Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2007

LSG Berlin-Brandenburg: örtliche zuständigkeit, feststellungsklage, erlass, leistungsklage, vorverfahren, wiederholung, behörde, untätigkeitsklage, sammlung, quelle

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
28. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 28 B 527/07 AS
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 SGB 2, § 55 SGG, § 86b
SGG, § 193 Abs 1 SGG
Neben der Klage auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts besteht kein Feststellungsinteresse für die
isolierte Klärung der örtlichen Zuständigkeit des
Leistungsträgers
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. März 2007 wird
zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum wohnungslos und lebte seit dem 16. Januar 2001
durchgehend in einer im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelegenen
Obdachlosenunterkunft. Bis zum 31. Dezember 2005 bewilligte das örtlich nicht
zuständige Job Center T (hin auf Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes)
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, stellte diese aber mit Hinweis auf die
fehlende örtliche Zuständigkeit zum zuletzt genanten Zeitpunkt ein. Der beim Beklagten
am 2. Januar 2006 gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
wurde dort zunächst nicht bearbeitet, da der Beklagte bereits im Januar 2005 intern zu
dem Schluss gekommen war, dass er nicht zuständig sei, weil das Sozialamt T bis zum
31. Dezember 2004 Leistungen bewilligt hatte.
Der Kläger hat am 3. Januar 2006 beim Sozialgericht (SG) Berlin einen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
gestellt und am selben Tag Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass der
Beklagte für die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch
(SGB II) an ihn zuständig sei. Nachdem der Beklagte im Verfahren auf einstweiligen
Rechtsschutz zunächst verpflichtet worden war, vorläufig Leistungen zu gewähren
(Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006), hat er mit Schreiben vom 25.
Oktober 2006 seine Zuständigkeit für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Januar bis 1. Juni
2006 erklärt. Der Rechtsstreit ist daraufhin im Termin zur mündlichen Verhandlung am
11. Januar 2007 in der Hauptsache erledigt worden. Der Antrag auf Erstattung der
außergerichtlichen Kosten hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 14. März 2007). Die Klage
sei unzulässig gewesen. Die örtliche Zuständigkeit habe auch im Verfahren auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung geklärt werden müssen. Ein darüber hinausgehendes
Feststellungsinteresse in einem Hauptsacheverfahren bestehe nicht. Hiergegen richtet
sich die Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG).
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist unbegründet. Das SG hat
zu Recht entschieden, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Endet der Rechtsstreit - wie hier - ohne Urteil, hat das Gericht auf Antrag durch
Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten
zu erstatten haben (§ 193 Abs. 1 SGG). Diese Entscheidung ist nach sachgemäßem
Ermessen zu treffen, wobei ungeachtet der Besonderheiten des sozialgerichtlichen
Verfahrens die Erfolgsaussichten der Klage angemessen zu berücksichtigen sind. Das
Ziel des Klägers, die Zuständigkeitsfrage mit Hilfe einer Feststellungsklage klären zu
lassen, war unzulässig, so dass es der Billigkeit entspricht, dass Kosten nicht zu
erstatten sind.
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Einer Feststellungsklage gegen den Beklagten (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) steht der
Grundsatz der Subsidiarität dieser Klageart gegenüber Gestaltungs- und
Leistungsklagen entgegen. Obwohl § 55 SGG, anders als § 43 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, ein
Nachrangverhältnis zwischen den Klagearten nicht ausdrücklich festlegt, ist auch für das
sozialgerichtliche Verfahren anerkannt, dass der Kläger eine gerichtliche Feststellung
nicht verlangen kann, soweit er die Möglichkeit hat, seine Rechte mit einer Gestaltungs-
oder Leistungsklage zu verfolgen. Ein Feststellungsinteresse ist regelmäßig zu
verneinen, wenn bereits im Rahmen der genannten anderen Klagearten über die Sach-
und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zugrunde liegen
(ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt BSG Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R; juris
RdNr. 21 mwN).
So liegt es hier. Die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Trägers der
Grundsicherung (vgl. § 36 SGB II) ist im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) gerichtet auf Leistungen nach dem 3. Kapitel
des SGB II stets gerichtlich zu überprüfen. Ein darüber hinausgehendes Interesse an
ihrer isolierten Feststellung besteht nicht. Eine solche Feststellung könnte eine
Bindungswirkung für die Zukunft nicht entfalten, wie schon der zuletzt formulierte Antrag
„die Zuständigkeit des Beklagten festzustellen, solange der Kläger seinen gewöhnlichen
Aufenthalt (…) anderweitig im Bezirk N hat“, zeigt. Die begehrte Feststellung erschöpft
sich in der Wiederholung der in § 36 SGB II genannten gesetzlichen Voraussetzungen,
die zu Beginn jedes Bewilligungsabschnitts ohne Bindung an vorausgehende
Bewilligungen zu prüfen sind. Ihr kommt außerhalb einer Leistungsbewilligung keine
eigenständige Bedeutung zu.
Zwar war vorliegend eine Anfechtungs- und Leistungsklage (noch) nicht zulässig, da es
an einem anfechtbaren Bescheid und seiner Überprüfung im Vorverfahren fehlte. Wie
das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Kläger in der Zwischenzeit bis zum
Erlass einer anfechtbaren Entscheidung aber ausreichend durch die Möglichkeit der
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geschützt. Dieser Antrag war hier
ausnahmsweise schon zugleich mit Antragstellung bei der Behörde zulässig, da diese
bereits zuvor mit dem Begehren des Klägers (bezogen auf einen vorangegangenen
Bewilligungsabschnitt) befasst war und es abgelehnt hatte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 86 b RdNr. 26 b). Darüber hinaus hätte der
Kläger (sofern eine Bescheidung nicht erfolgt wäre) nach Ablauf der in § 88 Abs. 1 Satz 1
SGG genannten Frist Untätigkeitsklage wegen der Nichtbearbeitung durch den
Beklagten erheben können. Weitergehenden Rechtsschutzes durch eine vorab erhobene
Feststellungsklage bedurfte es dagegen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
172 SGG).
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