Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2008

LSG Berlin-Brandenburg: künstliche befruchtung, ambulante behandlung, krankheit, psychotherapeutische behandlung, verordnung, abklärung, klinikum, universität, zustand, auskunft

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 14/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 SGB 5, § 27a SGB 5, § 39
SGB 5, § 108 SGB 5, § 72 Abs 2
SGB 5
Diagnostische Abklärung der Zeugungsfähigkeit eines
Querschnittsgelähmten als Leistung der gesetzlichen
Krankenversicherung
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25.
November 2008 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. September
2005 dem Kläger Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Prüfung der Fertilität bei
bestehender Querschnittlähmung im Klinikum der R.-Karl-Universität in Heidelberg zu
gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagten hat 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu
erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankenhausbehandlung zum Zwecke
der Prüfung der Fertilität.
Der im Januar 1977 geborene Kläger erlitt bei einem Unfall im Jahre 1998 eine Fraktur
des 5. Halswirbelkörpers und ist seitdem ab dieser Höhe querschnittgelähmt. Auf Grund
dessen liegen bei ihm eine Inkontinenz und eine Impotenz vor. Er ist unverheiratet, lebt
in einer festen Partnerschaft und es besteht bei ihm ein unbedingter Kinderwunsch. Er
wohnt in N.
Sein behandelnder Facharzt für Urologie und Neurourologie Dr. O beantragte für ihn
unter dem 29. August 2005 die Übernahme der Kosten einer Untersuchung in der
urologischen Abteilung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M, bei der
differentialdiagnostisch die Fertilität abgeklärt werden solle. Hierzu müsse durch eine
hochfrequente Elektrostimulation geprüft werden, ob ein Samenerguss auf natürlichem
Wege provoziert werden könne. Diese Untersuchung müsse wegen dabei möglicherweise
auftretender Bluthochdruck-Reaktionen im Rahmen eines kurzen stationären
Aufenthaltes durchgeführt werden. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom
15. September 2005 ab; den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die
Widerspruchsstelle der Beklagten am 12. Dezember 2005 als unbegründet zurück. Sie
führte zur Begründung aus, die begehrte Maßnahme gehöre nicht zu den von den
Krankenkassen zu erbringenden Leistungen der künstlichen Befruchtung, da es nicht um
die unmittelbare Herbeiführung einer Schwangerschaft gehe, sondern um die Prüfung
der theoretischen Möglichkeit, mit einer künftigen Ehefrau zu einem noch unbestimmten
Zeitpunkt eventuell mittels künstlicher Befruchtung zeugen zu können. Diese Fälle seien
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Mai 2000, B 8 KN
3/99 KR R) von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen.
Unter dem 5. April 2006 begründete der behandelnde und vom Kläger bevollmächtigte
Arzt Dr. O einen „Widerspruch“ gegen die Ablehnung. Diesen wertete die Beklagte als
Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15. September 2006. Sie lehnte die
Rücknahme des Bescheides unter dem 18. April 2006 ab, da die
Ablehnungsentscheidung rechtmäßig gewesen sei. Es lägen keine neuen medizinischen
Gesichtspunkte vor. Den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch wies die
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Gesichtspunkte vor. Den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch wies die
Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Das Sozialgericht Cottbus hat einen
Befundbericht mit ergänzender Auskunft des Dr. O vom 4. Januar 2008 eingeholt. Es hat
hierzu eine weitere Stellungnahme des Medizinischen Dienstes im BEV vom 28. März
2008 veranlasst. Es hat die Klage sodann mit Urteil vom 25. November 2008
abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die diagnostische Abklärung der Fertilität
sei keine Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 2 des
Sozialgesetzbuchs/Fünftes Buch (SGB V), die der Herstellung der Zeugungsfähigkeit
diene. Vielmehr handele es sich um eine Diagnostik im Sinne des § 27a Abs. 2 Nr. 2 SGB
V im Vorfeld und mit dem Ziel einer künstlichen Befruchtung. Eine Übernahme nach
dieser Vorschrift sei jedoch deshalb nicht möglich, weil der Kläger nicht verheiratet sei.
