Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.06.2008

LSG Berlin und Brandenburg: ddr, grundsatz der prozessökonomie, sozialversicherung, inhaftierung, vormerkung, verordnung, beitragszeit, untersuchungshaft, republik, freiheitsentzug

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 05.06.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 105 R 2991/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 R 1148/07
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte den Zeitraum vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Beitragszeit
berücksichtigen muss.
Der Kläger befand sich vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 im Beitrittsgebiet in Untersuchungshaft in der
StVA Berlin I.
Auf den Kontenklärungsantrag des Klägers vom 10. Dezember 1999 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai
2000 die rentenrechtlichen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen, verbindlich fest. Hiergegen wandte
sich der Kläger mit seinem Widerspruch und machte unter anderem geltend, es sei auch der Zeitraum der Inhaftierung
in der StVA Berlin I vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 zu berücksichtigen. Er legte die Kopie eines
Entlassungsscheins vor. Hieraus ergab sich unter anderem, dass für die Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11.
Oktober 1967 Gebühren zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft durch die Verwaltung Strafvollzug entrichtet
worden waren. Im Ausweis für Arbeit und Sozialversi-cherung fand sich für diesen Zeitraum keine Eintragung.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2001 hob die Beklagte den Bescheid vom 10. Mai 2000 teilweise auf, lehnte jedoch die
Vormerkung der Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Ersatzzeit ab, weil insoweit keine
Rehabilitation oder Kassation erfolgt sei. In seinem Widerspruch hiergegen verwies der Kläger auf den
Entlassungsschein.
Mit Bescheid vom 19. November 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen
ab dem 01. September 2002. Der Bescheid enthielt den Hinweis, die Rente sei unter Außerachtlassung der im
Verfahren gegen den Bescheid vom 17. Juli 2001 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden. Die Rente werde
neu festgestellt, wenn und soweit dieses Verfahren zu seinen Gunsten beendet werde. Mit weiterem Bescheid vom
16. März 2004 wurde die Rente von Beginn an neu festgestellt.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2004 wies die Beklagte den Kläger unter anderem darauf hin, dass für Zeiten des
Arbeitseinsatzes während des Strafvollzugs nach dem Recht der DDR grundsätzlich keine Beiträge zu zahlen
gewesen seien. Entsprechende Zeiten seien deswegen grundsätz-lich nicht als Beitragszeiten nach § 248 Sechstes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berücksichtigen. Für Zeiten der Haft vom 01. Dezember 1951 bis zum 07. April
1952 sowie vom 01. Juli 1954 bis zum 30. Juni 1968 seien für die im Arbeitseinsatz stehenden Inhaftierten nur
Anwartschaftsgebühren gezahlt worden. Ab dem 01. Juli 1968 sei auch die Zahlung von Anwart-schaftsgebühren
entfallen. Anwartschaftsgebühren seien keine Beiträge im Sinne von § 248 Abs. 3 SGB VI. Ehemaligen politischen
Häftlingen, deren Haft- oder Gewahrsamszeiten als rechtsstaatswidrig nach dem strafrechtlichen
Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) bzw. bei denen der Zeitraum eines Gewahrsams in einer Bescheinigung nach § 10
Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) festgestellt worden seien, werde die Zeit einer zu Unrecht erlittenen
Freiheitsentziehung bzw. des Gewahrsams unter den Voraussetzungen des § 250 Abs. 5, 5a SGB VI als Ersatzzeit
angerechnet. Entsprechende Nachweise über eine Rehabilitierung seien vorzulegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2005 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Juli 2001
zurückgewiesen und zur Begründung auf das Schreiben vom 16. Juli 2004 verwiesen.
Mit seiner vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin die Anerkennung unter anderem
der Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Beitrags- bzw. Ersatzzeit begehrt. Während der
Untersuchungshaft habe er nicht offiziell arbeiten dürfen. Er sei zeitweilig im Küchendienst oder auch für Hofarbeiten
eingesetzt worden. Arbeitsverträge existierten hierzu nicht, die Einsätze seien aufgrund mündlicher Anweisung erfolgt.
