Urteil des LSG Hamburg vom 21.09.2004

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Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 21.09.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg 10 AN 502/97
Landessozialgericht Hamburg L 3 RA 13/01
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin hat den Beruf einer Krankenschwester erlernt und war ab 1980 als
Sachbearbeiterin im Bezirksamt Altona der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt. Nach einer medizinischen
Rehabilitation vom 26. Juni bis 14. Juli 1996, aus welcher sie als arbeitsfähig für ihre bisherige Tätigkeit entlassen
worden war, beantragte die Klägerin im August 1996 bei die Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit. Nach Auswertung des Entlassungsberichts des Reha Zentrums U. lehnte die Beklagte diesen
Antrag mit Bescheid vom 07. November 1996 ab. Während des nachfolgenden Widerspruchsverfahrens vermochte
der Nervenarzt Dr. H. in seinem Gutachten vom 28. Mai 1997 keine leistungseinschränkenden Gesundheitsstörungen
festzustellen, während der Orthopäde Dr. S. in dem Gutachten vom 09. Juni 1997 zu dem Ergebnis kam, die Klägerin
könne trotz bestehender Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule noch leichte, zeitweise
mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom
13. August 1997 zurückgewiesen.
Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht die Klägerin durch den Chirurgen M. und den
Nervenarzt Dr. L. begutachten lassen und zusätzlich im Termin am 20. Februar 2001 den Chirurgen Dr. H1 nach
Aktenlage als medizinischen Sachverständigen gehört. Alle drei Sachverständigen haben übereinstimmend der
Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für zumindest leichte bis mittelschwere Arbeiten bescheinigt. Das
Sozialgericht hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 20. Februar 2001 abgewiesen. Mit dem festgestellten
Leistungsvermögen könne die Klägerin weiter ihre letzte Tätigkeit als Sachbearbeiterin verrichten.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11. April 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin, die im Jahre 2000
nach Kanada ausgewandert ist, am 11. Mai 2001 Berufung eingelegt. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation sei sie
nicht in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Seit ihrer zweiten Brustkrebsoperation habe sie Phantomschmerzen,
wodurch sie zeitweise ihren linken Arm und die linke Hand nicht einsetzen könne. Außerdem habe das Sozialgericht
bei seiner Leistungsbeurteilung nicht die bestehende chronische Nasennebenhöhlenentzündung berücksichtigt.
Außerdem bestünden entgegen der Beurteilung Dr. L.s bei ihr psychische Folgen der Brustoperation. Selbst wenn
man ein vollschichtiges Leistungsvermögen unterstelle, könne sie nicht mehr als Sachbearbeiterin arbeiten. Diese
Tätigkeit scheide wegen der von Dr. L. festgestellten geistigen Minderbelastbarkeit aus. Sie könne nur Arbeiten mit
geringer bis durchschnittlicher Verantwortung verrichten. Ihre bisherige Tätigkeit sei aber mit hoher Verantwortung
verbunden, so dass sie diese nicht mehr ausüben könne und ihr deshalb zumindest Rente wegen Berufsunfähigkeit
zu gewähren sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2001 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 07. November 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. August 1997 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab September 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Rente
wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2001
zurückzuweisen.
Das Gericht hat eine Auskunft der früheren Arbeitgeberin eingeholt, wonach die Klägerin als Sachbearbeiterin bis 28.
