Urteil des LSG Hamburg vom 02.04.2009

LSG Ham: berufliche tätigkeit, arbeitsgemeinschaft, hamburger, rechtswidrigkeit, beiladung, arbeitsmarkt, beratung, verwaltungsverfahren, form, hauptsache

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 02.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 17 AL 1957/04
Landessozialgericht Hamburg L 5 AL 54/07
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist der Anspruch des Klägers auf Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme.
Der 1975 geborene Kläger bezog von der Beklagten Arbeitslosenhilfe nach den Vorschriften des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB III) bis zum 31. Dezember 2004. Unmittelbar anschließend ab 1. Januar 2005 bezog und
bezieht er seither Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
von der – im Berufungsverfahren beigeladenen – Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II.
Am 28. Juni 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen
Weiterbildungsmaßnahme zum Linux Systemadministrator & SLCP und CLE (Linux).
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 30. Juli 2004 ab. Eine bedeutende Arbeitskräftenachfrage für die
angestrebte spätere berufliche Tätigkeit bzw. das angestrebte Bildungsziel werde von ihr nicht prognostiziert. Auch
sei die Erforderlichkeit der begehrten Maßnahme für die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt nicht erkennbar.
Den Widerspruch des Klägers vom 27. August 2004 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. Februar
2005 zurück.
Mit seiner zunächst als Untätigkeitsklage erhobenen, nach Erlass des Widerspruchsbescheides als Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage fortgeführten Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat den Kläger in einem Erörterungstermin am 29. April 2005 darauf hingewiesen, dass das gegen
die Beklagte gerichtete Antragsbegehren keinen Erfolg haben könne, da der Kläger Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehe und die Beklagte daher nicht mehr der für ihn zuständige Leistungsträger
sei.
Nach Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klagverfahren durch Beschluss des
Sozialgerichts, Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde des Klägers durch das Landessozialgericht und
Anhörung der Beteiligten zur Absicht des Sozialgerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hat das
Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 3. August 2007 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch
gegen die Beklagte auf die begehrten Förderungsleistungen. Dies scheitere schon an § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB III,
wonach Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung durch die Beklagte nicht an erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne
des SGB II erbracht würden. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger seit 1. Januar 2005. Zuständig für ihn sei
nach § 16 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II seither allein die Hamburger
Arbeitsgemeinschaft SGB II. Deren vom Kläger begehrte Beiladung sei gleichwohl unterblieben, da auch ein Anspruch
des Klägers gegen sie nicht in Betracht komme. Die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen
Weiterbildungsmaßnahme stehe im Ermessen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II. Eine
Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne, dass nur die Förderung der vom Kläger begehrten
Weiterbildungsmaßnahme in Betracht komme, sei nicht festzustellen. Auch die Entscheidungen der Beklagten seien
im Übrigen Ermessensentscheidungen gewesen und auch insoweit würde eine Ermessensreduzierung auf Null nicht
bestanden haben. Deshalb komme die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen der
Beklagten nicht in Betracht.
Gegen den am 8. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 5. September 2007 Berufung
eingelegt. Mit dieser begehrt er für das primäre Begehren der Förderung der Teilnahme an einer beruflichen
Weiterbildungsmaßnahme die Beiladung und Verurteilung der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II, sekundär
begehrt er Feststellungen gegen die Beklagte bezüglich Verletzungen ihrer Amtspflichten.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers durch Beschluss vom 20. Dezember 2007 nach § 75 Abs. 1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II beigeladen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 3. August 2007 aufzuheben, die Rechtswidrigkeit des
Bescheides der Beklagten vom 30. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005
festzustellen und die Beigeladene zu verurteilen, seine Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme
gemäß seinem Antrag vom 1. Juni 2007 zu fördern; zudem stellt er den Antrag nach § 192 Abs. 4 SGG.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat erneut betont, dass der Kläger nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB III keinen Anspruch auf Gewährung von
Förderungsleistungen gegen sie habe. Er habe bei ihr auch keine weiteren Anträge auf Förderungsleistungen nach
dem SGB III gestellt. Seit dem 1. Januar 2005 sei für ihn ausschließlich die Beigeladene zuständig gewesen. Auch
der Feststellungsantrag des Klägers könne keinen Erfolg haben.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie hat auf den angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen und sich den
Ausführungen der Beklagten angeschlossen. Aus einer beigefügten Stellungnahme des Job Centers Altona ergibt
sich, dass der Kläger mit Schreiben vom 1. Juni 2007 bei der Beigeladenen Leistungen zur Förderung der Teilnahme
an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme beantragt hat.
