Urteil des LSG Hamburg vom 27.03.2009
LSG Ham: eltern, wartezeit, rente, brot, lebensmittel, beitragszeit, lebenserfahrung, anerkennung, aufenthalt, wahrscheinlichkeit
Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 27.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 10 RJ 1055/03
Landessozialgericht Hamburg L 6 R 75/06
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. März 2006 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente unter Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit sowie von
Ersatzzeiten.
Die am XX.XXXXXX 1935 in K., Krs. L., seinerzeit Polen (Galizien), als Tochter jüdischer Eltern geborene Klägerin
emigrierte 1957 aus Polen nach Israel und lebt spätestens seit Anfang der 70er Jahre in Kanada. Durch Bescheid des
Regierungspräsidenten Köln vom 21. August 1967 wurde sie als rassisch Verfolgte nach dem
Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und ihr wegen einer vom Juli 1941 bis einschließlich Dezember 1942
im Ghetto Kolomyja erlittenen Freiheitsentziehung eine Entschädigung für Schaden an Freiheit in der Form einer
Beihilfe nach Art V Nr. 1 Abs.1, Abs. 10a BEG-Schlussgesetz in Höhe von 2.200 DM zuerkannt. Dieser Entscheidung
vorausgegangen war der Antrag der Klägerin vom 11. November 1966, in dem sie angegeben hatte, sich von Juli 1941
bis Dezember zwangsweise im Ghetto Kolomyja und anschließend bis März 1944 in den Wäldern der Umgebung von
Kolomyja und Turka aufgehalten zu haben. In einer am 27. Oktober 1966 vor dem Notar in Haifa abgegebenen
eidesstattlichen Versicherung hatte sie ausgeführt, mit ihren Eltern im Dezember 1942 aus dem Ghetto Kolomyja in
die Wälder von Turka-Kolomyja geflüchtet zu sein. Bis März 1944 hätten sie sich bei einem Bauern im Keller
versteckt. Vorher im Ghetto Kolomyja habe sie unter den schwersten Bedingungen in Elend und Not gelebt, habe
unter Hunger und Kälte gelitten, sei sehr oft krank und vollkommen ihrer Freiheit beraubt gewesen.
Einige Jahre zuvor hatte die Mutter der Klägerin, Frau S. M., in ihrem Entschädigungsverfahren zu ihren
Lebensumständen im Ghetto Kolomyja in einer am 10. April 1962 vor dem Notar in Tel Aviv abgegebenen
eidesstattlichen Versicherung u. a. ausgeführt, sie sei gleich nach der Gründung des Ghettos dort eingewiesen und zu
Zwangsarbeiten herangezogen worden. Sie habe außerhalb des Ghettos in Turka bei Kolomyja Feldarbeiten verrichtet.
Für diese Arbeit sei sie nicht entlohnt worden. Zur Arbeit sei sie täglich unter Bewachung geführt worden. Dies war
von N. K1, geb. XX.XXXXXXXX 1910 in K., und von B. E., geb. 1903 in K., in am gleichen Tag abgegebenen
eidesstattlichen Versicherungen bestätigt worden.
Am 25. Mai 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente aufgrund von
Beschäftigungszeiten in einem Ghetto. Ende Juni 2003 gab sie an, sich von November 1941 bis März 1943 im Ghetto
Kolomyja aufgehalten und dort die Straßen gefegt, Müll und Papier gesammelt, Wasser gepumpt und Wassereimer
geschleppt zu haben.
