Urteil des LSG Hamburg vom 18.07.2007

LSG Ham: krankenpflege, haushalt, rechtlich geschütztes interesse, form, leistungsklage, verpflegung, familie, unterbringung, sozialhilfe, zukunft

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 18.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 32 KR 561/02
Landessozialgericht Hamburg L 1 KR 89/05
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2005 aufgehoben
und die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob der 1949 geborene Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2002 einen Anspruch gegen
die Beklagte auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von ärztlich verordneter Medikamentengabe sowie
Blutzuckerkontrolle und Blutdruckmessung hatte. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in dieser Zeit, in
der er in der Wohnanlage "L." auf dem Gelände des Klinikums N. ( ...) – einer Wohnform für psychisch kranke
Menschen – lebte, über einen eigenen Haushalt im Sinne des § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
verfügte.
Diese Wohnanlage hatte deren Träger, der Freundeskreis O. e. V., vom Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg
angemietet. Das Haus war ein ehemaliges Schwesternwohnheim und in insgesamt 35 Wohneinheiten auf drei Etagen
unterteilt. Die Untermietverträge für jeden Mieter mit der a. GmbH bezogen sich auf ein Einzelzimmer mit Vorflur und
Handwaschbecken im Zimmer. Gemeinschaftlich standen für die Bewohner jeder Etage jeweils mehrere Sanitär- und
Duschräume sowie eine Gemeinschaftsküche und ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Im Keller befand sich eine
Waschküche mit Waschmaschinen und Wäschetrocknern zur gemeinschaftlichen Nutzung. In dem Haus gab es auch
Räume für die Mitarbeiter der P. GmbH, die die Wohnanlage bewirtschaftete und alle in ihr anfallenden Betreuungs-
und Versorgungsleistungen erbrachte. In diesen Räumen wurden auch die Medikamente für alle Bewohner unter
Verschluss gehalten.
Anfang Februar 2004 zog der Kläger um und lebt seither in der W. in einer Nachfolgeeinrichtung. Die Wohnanlage "L.",
in die der Kläger am 10. November 2000 eingezogen war, wurde zum 1. Mai 2004 aufgelöst.
Der Kläger besaß im streitbefangenen Zeitraum – aufgrund einer Erbschaft – zunächst Vermögen und konnte seinen
Lebensunterhalt hieraus zeitweilig – vermittelt durch seine Betreuerin – selbst bestreiten. Darüber hinaus bezog er
eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.234,56 DM (ab 1. Juli 2001 1.242,06 DM) und war Mitglied der
Beklagten. Finanzielle Leistungen der Beigeladenen erhielt er zunächst nicht. Erst am 10. September 2001 beantragte
er diese bei der Beigeladenen.
Neben dem Mietvertrag mit der a. GmbH bestand im streitbefangenen Zeitraum eine gesonderte
Betreuungsvereinbarung des Klägers mit der P. GmbH über eine hauswirtschaftliche Versorgung (insbesondere
Reinigung der Gemeinschaftsräume). Es war dem Kläger freigestellt, die in der Wohnanlage von der P. GmbH
angebotene Verpflegung in Anspruch zu nehmen. Sofern er an den Mahlzeiten teilnahm, musste er einen finanziellen
Beitrag zur Verpflegung leisten. Im Übrigen bereitete er sich seine Mahlzeiten selbständig zu. Auch seine Einkäufe
und seine Wäsche erledigte er selbst.
Die P. GmbH erbrachte gegenüber dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2002 auch die ärztlich
verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Die Beklagte zahlte hierfür an die P. GmbH auf deren
Rechnungen im ersten Quartal 2001; der tatsächliche Umfang dieser Zahlungen lässt sich den Akten nicht
entnehmen, dokumentiert ist lediglich eine Zahlung für den Monat Februar 2001. Einen entsprechenden
Bewilligungsbescheid über Leistungen der häuslichen Krankenpflege hatte die Beklagte dem Kläger nicht erteilt.
Vielmehr lehnte sie ihre Leistungsverpflichtung gegenüber dem Kläger durch die mit der Klage angegriffenen
Bescheide vom 20. März 2001 und vom 19. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März
2002 für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2002 ab, weil dieser in der Wohnanlage "L." nicht über einen
eigenen Haushalt im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V verfüge. Der Kläger bezahlte einige der Rechnungen der P. GmbH
im zweiten und dritten Quartal 2001 aus seinem Vermögen selbst (ausweislich der Akten zumindest für die Monate
April bis Juli 2001 insgesamt 6.954 DM), auf andere Rechnungen blieb er die Zahlung schuldig. Nachdem sein
Vermögen aufgebraucht war und er einen Antrag auf Leistungen bei der Beigeladenen gestellt hatte, trat diese ab 10.
