Urteil des LSG Hamburg vom 11.12.2008

LSG Ham: spanien, arbeitslosenhilfe, leistungsanspruch, persönliches erscheinen, verfügung, grobe fahrlässigkeit, verordnung, erheblicher grund, rechtswidrigkeit, abgabe

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 11.12.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 25 AL 1454/03
Landessozialgericht Hamburg L 5 AL 14/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. November 2005 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten, der Arbeitslosenhilfe und
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 15. November 2000 bis 15. März 2001 betrifft.
Der 1963 geborene Kläger ist von Beruf Journalist. Er bezog auf seinen Antrag vom 12. Mai 2000 aufgrund des
Bewilligungsbescheides vom 26. Mai 2000 ab 13. Mai 2000 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 401,45 DM wöchentlich.
Wegen eines ungenehmigten Auslandsaufenthalts in Spanien hob die Beklagte die Leistungsbewilligung ab 5.
Dezember 2000 auf.
Am 15. Dezember 2000, einem Freitag, beantragte der Kläger bei der Beklagten nach der zwischenzeitlichen
Leistungsaufhebung die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Zugleich beantragte er ausweislich des Arbeitslosenhilfe-
Antragsformulars am 15. Dezember 2000 auch eine "E 303"-Bescheinigung für die Mitnahme seines
Leistungsanspruchs in das Ausland, gab an, ein Konto in Spanien einrichten zu wollen, und versicherte durch seine
Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Der Kläger bezog sodann aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 9. Januar 2001 ab 15. Dezember 2000
Arbeitslosenhilfe in Höhe von 401,45 DM wöchentlich bis 31. Dezember 2000 und 415,31 DM wöchentlich ab 1.
Januar 2001.
Am 16. März 2001 meldete sich der Kläger erneut persönlich bei der Beklagten.
Am 14. September 2001 gab der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten ausweislich
eines Beratungsvermerks an, er habe sich ab Anfang Januar 2001 in Spanien aufgehalten, könne bzw. wolle genaue
Daten des Auslandsaufenthalts aber nicht mitteilen.
In einem am 24. September 2001 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben trug der Kläger vor, der Arbeitsberater
der Beklagten Herr L. habe ihm versichert, mit Einreichung des Fragebogens sowie weiterer erforderlicher Unterlagen
sei der Antrag auf eine "E 303"-Bescheinigung genehmigt. Noch am Tage seiner Abreise habe er den vollständigen
Antrag bei der Beklagten abgegeben.
Durch Bescheid vom 17. Oktober 2001 nahm die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 9. Januar 2001 für die Zeit
vom 15. Dezember 2000 bis 15. März 2001 nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ganz
zurück. Dem Kläger bekannt gegeben wurde dieser Bescheid durch die Zweitschrift vom 16. November 2001. In der
Begründung des Aufhebungsbescheides heißt es, der Kläger sei am 15. Dezember 2000 nach Spanien ausgereist und
habe der Arbeitsvermittlung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung gestanden. Eine erneute persönliche
Meldung bei der Beklagten sei erst wieder am 16. März 2001 erfolgt. Die in der von der Rücknahme betroffenen Zeit
erhaltenen 5.365,37 DM Arbeitslosenhilfe habe der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Nach § 335 Abs. 1
SGB III seien die in diesem Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.662,24
DM zu ersetzen. Insgesamt betrage die Erstattungsforderung 7.027,61 DM.
Der Kläger erhob zunächst am 31. Oktober 2001 vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Oktober 2001,
von dem er durch eine Zahlungsmitteilung des Landesarbeitsamts Nord Kenntnis erlangt hatte, sodann nochmals am
20. November 2001 nach Erhalt der Zweitschrift. Er betonte insbesondere, dass der Beklagten sein
Auslandsaufenthalt bekannt gewesen sei.
