Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.01.2006

LSG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, unterkunftskosten, erlass, hauptsache, mietvertrag, notlage, willenserklärung, wohnwagen, begriff, quelle

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
19. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 19 B 42/06 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 3
BKleingG, § 134 BGB
Grundsicherung für Arbeitssuchende - Unterkunftskosten -
Gartenlaube in Kleingartenkolonie
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
5. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
Verfahrenskosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller erhält seit dem 1. Januar 2005 laufend Leistungen zur Grundsicherung.
Sämtliche die Leistung betreffenden Bescheide sind angefochten, wobei im Wesentlichen
um die Berechnung der Kosten der Unterkunft gestritten wird.
Für den laufenden Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006
errechnete der Antragsgegner zunächst eine monatliche Leistung in Höhe von 70,57
Euro (Bescheid vom 7. Dezember 2005). Mit einem weiteren Bescheid vom 8. Dezember
2005 lehnte er den Antrag des Antragstellers vom 1. November 2005 auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (für denselben Zeitraum) insgesamt
ab. Er führte aus, der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig. Kosten der Unterkunft in einer
Kleingartenkolonie würden nicht anerkannt. Die Bescheide wurden dem Kläger bei einer
persönlichen Vorsprache am 15. Dezember 2005 übergeben. Den Bescheid vom 8.
Dezember 2005 ergänzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Januar 2006
dahingehend, dass mit dem belastenden Bescheid vom 8. Dezember 2005 der
begünstigende Bescheid vom 8. Dezember 2005 (richtig 7. Dezember 2005)
aufgehoben worden sei.
Bereits am 12. Dezember 2005 stellte der Kläger einen „Eilantrag“ beim Sozialgericht
Berlin und führte aus, er habe weder Bescheid noch Geld für den Dezember 2005
erhalten. Am 19. Dezember teilte er mit, er habe sich die Bescheide persönlich beim
Antragsgegner abgeholt. Damit sei seiner überraschend eingetretenen Mittellosigkeit
nicht Abhilfe geschaffen worden.
Mit Beschluss vom 5. Januar 2006 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Es hat
ausgeführt, das Begehren des Antragstellers sei sinngemäß dahingehend auszulegen,
dass er die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches gegen den
Aufhebungsbescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2005 in der Fassung des
Bescheides vom 5. Januar 2006 begehre. Denn durch eine solche Anordnung würde die
Leistungsverpflichtung des Antragsgegners aus dem Bewilligungsbescheid wieder
aufleben. Darüber hinaus komme auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – in Betracht. Dies
gelte für den Fall, dass dem Antrag zu entnehmen sein sollte, dass der Antragsteller mit
der Höhe der ihm mit Bescheid vom 7. Dezember 2005 bewilligten Leistungen nicht
einverstanden sei.
Bei der im Eilverfahren allein gebotenen vorläufigen Prüfung der Sach- und Rechtslage
bestünden an der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung keine Bedenken. Der
Antragsteller beziehe nach Aktenlage ein monatliches Einkommen aus einer Unfallrente
(richtig zwei Unfallrenten) in Höhe von 504,34 Euro. Damit sei die Regelleistung für
Hilfebedürftige von 345,- Euro sichergestellt und es verbleibe ein Überschuss. Dass dem
Antragsteller Unterkunftskosten entstünden, sei nicht glaubhaft dargetan. Der
Antragsteller mache insoweit geltend, ab 1. Juli 2005 aus der Eigentumswohnung der
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Antragsteller mache insoweit geltend, ab 1. Juli 2005 aus der Eigentumswohnung der
Frau J B in der K Straße in B, in ein offenbar ebenfalls der Frau B gehörendes
Kleingartengrundstück in der Kolonie „H“ J in B, gezogen zu sein. Unabhängig davon,
dass ein Wohnen in einer Kleingartensparte nach dem Bundeskleingartengesetz nicht
zulässig sei und die Kolonie „H“ nach Aktenlage nicht im Verzeichnis der Kolonien
aufgeführt sei, in denen ein dauerhafter Wohnsitz angemeldet werden könne, sei der
Antragsteller nach einer telefonischen Auskunft des Einwohnermeldeamtes vom 4.
Januar 2006 auch nach wie vor unter der Anschrift K Straße bei Frau B gemeldet. Dass
der Antragsteller sich tatsächlich nicht dort, sondern in der Kleingartenanlage aufhalte,
sei nach Aktenlage nicht glaubhaft dargetan, auch wenn er dorthin offenbar Post
erhalten könne. Ein Wohnen in einem Gartenhaus, insbesondere unter Berücksichtigung
der vorliegenden Winterperiode erscheine auch unwahrscheinlich. Das Objekt müsse
beheizbar und mit entsprechenden Sanitäreinrichtungen ausgestattet sein. Gemäß § 3
Bundeskleingartengesetz sei in Kleingärten jedoch lediglich eine Laube in einfacher
Ausführung mit höchstens 24 m² Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz
zulässig. Sie dürfe nach ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und
Einrichtung, nicht zum dauernden Wohnen geeignet sein. Es erscheine zweifelhaft, ob die
im aktenkundigen (unvollständigen) Mietvertrag ausgewiesenen zwei Räume mit Bad
und Toilette mit einer Wohnfläche von 43 m² tatsächlich vorhanden seien. Dass ab 1. Juli
2005 tatsächlich Mietkosten gezahlt worden seien, sei ebenfalls nicht nachgewiesen.