September 2001 mit Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ein. Sie erklärte sich durch Bescheid
vom 20. März 2002 bereit, ab dem 10. September 2001 als vorläufige Hilfeleistung nach § 44 BSHG die häusliche
Krankenpflege als Eingliederungshilfe nach § 39, § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zu gewähren, befristete die Bewilligung
jedoch bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren über einen Anspruch
des Klägers gegen die Beklagte oder der Anerkennung ihrer Leistungspflicht durch diese.
Der Kläger erhielt von der Beigeladenen im streitbefangenen Zeitraum in der Wohnanlage auch Leistungen nach §§ 39,
40 BSHG in Form von personenbezogenen Hilfen für psychisch kranke Menschen im Umfang von 40, später 37
Stunden pro Monat individueller Betreuung und von 12, später 8 Stunden pro Monat Gruppenarbeit. Auch diese
Leistungen erbrachte die P. GmbH.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 30. September 2005 festgestellt, dass die Bescheide der Beklagten vom 20.
März 2001 und vom 19. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2002 rechtswidrig sind.
Es ist von einem weiten Haushaltsbegriff ausgegangen, der auch das Leben in sozialen Wohnprojekten bei Nutzung
von Gemeinschaftseinrichtungen umfasse, und hat festgestellt, der Kläger habe in der Einrichtung "L." einen eigenen
Haushalt geführt.
Gegen das am 17. Oktober 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. November 2005 Berufung eingelegt. Mit
dieser trägt sie unter anderem vor, der erkennende Senat habe im Beschluss vom 8. März 2006 (L 1 B 400/05 ER KR)
und im Urteil vom 30. August 2006 (L 1 KR 88/05) das Vorliegen eines eigenen Haushalts in vergleichbaren Fällen
abgelehnt. Sie sieht die Wohnanlage "L." als eine teilstationäre Einrichtung an, in der die Medikamentengabe als
Annexleistung zu den von der Beigeladenen bewilligten und von der P. GmbH erbrachten personenbezogenen Hilfen
für psychisch kranke Menschen zu erbringen gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er habe, da die Beklagte die Kostenübernahme der verordneten häuslichen Krankenpflege mit der
Begründung einer fehlenden Häuslichkeit abgelehnt habe, die Rechnungen der P. GmbH für April 2001 bis Juli 2001
selbst bezahlt, damit der Pflegedienst seine Leistungen nicht einstellte. Die Erstattung dieser Zahlungen durch die
Beklagte sei Ziel der Klage.
Die mit Beschluss vom 27. Februar 2006 als Trägerin der Sozialhilfe beigeladene Freie und Hansestadt Hamburg hat
im Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt. Sie hält die Klage für zulässig, da der Kläger ein
rechtlich geschütztes Interesse an der Feststellung habe, dass die Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien, um
für die Zukunft geklärt zu wissen, dass bei unveränderten Verhältnissen er einen eigenen Haushalt habe. Sie ist der
Auffassung, dass der Kläger in der Wohnanlage "L." in einem eigenen Haushalt gelebt habe.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist auch begründet.
Für die Zeit ab 10. September 2001 ist die Berufung der Beklagten schon deshalb begründet, weil die Klage insoweit
unzulässig und daher abzuweisen ist. Da die Beigeladene ab dieser Zeit mit Leistungen nach dem BSHG eingetreten
ist und die Rechnungen der P. GmbH für die häusliche Krankenpflege bezahlte, kommt wegen der Nachrangigkeit der
Leistungen der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen nach § 104
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Beklagte dem Grunde nach in Betracht. Zugleich aber gilt der
Leistungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 107 Abs. 1 SGB X insoweit als erfüllt (BSG 28.5.2003 – B
3 KR 32/02 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 2). Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist
daher insoweit unzulässig.
