Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.04.2007

LSG Berlin und Brandenburg: hauptsache, wohnung, dringlichkeit, haushalt, wohngemeinschaft, rechtsschutz, zusammenleben, zustellung, erlass, mitwirkungspflicht

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 05.04.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Potsdam S 26 AS 76/07 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 B 295/07 AS ER
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Januar 2007
abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig, ab
Zustellung dieses Beschlusses bis zu einer bestandkräftigen Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin vom
30. November 2006, längstens jedoch bis zum 30. September 2007, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
in Höhe von monatlich 529,14 EUR, für April 2007 anteilig für die verbleibenden Tage vom Zeitpunkt der Zustellung
dieses Beschlusses an, unter Anrechnung der der Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Senates vom 26.
Februar 2007 bereits gewährten Lebensmittelgutscheine, zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde
zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Kosten des gesamten einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin
gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Januar 2007 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin vom 9. Januar 2007, ihr über den 31.
Dezember 2006 hinaus, (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der ihr bisher gewährten Höhe
von monatlich 529,14 EUR zu gewähren, insoweit zu Unrecht abgelehnt.
1.) Für die Gewährung von Leistungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren fehlt
es an einem nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendigen Anordnungsgrund. Es besteht
insoweit keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die zurückliegenden
Zeiträume erforderlich machen würde.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes
nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der
Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur
Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein
spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar
rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die
prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4
Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung
im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare,
anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der
Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR
1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber
zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines
Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das
Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem
Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4
GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume
verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht
erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des
Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der
Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände hat die Antragstellerin
jedoch nicht vorgetragen, sie sind auch nicht sonst ersichtlich. Dies bedeutet, dass effektiver Rechtsschutz im
Hauptsacheverfahren erlangt und ihr insoweit ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache zugemutet werden
kann.
2.) Für die Zeit ab Beschlussfassung des Senats in diesem Beschwerdeverfahren sind die Grundsätze anzuwenden,
die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum Zweiten Buch des Sozialgesetzbuch (SGB II)
entwickelt hat (Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005,927 ff.). Die danach zu treffende
Entscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der
Hauptsache gestützt werden, wobei Art 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des
Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert werden, ist das
erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen,
insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt
und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um
laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für
die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine
vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu
entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch
wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Die Sicherung des Existenzminimums (verwirklicht durch
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose) ist eine grundgesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne (vgl. auch
Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2006 - L 10 B 1052/06 AS ER -).
Im vorliegenden Fall muss sich der Senat nicht auf eine Folgenabwägung beschränken, sondern er kann in der Sache
entscheiden.
Zunächst ist bereits der Bescheid vom 15. Januar 2007, mit dem der Antragsgegner die Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen unterbliebener Vorlage des von der
Antragstellerin abverlangten "Zusatzblattes 5" (Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft) zum
Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB I) versagt hat und gegen den die Antragstellerin Widerspruch erhoben hat, rechtswidrig. Denn nach § 66 Abs. 1
Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger die Leistung ohne weitere Ermittlungen u. a. versagen, wenn derjenige, der
eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht
nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Im vorliegenden Fall war die
Antragstellerin zwar verpflichtet, für die von ihr verlangten Angaben den Vordruck der Antragsgegner zu verwenden.
Denn nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I in Verbindung mit § 60 Abs. 2 SGB I sollen, soweit für die benötigten
Angaben Vordrucke vorgesehen sind, diese benutzt werden. Vorliegend ist die Antragstellerin auch mit Schreiben des
Antragsgegners vom 6. Dezember 2006 aufgefordert worden, das genannte Zusatzblatt ausgefüllt und unterschrieben
vorzulegen, und die Antragstellerin hat dies nach Aktenlage versäumt. Sie hat jedoch dadurch nicht die Aufklärung
des Sachverhalts erschwert. Denn sie hat das von ihr abverlangte Zusatzblatt bereits am 12. Dezember 2006
ausgefüllt und unterschrieben, sowie mit einer auf der Rückseite dieses Blattes verfassten ausführlichen
handschriftlichen Stellungnahme zu der ihres Erachtens nicht gegebenen Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft, zu den Verwaltungsakten gereicht. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, warum von der
Antragstellerin noch nicht einmal einen Monat später verlangt wird, das "Zusatzblatt 5" erneut auszufüllen und zu den
Akten zu reichen. Jedenfalls lag dem Antragsgegner insoweit der benötigte Vordruck vor. Die Aufklärung des
Sachverhalts hat die Antragstellerin nicht erschwert.
