Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.04.2003

LSG Berlin und Brandenburg: treu und glauben, verjährung, bankkonto, hinterbliebenenrente, auflage, zahlungsverkehr, erfüllung, anweisung, auszahlung, geldschuld

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 24.04.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Neuruppin S 3 V 20/01
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 6 V 10/02
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. März 2002 wird zurückgewiesen.
Über das Kostenanerkenntnis des Beklagten hinaus sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch die Auszahlung einer Hinterbliebenenrente für den Zeitraum von Januar 1991 bis
März 1996 in Höhe von insgesamt 13642, 29 EUR streitig.
Die am ... 1909 geborene Klägerin ist Witwe des am 08. Dezember 1945 verstorbenen E. M.
Am 30. August 1991 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung nach
dem Bundesversorgungsgesetz - BVG –. Das Antragsformular wurde vom Reichsbund der Kriegs- und
Wehrdienstopfer Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen e. V. Kreisverband P.-T. eingereicht. Eine nicht
ausgefüllte von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht war beigefügt. Auf dem Antragsformular befinden sich
Stempelaufdrucke des Reichsbundes. Mit dem Antragsformular, welches am 27. Juli 1991 von der Klägerin
unterschrieben wurde, wurden für die Überweisung der Zahlungen folgende Angaben gemacht: Raiffeisenbank
Templin, Kontonummer ..., Bankleitzahl ... Kontoinhaber J. M., Inhaber dieses Kontos war der Beschädigte G. J. (J.).
Die Klägerin verfügte über ein Konto bei der Volksbank Templin mit der Kontonummer ..., Bankleitzahl ...
Am 30. August 1991 beantragte J. Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Auch dieser Antrag wurde mit Vollmacht
(die ebenfalls nicht ausgefüllt, aber unterschrieben war) vom Reichsbund bei dem Beklagten eingereicht. Als
Bankverbindung für die zahlende Beschädigtenversorgung wurde die Raiffeisenbank T., Kontonummer ...,
Bankleitzahl ..., Kontoinhaber J. nebst Adresse angegeben. Beide Antragsformulare sind vom Reichsbund am 27. Juli
1991 gegengezeichnet worden.
Mit Bescheid vom 07. November 1991 wurde der Klägerin eine Witwenversorgung ab 01. Januar 1991 gewährt und
ausgeführt, dass sie ab dem 01. Juli 1991 monatlich 303 DM und für die Zeiten ab 01. Januar 1991 bis 30. Juni 1991
monatlich 263,00 DM gezahlt bekomme. Die Klägerin wurde gebeten, jeden Wohnungswechsel und jede
Kontoänderung, neue Bankverbindung sofort mitzuteilen.
Mit Bescheiden vom 10. Juni 1992, 10. Dezember 1992, 10. Juni 1993, 10. Dezember 1993, 10. Juni 1994, 12.
Dezember 1994, 12. Juni 1995, 12. Dezember 1995 und 10. Juni 1996 ist die Versorgungsleistung jeweils neu
berechnet worden, ab 07. Juli 1996 waren 549,00 DM monatlich zu zahlen. Im Zeitraum vom 01. Januar 1991 bis
einschließlich März 1996 und Juli 1996 standen der Klägerin insgesamt Zahlungen in Höhe von 27.231,00 DM/
13.922,99 Euro zu.
Diese Gelder wurden von der Beklagten auf das Bankkonto des J. bei der Raiffeisenbank T. mit der Kontonummer ...
überwiesen.
J. wurde mit Bescheid vom 22. Juni 1992 unter Vorbehalt eine Beschädigtenversorgung gewährt. Mit Bescheid vom
31. März 1994 wurde der Vorbehaltsbescheid vom 22. Juni 1992 aufgehoben und festgestellt, dass eine Rente nicht
zu gewähren ist. Die gewährten Versorgungsbezüge wurden nicht zurückgefordert. In der Folge erhielt J. die
Versorgungsbezüge der Klägerin überwiesen. Weder im Verfahren des J. noch im Verwaltungsverfahren der Klägerin
fielen die Fehlüberweisungen in der Folge auf.
