Urteil des LSG Hamburg vom 28.01.2010

LSG Ham: altersrente, geschiedene frau, unterhalt, tod, datum, pfändung, erwerbsunfähigkeit, form, realisierung, zukunft

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 28.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 15 RJ 1497/04
Landessozialgericht Hamburg L 1 R 232/07
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2009 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Altersrente des Klägers im Hinblick auf einen Versorgungsausgleich.
Die Beklagte bewilligte dem im ... 1929 geborenen Kläger durch Bescheid vom 20. Juni 1989 ab dem 1. Juni 1989
Altersruhegeld. Seine am ... 1973 geschlossene Ehe wurde auf den ihm am 5. Februar 1996 zugestellten Antrag
seiner im ... 1942 geborenen Ehefrau K. durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Juni 1997 (Az.: 284 F
225/95) geschieden. Das Gericht ordnete im Urteil für die Ehezeit vom 1. September 1973 bis zum 31. Januar 1996
einen Versorgungsausgleich dergestalt an, dass vom Versicherungs¬konto des Klägers bei der Beklagten
Rentenanwartschaften in Höhe von 325,77 DM monatlich sowie weiterer 35,18 DM, bezogen auf den 31. Januar 1996,
in Entgeltpunkten auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau übertragen wurden. Nachdem das Urteil am
11. September 1997 rechtskräftig geworden war, teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 26. September 1997 mit,
dass die übertragenen Rentenanwartschaften bei den Entgeltpunkten zu einer Minderung um 7,8077 Punkte führten.
Diese werde sich bei der aktuell gewährten Rente erst auswirken, wenn aus der Versicherung der
Ausgleichsberechtigten eine Rente zu zahlen sei.
Bereits durch Beschluss vom 7. Januar 1997 hatte das Amtsgericht Hamburg - Familiengericht - den Kläger im Wege
der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an seine geschiedene Ehefrau, die seinerzeit ein Erwerbseinkommen in
Höhe von 1345 DM netto monatlich erzielte, ab dem 1. Oktober 1996 einen monatlichen Getrenntlebensunterhalt in
Höhe von 879 DM zu zahlen. Wegen des Anspruchs auf rückständigen Unterhalt für die Monate September bis
November 1997 sowie auf laufenden Unterhalt ab Dezember 1997 ordnete das Amtsgericht Hamburg durch Beschluss
vom 27. November 1997 die Pfändung des dem Kläger gewährten Altersruhegeldes an und bezifferte den pfandfreien
Betrag mit 1078 DM monatlich. In Ausführung dieses Beschlusses behielt die Beklagte ab dem 1. März 1998 vom
Altersruhegeld des Klägers zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau monatlich 879 DM - seit dem 1. Januar 2002
449,43 EUR - ein.
Auf den Antrag vom 20. Februar 2003 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche
Rentenversicherung Bund) der geschiedenen Ehefrau des Klägers mit Bescheid vom 3. Juli 2003 rückwirkend ab dem
1. Mai 2003 Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die berufsunfähig oder
erwerbsunfähig sind (§ 236a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)). Mit
Bescheid vom 6. Oktober 2003 nahm die Beklagte - wie von ihr bereits am 5. März 2003 angekündigt - eine
Neuberechnung des Altersruhegeldes des Klägers unter Berücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs
rückwirkend ab dem 1. Mai 2003 vor, indem sie die der Rente bisher zugrunde gelegten 46,6506 Entgeltpunkte für die
Ehezeit vom 1. September 1973 bis zum 31. Januar 1996 gemäß ihrer Mitteilung vom 26. September 1997 um 7,8077
Punkte reduzierte. Für die Zeit vom 1. Mai 2003 bis zum 31. Oktober 2003 ergebe sich eine vom Kläger
auszugleichende Überzahlung in Höhe von 1125,74 EUR. Der von seiner Rente zugunsten der geschiedenen Ehefrau
einbehaltene Betrag verblieb unverändert bei 449,43 EUR.
Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid forderte der Kläger die Einstellung dieser Zahlungen an seine frühere
Ehefrau. Sie erhalte bereits aus dem Versorgungsausgleich einen Betrag in Höhe von 204,02 EUR monatlich. Er sei
nicht bereit, ihr beide Zahlungen aus seiner Rente nebeneinander zukommen zu lassen, und werde beim Amtsgericht
eine Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 16. Dezember 1997 erwirken. Eine solche
Entscheidung ist in der Folgezeit nicht ergangen. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 zurück. Der Unterhaltstitel über 879 DM bzw. 449,43 EUR habe
unverändert Bestand; der vom Amtsgericht im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 27. November 1997 mit
1078 DM (551,17 EUR) bezifferte pfandfreie Betrag sei berücksichtigt worden.
Mit seiner am 12. Oktober 2004 erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen die mit Wirkung vom 1. Mai 2003 zu
seinen Ungunsten erfolgte Neuberechnung seiner Altersrente unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs
zugunsten seiner früheren Ehefrau und die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Forderung nach
Erstattung von 1125,74 EUR gewandt.
Während des Klageverfahrens ist die frühere Ehefrau des Klägers am ... 2005 verstorben. Der Kläger beantragte
daraufhin, gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) die aufgrund
des Versorgungsausgleichs vorgenommene Kürzung seiner Rente rückgängig zu machen. Als die Beklagte bei der
Neuberechnung der Rente mit Wirkung vom 1. September 2005 durch Bescheid vom 12. Juli 2005 die Entgeltpunkte
gleichwohl unberücksichtigt ließ, erhob der Kläger unter Hinweis auf seinen Antrag Widerspruch mit der Begründung,
nach dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau dürften ihm die im Zuge des Versorgungsausgleichs von seinem auf ihr
Versicherungskonto übergegangenen Entgeltpunkte nicht länger vorenthalten werden. Mit Bescheid vom 30. August
2005 lehnte es die Beklagte ab, die Kürzung der Rente des Klägers um die übertragene Rentenanwartschaft
rückgängig zu machen, weil die aus ihr erbrachten Leistungen in Höhe von 5.486,54 EUR den Grenzbetrag gemäß § 4
Abs. 2 VAHRG in Höhe von 4896,37 EUR überschritten hätten. Dies hielt der Kläger für nicht nachvollziehbar mit der
Begründung, der Versorgungsausgleich sei erstmals am 30. Oktober 2003 für den Monat November 2003 abgezogen
worden. Des Weiteren bezweifelte er die Rechtmäßigkeit des Rentenbezuges seiner geschiedenen Ehefrau ab dem 1.
Mai 2003 mit der Begründung, sie sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannte Schwerbehinderte gewesen. Die
Beklagte wies den Widerspruch, der ihres Erachtens gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch ihren Bescheid
vom 30. August 2005 erfasste, mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 als unbegründet zurück. Die verstorbene
Ehefrau des Klägers habe vom 1. Mai 2003 bis 31. Mai 2005 rechtmäßig eine Altersrente für schwerbehinderte
Menschen gemäß § 236a SGB VI bezogen. Grundlage ihres Rentenanspruchs sei neben der Vollendung des 60.
Lebensjahres ihre von der Deutschen Rentenversicherung Bund anerkannte Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit
gewesen, nicht das Vorliegen einer Schwerbehinderung. Die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs hätten
dementsprechend schon am 1. Mai 2003 begonnen, auch wenn der Abzug erst mit der Novemberrente spürbar
geworden sei.
Mit seiner am 4. August 2006 erhobenen Klage hat der Kläger unverändert begehrt, ihm die Altersrente ohne
Berücksichtigung der Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu zahlen. Er sehe sich doppelt "bestraft", weil er
zum einen bis zu seinem Lebensende eine um den Versorgungsausgleich reduzierte Altersrente beziehen werde, zum
anderen seiner geschiedenen Ehefrau bis zu ihrem Ableben aufgrund eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses Unterhalt habe zahlen müssen, obwohl sie über eigenes Einkommen verfügt habe.
Das Sozialgericht hat diese Klage durch Beschluss vom 10. Oktober 2006 mit der am 12. Oktober 2004 erhobenen
Klage gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit
Urteil vom 5. November 2007 hat es den Klagen insofern entsprochen, als es die angefochtenen Bescheide
aufgehoben hat, soweit sie den Kläger zur Erstattung von 1125,75 EUR verpflichteten; im Übrigen hat es die Klagen
abgewiesen. Im Hinblick auf die Bewilligung von Altersrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß § 236a
SGB VI an seine geschiedene Ehefrau ab dem 1. Mai 2003 sei mit Wirkung vom selben Datum die Rente des Klägers
um die im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften zu vermindern gewesen. Allerdings sei er
zur Erstattung der Überzahlung für die Monate Mai bis einschließlich Oktober 2003 nicht verpflichtet, weil er weder
gewusst noch allein infolge einer besonders schwerwiegenden Verletzung der erforderlichen Sorgfalt nicht gewusst
habe, dass sein Rentenanspruch insofern (teilweise) entfallen war.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 22. November 2007 zugestellte Urteil am 17. Dezember 2007 Berufung eingelegt.