Durch Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als
unbegründet zurück. Der Kläger sei nach dem 15. Dezember 2000 – erneut – ungenehmigt nach Spanien ausgereist
und habe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden. Die Verfügbarkeit als Voraussetzung für den
Leistungsanspruch habe von Beginn des neuen Bewilligungszeitraums am 15. Dezember 2000 an gefehlt, denn der
Kläger sei nachweislich bis kurz vor dem 15. Dezember 2000 ungenehmigt ortsabwesend gewesen und für die Zeit ab
15. Dezember 2000 trotz Nachfragen nicht bereit gewesen, konkrete Termine seiner Ortsabwesenheit zu benennen.
Die vom Kläger vorgetragene Antragstellung mit dem Zusatzblatt "E 303" ergebe sich aus den Leistungsunterlagen
nicht. Zudem würde über einen solchen Antrag vor der Ausreise des Antragstellers entschieden. Sein Vortrag, er habe
den Antrag abgegeben, den Arbeitsberater Herrn L. hierüber informiert und damit sei der Antrag absprachegemäß
genehmigt gewesen, sei unglaubwürdig.
Mit seiner am 10. Oktober 2003 vor dem Sozialgericht Hamburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er
habe noch am Montagmorgen, 18. Dezember 2000, bei der Beklagten vorgesprochen und den Zusatzfragebogen "E
303" mit den erforderlichen Belegen vorgelegt. Anschließend habe er sich persönlich bei dem Arbeitsberater Herrn L.
abgemeldet. Aus seiner Sicht seien dadurch alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen worden und habe er keine
Veranlassung gehabt, an der Rechtmäßigkeit der Bewilligungsentscheidung zu zweifeln. Sodann sei er noch am 18.
Dezember 2000 nach Spanien abgereist und habe sich dort bis zum 10. März 2001 aufgehalten. Die Beklagte habe
gewusst, dass er sich dort aufhalte.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass erst nach einer Bewilligungsentscheidung über den "E 303"-Antrag unter
Erhalt des Leistungsanspruchs ausgereist werden könne, weil sichergestellt sein müsse, dass die Antragsteller die
zur Vorlage bei der zuständigen Stelle im Ausland notwendigen Unterlagen vor der Ausreise in Händen hielten. Diese
Bewilligungsentscheidung aber habe nicht vorgelegen und könne auch nicht vorgelegen haben, nachdem dem Kläger
erst am Freitag, 15. Dezember 2000, auf seinen Antrag hin das entsprechende Antragsformular ausgehändigt worden
sei, er aber bereits am Montagmorgen, 18. Dezember 2000, nach Spanien abgereist sei.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2005 den Kläger gehört und den Arbeitsberater der
Beklagten, Herrn L., als Zeugen vernommen.
Das SG hat durch Urteil vom 24. November 2005 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien
rechtmäßig, denn der Kläger habe vom 15. Dezember 2000 bis 15. März 2001 der Arbeitsvermittlung nicht zur
Verfügung gestanden und deshalb keinen Leistungsanspruch gehabt. Der Kläger habe weder über eine Genehmigung
der Beklagten zur Ausreise nach Spanien verfügt, noch habe er dort das zuständige Arbeitsamt aufgesucht. Seinen
Leistungsanspruch habe er daher für die Zeit des Auslandsaufenthalts nicht aufrechterhalten können. Aufgrund
einfacher und nahe liegender Überlegungen habe sich ihm auch aufdrängen müssen, dass sein Leistungsanspruch
während eines dreimonatigen Auslandsaufenthaltes nicht ohne weiteres fortbestehen könne.
Gegen das am 14. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Januar 2006 Berufung eingelegt. Eine
Begründung ist zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. November 2005 und den Bescheid
der Beklagten vom 17. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat den im streitbefangenen Zeitraum in Gebrauch befindlichen Durchschreibesatz des "E 303"-Formulars und das
dazu gehörende Merkblatt vorgelegt und darauf hingewiesen, dass ein durch den Kläger ausgefülltes Zusatzblatt "E
303" und damit eine wirksame Antragstellung auf die Ausstellung einer Bescheinigung nach Vordruck "E 303" zur
Arbeitssuche im Ausland bei ihr nicht vorlägen. Zudem müssten, anders als vom Kläger behauptet, bei der Abgabe
des Zusatzfragebogens keine weiteren Belege vorgelegt werden. Auf dem Zusatzfragebogen hätte im Übrigen durch
Unterschrift bestätigt werden müssen, das Merkblatt "Information E 303" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis
genommen zu haben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit Rücksicht darauf, dass sich der Kläger vom 14.