Die Klage ist aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts für die Zeit ab 10. September 2001 auch als
Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) unzulässig. Für die Zulässigkeit dieser Klage wäre
erforderlich, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine konkrete, in naher Zukunft oder doch
absehbarer Zeit tatsächlich bevorstehende Gefahr der Wiederholung des erledigten Verwaltungsakts bei im
Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen besteht (Meyer-Ladewig, in:
ders./Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 131 Rn. 10, 10b). Daran fehlt es hier. Der Kläger lebt schon seit Februar
2004 nicht mehr in der Wohnanlage "L.", die zum 1. Mai 2004 aufgelöst wurde.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für die Vergangenheit kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil
für die Zeit vom Einzug des Klägers in die Wohnanlage "L." am 10. November 2000 bis 31. Dezember 2000 die
Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den diese Zeit betreffenden Ablehnungsbescheid vom 4. Januar 2001
aus formalrechtlichen Gründen abgeholfen hatte und für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege in dieser Zeit an
die P. GmbH zahlte.
Der Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage steht auch die Erwägung entgegen, dass der Kläger, soweit er
beschwert ist, seine Rechte durch eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen kann. Er hat seine
Rechte wegen der ihm in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 9. September 2001 im Verhältnis zur P. GmbH
entstandenen Kosten und von ihm übernommenen Zahlungsverpflichtungen dadurch geltend gemacht, dass er gegen
die Bescheide der Beklagten, welche den Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege verneint hatten,
Widerspruch einlegte, das Vorverfahren betrieb und gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid eine kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage – gestützt auf § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V – erhob. Dass der Kläger wegen der von
der Beigeladenen ab 10. September 2001 erbrachten Vorausleistung und der Erfüllungswirkung des § 107 Abs. 1 SGB
X ab diesem Zeitpunkt weder Anspruch auf Sachleistung nach § 37 Abs. 2 SGB V noch Anspruch auf
Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat, so dass der Klage gegen die angefochtenen Bescheide
insoweit der Boden entzogen ist, gibt keine Berechtigung, das Vorliegen der Voraussetzungen einer
Fortsetzungsfeststellungsklage anzunehmen.
Für den Zeitraum vor dem 10. September 2001 jedoch, in welchem nicht bereits die Beklagte im ersten Quartal 2001
ohne entsprechenden Bewilligungsbescheid für Leistungen der häuslichen Krankenpflege an die P. GmbH zahlte und
der Kläger die Kosten für die häusliche Krankenpflege selbst trug oder er entsprechende Zahlungsverpflichtungen
übernahm, ist die Klage ohne den Umweg über eine Fortsetzungsfeststellungsklage als kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Für diese Zeit lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen der
häuslichen Krankenpflege durch die mit der Klage angegriffenen Bescheide ab, erbrachte die P. GmbH die ärztlich
verordneten Leistungen und bezahlte der Kläger diese für einige Monate aus seinem Vermögen – vermittelt durch
seine Betreuerin – selbst und blieb die Bezahlung für andere Monate schuldig. Dabei kann dahingestellt bleiben, für
welche Monate im Einzelnen der Kläger Rechnungen des Pflegedienstes bezahlte und für welche er Zahlungen
schuldig blieb. Denn jedenfalls trat die Beigeladene in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 9. September 2001 nicht mit
Sozialhilfe ein und zahlte an die P. GmbH für deren Leistungen der häuslichen Krankenpflege nichts. Insoweit handelt
es sich um eine Klage gegen die eine Leistungsbewilligung ablehnenden Bescheide der Beklagten, mit der der Kläger
die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für die selbstbeschaffte Leistung bzw. Freistellung von
übernommenen Zahlungsverpflichtungen begehrt; der Freistellungsanspruch wird von der auf Kostenerstattung
zugeschnittenen Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V mit umfasst (BSG 28.5.2003 – B 3 KR 32/02 R, SozR 4-2500 § 37
Nr. 2).
Soweit sie zulässig ist, ist die Klage aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung oder
Freistellung von übernommenen Zahlungsverpflichtungen hinsichtlich der in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 9.
September 2001 von der P. GmbH erhaltenen häuslichen Krankenpflege. Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB
V knüpft daran an, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für
die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB
V setzt einen Anspruch auf die Sachleistung, hier nach § 37 Abs. 2 SGB V, voraus. An diesem fehlt es aber
vorliegend, weil der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis 9. September 2001 in der Wohnanlage "L." nicht über
eine eigene Häuslichkeit im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V verfügte.