Bereits vor Eingang dieser Tätigkeitsbeschreibung hatte die Beklagte die Gewährung einer Rente mit Bescheid vom
18. Juni 2003 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe die dafür erforderliche Wartezeit von fünf Jahren mit
anrechenbaren Zeiten (Beitrags-, Ersatz und Kindererziehungszeiten) nicht erfüllt, denn es seien keine auf die
Wartezeit anrechenbaren Zeiten vorhanden. Die Zeit während des Zweiten Weltkrieges sei nicht als Zeit einer
Beschäftigung im Ghetto anzurechnen, weil nicht glaubhaft sei, dass sie im Kindesalter eine Beschäftigung auf
freiwilliger Basis ausgeübt habe.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin zur Stützung des von ihr verfolgten Anspruchs auf
einen Artikel in der Canadian Jewish News vom 26. Juni 2003, dem zufolge jeder, der gegenwärtig 65 Jahre und älter
sei und während des Zweiten Weltkriegs in einem Ghetto gelebt und gearbeitet habe, (durch die HRDC – Human
Resources Development Canada, eine von der kanadischen Regierung geschaffene Institution) Rente aus der
deutschen Rentenversicherung beantragen könne. In der Sache selbst trug sie vor, sie habe, um im Ghetto zu
überleben und für ein extra Stück Brot von November 1941 bis März 1943 Straßen gekehrt, Mist und Gemüseschalen
zusammengeräumt, Wasser gepumpt und Wassereimer geschleppt.
Der Widerspruch hatte keinen Erfolg. In ihrem Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2003 wies die Beklagte darauf
hin, dass die Klägerin zu Beginn der strittigen Zeit erst das sechste Lebensjahr vollendet und bei ihrem Ende kurz vor
Vollendung des achten Lebensjahres gestanden habe. Auch wenn es keine starre Altersgrenze für die Anerkennung
von Ghettobeitragszeiten gebe, widerspreche es doch jeglicher Lebenserfahrung, dass Kinder im Alter weniger als
acht Jahren die im Ghetto-Lodz-Urteil des Bundessozialgerichts vorgegebenen Grundsätze erfüllt hätten. Es sei
davon auszugehen, dass in diesem Alter Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht verrichtet worden seien.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin an ihrem Vortrag festgehalten und betont, sie habe sich im Ghetto
Kolomyja registrieren lassen und die Arbeit aus eigenem freien Willen aufgenommen, um zu überleben. Für ihre Arbeit
habe sie Lebensmittelgutscheine (food vouchers) erhalten, die sie später gegen Lebensmittel eingetauscht habe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6. März 2006 abgewiesen. Es hat sich die Auffassung
der Beklagten zu eigen gemacht und ergänzend darauf hingewiesen, dass • ein Aufenthalt der Klägerin im Ghetto
Kolomyja nach dem Dezember 1942 schon angesichts ihrer Angaben im Entschädigungsverfahren - Flucht mit den
Eltern aus dem Ghetto im Dezember 1942 - nicht überwiegend wahrscheinlich sei, • nach einschlägigen Quellen
(www.deathcamp.org/occupation/ghettolist.htm) das Ghetto in Kolomyja erst März 1942 errichtet und bereits im
Februar 1943 aufgelöst worden sei.
Die Klägerin hat gegen diesen ihr am 11. April 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 12. April 2006 Berufung
eingelegt. Sie führt aus, sie habe trotz ihres Alters freiwillig gearbeitet, weil sie Kinder gesehen habe, die im Ghetto
umhergewandert und getötet worden seien. Sie habe für ihre Arbeit Lebensmittelgutscheine erhalten, die sie gegen
Kleidung, zusätzliche Lebensmittel, Seife und andere Artikel des Lebensbedarfs eingetauscht habe.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. März 2006 und den Bescheid vom
18. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Juli 1997 Regelaltersrente unter Anrechnung der Zeit von Juli 1941 bis März 1943
als Ghetto-Beitragszeit sowie von Verfolgungsersatzzeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6.
