Urteil des LSG Hamburg vom 02.02.2011

LSG Ham: operation, entstellung, form, krankheit, behandlung, beratung, eingriff, gefühl, ergänzung, krankenversicherung

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 02.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 34 KR 657/08
Landessozialgericht Hamburg L 1 KR 46/09
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. August 2009 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine Brustkorrektur mittels Lipofilling zu
übernehmen.
Der 1971 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger unterzog sich im Jahr 2004 bei einer
transsexuellen Entwicklung einer geschlechtsangleichenden Operation von Frau zu Mann. Im Jahr 2006 erfolgte
wegen einer Dellenbildung im Brustbereich eine Korrektur durch Lipofilling. Im Mai 2007 beantragte der Kläger bei der
Beklagten eine erneute Behandlung der Brust durch Lipofilling, da sich erneut Dellen gebildet hätten, die insbesondere
bei einer Bewegung der Arme sichtbar seien.
Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nord N. (MDK) führte nach
Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 7. September 2007 aus, dass es sich um eine unauffällige
männliche Brust handele und kein entstellender oder krankhafter Befund erhoben werden könne. Die Beklagte lehnte
daraufhin den Antrag durch Bescheid vom 26. September 2007 ab. Im Rahmen des sich anschließenden
Widerspruchsverfahrens erstellte der MDK ein weiteres Gutachten vom 31. Januar 2008, in dem er bei seiner
bisherigen Auffassung blieb. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 2. April
2008 zurück.
Die dagegen am 16. April 2008 erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 11. August 2009
abgewiesen und ausgeführt, der Kläger könne die geplante Brustkorrektur auf Kosten der Beklagten nicht
beanspruchen, da er nicht unter einer Krankheit leide. Nach ständiger Rechtsprechung sei unter einer Krankheit ein
regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen,
der ärztlicher Behandlung bedürfe oder arbeitsunfähig mache. Ein solcher Zustand sei bei dem Kläger nicht gegeben.
Er sei nicht in maßgeblichen Körperfunktionen beeinträchtigt. Es liege auch keine körperliche Auffälligkeit mit
entstellender Wirkung vor. Dies ergebe sich aus den Gutachten des MDK und auch aus den vom Kläger eingereichten
Fotos. Diese zeigten eine normale männliche Brust ohne erkennbare Dellen oder Hautfalten. Selbst wenn sich bei
bestimmten Bewegungen Dellen bilden sollten, handele es sich hierbei nicht um eine Entstellung, die einem
unbefangenen Beobachter sofort auffallen würde. Auch der männliche Brustbereich unterliege in seiner äußeren
Erscheinung einer großen Variationsbreite hinsichtlich seiner Form und Größe. Eine Entstellung könne nur bei einer
gravierenden, sofort auffallenden Abweichung angenommen werden. Wie aus den Fotos ersichtlich sei, gebe es bei
dem Kläger aber überhaupt keine Abweichungen. Der Eingriff könne auch nicht wegen eines psychischen Leidens
beansprucht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme nämlich die Kostenübernahme für
eine Operation am gesunden Körper aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in Betracht.
Der Kläger hat hiergegen am 27. August 2009 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er fühle sich sowohl als Mann als auch
als Frau und habe mit dieser Doppelidentität keine Probleme. Er begehre die Korrektur seiner Brust daher nicht aus
kosmetischen Gründen, sondern weil er das Gefühl habe, dass ihm etwas fehle und er sozusagen brustamputiert sei.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. August 2009 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung ihres Bescheides vom 26. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2008 zu
verurteilen, die Kosten einer Brustkorrektur durch Lipofilling zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide
rechtmäßig sind und der Kläger die Kostenübernahme für eine Brustkorrektur durch Lipofilling nicht beanspruchen
kann. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §
153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend macht, es gehe ihm nicht um eine kosmetische Korrektur, sondern
darum, dass er sich aufgrund seiner Doppelidentität als Mann und Frau nunmehr brustamputiert fühle, ist die Berufung
bereits unzulässig. Der offenbar nunmehr begehrte Brustaufbau in Richtung einer weiblichen Brust stellt eine gänzlich
andere Maßnahme dar als die zunächst beantragte Beseitigung von Dellen in der vorhandenen männlichen Brust.
Insoweit fehlt es sowohl an einer erstinstanzlichen Entscheidung, die mit einer Berufung angegriffen werden könnte,
als auch an einem vorangehenden Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klagverfahren. Das Gericht war daher nicht
gehalten, der Anregung des Klägers in Bezug auf die Einholung eines medizinischen Gutachtens zu dieser Frage zu
folgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht
vorliegen.