§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung, die im streitbefangenen Zeitraum galt, lautet:
Versicherte erhalten in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie
zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Der Senat hat bereits im Beschluss vom 8. März 2006 (L 1 B 400/05 ER KR) und im Urteil vom 30. August 2006 (L 1
KR 88/05) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. September 2005 (B 3 KR 19/04 R,
SozR 4-2500 § 37 Nr. 5) ausgeführt, dass ein Versicherter als Bewohner einer Einrichtung des betreuten Wohnens
keinen eigenen Haushalt im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V führt, wenn ihm keine eigenverantwortliche
Wirtschaftsführung möglich ist. Nach diesem Urteil des Bundessozialgerichts geht die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz
1 SGB V davon aus, dass Behandlungspflege nur im eigenen Haushalt oder in der Familie zu erbringen ist, wo die
hauswirtschaftliche Grundversorgung (insbesondere Kochen, Waschen, Raumpflege etc.) sichergestellt ist. Ein
eigener Haushalt in einer Einrichtung steht dann zur Verfügung, wenn der Versicherte die Kosten der häuslichen
wohnungsmäßigen familienhaften Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt. Entscheidend kommt
es darauf an, ob dem Betroffenen noch eine eigenständige und eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist.
Gemessen hieran, genügen vorliegend die tatsächlichen Umstände nicht, um das Leben des Klägers in einem eigenen
Haushalt anzunehmen. Die rein wirtschaftlichen im Sinne von finanziellen Voraussetzungen lagen hier zwar bis zum
9. September 2001 vor, denn in dieser Zeit finanzierte der Kläger seinen Aufenthalt in der Wohnanlage aus eigenen
Mitteln selbst. Er stand im streitbefangenen Zeitraum unter Betreuung, deren Aufgabenkreis die Gesundheitsfürsorge,
Bestimmung des Aufenthaltes im Rahmen der Gesundheitsfürsorge und die Vermögenssorge umfasste. Vermittelt
über seine Betreuerin bezahlte der Kläger, bis das ererbte Vermögen aufgebraucht war, die für seine Unterbringung
und Versorgung in der Wohnanlage ihm gegenüber erbrachten Leistungen; er zahlte auch auf Rechnungen der P.
GmbH für Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Für sein Zimmer und die Nutzung der Gemeinschaftsräume hatte
der Kläger eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 535,06 DM zu leisten. Für die hauswirtschaftliche Versorgung
(ohne Verpflegung) hatte er Beträge zwischen ca. 450 bis 650 DM im Monat aufzuwenden. Die monatlichen Kosten für
die ihm von der Beigeladenen bewilligten personenbezogenen Hilfen für psychisch kranke Menschen nach §§ 39, 40
BSHG im Umfang von 40, später 37 Stunden pro Monat individueller Betreuung und 12, später 8 Stunden pro Monat
Gruppenarbeit betrugen bis zu 3.010 DM. Da schon die Miete nahezu die Hälfte, die Miete einschließlich der Kosten
der hauswirtschaftlichen Versorgung (ohne Verpflegung) nahezu den Gesamtbetrag der Erwerbsunfähigkeitsrente des
Klägers verbrauchte, war er zur Finanzierung der erforderlichen weiteren Betreuungsleistungen aus eigener Kraft nur
so lange in der Lage, wie er ererbtes Vermögen besaß. Dies war bis Anfang September 2001 der Fall.
Diese zeitlich begrenzte finanzielle Leistungsfähigkeit reicht jedoch allein nicht aus, um einen eigenen Haushalt im
Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V annehmen zu können. Auch dem Bundessozialgericht geht es nicht nur um die
finanzielle Seite. Es formulierte auch inhaltliche Voraussetzungen. Eine eigene Häuslichkeit in einer Einrichtung wird
also nicht allein dadurch begründet, dass der Versicherte die Kosten seiner Unterbringung und Versorgung in einer
Einrichtung aus eigener Kraft aufzubringen vermag. Hinzu kommen müssen für eine Eigenständigkeit und
Eigenverantwortlichkeit sprechende tatsächliche Umstände, die trotz des Lebens in einer Einrichtung den Schluss auf
eine häusliche wohnungsmäßige familienhafte Lebens- und Wirtschaftsführung erlauben. Hinreichende Umstände
dieser Art lagen hier beim in der Wohnanlage "L." lebenden Kläger nicht vor.
