Urteil des LSG Hamburg vom 05.08.2005

LSG Ham: besondere härte, verweigerung von leistungen, zeichner, integration, besuch, umschulung, wohngemeinschaft, zivilprozess, arbeitsmarkt, miete

Landessozialgericht Hamburg
Beschluss vom 05.08.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 50 AS 466/05 ER
Landessozialgericht Hamburg L 5 B 208/05 ER AS
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ham¬burg vom 11. Juli 2005 wird
zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die am dem 15. Juli 2005 eingegangene Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialge¬richts
Hamburg (SG) vom 11. Juli 2005, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialge¬richt (LSG) zur
Ent¬schei¬dung vorge¬legt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialge¬richts¬gesetz - SGG -), form- und fristge¬recht
ein¬gelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zuläs¬sig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat es zu Recht
abgelehnt, die Antragsgeg¬nerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts (einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung) auch
während seiner Ausbildung zum technischen Zeichner an der Staatlichen Gewerbeschule Metalltechnik zu gewähren,
zu der sich der Antragsteller angemeldet hat und die am 11. August 2005 beginnen soll.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2
SGG). Der durch den beantragten vor¬läufigen Rechtsschutz zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und die
Notwendig¬keit einer vorläufigen Sicherung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen.
Es fehlt jedenfalls an einem Anordnungsanspruch. Dem vom Antragsteller verfolgten Anspruch auf Leistungen der
Antragsgegnerin zur Sicherung seines Lebensunterhalts steht die Regelung des § 7 Abs. 5 Sozialgesetzbuch -
Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeit¬suchende (SGB II) entgegen. Demnach haben Auszubildende, deren
Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches
des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Tatbestand ist hier erfüllt, da die vom Antragsteller
beabsichtigte Ausbildung an der Staatlichen Gewerbe¬schule Metall grundsätzlich nach § 2 BAföG förderungsfähig
ist. Die Aufhebung dieses Regelausschlusses durch § 7 Abs. 6 SGB II für Auszubildende, denen Leistungen nach
dem BAföG bzw. Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) deshalb nicht zusteht, weil sie bei ihren Eltern wohnen können (Nr.
1), und weiter für die, welche das so genannte Mini-BAföG/BAB (Grundbedarfssatz 192 EUR) beim Besuch einer
Schule bzw. einer berufsvorbereitenden Ma߬nahme mit Elternwohnung erhalten, kommt hier offensichtlich nicht zum
Zuge.
Die Verweigerung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beinhaltet im Falle des Antragstellers auch
keine besondere Härte, die es gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II der Antrags¬gegnerin erlauben würde, entsprechende
Leistungen als Darlehn zu gewähren.
Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des SG für überzeugend und nimmt vollen Umfangs auf sie Bezug
(§ 153 Abs. 2 SGG analog). Die Ausführungen des Antragstellers zur Begründung seiner Beschwerde, die keine
wesentlich neuen Gesichtspunkte beinhalten, geben keinen Anlass zu einer für ihn günstigeren Beurteilung des
Sachverhalts. Die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist, was schon ihr Wortlaut "beson¬derer
Härtefall" gebietet, eng auszulegen. Mit den Leistungen des SGB II darf grundsätzlich keine Ausbildungsförderung auf
zweiter Ebene eingeführt werde (SG Dortmund, Beschluss vom 12. Mai 2005, S 22 AS 50/05 ER; Hörder in Juris
Praxiskommentar SGB II § 7 Rdnr. 49).
Der Senat hält es für besonders bedeutsam, dass es dem Antragsteller nicht um Fortsetzung und Beendigung einer
bereits vor Beginn des Leistungsbezuges begonnenen und bereits fortgeschrittenen Ausbildung und damit nicht um
die Sicherung des Ertrags investierter Anstren¬gungen und Mittel geht, sondern um den Beginn einer neuen
Ausbildung. Zumindest in einem so gelagerten Fall kann die Verweigerung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunter¬halts für die Dauer der Ausbildung eine besondere Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, wenn
überhaupt, so nur dann beinhalten, wenn die gewünschte Ausbildung die Chancen einer beruflichen Integration des
Arbeitslosen wesentlich verbessert. Wenn einer Förderung der konkret beab¬sichtigten schulischen Ausbildung nach
§ 77 SGB III schon die fehlende Zweckmäßigkeit, d. h. die fehlende Verbesserung der Aussichten einer Vermittlung in
Arbeit und damit einer berufli¬chen Integration des Arbeitslosen entgegenstehen würde, kann nicht der Träger der
Leis¬tungen des SGB II zu einer mittelbaren Förderung dieser Bil¬dungsma߬nahme durch die Gewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verpflichtet werden. So verhält es sich hier. Dem bei der Prozessakte
der Antragsgegnerin befindlichen Aktenver¬merk vom 21. Juni 2005 zufolge stehen in Hamburg zurzeit über 260
Bewerbern um eine Beschäftigung als technischer Zeichner nur 36 offene Stellen gegenüber. Diese Situation ist auch
nicht neu, denn die Ausbildung zum technischen Zeichner wird von der Agentur für Arbeit in Hamburg schon seit
mehreren Jahren nicht als Umschulung gefördert, weil kein Bedarf auf dem Arbeitsmarkt besteht. Zudem werden
nahezu alle angebotenen Stellen für technische Zeichner von Zeitarbeitsfirmen gemeldet und setzen eine mehrjährige
Berufser¬fahrung voraus. Eine Ver¬besserung der Vermittlungsaussichten des Antragstellers durch die von ihm
beabsichtigte Ausbildung ist unter diesen Umständen unwahrscheinlich.
Im Übrigen muss es sich der Antragsteller selber zuschreiben, wenn es ihm bis heute nicht gelungen ist, eine
Berufsausbildung zu beginnen. Mag es noch nachvollziehbar sein, dass er sich angesichts der akuten
Schwierigkeiten in seinem Asylverfahren im Frühjahr 1999 nicht in der Lage sah, den Besuch der Fachoberschule
fortzusetzen, so gilt dies aber nicht für den zweiten Abbruch im März 2001. Nach seinen Angaben ist er mit der
BAföG-Leistung von 730 DM monatlich nicht ausgekommen, was bei einer Miete von 550 DM im Monat auch nicht
verwunderlich ist. Er hätte sich - wie es viele BAföG-Empfänger ebenfalls tun - um eine billi¬gere Unterkunft (z. B. in
einer Wohngemeinschaft) kümmern müssen und/oder sein Ein¬kommen durch Nebentätigkeiten aufstocken können.
Wenn er dies nicht getan, sondern sich allein auf staatliche Unterstützung verlassen hat, so hat er sich dies
zurechnen zu lassen und kann er sich nicht auf eine besondere Härte berufen.
Unter diesen Umständen kamen die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines
Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wegen fehlender Erfolgsaus¬sicht für die Rechtsverfolgung nicht in
Betracht (§ 73a SGG i. V. m. §§ 114, 121 Zivilprozess¬ordnung).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.