Februar 2001 beschäftigt, allerdings vom 01. Januar 2000 bis 28. Februar 2001 beurlaubt war. Dem von der Beklagten
eingereichten Versicherungsverlauf vom 27. November 2001 ist zu entnehmen, dass die Zeit bis 31. Dezember 1999
durchgehend mit Pflichtbeiträgen belegt ist. Seit dem 01. März 2001 bezieht die Klägerin von der Beklagten
Altersrente für Frauen, wegen deren Höhe ein Rechtsstreit beim Sozialgericht Berlin anhängig ist. Das Gericht hat
einen Befundbericht des kanadischen Arztes F. beigezogen, bei dem die Klägerin wegen der bekannten
Gesundheitsstörungen vom 15. Juni 2000 bis 18. Dezember 2001 in Behandlung war. Nach dem Erörterungstermin
am 26. Februar 2003 ist auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) das nervenärztliche
Gutachten vom 16. Februar 2004 durch Dr. L. erstellt worden. Der Sachverständige ist nach Untersuchung der
Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, bei dieser liege derzeit ein geringgradig ausgeprägter depressiv getönter
Verstimmungszustand mit psychosomatischen Zügen vor. Der Klägerin seien noch leichte Arbeiten geistiger und
körperlicher Art mit geringer bis durchschnittlicher Verantwortung zuzumuten. Diese Arbeiten seien vollschichtig
möglich. Ein entsprechendes Leistungsvermögen habe seit Rentenantragstellung bestanden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter
einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den
Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 21. September 2004 aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen
haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter kann als Einzelrichter an Stelle des Senats entscheiden, da sich die Beteiligten einvernehmlich
mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben ( § 155 Abs. 3 u. 4 SGG ).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ( §§ 143, 144,
151 SGG ) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die auf Gewährung einer Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit gerichtete Klage abgewiesen. Die die Gewährung einer solchen Rente ablehnenden Bescheide der
Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das Sozialgericht in seiner angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Klägerin weder berufs-
noch erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI ) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung war, da sie trotz der bei ihr vorliegenden
Gesundheitsstörungen in Form des Zustandes nach Brustkrebsoperation links, des Halswirbelsäulensyndroms und
der psychophysischen Minderbelastbarkeit noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit weiteren
qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten konnte. Nicht zu beanstanden ist, dass das Sozialgericht unter
Berücksichtigung dieses von den Sachverständigen festgestellten Leistungsvermögens zu dem Ergebnis gekommen
ist, dass die Klägerin ihrer seit 1980 ausgeübten Sachbearbeitertätigkeit, ggf. an einem anderen Arbeitsplatz, an
welchem weniger anspruchsvolle Tätigkeiten zu verrichten sind, weiter nachgehen kann und somit auch die
Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitsrente nicht vorliegen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin keine –
neuen – Tatsachen vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Aus medizinischer Sicht lassen die
beigezogenen Unterlagen aus Kanada und das Gutachten des Nervenarztes Dr. L. keine weiteren
leistungseinschränkenden Gesundheitsstörungen erkennen. Soweit die Klägerin ihre Berufung darauf stützt, dass es
sich bei ihrer bisherigen Tätigkeit nicht um eine solche einfacher geistiger Art handelt, die sie nach dem Gutachten
des Nervenarztes Dr. L. allein noch ausüben könne, hat das Sozialgericht zu Recht dargelegt, dass sich aus den
erhobenen Befunden keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Leistungsvermögen der Klägerin nicht mehr für
geistig anspruchsvollere Tätigkeiten ausreichen würde. Dies wird letztlich bestätigt durch die Tatsache, dass die
Klägerin ihre bisherige, nach ihren Angaben sehr anspruchsvolle Tätigkeit durchgehend bis 31. Dezember 1999
ausgeübt hat. Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass dies auf Kosten ihrer Gesundheit erfolgt ist, sind in
keiner Weise ersichtlich. Im Übrigen hat auch der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörte Sachverständige
Dr. L. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 16. Februar 2004 unter anderem ausgeführt, dass der Klägerin
durchaus Arbeiten mit durchschnittlicher Verantwortung zuzumuten sind. Wie schon das Sozialgericht zutreffend
festgestellt hat, gibt es in der öffentlichen Verwaltung wie z.B. bei den Gerichten, aber auch in der Privatwirtschaft wie
z. B. bei Versicherungen zahlreiche Sachbearbeiterstellen, auf denen eine Tätigkeit mit maximal durchschnittlicher
Verantwortung verbunden ist. Selbst wenn die bisherige Arbeitsstelle mit einer darüber hinausgehenden Verantwortung
verbunden war, wäre die Klägerin auf eine derartige Sachbearbeitertätigkeit zu verweisen.
Zu Recht hat schon das Sozialgericht dargelegt, dass die Tatsache, dass die Klägerin nicht berufsunfähig ist,
gleichzeitig das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit ausschließt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass wegen des
unverändert seit Rentenantragstellung bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögens ebenfalls die Gewährung
einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung ausscheidet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der
Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder
Nr. 2 SGG nicht vorliegen.