Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.12.2005
LSG Berlin und Brandenburg: behandlung, therapie, körperliche unversehrtheit, krankenkasse, erlass, anerkennung, auskunft, krankheit, versorgung, vergleich
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 01.12.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 86 KR 1260/05 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 B 1039/05 KR ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juni 2005 wird abgeändert. Die Beschwerdegegnerin wird
verpflichtet, vorläufig bis zum Abschluss des Haupt-sacheverfahrens die Beschwerdeführerin von den künftigen
Kosten für eine Behandlung mit dendritischen Zellen bei Vorlage einer Verordnung freizustellen. Die
Beschwerdegegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem
Landessozialgericht. Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht gegeben (§ 177
SGG).
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (BF) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Freistellung von Kosten für die
Versorgung mit sogenannten autologen dendritischen Zellen, die ihr von ihrem behandelnden Arzt verordnet wurde.
Die im Jahre 1938 geborene BF ist bei der Beschwerdegegnerin (BG) gegen Krankheit versichert. Sie leidet an einem
metastasierten Pankreaskarzinom.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2005 beantragte der behandelnde Arzt der Klägerin PD Dr. F G vom Zentrum für
onkologische, endokrinologische und minimalinvasive Chirurgie in Nfür die BF die Kostenübernahme für eine
Behandlung mit dendritischen Zellen. Nach der Darstellung des Arztes handele es sich bei dieser Behandlung um eine
individuelle Therapie zur Bekämpfung von Tumorerkrankungen. Aus kompetenten Vorläufer-zellen, die aus dem Blut
der BF gewonnen würden, könnten unter Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren antigenpräsentierende
dendritische Zellen gezüchtet werden. Nach dem
Zurückspritzen der aktivierten dendritischen Zellen in das Unterhautfettgewebe werde das körpereigene Immunsystem
der BF zur Bildung von spezifischen Immunzellen und Antikörpern gegen den Tumor angeregt. Die Behandlung mit
dendritischen Zellen sei im Fall der BF indiziert, da sie konventionelle Behandlungsformen ergänze und das
körpereigene Immunsystem als weiteren "Behandlungspfeiler" zur Bekämpfung des Tumors mit in die Therapie
einbeziehe. Die Behandlung mit dendritischen Zellen habe sich bereits in einer nennenswerten Anzahl onkologischer
Zentren durchgesetzt und werde von vielen Ärzten bereits zur Behandlung von Tumorerkrankungen eingesetzt. Zum
Beleg hierfür verwies der Arzt auf ein Literaturverzeichnis, das dem Antrag beilag.
Die BF legte den Vorgang dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) vor, der in seiner Stellungnahme
vom 22. Februar 2005 mitteilte, dass es sich bei der Behandlung des fortgeschrittenen metastasierenden
Pankreaskarzinoms im Rahmen einer Vakzinierungs-therapie mit dendritischen Zellen um ein experimentelles
Verfahren handele, das nicht als medizinischer Standard anerkannt sei. Es existierten für das Pankreaskarzinom nur
Phase I/II- Studien. Randomisierte Studien mit Nachweis des therapeutischen Nutzens und einheitlicher
Standardisierung der Vorgehensweise des Regimes existierten nicht. Aus sozialmedizinischer Sicht sei die
Vakzinierungstherapie mit dendritischen Zellen den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen.
