Urteil des LSG Hamburg vom 13.08.2004

LSG Ham: diplomatische vertretung, zustellung, botschaft, zeugnis, staat, behörde, annahmeverweigerung, berufungsschrift, schriftstück, berechtigung

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 13.08.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 20 J 62/97
Landessozialgericht Hamburg L 1 RJ 160/02
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Oktober 2001 wird als unzulässig
verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Das Sozialgericht hat die am 26. November 1996 erhobene, gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1996 und auf Gewährung von Regelaltersrente
gerichtete Klage der am 1927 in der Ukraine geborenen und seit 1947 in Großbritannien lebenden Klägerin, einer
britischen Staatsangehörigen, durch Urteil vom 23. Oktober 2001 abgewiesen. Der Rentenantrag vom 17. Februar
1994 habe keinen Erfolg, weil die Klägerin zwar zwischen dem 1. April 1944 und 8. Mai 1945 glaubhaft - und von der
Beklagten auch angerechnet – Pflichtbeiträge in Deutschland (Nordhorn) entrichtet habe, vor dem 1. April 1944 als
sog. Ostarbeiterin – also bezüglich der weiteren geltend gemachten Zeit von Mai/Juni 1942 bis 31. März 1944 – aber
versicherungsfrei gewesen sei und damit die Wartezeit nicht erfüllt habe (und auch mit der noch streitigen Zeit nicht
erfüllen könne), zumal von ihr zur britischen Sozialversicherung Beiträge nicht entrichtet worden seien.
Unter dem 22. Juli 2002 hat das Sozialgericht das Urteil zur Zustellung an die Klägerin an die Deutsche Botschaft in
London gesandt. Es hat am 6. September 2002 die Mitteilung der Botschaft vom 3. September 2002
(Zustellungszeugnis) erhalten, dass das Urteil vom 23. Oktober 2001 im dortigen Amtsbezirk an die Klägerin am 31.
Juli 2002 zugestellt und der Empfang durch die britische Post bestätigt worden sei. Unter dem 18. November 2002 hat
die Botschaft dem Sozialgericht am 21. November 2002 die Zustellungsstücke unter Bezugnahme auf das Ersuchen
vom 22. Juli 2002 wieder zurückgesandt, weil deren Annahme von der Klägerin verweigert worden sei. Beigefügt war
eine entsprechende Erklärung der Klägerin vom 6. November 2002, dass sie die Annahme der ihr mit Schreiben der
Deutschen Botschaft vom 26. Juli 2002 zugeleiteten Zustellungsstücke verweigere. Im Übrigen sei sie der
Auffassung, dass ihr eine Entschädigung (compensation) zustehe, weil sie von 1942 bis 1945 in einem (deutschen)
Lager 12 Stunden täglich gearbeitet habe.
Die Berufung der Klägerin wird durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist
eingelegt worden ist (§ 158 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht
binnen drei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle einzulegen (§ 151 Abs. 1 i. V. m. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Frist hat die Klägerin versäumt.
Die Berufungsfrist von drei Monaten begann hier mit dem Tage nach der Zustellung am 31. Juli 2002, also am 1.
August 2002, zu laufen und lief am 31. Oktober 2002 ab (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 63 Abs. 2 Satz 1
SGG in der ab 1. Juli 2002 geltenden Fassung wird von Amts wegen zugestellt nach den Vorschriften der
Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfolgt eine Zustellung ins Ausland auch auf Ersuchen des
Vorsitzenden des Prozessgerichts u. a. durch die diplomatische Vertretung des Bundes, die in diesem Staat residiert.
Die Zustellung nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wird durch ein Zeugnis der ersuchten Behörde nachgewiesen (§ 183 Abs.
2 Satz 2 ZPO). Dieser Nachweis ist hier bezüglich der Zustellung vom 31. Juli 2002 durch das Zustellungszeugnis
vom 3. September 2002 geführt. Selbst wenn die Klägerin die Annahme am 6. November 2002 noch i. S. d. § 179
ZPO verweigert hätte, würde das an der ordnungsgemäßen Zustellung nichts ändern. Denn für eine Berechtigung
dieser Annahmeverweigerung ist nichts zu erkennen, so dass auch insoweit das Schriftstück als zugestellt gälte (§
179 Satz 3 ZPO).
Nach alledem ist die am 21. November 2002 beim Landessozialgericht eingegangene Berufungsschrift vom 6.
November 2002 - § 91 Abs. 1 SGG gilt für das Berufungsverfahren nicht (§ 153 Abs. 1 SGG) – verspätet und, zumal
Wiedereinsetzungsgründe weder vorgetragen noch ersichtlich sind, als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür
fehlen.