Kosten von insgesamt 410,- Euro (200,- Euro für Miete, 100,- Euro Strompauschale, 60,-
Euro Zuschlag für Möbel und 50,- Euro für die gemeinsame Unterhaltung eines PKW´s
wären in ihrer Gesamtheit ohnehin nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Im
Hinblick darauf, dass zwischen dem Antragsteller und Frau B nach Aktenlage jedenfalls
ein besonderes Näheverhältnis bestehen dürfte, sei jedenfalls zweifelhaft, dass die
geltend gemachten Unterkunftskosten tatsächlich von Frau B in Rechnung gestellt
würden.
Soweit das Begehren des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gehe,
so mangele es für die Zeit vor Antragseingang bei Gericht am 12. Dezember 2005
bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Erlass einer einstweiligen
Anordnung komme grundsätzlich nur zur Abwendung einer gegenwärtigen existenziellen
Notlage und nicht für einen vergangenen Zeitraum vor Antragseingang bei Gericht in
Betracht. Insoweit sei davon auszugehen, dass sich der Antragsteller für die Zeit vom 1.
bis 11. Dezember 2005 bereits selbst anderweitig geholfen habe.
Für die Zeit ab Antragseingang bei Gericht am 12. Dezember 2005 habe der
Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft
dargetan. Dies ergebe sich ebenfalls aus den vorgenannten Erwägungen. Ein
tatsächlicher Bedarf an Unterkunftskosten in der begehrten Höhe sei nicht dargetan.
Überdies spreche auch nichts für eine existenzielle Notlage bzw. einen drohenden
Unterkunftsverlust.
Gegen den dem Antragsteller am 10. Januar 2006 in der Wohnung K Straße zugestellten
Beschluss richtet sich seine am 12. Januar 2006 eingegangene Beschwerde, der das
Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung reicht er ein von seinem
Rechtsanwalt gefertigtes Schreiben aus dem Widerspruchsverfahren gegen den
Bescheid vom 8. Dezember 2005 ein. In diesem wird ausgeführt, der Antragsgegner
erkenne die Kosten der Unterkunft in der Kolonie „H“ zu Unrecht nicht an. Eine
Unterkunft im Sinne des § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II - sei jede
bauliche Anlage oder Teile hiervon, die geeignet seien, vor den Unbilden der Witterung
zu schützen und ein Mindestmaß an Privatheit zu sichern. Selbst ein Wohnwagen erfülle
den Begriff einer Unterkunft. Bei der Unterkunft des Antragstellers handele es sich um
ein zweistöckiges Gartenhäuschen, so dass die Voraussetzungen einer Unterkunft
jedenfalls erfüllt seien. Diese Unterkunft werde auch tatsächlich genutzt. Der
Antragsteller müsse für sie und die Heizung 215,57 Euro monatlich aufwenden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2006 aufzuheben und dem
Antragsgegner aufzugeben, ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatliche
Leistungen in Höhe von 86,14 Euro zu gewähren.
Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtschutzes zu Recht abgelehnt.
Abweichend von der Auffassung des Sozialgerichts ist nicht § 86b Abs. 1 SGG, sondern
ausschließlich § 86 b Abs. 2 SGG die Rechtsgrundlage für die vorläufige Entscheidung. Es
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ausschließlich § 86 b Abs. 2 SGG die Rechtsgrundlage für die vorläufige Entscheidung. Es
ist nicht erforderlich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den
bewilligenden Bescheid vom 7. Dezember 2005 anzuordnen. Denn dieser Bescheid ist
nicht wirksam geworden. Dem Antragsteller ist gleichzeitig mit der Bewilligung der
ablehnende Bescheid zugegangen, der besagt, dass dem Antragsteller gar keine
Leistungen zustehen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –
wird eine Willenserklärung bei gleichzeitigem Empfang einer widerrufenden
Willenserklärung nicht wirksam. Der zugrundeliegende Gedanke gilt auch im öffentlichen
Recht. Das hat zur Folge, dass ein bewilligender Bescheid nicht wirksam wird, wenn
gleichzeitig ein ablehnender Bescheid zugeht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eins
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei dürfen
sich die Gerichte auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache
stützen, wenn keine schweren und unzumutbaren anders nicht abwendbaren
Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen
wären, drohen. Solche Nachteile drohen hier nicht. Der Kläger bezieht ein Einkommen
von über 500,- Euro und seine Unterkunft ist nach Aktenlage gesichert.
Nach der danach zulässigen summarischen Prüfung, ist einstweiliger Rechtsschutz nicht
zu gewähren, weil die Erfolgsaussichten in der Hauptsache gering sind.
Nach Aktenlage besteht kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, weil der
Antragsteller nicht hilfebedürftig ist. Der Antragsgegner hat insbesondere keine
Unterkunftskosten zu leisten. Er weist zwar zu Recht darauf hin, dass auch eine zum
Wohnen geeignete Gartenlaube eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II sein kann. Es
bestehen aber hier erhebliche Zweifel daran, dass die Nutzung des Gartenhauses, das
sich in einer Kleingartenkolonie befindet, gesetzlich zulässig ist. Kosten einer Unterkunft,
die auf einem gesetzwidrigen Mietvertrag beruhen, sind vom Antragsgegner im Regelfall
nicht zu tragen, weil der entsprechende Mietvertrag gegen ein gesetzliches Verbot
verstößt (§ 134 BGB).
Im Übrigen wird auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des
Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG analog).
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die beabsichtigte
Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 der
Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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