Urteil des LSG Hamburg vom 27.01.2010

LSG Ham: grobe fahrlässigkeit, krankengeld, persönliche anhörung, kaufmännischer angestellter, arbeitsunfähigkeit, arbeitsentgelt, rücknahme, steuerberater, verwaltungsakt, gaststätte

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 27.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 34 KR 372/05
Landessozialgericht Hamburg L 1 KR 28/09
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 8. April 2009 in
Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 8. Mai 2009 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer Bewilligung von Krankengeld mit
entsprechender Rückforderung.
Der 1945 geborene Kläger schloss am 30. Juli 1999 mit dem als Steuerberater tätigen Zeugen Prof. Dr. B. einen
Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter ab 1. August 1999. Das vereinbarte
Bruttoarbeitsentgelt betrug bis zum Ablauf der fünfmonatigen Probezeit DM 6.000,- und danach DM 8.000,-. Es wurde
ferner eine 38-Stunden-Woche, ein jährlicher Urlaub von 25 Arbeitstagen sowie eine Kündigungsfrist von sechs
Wochen zum Quartalsende vereinbart. Mit Wirkung ab 1. August 1999 meldete der Zeuge B. den Kläger bei der
Beklagten als zuständiger Einzugsstelle an.
Aufgrund einer ab 22. Dezember 1999 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bezog der Kläger ab 2. Februar 2000 von der
Beklagten Krankengeld. Die Beklagte stellte die Zahlung von Krankengeld mit dem 25. April 2000 ein, nachdem sie
ein Schreiben eines Herrn E. erhalten hatte, mit dem dieser mitteilte, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen B.
lediglich ein Scheinarbeitsverhältnis zum Zwecke des Bezuges von Krankengeld und Arbeitslosengeld begründet
worden sei.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nicht versicherungspflichtig in der
Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sei, da erhebliche Zweifel am tatsächlichen Vollzug des behaupteten
Arbeitsverhältnisses bestünden. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 9.
März 2001 zurück. Das Sozialgericht wies die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 9. September 2003 (Az. S 22
KR 161/03) ab und führte aus, dass nicht mit der erforderlichen Gewissheit habe festgestellt werden können, dass der
Kläger ab 1. August 1999 abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Berufung des Klägers wurde durch Beschluss des
Senats vom 3. August 2004 (Az. L 1 KR 161/03) aus den gleichen Gründen zurückgewiesen.
Die Beklagte nahm daraufhin nach erfolgter Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 18. Januar 2005 die Bewilligung
von Krankengeld für die Zeit vom 2. Februar bis 25. April 2000 zurück und forderte die Erstattung der gezahlten
Leistungen in Höhe von insgesamt EUR 3.623,31. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 zurück. Das Landessozialgericht habe im Verfahren L 1 KR 161/03
entschieden, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden habe. Demzufolge sei der
Kläger zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit nicht Mitglied der Beklagten gewesen und habe keinen Anspruch auf
Krankengeld. Er habe die Überzahlung verschuldet, da er falsche Angaben zu seinem Beschäftigungsverhältnis
gemacht habe. Im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen gewesen, dass aufgrund
dieser falschen Angaben die Interessen der Versichertengemeinschaft an der Rückzahlung gegenüber den
Individualinteressen des Klägers vorrangig seien.