Für die Monate April bis Juni 1996 und August 1996, nicht für den Monat Juli 1996 wurden von der Volksbank U. E.
G. die angewiesenen Bezüge für die Klägerin an den Beklagten zurücküberwiesen. Die Klägerin wurde mit Schreiben
vom 11. April 1996, 05. Juli 1996, 30. August 1996 mit der Bitte um Angabe der aktuellen Bankverbindung
angeschrieben.
Bereits am 04. Juni 1996 hatte sich J. bei dem Beklagten erkundigt, aus welchen Gründen seine Beschädigtenrente
nicht mehr gewährt werde. Der Beklagte verwies auf den Bescheid vom 31. März 1994. Nachdem die Tochter des J.
am 02. Oktober 1996 nochmals mitgeteilt hatte, dass ihr Vater seit August 1996 keine Versorgungsbezüge mehr
erhalten habe, fielen bei dem Beklagten die Fehlüberweisungen auf. Es wurde eine Überzahlung gegenüber J. in Höhe
von 27.231,00 DM für den Zeitraum von Januar 1991 bis August 1996 festgestellt und dem Reichsbund mit Schreiben
vom 30. Oktober 1996 mitgeteilt, dass nach Auffassung des Beklagten mit befreiender Wirkung entsprechend der
angegebenen banktechnischen Daten geleistet worden sei. Der Vermögensschaden der Klägerin sei ursächlich durch
die nicht sorgfaltspflichtgemäße Vertretung entstanden und schadensersatzpflichtig.
Mit Schreiben vom 06. Dezember 1996 wurde die Klägerin darüber informiert, dass ihr für den Zeitraum vom 01.
Januar 1991 bis 31. März 1996 und für den Monat August 1996 die mit Bescheid vom 07. November 1991
zuerkannten Versorgungsbezüge durch eine falsche Angabe der Bankverbindung nicht gezahlt worden seien. Erst
durch eine Fusion der Banken Anfang des Jahres 1996, wodurch die Klägerin von der Raiffeisenbank eine neue
Kontonummer erhalten habe, sei der Fehler bemerkt worden. Ab September 1996 sei die laufende Zahlung auf das
Konto überwiesen worden. Für die Monate April bis Juli 1996 sei eine Nachzahlung angewiesen. Ein
Vermögensverlust sei in Höhe von 27.231,00 DM eingetreten.
Bereits mit Schreiben vom 18. Juni 1997 machte der Beklagte gegenüber J. die Rückzahlung der erhaltenen
Leistungen in Höhe von 27.231,00 DM geltend. Hiergegen erhob J. am 27. Juni 1997 Widerspruch. Am 01. September
1998 verstarb J ... Mit Verfügung vom 13. Juli 1999 stellte der Beklagte das Verwaltungsverfahren ein.
Am 01. März 2001 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin erhoben und geltend gemacht, dass der
Reichsbund beauftragt gewesen sei, die Leistung einer Hinterbliebenenrente zu beantragen. Die Leistung sei auch
bewilligt worden. Der Reichsbund habe zeitgleich für J. einen Antrag gestellt. Beide Anträge seien am 30. August
1996 bei dem Beklagten eingegangen und entsprechend der internen Sachgebietsaufteilung getrennt bearbeitet und
beschieden worden. In der Folge seien die für die Klägerin bestimmten Zahlungen an J. erfolgt, der diese ohne
Rechtsgrund erhalten habe. In dem Antragsformular, das durch den Reichsbund an den Beklagten zur Bearbeitung der
Hinterbliebenenrente eingereicht worden sei, sei als Bankverbindung zur Überweisung der Hinterbliebenenrente die
Kontonummer des J. auf den Namen der Klägerin angegeben worden. J. sei ein Vermögensvorteil von insgesamt
27.231,00 DM entstanden. Ein Rückforderungsanspruch sei seitens des Beklagten nicht durchgesetzt worden. Mit
Schreiben vom 04. Dezember 1999 sei der Beklagte aufgefordert worden, den der Klägerin geschuldeten Betrag zu
überweisen. Der Beklagte habe mit Schreiben vom 10. November 1999 darauf abgestellt, dass eine Rückforderung
gegenüber J. nicht möglich sei. Es sei ersichtlich, dass der Beklagte die ausstehenden Leistungen an die Klägerin
nicht zahlen wolle. Der Einwand des Beklagten, er habe mit befreiender Wirkung geleistet, könne nicht greifen, da der
Leistungserfolg nicht bei der Klägerin eingetreten sei.