Dezember 2000 bis zum Morgen des 18. Dezember 2000 in Deutschland aufgehalten und sich am 15. Dezember 2000
auch persönlich beim Arbeitsamt gemeldet hatte, ihre angefochtenen Bescheide insoweit abgeändert, als die
Bewilligungsentscheidung erst für die Zeit ab 18. Dezember 2000 aufgehoben und für die Zeit vom 15. Dezember 2000
bis 17. Dezember 2000 eine Erstattungsforderung nicht erhoben wird. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den
Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen
und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit verhandeln
und entscheiden, weil der Kläger mit der ordnungsgemäßen Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen
worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) und sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet
war.
Hieran ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger am 10. Dezember 2008, 12:17 Uhr, per Telefax mitteilte, er könne
den Verhandlungstermin am 11. Dezember 2008, 13:00 Uhr, aufgrund einer Erkrankung leider nicht wahrnehmen und
bitte daher um Aufhebung und Neuansetzung des Termins. Nach dem der Mitteilung anliegenden, auf dem Formular
einer Arzneimittel-Verordnung enthaltenen Attest vom 10. Dezember 2008, das als Aussteller zwei internistisch und
allgemeinmedizinisch tätige Ärzte am Wohnort des Klägers ausweist, sei dieser erkrankt vom 10. Dezember 2008 bis
12. Dezember 2008 und könne seinen Gerichtstermin nicht wahrnehmen.
Der Senat hat keinen hinreichenden Anlass gesehen, auf diese Mitteilung des Klägers den Termin aufzuheben. Denn
ein erheblicher Grund zur Terminsaufhebung im Sinne des § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1 der
Zivilprozessordnung (ZPO) konnte nicht festgestellt werden. Die erst am Tag vor dem Termin vorgelegte ärztliche
Bescheinigung war nicht so substantiiert, dass der Senat auf ihrer Grundlage in der Lage war, die Frage der
behaupteten Verhinderung des Klägers selbst zu beurteilen (zu dieser Anforderung siehe BSG 21.8.2007 – B 11a AL
11/07 B, juris). Eine gerichtliche Aufforderung zur Glaubhaftmachung nach § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 2
ZPO war so kurz vor dem Termin schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich.
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht – 14.
Januar 2006 war ein Samstag – (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nach ihrer Abänderung durch
die Erklärung der Beklagten im Termin vor dem Senat rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung ist § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X in
Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III, der die Rücknahme eines im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit vorsieht, wenn und soweit der Begünstigte die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Hiernach hatte die Beklagte die Arbeitslosenhilfebewilligung vom 9. Januar 2001 mit Wirkung für die Vergangenheit für
die Zeit ab 18. Dezember 2000 zurückzunehmen, denn diese war von diesem Zeitpunkt an rechtswidrig, weil der
Kläger aufgrund seiner ab 18. Dezember 2000 nicht gegebenen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit nicht arbeitslos im
Sinne des Gesetzes war, und er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zumindest infolge grober Fahrlässigkeit
nicht kannte.
Voraussetzung für die Leistung von Arbeitslosenhilfe war nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 198 Satz 2
SGB III, dass der Kläger arbeitslos war. Arbeitslos ist nach § 118 Abs. 1 in Verbindung mit § 198 Satz 2 SGB III ein
Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Nr. 1) und eine
versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Nr. 2). Nach § 119
Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 in Verbindung mit § 198 Satz 2 SGB III setzt die Beschäftigungssuche unter anderem voraus,
dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit), was
voraussetzt, dass er arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist ein
Arbeitsloser, der Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und
darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III).