Der Kläger hat dagegen am 18. April 2005 Klage erhoben. Er trägt vor, die Entscheidung im Verfahren L 1 KR 161/03
stelle ein Fehlurteil dar. Er sei weisungsgebunden gewesen, habe ein Festgehalt bezogen und sei in keiner Weise am
Geschäftsergebnis beteiligt gewesen. Er habe den Zeugen B. im Rahmen seiner früheren Tätigkeit für die
Bausparkasse H. kennengelernt und dieser habe ihm erzählt, dass er einen Mitarbeiter suche. Er habe überwiegend
säumige Schuldner seines Arbeitgebers aufsuchen sollen, um diese zur Zahlung zu veranlassen. Daneben habe er
auch neue Kunden akquirieren und im Innendienst Akten bearbeiten sollen. Er sei jeden Tag im Büro gewesen und
habe die Akten gesichtet, vorbereitet und bearbeitet. Mittags oder nachmittags habe er versucht, die Kunden zu
erreichen, was oft schwierig gewesen sei. Oft habe er zehn bis zwanzig Mal zu einem Kunden hinfahren müssen, bis
er ihn angetroffen habe. Es habe sich insgesamt um etwa dreißig Kunden gehandelt. Der Zeuge B. habe vorgegeben,
welche Akten er bearbeiten und welche Kunden er aufsuchen solle, aber in seiner Zeiteinteilung sei er relativ frei
gewesen. Nach seiner Krankheit habe er eine Gaststätte eröffnet und mit dem Zeugen B. vereinbart, dass er bei ihm
wieder anfange, falls es mit der Gaststätte nicht laufe. Der Zeuge habe dies aber als Kündigung aufgefasst. Dem
Herrn E., der ihn bei der Beklagten angezeigt habe, habe er seinerzeit einen Kredit gewährt. Nachher habe er das Geld
nicht zurückzahlen wollen und es habe jede Menge Streit und Erpressungsversuche gegeben. Auch andere Personen
seien von Herrn E. erpresst worden. Mittlerweile sei er verstorben.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 8. April 2009 – zugestellt am 16. April 2009 – in Verbindung mit dem
Berichtigungsbeschluss vom 8. Mai 2009 – zugestellt am 12. Mai 2009 – der Klage stattgegeben und die
angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Rücknahme der Krankengeldbewilligung stehe entgegen, dass ein
Verschulden des Klägers an der Überzahlung nicht sicher festgestellt werden könne. Hierfür sei jedoch die Beklagte
beweispflichtig. Zwar bestünden Zweifel am Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses und es gebe auch
Anhaltspunkte dafür, dass ein Scheinarbeitsverhältnis zum Zwecke des Bezuges von Sozialleistungen begründet
worden sei. Hiervon könne jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung nicht im Sinne einer vollen gerichtlichen
Überzeugung ausgegangen werden. Vielmehr sei dem Kläger nicht zu widerlegen, dass er von einer abhängigen
Beschäftigung und somit von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen sei.
Die Beklagte hat dagegen am 5. Juni 2009 Berufung eingelegt. Sie hält daran fest, dass die Krankengeldgewährung
auf falschen Angaben des Klägers zu einem tatsächlich nicht bestehenden Beschäftigungsverhältnis beruhe.
Aufgrund seiner früheren Tätigkeit für eine Bausparkasse habe er den Unterschied zwischen einem
Beschäftigungsverhältnis und einer freiberuflichen Tätigkeit kennen müssen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein
Steuerberater einen Mitarbeiter zur Schuldeneintreibung beschäftige. Auch die angebliche Barzahlung des
Arbeitsentgelts sei mehr als verwunderlich.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 8. April 2009 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss
vom 8. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und trägt vor, er habe den Zeugen B. bei seiner Tätigkeit für
den H. kennen gelernt und gehört, dass er Probleme mit zahlungsunwilligen Kunden habe und auch jemanden für die
Neuakquise suche. Während seiner Tätigkeit für den Zeugen habe er sein Büro im ehemaligen Konferenzraum gehabt,
in dem vor allem liegen gebliebene Akten gelagert worden seien. Er habe sich um diese Akten – hauptsächlich
Liquidationsgeschichten – gekümmert und ansonsten säumige Kunden aufgesucht, was schwierig gewesen sei, weil
die Kunden die Termine oft nicht eingehalten hätten. Die Barzahlung seines Gehalts sei erfolgt, weil er damals eine
Kontenpfändung gehabt habe. Bei der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit habe es sich um eine Hüftarthrose
gehandelt. Er sei eigentlich davon ausgegangen, nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wieder bei dem Zeugen B. zu
arbeiten, aber dieser habe das anders gesehen und er habe mit ihm darüber aber nicht streiten wollen. Den Herrn E.,
der ihn bei der Beklagten angezeigt habe, habe er kennen gelernt, weil er früher Privatkredite vergeben habe und auch
Herrn E. insgesamt DM 50.000 geliehen habe, von dem nur ein Teil zurückgezahlt worden sei. Erst später habe er
gemerkt, dass Herr E. psychisch krank sei. Er habe ihn und auch andere Personen mit allem möglichen bedroht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2009 ist der Steuerberater Prof. Dr. B. als Zeuge zu der
Tätigkeit des Klägers gehört werden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen,
die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufungsfrist hat erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen begonnen, da die unberichtigte
Fassung des angefochtenen Gerichtsbescheides aufgrund des fehlerhaften Tenors nicht klar genug war, um die
Grundlage für die Entschließung zur Einlegung der Berufung zu bilden (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.2004 – B 6 KA
95/03 B – Juris).
Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vom 2.
Februar bis 25. April 2000 zurückgenommen und die Erstattung der gezahlten Leistungen in Höhe von EUR 3.623,31
gefordert.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat
(begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den
Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit
zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden,
soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit
dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. nicht
berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte;
grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt
hat (§ 45 Abs. 2 S. 1 und 3 Nr. 3 SGB X).
Die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vom 2. Februar bis 25. April 2000 war rechtswidrig. Anspruch auf
Krankengeld haben gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)
nur Versicherte. Die Beklagte hat jedoch durch Bescheid vom 14. Dezember 2000 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 9. März 2001 festgestellt, dass der Kläger ab 1. August 1999 nicht aufgrund einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung ihr Mitglied geworden ist. Diese Bescheide sind aufgrund des Beschlusses
des Senats vom 3. August 2004 (Az. L 1 KR 161/03) für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann sich der Kläger auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es trifft
allerdings zu, dass den schriftlichen Beschuldigungen des verstorbenen Herrn E. insoweit keine große Bedeutung
beigemessen werden kann, da der vorliegende Schriftwechsel von einer intensiven Feindschaft zwischen ihm und
dem Kläger mit verschiedenen gegenseitigen Anschuldigungen und Drohungen zeugt. Die persönliche Anhörung des
Klägers und die Vernehmung des Zeugen B. haben jedoch ergeben, dass den Kläger hinsichtlich der Rechtswidrigkeit
der Krankengeldbewilligung zumindest grobe Fahrlässigkeit trifft.
In den Erklärungen des Klägers einerseits und der Aussage des Zeugen B. andererseits gibt es verschiedene
Widersprüche, die in ihrer Gesamtheit die Annahme, dass der Kläger subjektiv vom Bestehen eines
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen sei, nicht zulassen.
Dies betrifft bereits die Umstände der Anbahnung des angeblichen Beschäftigungsverhältnisses. Hierzu hat der Kläger
erklärt, er habe den Zeugen B. im Rahmen seiner vorherigen Tätigkeit für den H. kennen gelernt und dabei von dessen
Problemen mit säumigen Kunden gehört. Demgegenüber hat der Zeuge ausgesagt, er habe den Kläger vorher nicht
gekannt, sondern erst bei seiner Suche nach neuen Mitarbeitern – entweder durch eine eigene Stellenanzeige oder
aufgrund eines Stellengesuchs des Klägers – kennen gelernt.
Auch der Inhalt der Tätigkeit wurde von dem Zeugen und dem Kläger jeweils unterschiedlich beschrieben. Während
der Kläger ausgeführt hat, er habe sich im Büro auch um liegen gebliebene Akten, vor allem um
Liquidationsgeschichten, gekümmert, hat der Zeuge auf Befragen des Gerichts die Tätigkeit als reine
Außendiensttätigkeit beschrieben, bei der der Kläger sich um säumige Kunden und um Neuakquisen habe kümmern
sollen. Erst auf ausdrückliche Nachfrage des Klägers hat er die Aktenarbeit im Büro bestätigt und erklärt, dies
zunächst vergessen zu haben. Auch wenn es nach etwa zehn Jahren nachvollziehbar sein mag, sich nicht mehr an
jede Einzelheit zu erinnern, ist es dennoch nicht plausibel, dass wesentliche Inhalte der Tätigkeit vergessen, sodann
aber auf entsprechenden Einwand des Klägers sogleich wieder erinnert worden sein sollen.