Mit Bescheid vom 26. September 2006 hat die Beklagte nach weiteren Ermittlungen weitere Zeiten als
Pflichtbeitragszeiten anerkannt, nämlich die Zeiträume vom 01. August 1957 bis zum 31. Dezember 1957, vom 01.
Januar 1958 bis zum 31. Dezember 1958 sowie vom 01. Januar 1959 bis zum 30. September 1959. Mit Bescheid
vom 27. Oktober 2006 ist auf der Grundlage der geänderten Daten die Altersrente von Beginn an neu festgestellt
worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2007 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Rentenbescheid
zurückgewiesen. Der Kläger hat hiergegen ebenfalls Klage vor dem SG Berlin – Az.: S 16 R 1426/07 – erhoben. Das
Verfahren befindet sich inzwischen in der Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – Az.: L 22 R
1645/01 -.
Das SG hat die auf Vormerkung der Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 gerichtete Klage gegen den
Bescheid vom 10. Mai 2000 in der Gestalt des Bescheides vom 17. Juni 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die geltend gemachte
Zeit sei weder eine Beitragszeit im Sinne von §§ 54 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 1, 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI noch eine
Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nrn. 5, 5a SGB VI. Beitragszeiten im Beitrittsgebiet könnten grundsätzlich nur
berücksichtigt werden, wenn Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach den damaligen
Vorschriften der DDR tatsächlich gezahlt worden seien. Eine Beitragszahlung sei hier nicht nachgewiesen, eine
Glaubhaftmachung nach § 286 b SGB VI scheide aus. Es könne dahinstehen, ob die streitgegenständliche Zeit
bereits deswegen aus der Prüfung auszu-scheiden habe, weil diese Zeit ausweislich des Ausweises für Arbeit und
Sozialversicherung nicht belegt sei. Ungeachtet dessen könne der Kläger aus dem vorgelegten Entlassungsschein,
selbst wenn er als Untersuchungsgefangener gearbeitet haben sollte, keine Ansprüche herleiten. Denn die Zeit des
Arbeitseinsatzes als Untersuchungsgefangener habe nach dem Recht der DDR keinen versicherungspflichtigen
Tatbestand begründet. Für die Zeit der Untersuchungshaft sowie für die Zeit des Vollzugs einer Strafe mit
Freiheitsentzug habe in der DDR zu die-sem Zeitpunkt keine Versicherungspflicht bestanden. Die im
Entlassungsschein genannten Anwartschaftsgebühren stellten keine Beiträge im Sinne von § 248 Abs. 3 SGB VI dar.
Die Anrechnung als Ersatzzeit scheide aus, weil die Inhaftierung nicht aus politischen Gründen erfolgt sei, auch sei
nicht erkennbar, dass der Kläger zum Personenkreis des § 1 HHG gehöre. Eine Rehabilitierungsbescheinigung sei
nicht vorgelegt worden.
Gegen den am 04. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 03. August 2007 eingegangene
Berufung des Klägers. Hierin vertritt er die Auffassung, bereits aus dem Begriff "Anwartschaftsgebühr" ergebe sich,
dass es sich um Pflichtbeiträge gehandelt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des
Bescheides vom 10. Mai 2000 in der Gestalt des Bescheides vom 17. Juni 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 und des Bescheides vom 26. September 2006 zu verurteilen, die Zeit
vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Beitragszeit vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Der
Kläger hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 05.
Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 als Beitragszeit.
Streitgegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 10. Mai 2000 in der Gestalt des Bescheides vom17. Juli
2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 und der Bescheid vom 26. September 2006, der
nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klage-verfahrens geworden ist, weil er die vorhergehenden
Vormerkungsbescheide abändert.