Durch Beschluss vom 26. Januar 2009 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zur
Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte nebst einem Heft Unterlagen des Klägers, der
Leistungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie der Prozessakten L 5 AL 58/05, S 50 AS 349/06, S 50 AS
342/07 ER, S 50 AS 1373/07 ER, S 50 AS 2635/07 ER, S 51 AS 40/09 und S 51 AS 41/09 Bezug genommen. Diese
Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und
entscheiden, weil das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss vom 26.
Januar 2009 die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat, der nach § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den
ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Der Beschluss ist den Beteiligten am 5. bzw. 6. Februar 2009 zugestellt worden.
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet.
Die Beklagte hat den streitbefangenen Antrag des Klägers auf Förderungsleistungen durch den Bescheid vom 30. Juli
2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat im
maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung schon deshalb keinen Anspruch auf Förderungsleistungen
gegen die Beklagte, weil er seit 1. Januar 2005 von der Beigeladenen Leistungen nach dem SGB II bezieht und
seither die Beklagte mit Blick auf die begehrten Förderungsleistungen nicht mehr für ihn zuständig ist. Auf die
Ausführungen des Sozialgerichts wird insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Entsprechend hat der Kläger zuletzt sein gegen die Beklagte gerichtetes Begehren auf die Feststellung der
Rechtswidrigkeit des seinen Antrag auf Förderungsleistungen ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 30. Juli
2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2005 umgestellt. Auch diese Feststellung aber
kommt nicht in Betracht. Schon das erforderliche, auf die inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der
Ablehnungsentscheidung der Beklagten gerichtete, rechtlich anzuerkennende Interesse des Klägers besteht nicht.
Insbesondere scheidet eine Wiederholungsgefahr aus, nachdem die Beklagte bereits seit 1. Januar 2005 nicht mehr
der insoweit für ihn zuständige Leistungsträger ist. Aber auch zur Vorbereitung eines gegen die Beklagte gerichteten
Amtshaftungsprozesses kommt eine inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung nicht in
Betracht. Denn dieser ist bislang weder angestrengt noch ist naheliegend, dass er mit Bezug auf die streitbefangene
Ablehnung seines Antrags auf Förderung der begehrten Maßnahme durch die Beklagte vom Kläger ernsthaft
angestrengt werden soll. Zudem würde auch in einem solchen Prozess zu berücksichtigen sein, dass die Beklagte
nicht erst im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung, sondern schon im Zeitpunkt ihres Widerspruchsbescheides
am 2. Februar 2005 nicht mehr der für den Kläger zuständige Leistungsträger war und ihre Ablehnungsentscheidung in
der Gestalt dieses Widerspruchsbescheides schon deshalb rechtmäßig war.
Ein Anspruch des Klägers auf die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme kommt
daher von vornherein nur gegen die nunmehr insoweit für ihn zuständige Beigeladene in Betracht. Doch scheidet die
vom Kläger begehrte Verurteilung der Beigeladenen vorliegend dennoch aus.
Denn zum einen hat der Kläger nicht unmittelbar oder auch nur zeitnah nach dem 1. Januar 2005 die hier
streitbefangene, zunächst von der Beklagten begehrte Förderungsleistung nach § 16 SGB II in Verbindung mit dem
SGB III bei der Beigeladenen deshalb beantragt, weil zum 1. Januar 2005 ein Zuständigkeitswechsel stattgefunden
hat. Vielmehr hat er erst mit Schreiben vom 1. Juni 2007, bei der Beigeladenen eingegangen am 5. Juni 2007, auch
gegenüber der Beigeladenen ein konkretes Förderungsbegehren durch Benennung von Fortbildungsmöglichkeiten und
-maßnahmen formuliert. Dieses unterscheidet sich zudem von dem gegenüber der Beklagten am 28. Juni 2004
formulierten Begehren. Über diesen Förderungsantrag mit Schreiben des Klägers vom 1. Juni 2007 hat die
Beigeladene bislang nicht entschieden. Zum anderen ist auch dieser Antrag insoweit nicht mehr aktuell, als der Kläger
im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. April 2009 – in der Sache zutreffend – erklärt hat, er möge nicht an
seinem im Jahr 2004 gegenüber der Beklagten formulierten Antrag auf eine Fortbildungsleistung festgehalten werden.