Der Beklagte hat zur Begründung auf die Ausführungen mit Schreiben vom 10. November 1999 verwiesen. Die
Klägerin lasse die Rechtsprechung außer Acht. Die Ansprüche müssten gegen die richtigen Parteien geltend gemacht
werden.
Mit Urteil vom 20. März 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der
Beklagte durch die Überweisungen von seiner Zahlungspflicht frei geworden sei. Zwar sei die der Klägerin zustehende
Rentenleistung nicht auf ihr Konto überwiesen worden, der Beklagte könne sich jedoch zu Recht darauf berufen, dass
er die Forderung durch Zahlung auf das im Antrag angegebene Konto erfüllt habe. Der Beklagte habe davon ausgehen
müssen, dass die im Antrag angegebene Kontonummer zum Konto der Klägerin gehöre. Er sei nicht zur Prüfung
verpflichtet gewesen, ob die Klägerin den überwiesenen Rentenbetrag tatsächlich in Empfang genommen habe.
Erfüllung trete gemäß § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - auch dann ein, wenn das vom Gläubiger
angegebene Konto dasjenige eines Dritten sei. Darüber hinaus sei die Forderung der Klägerin gemäß § 45 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - mit Ablauf des Kalenderjahres 1995 verjährt. Die Klägerin habe durch ihre
Tochter erstmals am 28. Mai 1998 die Nichtzahlung beanstandet.
Gegen das am 22. April 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Mai 2002 (Eingang beim Sozialgericht)
Berufung eingelegt. Unter Vorlage eines Schreibens des Reichsbundes ohne Datumsangabe macht die Klägerin
geltend, dass in ihrem Antrag auf Zahlung der Hinterbliebenenrente von ihren Bevollmächtigten die Kontonummer ...
angegeben worden sei. Diese Kontonummer habe sich auch nicht geändert. Einer Gesprächsnotiz des Beklagten vom
07. August 1996 könne entnommen werden, dass nach Rücksprache mit der Volksbank Uckermark diese
Kontonummer mitgeteilt worden sei. Es werde damit eine anderslautende Kontonummer an den Beklagten
ausdrücklich bestritten. Die Leistung sei nicht auf das von der Klägerin richtigerweise angegebene Konto gezahlt
worden, so dass keine Erfüllung eingetreten sei. Der Beklagte habe die Überweisung an J. allein zu vertreten. Dieser
Verantwortung sei sich der Beklagte durchaus bewusst gewesen, da er mit Schreiben vom 08. Juni 1997 auch
versucht habe, die unrechtmäßige Leistung zurückzuerhalten. Auf eine Verjährung komme es nicht an, da sich der
Beklagte nicht auf Verjährung berufen habe. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, die Verjährung des Anspruches auf
Sozialleistungen von Amts wegen zu prüfen, diese seien nur auf Einrede hin zu beachten. Der Beklagte habe trotz
Hinweis des Sozialgerichts die Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht.
Nachdem sich der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. April 2003 verpflichtet hat, der Klägerin
Hinterbliebenenversorgung für den Monat Juli 1996 in Höhe von 280, 70 EUR zu zahlen, beantragt die Klägerin noch,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. März 2002 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie noch
13.642,29 EUR (= 26.682,00 DM) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Unabhängig von der Frage der Verjährung bestünde kein weiterer
Anspruch der Klägerin. Das von der Klägerin im Berufungsverfahren zur Gerichtsakte gereichte Schreiben sei keine
Kopie des bei ihm gestellten Antrages.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten
und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten zum Verwaltungsvorgang der Klägerin, Geschäftszeichen ...