Die Berufung des Klägers scheitert nicht bereits daran, dass die auf Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten erhobene
Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig wäre. Zwar ist bereits im laufenden Verwaltungsverfahren ein
Altersrentenbescheid erteilt worden. Dieser ist jedoch nicht entsprechend § 86 SGG Gegenstand des gegen den
Vormerkungsbescheid anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden. Zwar geht die höchstrichterliche
Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass ein während eines Vormerkungs-, Herstellungs- oder Wiederherstel-
lungsverfahrens erlassener Rentenbescheid in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 bzw. § 86 SGG jedenfalls
dann Gegenstand des anhängigen Verfahrens wird, wenn dies dem ausdrücklichen geäußerten Willen der Beteiligten
nicht widerspricht (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1500 § 53 Nr. 2; SozR 1500 § 96 Nr. 13; BSG SozR 1500 §
96 Nr. 18; BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 75 jeweils m. w. N.). Im vorliegenden Fall trifft dies jedoch nicht zu, denn im
Rentenbescheid vom 19. November 2002 ist explizit keine Entscheidung über die im Widerspruchsverfahren gegen
den Vormerkungsbescheid geltend gemachten Ansprüche getroffen worden. Der Rentenbescheid enthält somit keine
Regelung hinsichtlich der Anerken-nung der hier streitbefangenen Zeit als rentenrechtliche Zeit. Eine Änderung oder
Ersetzung hat durch den Rentenbescheid also nicht stattgefunden. Die Beklagte hat sich im Rentenbescheid vom 19.
November 2002 darüber hinaus bereit erklärt, unter Außerachtlassung der Frist des § 44 Abs. 4 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X) die Rente neu festzustellen, sofern das Verfahren auf Vormerkung weiterer
rentenrechtlicher Zeiten zu Gunsten des Klägers beendet werden sollte. Damit besteht nach dem maßgebenden
Grundsatz der Prozessökonomie für eine entsprechende Anwendung des § 86 SGG kein Bedürfnis. Dies begründet
eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Rentenbescheid in analoger Anwendung der §§ 86, 96 Abs. 1 SGG
Gegenstand des Verfahrens wird (vgl. auch Urteil des BSG vom 15. März 1979 – 11 RA 48/78 -, BSGE 48, 100, 101).
Die Berufung ist unbegründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten und der sie bestätigende
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts rechtlich nicht zu beanstanden sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Vormerkung der Zeit des Arbeitseinsatzes während der Inhaftierung vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967
als Beitragszeit. Auch eine Anrechnungs- oder Ersatzzeit scheidet aus. Die gesetzliche Regelung verstößt zudem
nicht gegen verfas-sungsrechtliche Vorschriften des Grundgesetzes.
Eine Beitragszeit nach § 55 Abs. 1 SGB VI liegt nicht vor. Danach sind Beitragszeiten die Zeiten, für die nach
Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum keine
Beiträge nach dem Recht der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland gezahlt.
Es handelt sich auch nicht um eine gleichgestellte Beitragszeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit §
248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Danach stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht die Zeiten nach dem 08. Mai 1945
gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von
Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Erfasst werden unter anderem Beitragszeiten im
Beitrittsgebiet. Zu den Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet gehören alle Zeiten, für die nach den im Beitrittsgebiet
geltenden Vorschriften Versicherungspflicht in der Sozialpflichtversicherung bestand. Eine solche Beitragspflicht hat
für Untersuchungsgefangene und Strafgefangene jedoch nicht bestanden (vgl. hierzu Entscheidungen des LSG
Brandenburg vom 17. Juni 2003 – L 2 RA 142/02 - und vom 10. Juni 2004 – L 1 RJ 123/03 –; Urteil des LSG
Sachsen-Anhalt vom 14. Februar 2002 – L 3 RJ 104/01 -; Urteil des Bayerischen LSG vom 09. März 2005 – L 20 R
662/03 –; Urteile des LSG Thüringen vom 15. Oktober 1998 - L 2 RJ 118/98 – und vom 15. März 2000 – L 6 RJ
126/98 - sowie Urteil des SG Dresden vom 03. Mai 2004 – S 14 RJ 127/02 -). Der Senat folgt dem SG aus den
Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§
153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat – unabhängig davon, dass der Kläger nicht einmal eine regelrechte Beschäftigung
aufgrund von Arbeitsverträgen für die Zeit vom 05. Oktober 1966 bis zum 11. Oktober 1967 behauptet hat - auf
Folgendes hin:
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 03. April 1952 (GBl. I 1952, 275) -
StgVO 1952 - galten für die zu Freiheitsentzug Verurteilten, die während des Strafvollzuges in bestimmten Zweigen
der Industrie arbeiteten, die in dieser Verordnung aufgeführten Vergünstigungen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StgVO 1952
waren die aufgrund dieser Verordnung beschäftigten Strafgefangenen nach den Lohnsätzen der geltenden
Kollektivverträge zu entlohnen. Für die Entrichtung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge galten die
allgemeinen Bestimmungen (§ 4 Abs. 2 StgVO 1952). Diese Regelun-gen traten allerdings mit Wirkung zum 01. Juli
1954 mit der Aufhebung der StgVO 1952 außer Kraft (§ 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung über den Arbeitseinsatz von
Strafgefangenen vom 10. Juni 1954 - GBl. I 1954, 567 - StgVO 1954).