Widersprüchlich sind des Weiteren auch die Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Schon die Angaben
des Klägers im Klage- und im Berufungsverfahren stimmen nicht vollständig überein. Während er im Klageverfahren
noch erklärt hatte, er habe nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit eine Gaststätte übernommen, es sei aber vereinbart
gewesen, dass er bei dem Zeugen B. wieder anfangen könne, falls diese nicht laufe, hat er im Berufungsverfahren
vorgetragen, er sei davon ausgegangen, nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wieder bei dem Zeugen B. zu arbeiten,
dieser habe das aber anders gesehen. Der Zeuge B. hat demgegenüber ausgesagt, er habe gedacht, der Kläger würde
nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit wiederkommen, das Arbeitsverhältnis sei dann aber einvernehmlich
aufgelöst worden. Auch insoweit ist nicht plausibel, dass nicht einmal übereinstimmende Angaben dazu gemacht
werden können, auf wessen Initiative hin die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sein soll. Darüber
hinaus ist nicht nachvollziehbar, warum kein schriftlicher Aufhebungsvertrag geschlossen worden ist, zumal der
Arbeitsvertrag schriftlich fixiert worden war. Soweit der Zeuge hierzu ausgesagt hat, für ihn sei die Lohnabmeldung
praktisch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen, ist dies im Hinblick darauf, dass es sich bei ihm um einen
Steuerberater handelt, der mit derartigen Vertragsangelegenheiten vertraut sein dürfte, nicht glaubhaft.
Schließlich unterliegen auch die Angaben zum vereinbarten Arbeitsentgelt erheblichen Zweifeln. Ein Arbeitsentgelt
von DM 6.000,- sowie eine Erhöhung auf DM 8.000,- gleich nach dem Ende der fünfmonatigen Tätigkeit erscheint für
die beschriebene Tätigkeit des Klägers außerordentlich hoch. Besondere Gründe hierfür wurden weder von dem Kläger
noch von dem Zeugen genannt. Ungewöhnlich ist auch, dass ein Arbeitsentgelt dieser Größenordnung bar gezahlt
worden sein soll. Auch wenn der Kläger und der Zeuge übereinstimmend angegeben haben, der Grund hierfür habe in
einer Kontenpfändung bei dem Kläger gelegen, ist nicht verständlich, warum das Arbeitsentgelt bis zuletzt bar gezahlt
werden musste, das Krankengeld aber während des gesamten Zeitraums auf ein Konto des Klägers überwiesen
werden konnte. Auch hierfür hat der Kläger keine Erklärung geliefert.
Aufgrund der Gesamtheit dieser Widersprüche und Ungereimtheiten, die der Kläger nicht entkräftet hat, muss davon
ausgegangen werden, dass weder er noch der Zeuge die Absicht hatten, ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zu
vereinbaren und durchzuführen. Selbst wenn aber insoweit letzte Zweifel verblieben, ergäbe sich daraus keine andere
Beurteilung. Es trifft zwar zu, dass grundsätzlich den Leistungsträger die Beweislast für die Voraussetzungen einer
Rücknahme nach § 45 SGB X – also auch für das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit – trifft, sodass Zweifel und
Unklarheiten in der Regel zu Lasten des Leistungsträgers gehen. Das Bundessozialgericht hat jedoch eine Ausnahme
von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung dann als gerechtfertigt angesehen, wenn in der persönlichen Sphäre
oder in der Verantwortungssphäre des Leistungsbeziehers wurzelnde Vorgänge nicht abschließend aufklärbar sind,
wenn also eine besondere Beweisnähe zum Leistungsbezieher vorliegt (BSG, Urteil vom 24.05.2006 – B 11a AL 7/05
R – Juris). So liegt der Fall hier. Die Frage, welche subjektiven Vorstellungen die Parteien bei Abschluss des
Arbeitsvertrages hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung eines Beschäftigungsverhältnisses hatten, wurzelt allein
in der Sphäre des Klägers. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten bestehen insoweit nicht. Es hätte daher dem Kläger
oblegen, Zweifel an seinem Willen, ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zu begründen, auszuräumen. Dies ist ihm
jedoch nicht gelungen. Vielmehr hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Eindruck verstärkt, dass die
tatsächlichen Umstände der geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Zeugen B. verschleiert
werden sollen. Dies muss aufgrund seiner besonderen Beweisnähe zu Lasten des Klägers gehen.
Fehler bei der Ermessensausübung im Rahmen der Rücknahmeentscheidung sind nicht erkennbar. Eine vorherige
Anhörung des Klägers (§ 24 SGB X) hat stattgefunden.
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 S. 1
SGB X). Der Kläger hat daher das ihm in der Zeit vom 2. Februar bis 25. April 2000 gewährte Krankengeld in Höhe
von EUR 3.623,31 zurück zu zahlen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1
(grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des
Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.