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem zwischen dem Kläger und der a. GmbH abgeschlossenen Mietvertrag
entgegen seiner äußeren Form nicht um einen Vertrag über ein reguläres Mietverhältnis auf dem allgemeinen
Wohnungsmarkt handelte. Unterkünfte in der Wohnanlage "L." auf dem Gelände des Klinikums N. waren nicht
Bestandteil des allgemeinen Wohnungsmarkts. Vielmehr wechselte der Kläger, der zuvor im Rahmen des
Maßregelvollzugs nach § 63 Strafgesetzbuch in einem psychiatrischen Krankenhaus – ebenfalls auf dem Gelände
des Klinikums N. – untergebracht war, nach bedingter Entlassung am 10. November 2000 auf Weisung der
Strafvollstreckungskammer mit dem Eintritt in die Einrichtung "L." nur in eine andere Form betreuten Wohnens in
wohnheimmäßiger Unterbringung.
Als Bewohner dieser Einrichtung führte der Kläger nicht als Mieter zusammen mit anderen Mietern in einer
gemeinschaftlichen Wohnform – wie sie etwa in Seniorenwohnanlagen oder in Mehrgenerationenhäusern angetroffen
werden kann – eigenverantwortlich einen Haushalt. Er organisierte seinen Lebensalltag nicht – auch nicht zusammen
mit anderen Bewohnern der Einrichtung "L." – im Wesentlichen selbst. Vielmehr war ihm – wie den anderen
Bewohnern der Wohnanlage – die Verantwortung für die Organisation seines Lebensalltags durch die umfassenden
Betreuungs- und Versorgungsleistungen, die die P. GmbH in der Einrichtung erbrachte, weithin abgenommen. Daran
ändert nichts, dass der Kläger seine hauswirtschaftliche Versorgung noch in Teilen selbst zu leisten vermochte. Denn
er tat dies unter dem Schutz der Gewährleistungsfunktion, die der Träger der Wohnanlage und die P. GmbH für die
Einrichtung "L." übernommen hatten.
Hinzu kommt, dass der Kläger in dieser geschützten Einrichtung nur deshalb Aufnahme fand, weil seine Fähigkeit, an
der Gemeinschaft teilzuhaben, erheblich eingeschränkt war. Er litt unter chronifizierter paranoider Schizophrenie und
sonstigen organischen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. Für ihn waren ein Grad der Behinderung von 100
und das Merkzeichen H anerkannt. Seine Einbindung in die Einrichtung "L." war von der Strafvollstreckungskammer
eben deshalb für erforderlich gehalten worden, weil er einen eng strukturierten Rahmen benötige. Für erforderlich hielt
die Strafvollstreckungskammer auch, dass auf die regelmäßige Einnahme der Medikation durch den Kläger zu achten
sei. Viermal täglich und siebenmal wöchentlich sollten ihm im Rahmen der hier streitigen häuslichen Krankenpflege
die Medikamente Leponex, Akineton, Tavor, Truxal und Risperdal wegen seiner labilen Compliance und einer
Behandlungsauflage der Strafvollstreckungskammer verabreicht werden. Hieraus und aus dem Inhalt der Akten im
Übrigen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger mit der eigenständigen und eigenverantwortlichen
Führung eines eigenen Haushalts, unabhängig von der nur zeitweise bestehenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit,
auch inhaltlich überfordert gewesen wäre. Für die hier vertretene engere Definition des Haushaltsbegriffs in § 37 Abs.
2 Satz 1 SGB V spricht nicht zuletzt, dass der Gesetzgeber erst durch Art. 1 Nr. 22 GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung vom 1. April 2007 (Art.
46 Abs. 1 GKV-WSG) den § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V dahin geändert hat, dass Versicherte häusliche Krankenpflege
nicht nur in ihrem Haushalt oder ihrer Familie, sondern nunmehr auch "sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere
in betreuten Wohnformen," erhalten können. Diese Neuregelung soll ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf
"durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs" bewirken, "dass in der gesetzlichen Krankenversicherung
neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher
Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden" (BT-Drucks. 16/3100, S. 104). Diese
ausdrücklich als Erweiterung bezeichnete Gesetzesänderung dürfte künftig Fälle wie die vorliegend streitige
Wohnform des Klägers in der Einrichtung "L." zu erfassen vermögen. Zugleich stützt sie die Auslegung des Senats,
dass entsprechende Wohnformen nicht schon zuvor von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erfasst waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.