An dieser Verfügbarkeit und damit an der für den Leistungsanspruch erforderlichen Arbeitslosigkeit fehlte es
vorliegend vom 18. Dezember 2000 bis 15. März 2001, weil der Kläger ab 18. Dezember 2000 wegen Ortsabwesenheit
in Hamburg nicht erreichbar war. Denn er hielt sich ohne Genehmigung der Beklagten in Spanien auf und hat sich erst
am 16. März 2001 erneut persönlich bei der Beklagten gemeldet. Eine Genehmigung der Ortsabwesenheit des Klägers
nach der vom Verwaltungsrat der Beklagten aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 152 Nr. 2 SGB III
beschlossenen Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 war schon zu keinem Zeitpunkt beantragt worden.
Das behauptet der Kläger auch nicht.
Sein Vortrag knüpft vielmehr an das Verfahren nach Art. 69 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates über die
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige,
die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWG-VO 1408/71), an. Eine andere Rechtsgrundlage für eine
Berechtigung des Klägers zum Weiterbezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit trotz Auslandsaufenthalts kommt
vorliegend auch nicht in Betracht.
Eine Berechtigung des Klägers zum Weiterbezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit trotz seines Auslandsaufenthalts
in Spanien kann aber vorliegend entgegen seiner Auffassung aus Art. 69 EWG-VO 1408/71 in Verbindung mit den
hierzu ergangenen Durchführungsbestimmungen des Art. 83 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die
Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf
Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
(EWG-VO 574/72), nicht abgeleitet werden.
Diese Vorschriften bestimmen zu Voraussetzungen und Grenzen der Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs:
Art. 69 EWG-VO 1408/71 (1) Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die Voraussetzungen für einen
Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erfüllt und sich in einen oder mehrere andere
Mitgliedstaaten begibt, um dort eine Beschäftigung zu suchen, behält den Anspruch auf diese Leistungen unter
folgenden Voraussetzungen und innerhalb der folgenden Grenzen: a) Der Arbeitslose muß vor seiner Abreise während
mindestens vier Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit bei der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates als
Arbeitsuchender gemeldet gewesen sein und dieser zur Verfügung gestanden haben. Die zuständige
Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger kann jedoch seine Abreise vor Ablauf dieser Frist genehmigen; b) der
Arbeitslose muß sich bei der Arbeitsverwaltung jedes Mitgliedstaats, in den er sich begibt, als Arbeitsuchender
melden und sich der dortigen Kontrolle unterwerfen. Für den Zeitraum vor der Anmeldung gilt diese Bedingung als
erfüllt, wenn die Anmeldung innerhalb von sieben Tagen nach dem Zeitpunkt erfolgt, von dem ab der Arbeitslose der
Arbeitsverwaltung des Staates, den er verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung stand. In außergewöhnlichen Fällen
kann diese Frist von der zuständigen Arbeitsverwaltung oder dem zuständigen Träger verlängert werden; c) der
Leistungsanspruch wird während höchstens drei Monaten von dem Zeitpunkt an aufrechterhalten, von dem ab der
Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des Staates, den er verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung stand; dabei darf die
Gesamtdauer der Leistungsgewährung den Zeitraum nicht überschreiten, für den nach den Rechtsvorschriften dieses
Staates Anspruch auf Leistungen besteht. [ ] (2) [ ] (3) [ ] (4) [ ]
Art. 83 EWG-VO 574/72 (1) Um den Anspruch auf die Leistungen zu behalten, hat der in Artikel 69 Absatz 1 der
Verordnung genannte Arbeitslose dem Träger des Ortes, an den er sich begeben hat, eine Bescheinigung des