Im Übrigen ist der Versagungsbescheid des Antragsgegners vom 15. Januar 2007 auch bereits wegen fehlender
Ermessensausübung rechtswidrig. § 66 SGB I räumt dem Leistungsträger Ermessen ein. Der Leistungsträger hat bei
seiner Entscheidung die Umstände des Einzelfalles angemessen zu berücksichtigen. Eine ablehnende Entscheidung
kann nicht lediglich mit der Weigerung des Leistungsberechtigten begründet werden. Der Leistungsträger muss
berücksichtigen, in welchem Umfange die Mitwirkung den Betroffenen belastet hätte, weshalb die Mitwirkung
verweigert wurde und ob der Betroffene irrtümlich oder wider besseres Wissens seine Mitwirkungspflicht verletzt hat.
Ein Bescheid, der nicht erkennen lässt, ob der Leistungsträger seinen Ermessensspielraum erkannt und sodann sein
Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, ist rechtswidrig, denn ein Ermessensfehlgebrauch liegt auch dann vor, wenn
der Leistungsträger von den ihm eingeräumten Ermessen ersichtlich keinen Gebrauch gemacht hat (Krauskopf in
Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung (Std.: 49. Erg-Lfg. Dezember 2004), § 66 SGB I RdNr.13 m. w.
Nachw.).
Dies ist hier der Fall. Der Bescheid des Antragsgegners vom 15. Januar 2006 lässt eine Ermessensausübung nicht
erkennen. Die Begründung erschöpft sich in der Feststellung, die Antragstellerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht
nachgekommen und habe dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert. Diese Wiederholung der
gesetzlichen Voraussetzungen einer Leistungsversagung mit dem abschließenden Hinweis, diese lägen vor, ist schon
keine ausreichende Begründung im Sinne von § 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Das Ausüben von
pflichtgemäßem Ermessen kann damit erst Recht nicht nachgewiesen werden.
Die Antragstellerin hat auch einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II. Dieser Anspruch setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II voraus, dass
die Antragstellerin hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann, wobei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen,
die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen
ist. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit dem erwerbsfähigen
Hilfsbedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der
wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach § 7
Abs. 3 a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben, 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu
verfügen.
Im vorliegenden Fall lebt die Antragstellerin seit mehreren Jahren mit dem Zeugen R W in verschiedenen Wohnungen
in N und in M in Nordrhein-Westfalen. Sie haben sich in N kennen gelernt und sind dann nach M verzogen. Zu dieser
Zeit – jedenfalls bis zu ihrer Rückkehr nach N- haben sie auch partnerschaftlich zusammengelebt, so dass die
Vermutung nahe liegt, dass sie auch nach ihrer Rückkehr nach N in einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft leben. Ein weiteres der in § 7 Abs. 3 a SGB II genannten Tatbestandsmerkmale liegt im
Falle der Antragstellerin nicht vor. Sie und der Zeuge W leben weder mit einem gemeinsamen Kind in einer Wohnung,
es werden keine Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgt und es besteht auch keine gegenseitige Befugnis über
das Einkommen oder das Vermögen des jeweils anderen zu verfügen.
Das Tatbestandsmerkmal "länger als ein Jahr zusammenleben" kann allerdings ohne nähere Präzisierung nicht allein
als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dienen, weil insoweit
auch eine Wohngemeinschaft im Sinne einer gemeinsam genutzten Wohnung erfasst würde. (vgl. dazu Wenner,
SozSich 2006,146 ff.).
Dementsprechend liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur dann vor, wenn die Bindungen der
Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet
werden kann. Sie ist auf Dauer angelegt und lässt daneben keine weitere Lebensgemeinschaft zu. Sie geht über eine
Haushaltsgemeinschaft hinaus (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 RdNr. 69).
Der Senat ist davon überzeugt, dass eine solche Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen Wnicht
besteht. Diese Überzeugung stützt sich auf die Vernehmung des Zeugen W durch den Berichterstatter in dem Termin
zur Erörterung des Sachverhaltes mit Beweisaufnahme am 29. März 2007. Die Vermutung, dass zwischen der
Antragstellerin und dem Zeugen W eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft besteht, ist damit widerlegt.
Der glaubwürdige Zeuge hat die Umstände seines Lebens mit der Antragstellerin in einer gemeinsamen Wohnung
glaubhaft geschildert. Danach haben sie sich in N kennen gelernt und sind dann als Paar aufgrund privater Kontakte
der Antragstellerin nach Nordrhein-Westfalen verzogen, weil sie sich dort bessere berufliche Perspektiven erhofften.
Da sich diese Erwartungen nicht erfüllt haben und auch Schwierigkeiten mit der Verwandtschaft der Antragstellerin in
Nordrhein-Westfalen auftraten, haben sie sich schon in dieser Zeit auseinander gelebt. DeN Entschluss, nach Nauen
zurückzukehren, haben sie aber noch gemeinsam getroffen und deshalb eine gemeinsame Wohnung angemietet.