Gegen das ihm am 11. Dezember 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag,
den 12. Januar 2009 Berufung eingelegt. Er bringt vor, es läge kein Fall der künstlichen
Befruchtung vor, so dass sich ein Anspruch nicht nach § 27a SGB V richte. Es bestehe
bei ihm eine behandlungsbedürftige Erkrankung, weil seine Zeugungsfähigkeit nicht mit
normalen mechanischen Mitteln zu bewerkstelligen sei. Es handele sich bei der
begehrten Maßnahme nicht um eine rein diagnostische Methode. Denn wenn sich
herausstelle, dass eine Ejakulation provoziert werden könne, werde damit der krankhafte
Zustand, nämlich die momentan nicht vorliegende Möglichkeit der Zeugungsfähigkeit
behoben, da bei positiver Reaktion der Patient später selbständig unter häuslichen
Bedingungen mit dem Gerät „Ferticare“ die Stimulation und damit die Ejakulation
herbeiführen könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Medizinische Dienst der
Beklagten in seiner Stellungnahme vom 28. März 2008 selbst davon ausgehe, dass die
Unfähigkeit Samenergüsse zu bekommen als körperwidriger Zustand aufgefasst werden
könne. Dieser krankheitswertige Zustand werde beseitigt. Er reicht eine Verordnung von
Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Fertilitätsprüfung vom 14. Februar 2010,
ausgestellt von Herrn Dr. O, ein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. November 2008 und den Bescheid
der Beklagten vom 28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.
Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung ihres Bescheides
vom 15. September 2005 ihm Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Prüfung der
Fertilität bei bestehender Querschnittlähmung in der Unfallklinik M, hilfsweise im Klinikum
der R.-K-Universität, Chirurgische Universitätsklinik H, weiter hilfsweise in einem anderen
Krankenhaus, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis sowie in der Begründung für zutreffend. Auf
Anfrage führt sie ergänzend aus, die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik sei für die
Behandlung „diagnostische Abklärung der Fertilität bei Querschnittslähmung“ kein
zugelassenes Vertragskrankenhaus. Dies ergebe sich aus dem Krankenhausplan des
Freistaates Bayern. Als zugelassene Vertragskliniken, die in Wohnortnähe die
Behandlung durchführen können, käme das Klinikum der R.-K-Universität H, das
Kreiskrankenhaus am P sowie das Klinikum der J-Universität F in Betracht.
Der Senat hat eine Auskunft der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M vom 4. Januar
2010 eingeholt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichtserstatters
als Einzelrichter einverstanden erklärt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird
auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Über sie konnte der Berichterstatter als Einzelrichter gemäß §
155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit
einverstanden erklärt haben. Sie ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch
begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht die Aufhebung ihres Bescheides vom 15.
September 2005 abgelehnt. Denn dieser war rechtswidrig, da der Kläger einen Anspruch
auf Gewährung von Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Prüfung der Fertilität nach
den §§ 39 Abs. 1 S. 2, 27 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 Nr. 5 SGB V hat. Die Fertilitätsprüfung dient
der Erkennung einer Krankheit (hierzu unter I.), ist keine Maßnahme der künstlichen
Befruchtung (hierzu unter II.) und das Behandlungsziel kann auch nicht durch ambulante
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Befruchtung (hierzu unter II.) und das Behandlungsziel kann auch nicht durch ambulante
Behandlung erreicht werden (hierzu unter III). Soweit der Kläger jedoch die Durchführung
der Behandlung gerade in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M begehrt, kann
er damit nicht durchdringen, da diese nicht das in der vertragsärztlichen Verordnung
genannte, nächsterreichbare und geeignete Krankenhaus ist; dies ist vielmehr das
Klinikum der R.-K-Universität H (hierzu unter IV.). Daher war nur sein Hilfs-, nicht aber
sein Hauptantrag – gerichtet auf Kostenübernahme in der Unfallklinik M – erfolgreich.
I. Die Prüfung der Fertilität des Klägers ist eine Krankenbehandlung im Sinne des § 27
Abs. 1 S. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf
Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 4
der Vorschrift gehören zur Krankenbehandlung auch Leistungen zur Herstellung der
Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder
durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verloren
gegangen war. Gegenstand der Krankenbehandlung im Sinne des Satzes 1 ist, wie sich
aus dem Wortlaut ergibt, nicht allein die Heilung oder die Linderung von
Krankheitsbeschwerden, sondern auch die Erkennung einer Krankheit. Die
Krankenbehandlung umfasst die Erkennung auch aus gutem Grunde, denn aus
medizinischer Sicht setzt die Behandlung einer Erkrankung voraus, dass sie zunächst
erkannt, also diagnostiziert wird. Nur nach Durchführung der diagnostischen
Maßnahmen kann der Arzt überhaupt über Art und Umfang der medizinischen
Behandlung entscheiden.
Die von dem Kläger begehrte Prüfung der Fertilität ist eine diagnostische Maßnahme und
darauf gerichtet, eine Krankheit zu erkennen. Eine Krankheit im Sinne des SGB V ist ein
regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder
zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (st. Rspr., vgl. BSGE 59, 119 [121]).