(2 Bände) und der Verwaltungsvorgang bezüglich des Beschädigten J. (Geschäftszeichen ...) Bezug genommen, die
vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) ist zulässig (§ 151 SGG).
Nachdem sich der Rechtsstreit hinsichtlich des für den Monat Juli 1996 geltend gemachten Klageanspruchs durch
angenommenes (Teil-)Anerkenntnis vom 24. April 2003 nach § 101 Abs.2 SGG erledigt hatte, war noch Gegenstand
des Berufungsverfahrens das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. März 2002 und der von der Klägerin geltend
gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 13.642,29 EUR für die Monate Januar 1991 bis März 1996.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klage ist als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG
zulässig, da die Klägerin die Zahlungsansprüche auf der Grundlage des Bescheides vom 07. November 1991 i. V. m.
den Änderungsbescheiden geltend gemacht und kein weiterer Verwaltungsakt ergehen muss. Mit Schreiben vom 10.
November 1999 hat der Beklagte gegenüber der Klägerin die Auszahlung der Leistung verweigert, so dass ein
Rechtsschutzbedürfnis für die Klage besteht.
Die Leistungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung der ihr mit den
leistungsgewährenden Bescheiden für den Zeitraum von 01. Januar 1991 bis 31. März 1996 zuerkannten Leistungen.
Auf eine Verjährung der Zahlungsansprüche kommt es nicht an. Zwar verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen vier
Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind (§ 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB
I - ). Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren erhoben. Die
Geltendmachung der Verjährungseinrede steht im Ermessen des Beklagten (BSG, Urteil vom 22. Juni 1994,
Aktenzeichen 10 RKG 32/93, SozR 3-1200 § 45 Nr. 4; Krauskopf, § 45 SGB I Anm. 16) und ist nicht von Amts wegen
zu berücksichtigen. Da es sich bei der Erhebung der Verjährungseinrede um eine Ermessensentscheidung handelt,
sind die wesentlichen tatsächlichen rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte mitzuteilen, von denen der Beklagte
bei Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB X). Für die Geltendmachung der
Verjährung reicht es daher nicht aus, sich allein auf den Zeitablauf zu berufen, vielmehr sind die Gründe für die
Geltendmachung der Einrede abzuwägen und mitzuteilen (Krauskopf, a.a.O.), so dass auch mit dem Hinweis des
Beklagten mit der Berufungserwiderung, dass "unabhängig von der Frage der Verjährung kein Anspruch der Klägerin
gegen die Versorgungsverwaltung bestehe", die Einrede nicht erhoben worden ist. Ein Fall der Ermessensreduktion
Null liegt nicht vor, da die Umstände der Fehlleitung der der Klägerin zuerkannten Leistungsansprüche von dem
Beklagten zu berücksichtigen wären.
Die Klägerin muss aber die fehlgeleiteten Leistungen des Beklagten gegen sich gelten lassen.
Zwar hat der Beklagte durch Zahlung der Hinterbliebenenversorgung auf das Konto des J. den Leistungsanspruch der
Klägerin nicht erfüllt. Erfüllung tritt bei Zahlung einer Geldschuld durch Überweisung dann ein, wenn der geschuldete
Betrag auf dem Konto des Gläubigers, hier der Klägerin, gutgeschrieben wird (Mrozynski, Sozialgesetzbuch I
Kommentar § 47 Anm. 10; BGH NJW 1970, 380, 381; Heinrichs in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage,
Band II § 362 Anm. 23). Erfüllung der Schuld tritt erst ein, wenn der Gläubiger über den geschuldeten Geldbetrag
gesichert verfügen kann (Erman, Handkommentar zum BGB, 8. Auflage, § 362 Anm. 8). Dieses lag hier nicht vor, da
die Klägerin mangels Gutschrift auf ihrem Konto gerade nicht über die geschuldete Leistung verfügen konnte. Der
Überweisung einer Geldschuld auf ein anderes Bankkonto kommt keine Tilgungswirkung zu (BGHZ 98, 24, 30).