Nach § 1 der StgVO 1954 wurde der Minister des Innern ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Generalstaatsanwalt
der Deutschen Demokratischen Republik, dem Ministerium der Justiz, dem Ministerium für Arbeit und dem
Ministerium der Finanzen den Arbeitseinsatz von Strafgefangenen in eigener Zuständigkeit neu zu regeln. Gemäß
dieser Ermächtigung erging unter dem 07. Juli 1954 die Anordnung des Ministers des Innern der DDR Nr. 22/54,
wonach (vgl. Ziffer 9) während der Zeit der Inhaftierung die Organe des Strafvollzuges die gesamte gesundheitliche
Betreuung der Strafgefangenen übernähmen, da diese während der Haftzeit außerhalb der allgemeinen
sozialrechtlichen Bestimmungen stünden. Zwischen dem Ministerium für Arbeit und der Hauptverwaltung Deutsche
Volkspolizei war nach dieser Anordnung über die sozialrechtliche Behandlung von Strafgefangenen in
Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des FDGB bis zum 31. Juli 1954 eine besondere Vereinbarung
abzuschließen. Diese Anordnung trat mit Wirkung vom 15. Juli 1954 in Kraft (vgl. Ziffer 13). Mit der Anordnung des
Ministers des Innern Nr. 51/55 vom 15. November 1955 wurde die bisherige Anordnung Nr. 22/54 vom 07. Juli 1954
mit sofortiger Wirkung aufgehoben (vgl. Ziffer 13) und mit Ziffer 9 Satz 2 geregelt, dass die
sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Strafgefangenen entsprechend der zwischen dem Ministerium für Arbeit
und Berufsausbildung und der Verwaltung Strafvollzug am 15. Juli 1954 abgeschlossenen Vereinbarung erfolge. Diese
Anordnung wurde wiederum mit Wirkung zum 01. Juli 1957 durch die Anordnung des Ministeriums des Innern über den
Einsatz von Strafgefangenen vom 28. Mai 1957 abgelöst (vgl. § 11). § 8 Abs. 2 dieser Anordnung führte die bisher
geltende sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Strafgefangenen fort. Diese Rechtslage galt bis zum 05. Mai
1977, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens (§ 68 Abs. 1) des Gesetzes über den Vollzug der Strafen mit Freiheitsentzug
(Strafvollzugsgesetz) - StVG - vom 07. April 1977 (GBl. I 1977, 109). Seither war die Dauer des Arbeitseinsatzes, der
ab Inkrafttreten dieses Gesetzes durchgeführt wurde (§ 67 StVG), der Zeit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit
(lediglich) gleichgestellt (§ 6 Abs. 3 StVG). Durch die Fünfte Verordnung über die Gewährung und Berechnung von
Renten der Sozial-pflichtversicherung - 5. Rentenverordnung vom 25. Januar 1990 (GBl. I 1990, 24) - 5. RtVO - wurde
durch die Ergänzung des § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Gewährung und Berech-nung von Renten der
Sozialpflichtversicherung - Rentenverordnung - vom 23. November 1979 (GBl. I 1979, 401) - 1. RtVO - um den
Buchstaben q diese Gleichstellung auch für Zeiten vor dem 05. Mai 1977 erstreckt.
Deswegen musste der Strafgefangene bzw. Untersuchungsgefangene jedoch keine eigenen Beiträge zur Sozial-
(Renten)versicherung zahlen.