März 2006 zurückzuweisen
Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Insbesondere bekräftigt sie, es
widerspreche auch unter Berücksichtigung der besonderen historischen Gegebenheiten der Lebenserfahrung, dass ein
Kind im Alter von 6 Jahren eine Beschäftigung im Sinne der bisherigen Entsprechung des Bundessozialgerichts zum
ZRBG, insbesondere der Rechtsprechung des 13. Senats (Urteil vom 7.10.2004 - Aktenzeichen B 13 RJ 59/03 R) aus
freiem Willensentschluss habe zustande kommen lassen können. Mit dem Tatbestandsmerkmal des § 1 ZRBG habe
der Gesetzgeber an die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG anknüpfen wollen. Das ZRBG sei durch
den Deutschen Bundestag in Reaktion auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1997 zu
Beschäftigungszeiten im Getto Lodz beschlossen worden. Die in § 1 ZRBG genannten Kriterien folgten ausdrücklich
dieser Rechtsprechung, nach der kennzeichnend für ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des
Rentenversicherungsrechts dessen Zustandekommen durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei
sowie der Zweck, nämlich der Austausch von Arbeitsleistung gegen Arbeitsentgelt. Zudem sei eine Freiwilligkeit auch
deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil die Klägerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 28.April 2006 angegeben habe, sie
habe eine Beschäftigung aufgenommen, um nicht getötet zu werden. Auch eine Entgeltlichkeit sei nicht glaubhaft
gemacht. Die Klägerin habe selbst angegeben, dass sie nur Sachleistungen beziehungsweise Gutscheine erhalten
habe. Dies sei laut Rechtsprechung des 13. Senates des BSG jedoch nicht ausreichend, um ein Entgelt im Sinne des
Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20. Juni 2002 (BGBl I
2002, 2074 - gültig ab 1. Juli 1997) bejahen zu können.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der
Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen
Bescheide sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente aus der deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach § 35 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der bis zum 31.
Dezember 2007 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr
vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) erfüllt haben. Auf die
allgemeine Wartezeit werden Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 und 4 SGB VI).
Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge
gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als
gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten in der deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung hat die Klägerin nicht zurückgelegt. Sie hat solche Zeiten weder behauptet noch gibt es für sie
irgendeinen Anhalt.
Die Klägerin hat aber auch keine Zeiten zurückgelegt, für die Pflichtbeiträge im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI
als gezahlt gelten, wie die fingierten Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1
Abs. 1 des Gesetzes über die Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) von 20.
Juni 2002 - gültig ab dem 1. Juli 1997. Hiernach wird die Zahlung von Beiträgen fingiert, wenn ein Verfolgter sich
zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten, dort aus eigenem Willensentschluss eine Beschäftigung aufgenommen
und diese Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt hat und das Ghetto sich in einem Gebiet befunden hat, das vom
Deutschen Reich besetzt oder in dieses eingegliedert war. Die Voraussetzungen für die Fiktion einer
Beitragsentrichtung müssen glaubhaft gemacht werden. Dies folgt aus § 1 Abs. 2 ZRBG, wonach die Vorschriften des
ZRBG die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der
Sozialversicherung (WGSVG) ergänzen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn
ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen,
überwiegend wahrscheinlich ist. Dass die Klägerin so genannte Ghetto-Beitragszeiten zurückgelegt hat, indem sie
während ihres Aufenthaltes im Ghetto Kolomyja eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene
Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt hat, ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich.
Es unterliegt nach den im Entschädigungsverfahren getroffenen Feststellungen keinem nachhaltigem Zweifel, dass
die Klägerin Verfolgte im Sinne des BEG ist und dass sie sich zumindest während eines Teiles der strittigen Zeit
zwangsweise im Ghetto Kolomyja aufgehalten hat. Dieses Ghetto befand sich in einem Gebiet, das vom Deutschen
Reich besetzt oder in dieses eingegliedert war, nämlich im Distrikt Galizien, der nach der Besetzung durch deutsche
Truppen im Juni 1941 ab dem 1. August 1941 als Teil des sog. Generalgouvernements unter deutsche Zivilverwaltung
gestellt wurde.
Es besteht jedoch schon keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin sich während der gesamten
strittigen Zeit von November 1941 bis März 1943 im Ghetto auf-gehalten hat.