Eine Kostenübernahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei nur dann möglich, wenn der gemeinsame
Bundesausschuss die Methode bewertet habe. Eine derartige Bewertung liege zurzeit nicht vor. Ein Antrag auf
Bewertung sei nach derzeitiger Kenntnis auch nicht gestellt. Auf weitere Anfrage der BG bei der AOK Bayern teilte
diese mit, auch dort würde eine Kostenübernahme zur Behandlung mit dendritischen Zellen nicht erfolgen. Der Antwort
wurde ein Auszug aus der "Infothek Therapien (Stand 21.03.2003)" beigefügt, in der es unter anderem heißt, zur Zeit
würden mehrere klinische Studien zu einem großen Spektrum verschiedener Tumorerkrankungen und unter Nutzung
unterschiedlichster Zielantigene und unterschiedlicher Quellen der dendritischen Zellen weltweit initiiert. Patienten,
denen eine Immuntherapie als Behandlungsoption angeboten werde, könnten hinsichtlich der in Deutschland
laufenden Studien beraten werden. Möglicherweise könnten Sie in eine der laufenden klinischen Prüfungen
aufgenommen werden – allerdings ohne Kostenbeteiligung durch die Krankenkasse. In einem weiteren beigefügten
Schreiben unter dem Titel "Information der Spitzenverbände zu "ASI DC"" vom 18. Juli 2002 heißt es, es handele sich
bei der Behandlung mit dendritischen Zellen um Nachfolgepräparate zu ASI (Aktiv Spezifische Immuntherapie). ASI
sei in den 90er Jahren von mehreren Anbietern aggressiv vermarktet worden. Erst als der Bundesausschuss 1998
ASI in Anlage B der BUB-Richtlinien aufgenommen habe, sei es vom Markt verschwunden. Nun sei in Einzelfällen
bekannt geworden, dass Vertragsärzte autologe Tumorvakzine zum Teil kombiniert mit kultivierten dendritischen
Zellen verordneten. Die neuen Vakzine mit dendritischen Zellen seien neue Behandlungsmethoden gem. § 135 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Auf die neuen Varianten von Vakzinen mit einer weiteren Komponente
seien die vorhandenen (ungenügenden) Daten nicht übertragbar, neue Forschung sei angezeigt.
Mit Bescheid vom 4. März 2005 lehnte die BG die Kostenübernahme für die Behandlung ab, weil es sich bei der
Therapie um ein experimentelles Verfahren handele. Am 21. März 2005 begann das von der BF beauftragte Labor mit
der Herstellung von Antigen-gepulsten dendritischen Zellen. Hierfür stellte das Labor der BF 3.205,45 EUR in
Rechnung. Der Widerspruch der BF wurde durch Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2005 zurückgewiesen. Im
anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin verwies die BF auf ein Attest ihres behandelnden Arztes Dr. G
vom 06.06.2005 in dem es heißt, das es sich bei der Behandlung mit dendritischen Zellen um eine "Ultima-Ratio-
Therapie" handele. Dieses Verfahren werde bereits an führenden Instituten im In- und Ausland angewandt. Im Falle
eines Aussetzens der Therapie würde die Behandlungsoption für die BF in symptomatischen Palliativtherapien wie
z.B. Schmerz- und Ernährungstherapie liegen. In einer weiteren Stellungnahme des MdK Berlin-Brandenburg vom
15.06.2005, die die BG in das Verfahren einführte, heißt es, dass bei einem metastasierenden Pankreaskarzinom der
Therapieeinsatz palliativer Art sei. Ein solches Pankreaskarzinom stelle einen lebensbedrohenden Zustand dar. Durch
Beschluss vom 22. Juni 2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die
BG verpflichtet werden sollte, die BF von den Kosten der am 21. März 2005 durchgeführten Herstellung von "Antigen-
gepulsten dendritischen Zellen" in Höhe von 3.205,45 EUR freizustellen und künftige Kosten zu übernehmen,
abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seien nicht gegeben. Die BF habe nicht
glaubhaft gemacht, dass ihr durch die Ablehnung der begehrten Regelung wesentliche Nachteile drohten. Nach Lage
der Akten besitze sie Ersparnisse, mit denen sie zunächst die Laborrechnung bezahlen könne. Soweit künftige
Kosten überhaupt noch entstehen könnten, habe die BF nichts zu deren Höhe mitgeteilt, sodass auch hier eine
finanzielle Überforderung nicht glaubhaft sei. Darüber hinaus sei der Antrag aber auch abzulehnen gewesen, weil
gemäß § 135 Abs. 1 SGB V neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu
Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden dürften, wenn der gemeinsame Bundesausschuss in den sog. BUB-
Richtlinien Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens
einer neuen Methode abgegeben habe. Mit Ausnahme von Fällen des "Systemversagens" könne daher die
Anwendung einer solchen neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht beansprucht werden. Ein
Systemversagen vermöge das Gericht hier nicht festzustellen, denn erkennbar hätten die Studien zu der Behandlung
mit dendritischen Zellen noch nicht das Ergebnis erbracht, das eine Antragstellung bei dem Gemeinsamen Ausschuss
rechtfertigen würde. Der behauptete Erfolg der Behandlung bei nur 4 Patienten sei kein wissenschaftlicher Beweis für
die Wirksamkeit der Therapie und deren Nutzen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der die BF geltend macht, hier liege sehr wohl ein Fall des sog.