Auch trägt bei einer Geldschuld gemäß § 270 BGB in der Regel der Schuldner der Leistungsverpflichtung, hier der
Beklagte, die Gefahr der Übermittlung (Mrozynski, a.a.O.). Eine gesetzliche Ausnahme von der grundsätzlich vom
Schuldner während der Übermittlung zu tragenden Verlustgefahr (Keller in: Münchener Kommentar zum BGB, § 270,
Anm. 15) ist in § 270 Abs.3 BGB für die durch einen Wechsels des Wohnortes oder der Niederlassung des Gläubigers
verursachte Erhöhung der Gefahr geregelt. Diese Ausnahmeregelung ist jedoch nicht entsprechend anwendbar bei
Überweisungen auf ein fehlerhaft angegebenes Bankkonto. Bei Störungen des Übermittlungs- oder
Überweisungsverkehrs, die nicht vorhersehbar sind, kann jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine andere
Gefahrtragung angenommen werden.
Im vorliegenden Fall ist der Verlust des vom Beklagten überwiesenen Geldes durch das Verhalten der Klägerin
verursacht worden, so dass sie nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, der auch im
Rahmen des Sozialrechts anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 30. Juli 1997, 5 RJ 64/95, SGb 1997, 516 bis 517; z.
öffR. allg. BVerwG, Urt. v. 07.02.1974, Az.: III C II 5671, BVerwGE 44, 339,345), die Gefahr der Geldübermittlung zu
tragen hat (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28. Juni 1993, Aktenzeichen 2 K 4907/92, NJW 1995, S. 80). § 242
BGB beinhaltet, aufgrund einer Risikozuordnung im Einzelfall Verhältnissen gerecht zu werden, die in speziellen
Rechtsvorschriften nicht oder nicht in dem erforderlichen Maß berücksichtigt sind (Roth in: Münchener Kommentar
zum BGB 3. Auflage 1994, § 242, Anm. 33, 34). § 270 Abs. 3 BGB berücksichtigt nur die Risikoerhöhung durch den
Gläubiger bei einem Ortswechsel und damit nicht andere, von ihm verursachte Risikoerhöhungen für die
Gefahrtragung. Unter Berücksichtigung der Risikosphären bei der Geldübermittlung erscheint es angemessen, dass
der Schuldner für Gefahren, die aus der Sphäre des Gläubigers stammen, nicht einzustehen hat (Heinrichs in:
Palandt, Kommentar zum BGB, 62. Auflage, § 270 Anm. 10).
Haftet der Gläubiger für die Verlustgefahr bei einer Geldübermittlung, wenn er es unterlässt, eine geänderte
Kontonummer mitzuteilen (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28. Juni 1993, Aktenzeichen 2 K 4907/92 a.a.O.;
Heinrichs, a.a.O. Anm. 8) oder wenn er durch Änderung des Empfangsortes zur Gefahrerhöhung beiträgt (§ 270 Abs.
3 BGB), so muss er erst recht bei erfolgter ordnungsgemäßer Anweisung der Leistung auf ein anderes, aber von ihm
dem Schuldner mitgeteiltes Bankkonto nach Treu und Glauben die Zahlung gegen sich gelten lassen (BFH, Beschl. v.
12.07.1994, VII B 79/94, zitiert nach juris), da auch nur der Gläubiger das Risiko der Fehlleitung gesetzt hat.
Die Klägerin hat über ihre Verfahrensbevollmächtigten, deren Fehlverhalten sie sich gemäß § 278 BGB zurechnen
lassen muss, die Fehlüberweisungen dadurch verursacht, dass sie eine falsche Kontonummer zur Anweisung der ihr
zustehenden Leistungen bei dem Beklagten angegeben hat und dadurch die Gefahr der Fehlüberweisungen gesetzt.