Zweifelhaft ist schon, wann das Ghetto in Kolomyja eingerichtet wurde. Quellen im Internet zufolge - z. B.
http://www.jewishgen.org/yizkor/galicia/gal005.html: Extermination of the Jews of Galicia (Galicia, Poland), Kapitel 7:
Die Vernichtung der Juden von Kolomyja und Umgebung (Extermination of the Jews of Kolomyja and District),
Abschnitt 8: Die Einrichtung des Ghetto - geschah dies erst im März 1942. So heißt es in dieser Veröffentlichung, die
auf einer zur Erlangung des Doktorgrades am University College London verfassten Dissertation beruht, u. a.: "Anfang
März 1942 wurde dem Judenrat von Volkmann (dem Kreishauptmann) und Leideritz (SS) gesagt, die Juden hätten in
ein jüdisches Viertel (oder Wohnquartier) umzuziehen. Bis zum März 1942 war die Anzahl der Juden auf 17.000
reduziert worden. Der Rest war in Scheparowce, auf dem Friedhof und im Gefängnis getötet worden oder an Krankheit
oder Hunger gestorben. Es war die Absicht der Deutschen, nur 9.000 Juden zu erlauben, in einem Ghetto zu bleiben,
das im ärmsten Teil der Stadt abgesteckt werden sollte. Sie verlangten, dass der Judenrat ihnen alle alten, kranken
und arbeitsunfähigen Juden übergeben sollte. Ein Fehlschlag einer solchen Reduzierung würde drastischere Aktionen
der Deutschen nach sich ziehen." At the beginning of March, 1942, the Judenrat were told by Volkmann and Leideritz
that the Jews were to move into a Jewish quarter. By March, 1942, the number of Jews had been reduced to 17.000.
The rest had been killed in Scheparowce, the cemetery and the prison, or died of disease or starvation. It was the
Germans intention to allow only 9.000 Jews to remain in a Ghetto marked out in the poorest part of the town. They
demanded that the Judenrat hand over all old and sick Jews, and those not fit for work. Failure to reduce the Ghetto
by this means would mean more drastic action by the Germans. Unter
http://www.deathcamps.org/occupation/kolomyja%20ghetto.html heißt es u. a.: "Am 23. März 1942 wurde ein Ghetto
eingerichtet in drei Abteilungen – A, B und C. 16.000-18.000 Juden wurden gezwungen, in 520 Ghettohäuser
umzuziehen, unter ihnen Tausende von Flüchtlingen aus dem besetzten Polen, die seit September 1939
angekommen waren, sowie Juden, die aus den umliegenden Orten deportiert (Volkmann: "evakuiert") worden waren.
Die Lebensbedingungen waren genauso entsetzlich wie in anderen Ghettos. Die Juden litten an Hunger und Seuchen.
Gleichwohl versuchte der Judenrat, das Elend zu lindern, und organisierte kulturelle und schulische Veranstaltungen".
Am 3-6 April 1942, wurde das Ghetto C (wo die Arbeitsunfähigen zusammengepfercht waren), von SIPO und
SCHUPO umzingelt und zerstört. On 23 March 1942 a ghetto was established in three sections – A,B, and C. 16,000-
18,000 Jews were forced to move into 520 ghetto houses, among them the thousands of refugees from occupied
Poland who had arrived in Kolomyja since September 1939, and Jews deported (Volkmann: "evacuated”) from
surrounding villages. The living conditions were as appalling as in many other ghettos. The Jews suffered from famine
and epidemics. Nevertheless the Judenrat attempted to relieve the misery, even organizing cultural and educational
events. On 3-6 April 1942, Ghetto C (where those unfit for work were crammed together) was surrounded and
destroyed by Sipo and Schupo. Für den Sommer 1941 wird dort lediglich über die erste Bildung eines Judenrats
berichtet, für den September 1941 die Bestimmung eines Judenrats durch Volkmann und Leideritz von der SS.