Systemversagens vor, wobei sie auf eine weitere ärztliche Stellungnahme ihres behandelnden Arztes Dr. Gverweist.
In dieser Stellungnahme vom 01.08.2005 heißt es, die am 14.03.2005 eingeleitete Therapie habe bei
Kontrolluntersuchungen im Juni/Juli 2005 gezeigt, dass der Progress der Erkrankung aufgehalten worden sei. In der
Literatur gebe es darüber hinaus eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die die Wirksamkeit der Immuntherapie mit
dendritischen Zellen belegten. Auch beim Pankreaskarzinom sei bereits gezeigt worden, dass die Therapie mit
dendritischen Zellen bei der onkologischen Behandlung effektiv sei. In einer bislang unveröffentlichten Analyse der in
der eigenen Praxis behandelten Patienten mit metastasierendem Pankreaskarzinom (30 Patienten) sei eine deutliche
Verlängerung der mittleren Überlebenszeiten (11,6 Monate) im Vergleich zur Standardchemotherapie (5,3 Monate,
Burris et al.) festgestellt worden. Die Kosten der Therapie beliefen sich auf ca. 3.200,00 EUR pro 6 Monate. Nach 6
Monaten solle die Therapie wiederholt werden.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die BF mitgeteilt, dass eine weitere Behandlung beginnend im November
2005 notwendig werde, und hat hierfür ein Kassenrezept ihres behandelnden Arztes Dr. G vom 28.10.2005 vorgelegt.
Sie hat darüber hinaus geltend gemacht, dass sie auf der Grundlage ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse
nicht mehr in der Lage sei, künftige Therapien vorzufinanzieren.
Eine Erstattung bereits verauslagter Kosten werde in diesem Verfahren nicht mehr begehrt.
Die BF beantragt,
die BG zu verpflichten, sie vorläufig von den Kosten einer Therapie mit dendritischen Zellen freizustellen, sofern sie
hierfür eine Verordnung vorlege.
Die BG beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Senat hat eine weitere Auskunft des behandelnden Arztes Dr. G vom 08.11.2005 eingeholt und die BG auf die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - hingewiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig.
Da vorliegend die Notwendigkeit einer fortlaufenden Langzeitbehandlung im Rahmen eines einheitlichen
Therapiekonzepts streitig ist, bestehen gegen die Zulässigkeit des zuletzt gestellten Antrags und die Zuständigkeit
des Senats hierüber im Beschwerdeverfahren zu entscheiden keine Bedenken.
In dem nunmehr noch zur Entscheidung stehenden Umfang ist die Beschwerde auch begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung
zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur
Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das
Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich.
Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger
Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den
Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Im Regelfall können die Gerichte dabei, um effektiven Rechtschutz zu gewähren grundsätzlich sowohl auf eine
Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ihre Entscheidung
stützen. Allerdings hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich gemacht, dass insbesondere
dann, wenn ohne den Erlass der begehrten Anordnung lebensbedrohende Umstände eintreten oder sich verwirklichen
können, wegen des besonderen Schutzes des Grundrechts auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit eine rein
summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht zur Ablehnung des begehrten Anspruchs
berechtigt. In diesen Fällen hätten die Gerichte entweder anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden oder aber eine
vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage auch im Eilverfahren vorzunehmen (vgl. Beschluss der 1. Kammer
des 1. Senats vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 19. März
2004 - 1 BvR 131/04, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).
Dies zugrunde gelegt, hatte der Senat hier eine Folgenabwägung vorzunehmen.
Eine endgültige Klärung der Sach- und Rechtslage erscheint dem Senat nicht möglich, da die nächste Behandlung
nach Angaben des behandelnden Arztes bereits im November 2005 beginnen sollte.
