Urteil des LSG Hamburg vom 28.06.2005

LSG Ham: eng, auflage, gesetzgebung, kreis, prozess, umkehrschluss, versicherteneigenschaft, ausnahme, beitragsforderung, beteiligter

Landessozialgericht Hamburg
Beschluss vom 28.06.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 42 R 1005/05
Landessozialgericht Hamburg L 3 B 138/05 R
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Mai 2005 (S 42 R 1005/05)
aufgehoben.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 9. Mai 2005, mit welchem dieses auf der
Grundlage einer gleichzeitigen Festsetzung des "vorläufigen Streitwerts" entschieden hat, dass der Kläger "die
Verfahrensgebühr" trage, ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Dem steht § 63 Abs. 1 Satz 2
Gerichtskostengesetz (GKG) nicht entgegen; der Kläger wendet sich hier nicht gegen die Höhe der vorläufigen
Wertfestsetzung, sondern dagegen, dass das Sozi-algericht überhaupt eine Entscheidung nach § 63 Abs. 1 Satz 1
GKG getroffen hat und ihm infolgedessen durch Beschluss eine Verfahrensgebühr auferlegen will. § 197 a SGG in
Verbindung mit § 158 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung schließt die Beschwerde schon deswegen nicht aus, weil,
wie unten ausgeführt wird, ein Fall nach § 197 a SGG nicht vorliegt. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der
Beschwerde, der das Sozial-gericht nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt
hat, sind gemäß § 173 SGG ebenfalls gegeben.
Dem Kläger fehlt es für die Beschwerde nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die für die Ent-scheidung über die Erhebung
von Gerichtsgebühren zunächst zuständige Justizkasse (vgl. § 19 GKG) hat zwar dem Kläger gegenüber im dafür
vorgesehenen Verwaltungsver-fahren noch keine eine Verfahrensgebühr betreffende Kostenrechnung erstellt, und die
Festsetzung eines vorläufigen Streitwertes ist – mangels Geltendmachung der Gebühr – für sich genommen noch
nicht belastend. Der Beschluss des Sozialgerichts enthält je-doch, ohne dass insoweit das Gericht originär zur
Entscheidung berufen gewesen wäre (vgl. § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG), die den Kläger beschwerende Aussage, er habe
eine Ver-fahrensgebühr nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu tragen.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kläger ist rechtlich nicht zur Zahlung einer Ver-fahrensgebühr verpflichtet.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ergibt sich dies nicht aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den
Vorschriften des Gerichtskosten-gesetzes (§ 3 Abs. 2 nebst Anlage I Teil 7 Nr. 7110, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 22 Abs. 1
GKG, vgl. auch § 29 Nr. 1 GKG); dementsprechend geht auch die vorläufige Wertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 1
Satz 1, § 52 GKG ins Leere.
Nach § 197 a SGG werden im sozialgerichtlichen Verfahren Kosten nach den Vorschriften des
Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG
genannten Personen gehört. An dieser Voraussetzung fehlt es. Der Kläger hat hier nämlich als in dieser Eigenschaft
am Verfahren beteiligter Versicherter gemäß § 183 Satz 1 SGG zu gelten. Es trifft zwar zu, dass die Versicherten-
eigenschaft des Klägers, der sich in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage gegen eine Beitragsforderung der
Beklagten gerade mit der Begründung wendet, er sei als Selbstän-diger von der Beitragspflicht befreit, nicht eindeutig
feststeht. Damit aber scheidet er hier nicht aus dem durch § 183 SGG begünstigten Personenkreis aus. Die
Bestimmung in § 197 a SGG, welche die nach dem Gerichtskostengesetz zu behandelnden Verfahren nur negativ
abgrenzt (vgl. Hennig, SGG, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand Febr. 2004, § 197 a Rn. 2), ist als
Sondervorschrift (Ausnahme) zu dem im sozialgerichtlichen Verfah-ren weiterhin geltenden Grundsatz der
Gebührenfreiheit (vgl. § 183 SGG a.F.) zu verste-hen (Zeihe, Soziale Gesetzgebung und Praxis, Das
Sozialgerichtsgesetz und seine An-wendung, Kommentar, 8. Auflage 2004, § 197 a Rn. 6), der auch durch das
Sechste Ge-setz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) nicht beseitigt
worden ist (Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichts-barkeit, Kommentar zum SGG,
Loseblattsammlung, 4. Aufl., Band III, Stand Jan. 2005, § 183 Rn. 1). Sie ist daher eng auszulegen mit der Folge,
dass es dann, wenn ein Sozial-leistungsträger gegen einen Betroffenen auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs vor-
geht, für diesen bei dem Kostenprivileg des § 183 Satz 1 SGG bleibt (Zeihe, a.a.O., § 183 Rn. 9 a; ebenso, wenn es
um Statusfragen geht: LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21. De-zember 2004, L 5 LW 13/04 – juris –; Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 183 Rn. 5; Plagemann/Klatt/Radtke-Schwenzer, MAH Sozialrecht, 2.
Aufl. 2005, § 48 Rn. 10). So verhält es sich im vorliegenden Fall, in dem materiell um die Frage gestrit-ten wird, ob die
Beklagte durch der Bestandskraft fähigen Bescheid gegenüber dem Klä-ger Beitragsforderungen erheben und
durchsetzen darf.
Etwas anders folgt nicht aus § 183 Satz 3 SGG. Diese Bestimmung nimmt eindeutig (noch) nicht versicherte
Personen in den Kreis der kostenrechtlich Begünstigten auf, wenn sie im Falle des Obsiegens im Prozess Versicherte
wären, sie enthält jedoch keine Aus-sage darüber, wie derjenige zu behandeln ist, dessen Versicherteneigenschaft zu
Beginn des Prozesses gerade nicht feststeht. Ein Umkehrschluss in dem Sinne, dass Kostenfrei-heit nicht genieße,
wer (erst) im Falle des Obsiegens nicht (mehr) zum Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört, ist daher nicht
zulässig.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.