Ihm gehe es nun darum, eine Fortbildungsmaßnahme zu erhalten, die ihm heute nütze. Gewünscht sei von ihm, dass
nach Beratung durch die Beigeladene eine Fortbildung für ihn bewilligt werde, mit der er unter den derzeitigen
Bedingungen auf dem IT-Arbeitsmarkt weiterkomme. Welche Fortbildungsmaßnahme genau dies sei, könne er gar
nicht vorgeben, sondern nur die Richtung angeben. Die Beigeladene hat hierauf im Termin erklärt, es sei erforderlich
und von ihrer Seite auch beabsichtigt, eine Eingliederungs- und Vermittlungsstrategie im dafür vorgesehenen
fachlichen Verfahren auf den Weg zu bringen und mit dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Der
so vom Kläger wie von der Beigeladenen vorgezeichnete Weg ist der fachlich wie rechtlich sachdienliche und richtige.
Die ohnehin nur einfache Beiladung der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II zu diesem Rechtsstreit des Klägers
gegen die Beklagte durch das Berufungsgericht kann und soll nicht dazu dienen, dass die zur Prüfung und
Entscheidung des Antrags des Klägers auf Fortbildungsleistungen erheblichen Tatsachen zunächst und erstmals
durch das Gericht zu ermitteln sind, wenn und weil anschließend allererst die Beigeladene zu einer eigenen
Ermessensentscheidung aufgerufen ist. Diese – bislang ausstehende – Entscheidung kann in diesem Verfahren
ohnehin nicht durch das Gericht ersetzt werden.
Es ist daher auch nicht untunlich, den Kläger mit Blick auf sein gegen die Beigeladene gerichtetes Begehren zunächst
auf das Verwaltungsverfahren und gegebenenfalls anschließend auf ein eigenes Rechtsschutzverfahren gegen die
Beigeladene zu verweisen. Er ist von Beginn an, schon im Jahr 2005, durch das Gericht darauf hingewiesen worden,
dass ein Anspruch gegen die Beklagte nicht mehr in Betracht kommt und nunmehr die Beigeladene für ihn zuständig
ist. Es ist daher auch nur ein eigenes Verfahren gegen die Beigeladene tunlich, das mit einem Verwaltungsverfahren
zu beginnen hat. Denn über den hier streitbefangenen Antrag vom 28. Juni 2004 konnte die Beigeladene noch nicht
entscheiden und über den Antrag des Klägers mit Schreiben vom 1. Juni 2007 hat sie zwar ein Verfahren eingeleitet,
bislang aber noch nicht im dafür vorgesehenen fachlichen Verfahren eine Eingliederungs- und Vermittlungsstrategie
für den Kläger entwickelt und über den Antrag auch noch nicht entschieden. Vor einer Entscheidung werden durch die
Beigeladene Tatsachenfeststellungen zu treffen und im Zusammenwirken mit dem Kläger fachliche Erwägungen zu
einer Eingliederungs- und Vermittlungsstrategie für diesen anzustellen sein. Erst auf ihrer Grundlage kommt eine
Entscheidung der Beigeladenen über das Begehren des Klägers in Betracht, die ihrerseits zum Gegenstand
gerichtlicher Überprüfung zu werden vermöchte.
Der Senat hat im Termin davon abgesehen, den Beiladungsbeschluss aufzuheben; auch, um vorstehende
Anmerkungen, die schon Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung waren, in die
Entscheidungsgründe einfließen zu lassen. Eine Verurteilung der Beigeladenen, wie der Kläger sie begehrt hat, war
aber ausgeschlossen.
Nicht in Betracht kam von vornherein die Auferlegung von Kosten nach § 192 Abs. 4 SGG, die der Kläger im Termin
beantragt hat. Denn das Gericht hat schon nicht von der Beklagten oder der Beigeladenen unterlassene Ermittlungen
nachgeholt.
Über den erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils formlos und ohne Belege
gestellten Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen, war nicht mehr zu
entscheiden. Im Zeitpunkt der Antragstellung war das Berufungsverfahren bereits abgeschlossen. Zudem hatte im
Berufungsverfahren der Kläger sich auch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, so dass sein Antrag
ohnehin ins Leere ging.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.