Nach der Vereinbarung über die sozialversicherungsrechtliche Regelung für Personen während und nach der
Inhaftierung, die mit Wirkung vom 01. Juli 1954 in Kraft trat (vgl. Nr. IV Ziff. 1), standen Inhaftierte außerhalb der
sozialrechtlichen Bestimmungen und hatten keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherung. Bei der
Inhaftierung war der Sozialversicherungsausweis einzuziehen und zu den Akten zu nehmen (vgl. Nr. I Ziff. 1 der
Vereinbarung). Versicherungsausweise waren während der Zeit der Inhaftierung nicht auszustellen und nicht zu führen
(vgl. Nr. I Ziff. 5 dieser Vereinbarung). Dementsprechend sind auch im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung des
Klägers keine Eintragungen erfolgt. Nach Nr. III Ziff. 1 der Vereinbarung waren die vom jeweiligen volkseigenen
Betrieb zu zahlenden 10 v. H. (bzw. 20 v. H. bei Bergbaubetrieben) der Bruttoarbeitsvergütung des Inhaftierten,
höchstens monatlich 60,00 DM (bzw. 120,00 DM bei Bergbaubetrieben), zur Deckung der Kosten für die
gesundheitliche Betreuung (so die ursprüngliche Fassung) an die Deutsche Volkspolizei abzuführen, wobei sich die
Berechnung der Abzüge nach den für die Beitragsabrechnung für die Sozialversicherung maßgebenden allgemeinen
Bestimmungen richtete (Nr. III Ziff. 2 dieser Vereinbarung). Nach Nr. III Ziff. 3 dieser Vereinbarung wurde die
Anwartschaft Inhaftierter – sowohl Strafgefangener als auch Untersuchungsgefangener - auf bereits erworbene
Rentenansprüche durch die Zahlung einer monatlichen Gebühr i. H. v. 1,00 DM aufrechterhalten
(Anwartschaftsgebühr), die zentral von der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei (HVDVP) an die
Sozialversicherung entrichtet wurde (vgl. hierzu auch Weser, Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung
in der DDR, 2. Aufl. 1983, S. 73 ff). Dies galt auch für Untersuchungsgefangene (vgl. z. B. Weser a. a. O. sowie
Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken, Nr. 4/1998, S. 308 f). Die Zeit der
Inhaftierung galt hiernach nicht als wartezeiterfüllend und wirkte sich nicht rentensteigernd aus.
Diese Anwartschaftsgebühren sind – entgegen der Auffassung des Klägers - keine Beiträge im Sinne des § 248 Abs.
3 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI (vgl. z. B. Kasseler Kommentar - Polster, § 248 SGB VI Randnr. 34 und "Beitragszeiten
im Beitrittsgebiet", Mitteilungen der bayerischen Landesversicherungsanstalten, 9/2003, Seite 421, 427f unter 5.4; vgl.
Urteile des BSG vom 24. Juli 1980 – 5 RJ 50/79 -, Thüringer LSG vom 15. März 2000 - L 6 RJ 126/98 – und vom 15.
Oktober 1998 - L 2 RJ 118/98 - sowie des LSG Sachsen-Anhalt vom 14. Februar 2002 - L 3 RJ 104/01 -).
Denn Voraussetzung hierfür ist ein versicherungspflichtiges Arbeitsrechtsverhältnis, welches Versicherungsschutz
(Gewährung von Sach- und Geldleistungen) und eine Beitragspflicht begründete. Nach den damals gültigen Gesetzen
der ehemaligen DDR gab es bei der Gefange-nenarbeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung. Im streitigen Zeitraum richtete sie sich nach der Verordnung über die Sozialversicherung der
Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 21. Dezember 1961 (GBl. II Nr. 83 S. 533). Sie setzte nach § 14 SVO 1961 ein
Arbeitsrechtsverhältnis voraus, also einen freiwillig geschlossenen Arbeitsvertrag, der bei einem Arbeitseinsatz im
Strafvollzug wegen des Freiheitsentzuges nicht zustande kommen konnte. Ein Arbeitsvertrag musste zum streitigen
Zeitpunkt nach § 20 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) vom 12. April 1961 (GBl. I Nr. 5 S. 27) in
der Neufassung vom 23. November 1966 (GBl. I Nr. 15 S. 127) sowie in der Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1967
zur Änderung gesetzlicher Bestimmungen (GBl. I Nr. 9 S. 89) schriftlich abgeschlossen werden und nach § 23 Abs. 1
AGB den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Schriftliche Arbeitsverträge hat der Kläger nach seiner eigenen
Einlassung nicht abgeschlossen. Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) der DDR vom 02.
