Urteil des LSG Hamburg vom 15.04.2008

LSG Ham: untätigkeitsklage, erlass, gebühr, wiederholungsgefahr, hauptsache, form, witwenrente, feststellungsklage, beratung, einverständnis

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 15.04.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 19 R 1461/06 KN
Landessozialgericht Hamburg L 3 R 169/07 KN
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. August 2007 wird
zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erledigung einer Untätigkeitsklage bzw. die Zulässigkeit der Fortführung des
Rechtsstreits als (Fortsetzungs-)Feststellungsklage.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des
Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Hamburg vom 10. August 2007 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage als
unzulässig abgewiesen und eine Kostenerstattungspflicht verneint: Die Untätigkeitsklage habe sich durch Erlass des
Widerspruchsbescheides erledigt und für eine Fortsetzungsfeststellungsklage bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis.
Insbesondere fehle ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte über den Widerspruch ohne
zureichenden Grund nicht innerhalb einer angemessenen Frist entschieden habe. Außergerichtliche Kosten seien
grundsätzlich nicht zu erstatten, wenn die Klage abgewiesen werde.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zwischen den Beteiligten bestehe Streit über die
Frage, ob in dem Erlass des Widerspruchsbescheides verbunden mit dem Zugeständnis der Beklagten, dass sie ohne
zureichenden Grund über den Widerspruch nicht binnen drei Monaten entschieden habe und bereit sei, der Klägerin
die außergerichtlichen Kosten für die Untätigkeitsklage zu erstatten, ein Anerkenntnis liege. Sein Vorliegen hätte eine
zusätzliche vom Prozessbevollmächtigten zu beanspruchende Gebühr zur Folge, welche die Beklagte zu zahlen
verweigere. Zwar habe die Beklagte durch ihr Zugeständnis (welches ein konkludentes Anerkenntnis darstelle) dem
Begehren der Klägerin entsprochen. Es könne aber nicht hingenommen werden, dass eine so grundsätzliche Frage
ungeklärt bleibe. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr, denn im Rahmen des durch
den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente begründeten Dauerrechtsverhältnisses könne es zu erneuten
Verfahrensverzögerungen kommen. Der streitigen Rechtsfrage komme grundsätzliche Bedeutung zu. Außerdem sei
dem Sozialgericht ein Verfahrensfehler vorzuwerfen, denn es habe ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen.
Deswegen sei die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. August 2007
aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 18. Juli 2006 ohne
unzureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten sachlich beschieden habe.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Sie sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt
haben (§ 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin (vgl. §§ 143,
144, 151 SGG) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die – nach Erledigung der
ursprünglichen Untätigkeitsklage durch Bescheidung des Widerspruchs – weitergeführte
Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig ist.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht ein berechtigtes Interesse an der begehrten
Feststellung verneint. Der erkennende Senat nimmt insoweit Bezug auf die Gründe der sozialgerichtlichen
Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Die
geltend gemachte Wiederholungsgefahr ist nicht ersichtlich. Dies folgt schon daraus, dass zwischen den Beteiligten –
entgegen dem Vortrag der Klägerin – bislang kein Dauerrechtsverhältnis besteht. Zwar begehrt die Klägerin von der
Beklagten (Witwen)rente, mit diesem Begehren ist sie aber bislang gescheitert. Allein die Möglichkeit eines
Obsiegens im Berufungsverfahren kann derzeit ein Dauerrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten nicht begründen.
Es ist vielmehr noch offen, ob überhaupt weitere Bescheide zu erteilen sind.
Anhaltspunkte für weitere Fallkonstellationen, in denen ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Feststellung
grundsätzlich in Betracht kommt, sind nicht erkennbar. Ein Rehabilitationsinteresse scheidet ebenso aus wie die
Vorbereitung einer Amtshaftungsklage. Die geltend gemachte Aussicht des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin
auf eine weitere zusätzliche Gebühr mag ein Interesse des Verfahrensbevollmächtigten begründen. Erforderlich ist
aber ein berechtigtes Interesse der Klägerin selbst. Im Übrigen hat sich die Prozessgestaltung nicht nach der
Gebührenfolge zu richten; vielmehr ist die Gebühr Ausfluss des Prozessverlaufs. Schließlich ist die Frage, welche
Gebühren und in welcher Höhe von der Beklagten aufgrund der von ihr erklärten Bereitschaft zur Übernahme der
Kosten der ursprünglichen Untätigkeitsklage zu erstatten sind, nicht Gegen-stand dieses Verfahrens, sondern eines
beim Sozialgericht anzustrebenden Kostenfestsetzungsverfahrens.
Die Berufung führt auch nicht zum Erfolg, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts richtet.
Wegen der von der Beklagten erklärten Bereitschaft zur Übernahme der Kosten der ursprünglichen Untätigkeitsklage
bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids bedarf die Kostenentscheidung der erstinstanzlichen Entscheidung keiner
Korrektur, denn das Gericht und die Beteiligten gehen ersichtlich übereinstimmend davon aus, dass diese
Entscheidung lediglich die Kosten ab Umstellung auf die Fortsetzungsfeststellungsklage betrifft.
Die Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der
Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht
vor. Weder wirft die Sache entscheidungserhebliche grundsätzliche Fragen auf noch vermag ein – nach Auffassung
der Klägerin vorliegender – Verfahrensfehler der ersten Instanz die Revisionszulassung zu begründen.