Dies schließt aus, dass noch weitere, für notwendig gehaltene Ermittlungen angestellt werden. Zutreffend ist die
Argumentation der BG, dass es sich bei der Behandlung mit dendritischen Zellen um eine Rezepturarznei handelt, für
die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts neben der arzneimittelrechtlichen Zulässigkeit ihrer
Verwendung darüber hinaus die Verschreibungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse nach § 135 Abs. 1
Sozialgesetzbuch, 5. Buch – SGB V- geprüft werden muss (vgl. BSG vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R in Soz R
3-2500 § 135 Nr. 14).
Nach der genannten Vorschrift dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen
Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden und damit kann auch ein Kostenerstattungs- oder
Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V nur dann vorliegen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf
Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes
der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen
Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit -
auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten
Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
in der jeweiligen Therapierichtung.
Eine solche Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses liegt hier bezüglich der Behandlung mit
dendritischen Zellen nicht vor.
Die Entscheidung des Bundessausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Aufnahme der aktiv-spezifischen
Immuntherapie (ASI) in die Anlage B (nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden) der Richtlinien
über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (Beschluss vom 10. April 2000) lässt sich
nicht auf die vorliegende Behandlung mit dendritischen Zellen übertragen. Es handelt sich dabei, wie der Auskunft der
AOK Bayern im Verwaltungsverfahren zu entnehmen ist, um eine sich von dieser Therapie unterscheidende
Therapieform.
Ein Antrag auf Anerkennung dieser Therapieform nach § 135 Abs. 1 SGB V ist nach Kenntnis des Senats
gegenwärtig nicht gestellt. Aus welchem Grund dies jedoch nicht gegeben ist und ob ggf. die Voraussetzungen für ein
sog. Systemversagen (vgl. hierzu grundlegend BSG a.a.O.) vorliegen, das dazu berechtigen würde, gleichwohl diese
Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse zu erbringen, vermochte der Senat im Rahmen dieses
einstweiligen Verfahrens nicht zu klären. Es erscheint ihm hierzu angemessen, zumindest eine Auskunft des
Gemeinsamen Bundesausschusses einzuholen und durch ein Sachverständigengutachten zu klären, ob die
Voraussetzungen für ein Systemversagen vorliegen. Dies ist in der gebotenen Zeit nicht zu bewerkstelligen.
Demzufolge hatte der Senat unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
eine reine Folgenabwägung vorzunehmen. Dabei ist auf Seiten der BF zu berücksichtigen, dass diese, nachdem sie
die Erstbehandlung mit dendritischen Zellen selbst getragen hat, glaubhaft gemacht hat, dass sie aus eigener Kraft
nicht in der Lage ist, die Kosten für die Weiterbehandlung aufzubringen. Des Weiteren hat sie durch Bescheinigung
ihres behandelnden Arztes glaubhaft gemacht, dass sie die angewandte Behandlung gut verträgt und dass die
Krankheit unter Behandlung mit dendritischen Zellen zum Stillstand gekommen ist. Da Patienten mit
metastasierendem Pankreaskarzinom nach den glaubhaften Angaben des behandelnden Arztes eine durchschnittliche
Lebenserwartung von lediglich 3 bis 4,5 Monaten haben, die BF jedoch seit Feststellung des Befundes im Januar
2005 bereits 11 Monate überlebt hat, hat sich der Senat davon überzeugt.
Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne die von der BF begehrte Behandlung die Krankheit weiter
fortschreitet und das Überleben der BF in Frage gestellt ist.
Demgegenüber liegt bei der BG lediglich ein begrenztes Kostenrisiko vor (ca. 3.200 EUR je halbes Jahr), sodass die
Entscheidung zugunsten der BF ausfallen musste.
Bei der analog § 193 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) zu treffenden Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt,
dass wegen des noch vorhandenen Vermögens die BF durch das Sozialgericht zu Recht darauf verwiesen werden
konnte, für die erste Behandlung zunächst dieses einzusetzen, so dass lediglich die Erstattung der Kosten im
Beschwerdeverfahren in Betracht kam.