zuständigen Trägers darüber vorzulegen, daß er unter den Bedingungen des Absatzes 1 Buchstabe b) des genannten
Artikels weiterhin Anspruch auf Leistungen hat. Der zuständige Träger gibt in dieser Bescheinigung insbesondere
folgendes an: a) den Leistungsbetrag, der dem Arbeitslosen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates zu
zahlen ist; b) den Tag, von dem an der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates nicht mehr zur
Verfügung stand; c) die Frist, die nach Artikel 69 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung für die Eintragung als
Arbeitsuchender in dem Mitgliedstaat, in den der Arbeitslose sich begeben hat, zugestanden wird; d) die Höchstdauer
für die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs nach Artikel 69 Absatz 1 Buchstabe c) der Verordnung; e) die
Umstände, die den Leistungsanspruch ändern können. (2) Hat der Arbeitslose die Absicht, sich in einen anderen
Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Beschäftigung zu suchen, so hat er die Bescheinigung nach Absatz 1 vor
seiner Abreise zu beantragen. Legt der Arbeitslose diese Bescheinigung nicht vor, so fordert der Träger des Ortes, an
den der Arbeitslose sich begeben hat, sie bei dem zuständigen Träger an. Die Arbeitsverwaltung des zuständigen
Staates hat sich zu vergewissern, daß der Arbeitslose über alle ihm aufgrund des Artikels 69 der Verordnung und
aufgrund dieses Artikels der Durchführungsverordnung obliegenden Pflichten unterrichtet worden ist. (3) [ ] (4) [ ]
Das in den zitierten europarechtlichen Vorschriften geregelte Verfahren ist vorliegend ersichtlich schon formal nicht
eingehalten. Die nach Art. 69 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 in Verbindung mit Art. 83 Abs. 1 EWG-VO 574/72 erforderliche
Bescheinigung "E 303" ist dem Kläger durch die Beklagte nie erteilt worden. Dokumentiert ist nicht einmal, dass der
Kläger die Ausstellung dieser Bescheinigung durch Abgabe des ausgefüllten Zusatzblatts "E 303" bei der Beklagten
beantragt hat. Ausweislich der Akten liegt allein nahe, dass ihm das Zusatzblatt am 15. Dezember 2000 im
Zusammenhang mit seinem Arbeitslosenhilfe-Fortzahlungsantrag ausgehändigt worden war. Gewiss ist
demgegenüber, dass der Kläger bereits am Morgen des 18. Dezember 2000 ohne Unterlagen der Beklagten nach
Spanien abreiste.
Der Kläger hat sich zudem entgegen Art. 69 Abs. 1 lit. b EWG-VO 1408/71 in Verbindung mit Art. 83 Abs. 1 EWG-VO
574/72 zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts in Spanien beim dort zuständigen Träger gemeldet. Auch dies schloss
seine Berechtigung zum Weiterbezug von Arbeitslosenhilfe-Leistungen trotz Auslandsaufenthalts aus.
Die Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 9. Januar 2001 war daher bereits ab 18. Dezember 2000 rechtswidrig.
Unzutreffend stellten die ursprünglich angefochtenen Bescheide der Beklagten und auch das erstinstanzliche Urteil
insoweit auf den 15. Dezember 2000 ab. Doch hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat
auf dessen Hinweis ihre Bescheide insoweit abgeändert, als die Bewilligungsentscheidung erst für die Zeit ab 18.
Dezember 2000 aufgehoben und für die Zeit vom 15. Dezember 2000 bis 17. Dezember 2000 eine
Erstattungsforderung nicht erhoben wird. Die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung dauerte bis zur erneuten
persönlichen Wiedermeldung des Klägers bei der Beklagten am 16. März 2001 an, da seine Verfügbarkeit und
Arbeitslosigkeit ab 18. Dezember 2000 für mehr als sechs Wochen unterbrochen war (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III).
Die Bewilligungsentscheidung war daher insoweit von der Beklagten zurückzunehmen, weil der Kläger ihre
Rechtswidrigkeit kannte oder zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor,
wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3
SGB X).