Oktober 1952 (GBl. I S. 996 ff) konnten Untersuchungsgefangene zur Arbeit angehalten werden. Nach § 4 Abs. 2 des
Gesetzes über den Vollzug der Strafen mit Freiheitsentzug und über die Wiedereingliederung Strafentlassener in das
gesellschaftliche Leben (SVWG) vom 12. Januar 1968 (GBl. I Nr. 3 S. 109) waren arbeitsfähige Strafgefangene zur
Arbeit verpflichtet. Nach § 28 SVWG erfolgte der Arbeitseinsatz der Strafgefangenen in volkseigenen Betrieben und
ihnen gleichgestellten Einrichtungen (Absatz 1 Satz 1) auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen den
Strafvollzugseinrichtungen und den Betrieben (Absatz 2 Satz 1 SVWG); die Zuweisung des einzelnen
Arbeitseinsatzes erfolgte durch einen Offizier für Arbeitseinsatz. Der Betrieb wurde bei seiner Entscheidung
eingebunden. Arbeitsverträge zwischen Gefangenen und Arbeitseinsatzbetrieben waren also zu DDR-Zeiten nicht
denkbar. Es gab kein normales Arbeitsrechtsverhältnis. Tätigkeiten und Umstände wurden durch das
Strafvollzugsverhältnis geregelt, die notwendigen Vereinbarungen zwischen der Strafvollzugseinrichtung und den
Betrieben abgeschlossen. Der Kläger selber hat darüber hinaus ein regelrechtes Arbeitsverhältnis auch nicht
angegeben, denn er hat lediglich zeitweilige Einsätze im Küchen- bzw. Hofdienst aufgrund mündlicher Anweisung
vorgetragen. Derartige, auf dem besonderen Gewaltverhältnis in der Untersuchungshaft beruhende, Anweisungen
begründeten kein Arbeitsrechtsverhältnis, zumal es ja auch an dem erforderlichen schriftlichen Arbeitsvertrag fehlte.
Mangels eines Arbeitsrechtsverhältnisses bestand für die Inhaftierten somit grundsätzlich kein Versicherungsschutz,
wenn während des Freiheitsentzuges ein Versicherungsfall (z. B. Krankheit, Invalidität, Alter) eintrat. Denn ein
Anspruch auf Sach- und Geldleistungen der Sozialver-sicherung bestand nur, wenn der Leistungsfall während der
Dauer der Pflichtversicherung eingetreten ist (§ 16 Abs. 1 SVO 1961). Untersuchungsgefangene hatten für die Zeit der
Inhaftierung keinen Anspruch auf Sach- und Geldleistungen der Sozialversicherung (§ 59 SVO 1961). Somit bestand
grundsätzlich kein Anspruch auf Geldleistungen (wie z. B. Gewährung von Renten und Pflegegeldern) aus der
Sozialversicherung, wenn der (jeweilige) Versicherungsfall (bei Renten (z. B. Eintritt von Invalidität oder Vollendung
eines gesetzlich bestimmten Lebensjahres) während der Inhaftierung eintrat. Dieser Mangel konnte durch Zahlung von
Anwartschaftsgebühren beseitigt werden. Diese dienten lediglich der Erhaltung der Anwartschaft und begründeten
keine weiteren darüber hinausgehenden Rechte an die Versicherung. Sie erhielten zwar die erworbenen Rechte aus
Beitragszeiten, begründeten aber keine Ansprüche und auch nicht die Zugehörigkeit zum Versicherungssystem (vgl.