Er wendet sich unverändert gegen die Kürzung seines Altersruhegeldes um die im Wege des Versorgungsausgleichs
auf seine geschiedene Ehefrau übergegangenen Anwartschaften. Zahlungen aus diesem Versorgungsausgleich seien
lediglich für 1,5 Jahre erfolgt. Er habe in dieser Zeit von der Beklagten lediglich 460 EUR monatlich erhalten, seine
geschiedene Frau hingegen Unterhalt und Versorgungsausgleich. Dies sei nicht korrekt gewesen, da nur eine der
beiden Leistungen verlangt werden könne. Zudem habe sie Altersrente bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahr
erhalten, obwohl sie eine solche erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres hätte beanspruchen können.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers mit Wirkung ab dem 1. Sept.
2009 in Anwendung des zu diesem Datum in Kraft getretenen § 37 Versorgungsausgleichsgesetz unter Einbeziehung
der auf die frühere Ehefrau im Wege des Versorgungsausgleichs übergegangenen Entgeltpunkte neu berechnet.
Der Kläger hält dies für unzureichend und begehrt die ungekürzte Rente bereits ab dem November 2003.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2007 abzuändern, den Bescheid vom
6. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004 und die Bescheide vom 12.
Juli und 30. August 2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 ganz und den
Bescheid vom 7. Oktober 2009 insoweit aufzuheben, als er eine Neuberechnung vor dem 1. September 2009 ablehnt,
und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente für die Zeit vom November 2003 bis einschließlich August 2009 ohne
Kürzung aufgrund des Versorgungsausgleichs zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November
2007 zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2009 abzuweisen.
Sie hält Berufung und Klage für unbegründet.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der
Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§ 144 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden
(§ 151 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu
Recht abgewiesen, soweit sie darauf gerichtet war, die Beklagte zur ungekürzten Zahlung des Altersruhegeldes an
den Kläger ohne Rücksicht auf den zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleich zu
verpflichten. An der Rechtmäßigkeit der Realisierung des Versorgungsausgleichs bestehen keine Zweifel. Der Senat
hält die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts für zutreffend. Ihnen ist nichts hinzuzufügen, denn alles
Wesentliche ist dort zutreffend gesagt. Der Senat nimmt deshalb vollen Umfangs auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Dass sich der Kläger dagegen wendet, dass er in dem streitbefangenen Zeitraum an seine geschiedene Ehefrau
Unterhalt gezahlt hat, während diese zugleich Rente aufgrund des Versorgungsausgleichs bezog, ist durchaus
nachvollziehbar. Jedoch hätte er sich richtigerweise nach der Bewilligung der Rente an seine geschiedene Ehefrau
gegen den Unterhaltstitel und die zu dessen Durchsetzung verfügte Pfändung seiner Rente wenden bzw. ihre
Änderung erwirken müssen. Über diese gerichtlichen Entscheidungen konnte sich die Beklagte nicht hinwegsetzen.
Dies ist ihm auch wiederholt bedeutet worden. Erst die Änderung der Voraussetzungen für den Wegfall der
Rentenminderung infolge des Versorgungsausgleichs nach dem Tod der Ausgleichberechtigten - d. h. die Neuregelung
der Freigrenzen - mit Wirkung zum 1. September 2009 durch § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich
(Versorgungsausgleichgesetz (VersAusglG)) vom 3. April 2009, in Kraft getreten am 1. September 2009 (Art. 23 Satz
1 des Gesetzes v. 3.4.2009 I 700), hat es der Beklagten ermöglicht, dem Anliegen des Klägers zu entsprechen -
allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft. Gemäß Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 dieser
Bestimmung wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person nach dem Tod der ausgleichsberechtigten Person auf
Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person die
Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat. So
verhält es sich hier, denn die geschiedene Ehefrau hat Altersrente lediglich vom Mai 2003 bis zum Mai 2005 bezogen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Ver-fahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzli¬chen Voraussetzungen des
§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.