Offen ist auch, bis wann die Klägerin mit ihren Eltern im Ghetto Kolomyja gelebt hat. Wenn sie seit dem Rentenantrag
vorträgt, sie habe bis einschließlich März 1943 im Ghetto Kolo-myja gearbeitet, so widerspricht dies ihren Angaben
und den damit übereinstimmenden und von Zeugen bestätigten Angaben ihrer Mutter in ihren
Entschädigungsverfahren, denen zufolge ihre Eltern mit ihr im Dezember 1942 aus dem Ghetto Kolomyja in die
Wälder von Turka-Kolomyja geflüchtet sind.
Unter diesen Umständen kann eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Aufenthalt der Klägerin im Ghetto
Kolomyja nur für die Zeit von März 1942 bis Dezember 1942 angenommen werden.
Es ist aber nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin innerhalb dieses Zeitraums im Ghetto Kolomyja eine aus
eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt hat. Es unterliegt
erheblichen Zweifeln, ob die Klägerin seinerzeit im Alter von sechs Jahren überhaupt in der Lage war, die von ihr
geschilderten körperlich schweren Arbeiten in einem nennenswerten Umfang - vor allem mehr als nur gelegentlich - zu
verrichten, bzw. in einem Umfang, der eine andere "Gegenleistung" als ein Stück Brot rechtfertigte. Zweifel an einer
solchen Beschäftigung der Klägerin werden auch dadurch genährt, dass sie in ihrem Entschädigungsverfahren bei der
Schilderung ihrer Lebensumstände - anders als ihre Mutter in ihrem Entschädigungsverfahren - nicht erwähnt hatte,
dass sie im Ghetto gearbeitet habe, sondern ausgeführt hatte, sie habe im Ghetto Kolomyja vor der Flucht unter den
schwersten Bedingungen in Elend und Not gelebt, habe unter Hunger und Kälte gelitten, sei sehr oft krank und
vollkommen ihrer Freiheit beraubt gewesen. Sollte sie sich selbst um Arbeit bemüht haben, um zu überleben, wie sie
im Widerspruchsverfahren ausgeführt hat, so würde dies voraussetzen, dass sie sich tagsüber von ihrer Mutter
getrennt hat, die den von Zeugen bestätigten Angaben in ihrem Entschädigungsverfahren zufolge tagsüber außerhalb
des Ghettos in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Das ist wenig wahrscheinlich. Denkbar - und nicht wesentlich
weniger wahrscheinlich - ist, dass ihre Mutter sie zur Arbeit mitnahm. Angesichts der Tatsache, dass diese -
unterstützt von Zeugenaussagen - betont hat, für ihre körperlich schwere Arbeit nicht entlohnt worden zu sein, ist es
eher unwahrscheinlich, dass ihre seinerzeit sechs Jahre alte Tochter - die Klägerin - entlohnt worden ist. Dies gilt
sowohl für eine von der Mutter getrennte Tätigkeit im Ghetto, als auch für den Fall, dass sie mit ihrer Mutter in der
Landwirtschaft gearbeitet hat. Unwahrscheinlich ist unter diesen Umständen insbesondere, dass die Klägerin
entsprechend ihrem Vortrag als Gegenleistung für von ihr verrichtete Arbeiten Gutscheine für Lebensmittel erhalten
hat, die sich als Entgelt im Sinne des § 2 ZRBG qualifizieren ließen. Dies gilt umso mehr, als sie diese Gutscheine
erstmalig nach der Zurückweisung ihres Widerspruchs im Klageverfahren erwähnt hat. Dass das von der Klägerin
erwähnte Stück Brot nicht einmal freiem Unterhalt entsprach und als Entgelt im Sinne des § 2 ZRBG nicht ausreicht,
bedarf keiner vertieften Erörterung.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2
SGG nicht bestanden hat.