Der Senat vermag dem Vortrag des Klägers, er habe am 18. Dezember 2000 den Fragebogen zur Erteilung der "E
303"-Bescheinigung abgegeben, und der Arbeitsberater der Beklagten Herr L. habe ihm versichert, damit sei der
Antrag auf Erteilung der Bescheinigung genehmigt, in tatrichterlicher Würdigung keinen Glauben zu schenken. Der
Senat geht danach vielmehr davon aus, dass der Kläger nach seiner Meldung bei der Beklagten am 15. Dezember
2000 und ggf. dem Erhalt des Antrags auf Erteilung einer "E 303"-Bescheinigung am 18. Dezember 2000 ohne
weiteren persönlichen Kontakt mit der Beklagten erneut nach Spanien abgereist ist. Denn sein Vortrag über den
Kontakt mit Herrn L. und zu dessen Auskünften ist nicht glaubhaft. Er passt in keiner Weise zu dem üblichen
Verfahren der Erteilung einer "E 303"-Bescheinigung und lässt sich mit den in der Leistungsakte dokumentierten
Abläufen nicht vereinbaren. Auch würde sich der Kläger, träfe sein Vortrag zu, in Spanien beim zuständigen Träger
gemeldet haben müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Hat der Kläger aber die erforderliche Bescheinigung durch
Abgabe des ausgefüllten Fragebogens schon nicht beantragt, ist ohne diese nach Spanien abgereist und hat sich dort
zu keinem Zeitpunkt gemeldet, dann war er am 14. Dezember 2000 nur von Spanien nach Deutschland gereist, um
nach der zwischenzeitlichen Leistungsaufhebung wegen des ungenehmigten Auslandsaufenthalts am 15. Dezember
2000 persönlich die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe zu beantragen und anschließend wieder nach Spanien zu
reisen. Nach der unmittelbar vorangegangenen Aufhebungsentscheidung für die Zeit ab 5. Dezember 2000 aber
wusste der Kläger, dass seine unerlaubte Ortsabwesenheit seinen Leistungsanspruch ausschließt. Zur Überzeugung
des Senats begründet dies die Bewertung, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe
kannte. Zumindest aber trifft den Kläger der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, sollte er dennoch die Rechtswidrigkeit
der Leistungsbewilligung nicht gekannt haben.
Selbst wenn aber der Vortrag des Klägers zur Abgabe des ausgefüllten Antrags zutreffen sollte, begründete auch
dieser den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Denn sollte der Kläger tatsächlich das Zusatzblatt "E 303" vor seiner
Abreise am 18. Dezember 2000 ausgefüllt bei der Beklagten abgegeben haben, so würde er unterschriftlich versichert
haben, das Merkblatt "Information E 303" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In diesem
aber ist beschrieben, dass nach Antragsabgabe und bei Vorliegen der Voraussetzungen der Antragsteller vom
deutschen Arbeitsamt eine Bescheinigung nach Vordruck "E 303" erhalte, aus der entnommen werden könne,
innerhalb welcher Frist die Arbeitsuchendmeldung in Spanien erfolgen muss. Der Kläger aber behauptet selbst nicht,
diese Bescheinigung erhalten und sich in Spanien gemeldet zu haben. Er behauptet auch nicht, Herr L. habe ihm die
Auskunft gegeben, dass er sich nicht in Spanien melden müsse. Es ist daher ganz fern liegend und begründet
deshalb den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung, sollte er
dennoch geglaubt haben, er sei allein durch Abgabe des Antrags während seines Auslandsaufenthalts und ohne
Meldung beim zuständigen Träger in Spanien fortdauernd anspruchsberechtigt.
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen
zu erstatten. Auf dieser Grundlage hat der Kläger die ihm von der Beklagten im Aufhebungszeitraum geleisteten
Arbeitslosenhilfezahlungen zu erstatten. Nach § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III sind die im
Aufhebungszeitraum von der Beklagten gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen
Pflegeversicherung zu ersetzen. Die Berechnung der Erstattungsforderung weist keine Fehler auf.
Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht
erfüllt sind.