Die Unfähigkeit, einen Samenerguss zu haben, ist ein regelwidriger Körperzustand, da er
vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht, und stellt eine Einschränkung der
Zeugungsfähigkeit dar. Diese ist als behandlungsbedürftige Krankheit anerkannt, sofern
sie der ärztlichen Behandlung zugänglich ist (vgl. BSGE 26, 240). Dass ein regelwidriger
Köperzustand vorliegt, hat auch der Medizinische Dienst der BEV in seiner schlüssigen
Stellungnahme vom 28. März 2008, die sich das Gericht zu Eigen macht, bestätigt.
Wenn die Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit nach § 27 Abs. 1 S. 4 SGB V zur
Krankenbehandlung gehört, so umfasst § 27 Abs. 1 SGB V im Lichte seines Satzes 1
aber auch die Erkennung einer Zeugungsunfähigkeit einschließlich der Art, des Umfangs
und der Ursache. Denn von diesen Umständen hängt ab, ob überhaupt eine Behandlung
durchgeführt werden kann und ggf. welche.
Die vom Kläger begehrte Untersuchung dient der medizinischen Abklärung, ob ein
Samenerguss durch ein Hilfsgerät mittels Elektrostimulation provoziert werden kann,
also der Feststellung der Art und des Ausmaßes der Zeugungsfähigkeit mit der
Fragestellung, ob eine Behandlung durch Anwendung des Gerätes Ferticare
erfolgversprechend ist. Ergibt sich bei der Fertilitätsprüfung, dass durch
Elektrostimulation ein Samenerguss herbeigeführt werden kann, so ist der Zustand auch
einer Behandlung zugänglich. Insoweit hat der behandelnde Arzt Dr. O in seiner für das
Sozialgericht gegebenen Auskunft vom 4. Januar 2008 ausgeführt, dass nach
diagnostischer Abklärung die Möglichkeit der (eigenständigen) Provozierung von
Samenergüssen durch Verwendung des Gerätes Ferticare gegeben sei. In diesem
Rahmen ist es unerheblich, ob das Gerät überhaupt ein von der Krankenkasse im
Rahmen der Krankenbehandlung zu gewährendes Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V
ist. Hierüber wäre ggf. gesondert zu entscheiden.
II. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die diagnostische Maßnahme im
Vorfeld einer künstlichen Befruchtung durchgeführt werde, für die nach § 27a Abs. 1 SGB
V die Voraussetzungen deshalb nicht erfüllt sind, weil der Kläger nicht, wie es Nr. 3
voraussetzt, verheiratet ist. Das Bundessozialgericht hat dargelegt, dass der
Versicherungsfall der Krankheit in Abgrenzung zu dem Versicherungsfall der
Herbeiführung einer Schwangerschaft betroffen ist, wenn die Behandlung dazu führen
soll, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen (Urteil vom 17. Februar 2010, B 1 KR 10/09 R,
zitiert nach juris). Darüber hinaus sind der Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1
SGB V all die Maßnahmen zuzurechnen, die zwar zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft, aber vor der (künstlichen) Befruchtung durchgeführt werden, wie z.B.
chirurgische Eingriffe, Verordnung von Medikamenten oder eine psychotherapeutische
Behandlung (BSG; Urteil vom 19. September 2007, B 1 KR 6/07, zitiert nach juris, Rn. 14;
vgl. auch Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KOVAnpG 1990, BT-Drucks 11/6760,
S. 14 zu Nr. 2). Der behandelnde Arzt Dr. O hat in dem Befundbericht dargelegt, dass in
dem Fall, dass ein Samenerguss herbeigeführt werden kann, eine assistierte oder eine
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dem Fall, dass ein Samenerguss herbeigeführt werden kann, eine assistierte oder eine
künstliche Befruchtung anvisiert werde. Demnach ist noch offen, ob auf natürlichem
Wege eine Zeugung erfolgen soll – auch die assistierte ist eine solche – oder aber eine
künstliche. Jedenfalls kommt nach Durchführung der diagnostischen Maßnahme
zunächst eine natürliche Zeugung in Betracht. Selbst wenn sich diese Möglichkeit später
als nicht praktikabel erweisen und eine künstliche Befruchtung durchgeführt werden
sollte, handelte es sich bei der Diagnostik weiterhin um eine Maßnahme, die weit im
Vorfeld der Befruchtung durchgeführt wird und daher noch als Maßnahme der
Krankenbehandlung zählt. Denn nur der Vorgang der Befruchtung als solcher und die
unmittelbar vorgelagerten Maßnahmen sind Leistungen der künstlichen Befruchtung im
Sinne des § 27a SGB V.
III. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Krankenhausbehandlung
sind erfüllt. Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf
vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die
Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das
Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante
Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Eine derartige
medizinische Erforderlichkeit der stationären Behandlung ist gegeben. Nach den
schlüssigen und von der Beklagten sozialmedizinisch nicht angegriffenen Ausführungen
des Dr. O vom 29. August 2005 muss die Untersuchung wegen dabei möglicherweise
auftretenden Bluthochdruck-Reaktionen im Rahmen eines kurzen stationären
Aufenthaltes durchgeführt werden. Daher ist eine ambulante oder teilstationäre
Behandlung nicht ausreichend.