Urteile des BSG vom 24. Mai 1956 – 5 RKn 6/54 – zu Anerkennungsgebühren nach dem Reichknappschaftsgesetz
und vom 24. Juli 1980 – 5 RJ 50/79 -; siehe auch die Formulierung in § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Neuregelung
der freiwilligen Versicherungen in der Sozialversicherung vom 25. Juni 1953 (GBl. Nr. 80, S. 823)). Beiträge im Sinne
der SVO 1961, die den Tatbestand des § 248 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI erfüllen könnten, hat demzufolge in
der hier streitigen Zeiten weder der Kläger gezahlt noch wurden oder gelten sie für ihn als gezahlt. Somit war die
Beklagte weder verpflichtet noch befugt, insoweit eine Beitragszeit anzurechnen.
Die Zeit der Untersuchungshaft kann auch nicht als Anrechnungszeit nach den §§ 58, 252 oder 252 a SGB VI
vorgemerkt werden. Die Zeit einer Strafhaft bzw. Untersuchungshaft wird von dem Katalog der Tatbestände, für die
eine Anrechnungszeit vorgesehen ist, nicht erfasst.
Auch die Vormerkung einer Ersatzzeit nach § 250 SGB VI kommt nicht in Betracht. Insbesondere ist – wie das SG
zutreffend ausgeführt hat - kein Fall des § 250 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VI ersichtlich.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen wegen der gesetzlich nicht vorgesehenen rentenrechtlichen
Berücksichtigung von Arbeitseinsätzen während der Untersuchungs- bzw. Strafhaft in der ehemaligen DDR nicht (vgl.
hierzu ausführlich Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 14. Februar 2002 – L 3 RJ 104/01 -).
Die Nichtberücksichtigung der streitigen Zeiten verletzt nicht den Eigentumsschutz nach Artikel 14 Abs. 1
Grundgesetz (GG). Die in der Deutschen Demokratischen Republik bis zur Wiedervereinigung erworbenen
Rentenanwartschaften und -ansprüche genießen nicht den Ei-gentumsschutz des Grundgesetzes. Zwar gelangten die
Ansprüche und Anwartschaften wie andere vermögenswerte Rechtspositionen mit der Wiedervereinigung in den
Schutzbereich des Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz dieser in der
Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Rechtspositionen besteht allerdings nur in der durch den
Einigungsvertrag erhaltenen Form (Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 -
und - 1 BvR 2105/95 -, BVerfGE 100, S. 1, 33, 37). Kein Eigentumsschutz im Sinne des Artikel 14 GG lässt sich
daher für in der Deutschen Demokrati-schen Republik erworbene Ansprüche und Anwartschaften herleiten, die vom
Einigungsvertrag nicht übernommen worden sind. Außerhalb der Regelung des Artikel 2 Rentenüberleitungs-Gesetz
(RÜG), der für einen vorübergehenden Zeitraum bis zum 31. Dezember 1996 die ren-tenrechtlichen Bestimmungen der
Deutschen Demokratischen Republik fortführte, haben die Zeiten des Arbeitseinsatzes keine Berücksichtigung im
Einigungsvertrag gefunden. Aus Art. 2 RÜG lässt sich die geltend gemachte Vormerkung als rentenrechtliche Zeit
nach dem SGB VI jedoch nicht begründen, denn das Gesetz führt allein die früheren rentenrechtlichen Bestimmungen
der DDR befristet fort, begründet aber keine Ansprüche nach dem SGB VI.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG lässt sich aus einem
Vergleich mit Strafgefangenen in der früheren Bundesrepublik Deutschland nicht entnehmen. Auch der Arbeitseinsatz
von Strafgefangenen in der Bundesrepublik Deutschland war und ist nicht versicherungspflichtig (Urteil des BVerfG
vom 01. Juli 1998 - 2 BvR 441, 493/90, 618/92, 212/93 und 2 BvL 17/94 -, BVerfGE 98, Seite 169, 212). Nach der
Rechtsprechung des BVerfG ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Regelung über die
Einbeziehung des während der Haftzeit erzielten Arbeitsentgeltes in die sozialen Versicherungssysteme stellt ein
Element des dem Gesetzgeber freigestellten Resozialisierungskonzeptes dar. Eine solche Regelung ist weder vom
verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot noch vom Gleichheitsgrundsatz gefordert.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.