Urteil des LSG Hamburg vom 18.11.2004

LSG Ham: rente, erwerbsunfähigkeit, behinderung, krankheit, erwerbsfähigkeit, bestätigung, hauptsache, arbeitsentgelt, erwerbstätigkeit, beratung

Landessozialgericht Hamburg
Beschluss vom 18.11.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 39 RJ 1313/00
Landessozialgericht Hamburg L 1 RJ 31/04
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. März 2004 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des
Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 24. März 2004 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Der
Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit statt der ihm laufend gewährten
Berufsunfähigkeitsrente, denn er sei wegen des weiter vorliegenden vollschichtigen Leistungsvermögens nicht
erwerbsunfähig.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei nicht zutreffend.
Sowohl das vom Gericht eingeholte Gutachten des Neurologen/Psychiaters Dr. N. als auch das gemäß § 109
Sozialgerichtsgesetz (SGG) veranlasste psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten von Dr. C. brächten einen
wesentlichen Faktor der Erwerbsfähigkeit nicht auf den Punkt. Er könne nicht mehr erwerbstätig sein, weil er nicht
mehr in der Lage sei, Kontakt mit anderen Menschen aufzunehmen. Aus Schamgefühl gehe er sämtlichen Kontakten
aus dem Weg.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. März 2004 aufzuheben sowie den
Bescheid der Beklagten vom 21. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2000
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide sowie die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der Verwaltungsakten der
Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann gemäß § 153 Abs. 4 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da es sie einstimmig für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143,
144, 151 SGG) ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Rente.
Auf den Rechtsstreit sind die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzuwenden (§ 300
Abs. 1 SGB VI).
Gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur
Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie u.a. erwerbsunfähig sind.
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen,
das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine
Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2
Satz 2 SGB VI).
Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht nicht, denn der Kläger ist nicht
erwerbsunfähig, weil nach den überzeugenden Ausführungen des Internisten Dr. S. und des Neurologen/Psychiaters
Dr. N. noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen vorliegt.
Demgegenüber sind die Darlegungen im psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten von Dr. C. in sich
widersprüchlich und die Schlussfolgerungen zum Restleistungsvermögen lassen sich nicht aus den erhobenen
Befunden nachvollziehbar ableiten. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht daher die auf
Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gerichtete Klage unter Bestätigung der Bescheide der Beklagten
als rechtmäßig abgewiesen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und
nimmt auf die Gründe dieses Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Da das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt ist, besteht auch kein Anspruch auf
Rente wegen Erwerbsminderung. Gemäß § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte
u.a. Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht
absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs
(teilweise Erwerbsminderung gemäß Abs. 1) bzw. drei (volle Erwerbsminderung gemäß Abs. 2) Stunden täglich
erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigen (Abs. 3). Wegen des bei dem Kläger bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögens mit
solchen qualitativen Einschränkungen, die eine Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes nicht ausschließen, steht ihm eine solche Rente nach den auch insoweit zutreffenden Ausführungen
des Sozialgerichts nicht zu.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger nichts vorgetragen, was die Richtigkeit dieser Entscheidung in Frage stellen
würde. Seine Behauptung, er sei an einer Arbeitstätigkeit gehindert, weil er den Kontakt und Umgang mit Menschen
nicht ertragen könne, wird in keinem der Gutachten bestätigt. Selbst wenn der Kläger sein Leben so einrichten mag,
dass er möglichst wenig mit Menschen zu tun hat, steht ihm die begehrte Rente nicht zu. Nach den auch in diesem
Punkt überzeugenden Ausführungen von Dr. N. ist der Kläger in der Lage, Hemmungen gegenüber einer
Arbeitsaufnahme – und damit ebenfalls seinen Wunsch nach Kontaktmeidung – zu überwinden. Da bei dem Kläger ein
vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen vorliegt, kommt es nicht
darauf an, in welchem Umfang Medikamente zur Besserung der Ängste führen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.