeitpunkt der Bewilligung wandte, änderte die Beklagte mit
Änderungsbescheid vom 8. November 2006 den Bewilligungszeitraum ab und gewährte die Leistungen bereits ab dem
1. September 2006.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2006, zugestellt am 29. Dezember 2006, wies die Beklagte den
Widerspruch im Übrigen zurück. Die Unterkunftskosten seien nach Kopfteilen aufzuteilen, da nach dem Mietvertrag
sowohl der Kläger als auch seine Mutter Hauptmieter seien.
Mit der dagegen gerichteten Klage vom 29. Januar 2007 machte der Kläger geltend, im Innenverhältnis habe er mit
seiner Mutter vereinbart, dass er die Wohnung praktisch alleine nutzen können, während sich seine Mutter nur
gelegentlich gegen eine Mietbeteiligung von EUR 100,- ein kleines Zimmer nutze. Ihre Hauptwohnung sei das
Elternhaus des Klägers in A ... Die Mutter des Klägers hat diese Angaben an Eides statt versichert.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. August 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II
würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese
angemessen seien. Bei einer Wohnungsnutzung durch mehrere Personen sei eine Aufteilung der Kosten
vorzunehmen. Fehle es insoweit an wirksamen Untermietverhältnissen oder rechtlich verbindlichen Regelungen, sei
die Aufteilung nach Kopfteilen vorzunehmen. So liege es hier; ein Untermietverhältnis scheide bereits wegen der
Hauptmietereigenschaft der Mutter des Klägers aus.
Gegen den ihm am 15. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. September 2007 Berufung
eingelegt und beantragt,. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 9. August 2007 abzuändern und den
Bescheid der Beklagten vom 25. September 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. November 2006
und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2006 insoweit aufzuheben, dass die monatlichen
Kosten des Klägers für Unterkunft und Heizung in Höhe von 339,04 Euro anerkannt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 7. Mai 2009 hat das Gericht das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG – auf
den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 2. Juli 2009 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das
Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger kann die Anerkennung der Kosten der Wohnung T.-Weg in der von ihm
geltend gemachten Höhe verlangen.
Streitgegenstand sind die Kosten der Unterkunft für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar
2007. Es ist allgemein anerkannt, dass die Unterkunftskosten einen von den übrigen Leistungen abtrennbaren
Streitgegenstand bilden können (vgl. BSG, Urt. v. 3.3.2009, B 4 AS 37/08 R, juris).
Der Kläger erfüllt die Grundvoraussetzungen des § 7 SGB II für Leistungen der Grundsicherung. Sein Anspruch
umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft. Diese werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1
SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Zutreffend hat die Beklagte
die Höhe der Unterkunfts- und Heizungskosten – unter Abzug der von der Regelleistung erfassten Kosten der
Warmwasserbereitung – mit EUR 439,04 angesetzt. Die Angemessenheit dieser Aufwendungen steht hier außer
Frage.
Wegen der Nutzung der Wohnung durch zwei Personen ist für die individuelle Zuordnung eine Aufteilung der
Unterkunftskosten vorzunehmen. Das ist grundsätzlich – insoweit ist der Ausgangspunkt des angefochtenen
Gerichtsbescheides des Sozialgerichts zutreffend – an Untermietverhältnissen oder sonst rechtlich verbindlichen
Regelungen zu orientieren. Fehlen diese, ist eine Zuordnung aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich unabhängig
z.B. von Alter, konkretem Wohnflächenbedarf oder Nutzungsintensität gemäß einer Aufteilung nach Kopfzahl
vorzunehmen (BSG, Urt. v. 18.6.2008, B 14/11b AS 61/06 R, juris; Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rn. 24).
Das Bewohnen einer Wohnung durch eine Familie ist nämlich eine typische einheitliche Lebenssituation, die im
Regelfall eine an der Intensität der Nutzung durch einzelne Familienmitglieder ausgerichtete Betrachtung und in deren
Gefolge eine unterschiedliche Aufteilung der Aufwendungen für die Wohnung nicht zulässt (LSG Sachsen-Anhalt, Urt.
v. 3.4.2008, L 2 AS 56/06, juris). Hier ist allerdings abweichend von der Aufteilung nach Kopfzahl lediglich ein
Kostenanteil von EUR 100,- der Mutter des Klägers zu berücksichtigen. Denn dieser Einzelfall ist durch die
Besonderheit gekennzeichnet, dass die Wohnung nicht für beide Bewohner der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes
war. Während der Kläger hier seine – alleinige – Hauptwohnung unterhielt, war die Wohnung für seine Mutter lediglich
eine Nebenwohnung und diente als Schlafplatz, wenn sie nach der Arbeit im Allgemeinen Krankenhaus B nicht in ihre
Hauptwohnung in A. fahren, sondern bis zum nächsten Arbeitstag in Hamburg bleiben wollte. Ihre Hauptwohnung und
ihr Wohnsitz blieb aber das mit ihrem Ehemann – dem Vater des Klägers – bewohnte Haus in A ... Damit lag gerade
keine einheitliche Lebenssituation der beiden Bewohner der Wohnung T.-Weg vor, die eine Aufteilung nach Kopfzahl
nahelegen würde. Dazu passt die Vereinbarung einer Kostenbeteiligung in Höhe von EUR 100,-, von deren Existenz
das Gericht überzeugt ist. Denn der Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung lebendig, detailreich und somit
insgesamt glaubhaft bekundet und durch die Vorlage von entsprechenden Quittungen belegt. Auch den Vorhalt des
Gerichts, er habe unterschiedliche Angaben über die Höhe des Untermietzinses gemacht, hat der Kläger unbeirrt und
überzeugend damit pariert, dass er und seine Mutter über die angemessene Höhe ihrer Beteiligung noch eine Zeit lang
verhandelt hätten. Weiter hat die Mutter des Klägers dies übereinstimmend mit den Angaben des Klägers an Eides
statt versichert. Schließlich erscheint der Vortrag angesichts der tatsächlichen Nutzung der Wohnung durch die Mutter
des Klägers auch plausibel. Der Umstand, dass die Mutter des Klägers als weitere Hauptmieterin den Mietvertrag
abgeschlossen hat, steht dem nicht entgegen. Denn das betrifft allein das Außenverhältnis zum Vermieter, während
sich die Aufteilung der Unterkunftskosten nach dem Innenverhältnis zu richten hat. Auch kann hier das
Außenverhältnis nicht die Aufteilung der Kosten im Innenverhältnis indizieren, da der Eintritt der Mutter des Klägers in
das Mietverhältnis in der damaligen Situation – angesichts des Alters und der beruflichen Situation des Klägers – bei
lebensnaher Betrachtung und nach der Erklärung des Klägers vor allem dazu dienen sollte, dem Vermieter einen
solventen Vertragspartner zu präsentieren.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.