Nach Angaben des Zeugen ist die Beziehung dann aber im Zusammenhang mit den Umständen des Umzuges nach
Nbeendet worden. Die Antragstellerin hat sich am Umzugstag das Sprunggelenk gebrochen und nach Angaben des
Zeugen musste er den Umzug alleine bewältigen. Er wollte von diesem Zeitpunkt an die Beziehung mit der
Antragstellerin nicht mehr fortsetzen. Die Antragstellerin hat diesen Entfremdungsprozess ebenfalls glaubhaft
geschildert. Sie hat den Zeugen sinngemäß als "Sauberkeitsfanatiker" bezeichnet, von dem sie sich getrennt habe.
Dass die Antragstellerin und der Zeuge gleichwohl noch in die vor der Trennung angemietete Wohnung gezogen sind,
vermag hieran nichts zu ändern. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er die Antragstellerin wegen ihrer Krankheit "nicht
hängen lassen" wollte. Die Antragstellerin, die Bluterin ist und an einer Epilepsieerkrankung leidet, hat insoweit
nachvollziehbar vorgetragen, dass sie wegen dieser schwerwiegenden Erkrankung in einer Wohngemeinschaft wohnen
will.
Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass die konkrete Art des Zusammenlebens zwischen der
Antragstellerin und dem Zeugen in der Wohnung in N nicht den Schluss des Bestehens einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft zulässt. Die Antragstellerin nutzt den Wohnraum der Wohnung. Der Zeuge Wilhelm bewohnt
einen Schlafraum und einen weiteren Raum. Den Schlafraum hält er nach seiner Aussage als Zeuge während seiner
Abwesenheit verschlossen. Dass verschiedene Kleidungsstücke der Antragstellerin in dem Raum des Zeugen
verwahrt werden sollen, die sie nach ihren Angaben nicht jederzeit benötigt, vermag diesen Eindruck nicht zu
widerlegen. Gefälligkeiten dieser Art begründen noch keine Verantwortungsgemeinschaft. Entscheidend ist, dass die
Antragstellerin und der Zeuge W nach übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen getrennt wirtschaften.
Die Kosten für Strom und die GEZ Gebühren für die zwei Fernseher werden geteilt. Jeder verfügt über ein eigenes
Konto. Es wird nicht gemeinsam gekocht. Für die Wäsche ist jeder selbst verantwortlich. Ein gemeinsamer Einkauf
erfolgt nicht. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt im
März 2007 mit Lebensmittelgutscheinen sichergestellt hat. Der Senat hat den Antragsgener mit Beschluss vom 26.
Februar 2007 vorläufig, bis zu einer Entscheidung des Senats über die Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Januar 2007, zu der Gewährung dieser Lebensmittelgutscheine
verpflichtet. Die Antragstellerin war mithin auf diese Leistungen zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts angewiesen
und konnte nicht darauf vertrauen, was aber für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft kennzeichnend ist,
Unterstützungsleistungen von dem vermeintlichen Partner, dem Zeugen W zu erhalten.
Des Weiteren haben die Antragstellerin und der Zeuge W auch insoweit widerspruchsfrei dargelegt, den jeweils
anderen bei der Pflege seiner Angehörigen nicht zu unterstützen, insoweit auch keinen Kontakt zu pflegen und weder
gemeinsam die Freizeit noch gemeinsam den Urlaub zu verbringen.
Dies alles zeigt, dass es sich bei der Antragstellerin und dem Zeugen W lediglich um eine aus
Zweckmäßigkeitserwägungen gegründete Wohngemeinschaft handelt, die dann wieder beendet werden wird, wenn
einem der Mitbewohner aufgrund äußerer Veränderungen eine andere Gestaltung seiner Wohnbedingungen
vorteilhafter erscheint. Indizien, die auf innere Bindungen hindeuten, haben sich jedenfalls nicht finden lassen. Der
Zeuge W hat in seiner Vernehmung durch den Berichterstatter im Gegenteil eine bestehende Distanz zu der
Antragstellerin zu erkennen gegeben. So will er anlässlich eines Hausbesuches eines Mitarbeiters der
Antragsgegnerin diesem gegenüber geäußert haben, dass er die Antragstellerin "gleich mitnehmen" könne.
Ist die Antragstellerin damit bedürftig, hat sie nach § 20 Abs. 2 SGB II Anspruch auf den monatlichen Regelsatz von
345,00 EUR nebst Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (§ 22 SGB II).
Dieser betrug bis zum 31. Dezember 2006 184,14 EUR. Änderungen haben sich nach Aktenlage insoweit nicht
ergeben. Der Senat weist darauf hin, dass der Antragsgegner, wenn er wie im vorliegenden Fall, die Leistung ohne
zeitliche Begrenzung versagt hat, über den Anspruch der Anragstellerin auf Gewährung von Leistungen nach dem
SGB II für die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit zu befinden hat (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts
vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -)
Die Beschwerde hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren kann keinen
Erfolg haben. Das Verfahren hat sich erledigt. Im Hinblick auf den in diesem Beschluss ausgesprochenen
Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin für das gesamte einstweilige Rechtschutzverfahren besteht kein
Rechtsschutzbedürfnis mehr an der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).