IV. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Durchführung der Behandlung in der
Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. Dies scheitert jedoch nicht daran, dass diese
– wie die Beklagte meint – kein Vertragskrankenhaus im Sinne des § 108 SGB V ist.
Denn die Klinik ist in den Krankenhausplan des Freistaates Bayern aufgenommen. Auf
der Seite 4 des Anhanges des Krankenhausplans wird sie mit 240 Betten und einer
urologischen Abteilung geführt. Damit ist sie als Plankrankenhaus zugelassenes
Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 2 SGB V. Darauf, ob das Krankenhaus mit
bestimmten Trägern Versorgungsverträge im Sinne des § 108 Nr. 3 SGB V geschlossen
hat, kommt es mithin nicht an. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, die Klinik
sei nur für die Behandlung von „Querschnittslähmungen“, nicht aber zur
„diagnostischen Abklärung von Fertilität bei Querschnittslähmung“ zugelassen. Zwar
mögen Versorgungsverträge für die Behandlung nur spezieller Erkrankungen
geschlossen werden. Eine Aufnahme in den Krankenhausplan erfolgt regelmäßig nur mit
den Fachrichtungen und der Anzahl der Betten. Dass hier im Krankenhausplan unter
Bemerkungen „einschließlich Behandlung von Querschnittlähmungen…“ vermerkt ist,
schließt nicht aus, dass auch andere Erkrankungen im Zusammenhang mit
Querschnittslähmungen behandelt werden.
Ein Sachleistungsgewährungsanspruch scheitert jedoch daran, dass die
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik nicht das nächsterreichbare, geeignete
Krankenhaus ist, das der behandelnde Arzt in der Verordnung von
Krankenhausbehandlung angegeben hat. Die §§ 15 Abs. 1, 72 Abs. 2, 73 Abs. 2 Nr. 7
SGB V i.V.m. § 26 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) sowie §§ 4 und 7 der
Krankenhausbehandlungs-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen (in der Fassung vom 24. März 2003, Banz Nr. 188 S. 22577) sehen vor,
dass Krankenhausbehandlung abgesehen von Notfällen vertragsärztlich zu verordnen
ist. Die Verordnung ist nach allgemeiner Meinung formale Leistungsvoraussetzung. Das
Rahmenrechtdes Versicherten aus § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V auf
Krankenhausbehandlung wird erst durch die Verordnung eines Vertragsarztes in einen
Anspruch auf Krankenhausbehandlung konkretisiert (Urteil des Senats vom 31. Januar
2007, L 9 KR 1168/05, zitiert nach juris, Rn. 29). Gemäß § 73 Abs. 4 S. 2 SGB V sind in
der Verordnung von Krankenhausbehandlung in den geeigneten Fällen auch die beiden
nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten
Krankenhäuser anzugeben. Der Leistungsanspruch des Versicherten wird durch die
Angabe des Vertragsarztes somit zunächst auf diese Krankenhäuser beschränkt; ein
Wahlrecht des Versicherten, das im Übrigen auch dem Zweck der Krankenhausplanung
entgegenstehen dürfte, besteht dagegen nicht (vgl. BSG, SozR 4-2500, § 60 Nr. 3,
Brandts in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 39, Rn. 97). Dr.
O hat in seiner am 14. Februar 2010 ausgestellten Verordnung von
Krankenhausbehandlung angegeben, das nächsterreichbare Krankenhaus sei das
„Querschnittzentrum, orthopäd. Uniklinik“. Ein solches in der Nähe des Wohnortes des
Klägers gelegenes international anerkanntes Querschnittszentrum, das auch die
urologische Betreuung durchführt, ist die Klinik für Paraplegiologie der orthopädischen
Klinik des Universitätsklinikums H (vgl. hierzu den Internetauftritt unter
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Klinik des Universitätsklinikums H (vgl. hierzu den Internetauftritt unter
www..de/Paraplegiologie). Dr. O hat dieses zwar nicht ausdrücklich namentlich benannt,
jedoch gibt es in der Nähe des Wohnsitzes des Klägers kein weiteres
Querschnittszentrum an einer orthopädischen Universitätsklinik. Demnach war ein
Sachleistungsanspruch des Klägers auf dieses Krankenhaus beschränkt.
Für den Fall, dass er dennoch ohne zwingenden Grund ein anderes Krankenhaus wählt,
so können ihm gemäß § 39 Abs. 2 SGB V die Mehrkosten, soweit solche entstehen,
auferlegt werden.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die
Klage weitgehend Erfolg hat. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe
nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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