Unzutreffend trägt die Klägerin (erstmals und im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vortrag) im Berufungsverfahren
vor, dass sie die richtige Kontonummer mit ihrem Leistungsantrag angegeben hat. Das von der Klägerin im
Berufungsverfahren eingereichte Schreiben ihrer Bevollmächtigten (ohne Datum) stellt eine Anfrage zur Klärung der
Kontonummer des Reichsbundes an sie dar. Es ist kein an den Beklagten gerichtetes Schreiben. Offenbar ist dieses
Schreiben anhand der Unterlagen des Reichsbundes gefertigt worden, nachdem der Beklagte auf Unstimmigkeiten bei
der Angabe der Kontoverbindung hingewiesen hat. Eine korrigierte Kontoverbindung ist bei dem Beklagten jedenfalls
nicht eingegangen. Da bei dem Beklagten die Zahlungen bis einschließlich März 1996 nicht wegen unmöglicher
Gutschreibung auf ein der Verfügungsgewalt der Klägerin unterliegendes Bankkonto zurückgebucht worden sind,
konnte er auch davon ausgehen, dass der Zahlungsverkehr entsprechend der Angaben der Klägerin erfolgreich
abgewickelt wurde.
Dass die Klägerin die Zahlungen nach Treu und Glauben nicht mehr verlangen kann, folgt auch daraus, dass sie trotz
leistungsgewährender Bescheide ab November 1991 nicht den Eingang der ihr zuerkannten Sozialleistungen
überwacht hat. Dadurch hat die Klägerin den von ihr verursachten irrtümlichen Zahlungsverkehr aufrecht erhalten.
Hätte die Klägerin den Nichteingang der Zahlungen auf ihrem Bankkonto früher beanstandet, wäre auch ihre
Falschangabe der Bankverbindung dem Beklagten bekannt geworden und eine Korrektur der Zahlungen möglich
gewesen.
Ein etwaig bei dem Beklagten vorliegendes Versagen der Zahlungskontrollen kann nicht zugunsten der Klägerin
wirken. Die Klägerin hat mit dem Leistungsantrag bestimmt, dass ihr die Leistungen gemäß § 47 SGB I im Wege der
Banküberweisung kostenfrei zu übermitteln sind. Nach § 47 SGB I sollen Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des
Empfängers bei einem Geldinstitut überwiesen werden. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem Empfänger die
Geldleistung kostenfrei auf dem für ihn günstigsten Weg zu übermitteln (Krauskopf, § 47 SGB I Anm. 7). Der
Leistungsberechtigte ist im Rahmen einer Massenverwaltung, bei der unzählige Überweisungsvorgänge anfallen, bei
der für ihn günstigen Banküberweisung nicht von der Verpflichtung befreit, das seinerseits Erforderliche zum
reibungslosen Zahlungsablauf zu unternehmen und die Verwaltung in die Lage zu versetzen, die Leistung auch auf
dem gewählten Weg zu erbringen. Der Gläubiger einer Leistung ist gehalten, durch zumutbare Mitwirkungshandlungen
ein Unvermögen des Schuldners zu verhindern (Roth, a.a.O., Anm. 179). Ein reibungsloser Zahlungsverkehr im Wege
des Überweisungsverfahrens setzt dabei die ordnungsgemäße Angabe von Kontonummer und Bankleitzahl voraus.
Fehlbuchungen können von dem Beklagten nur dann bemerkt werden, wenn Rücküberweisungen vorliegen oder sie
ihm auf andere Weise bekannt werden. Verhält sich der Beklagte entsprechend der ihm mitgeteilten Angaben, so ist
er auf die Mitwirkung des Leistungsempfängers bei nicht erfolgter Anweisung angewiesen. Unterbleibt eine zumutbare
Mitwirkung des Leistungsempfängers, gehen die Folgen zu dessen Lasten, da eine Verletzung der Mitwirkung als
Obliegenheitsverletzung die Verantwortlichkeit des Schuldners für eine Leistungsstörung entfallen lässt (Roth, a.a.O.).
Auf ein etwaiges Fehlverhalten der beteiligten Bankinstitute kommt es für die Frage, wer letztlich die
Fehlüberweisungen mit zu vertreten hat, im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten nicht an. Dieses mag für etwaige
Erstattungsansprüche der Klägerin gegenüber dem Bankinstitut von Bedeutung sein. Fraglich ist diesbezüglich aber,
ob überhaupt ein Fehlverhalten der Bankinstitute vorgelegen hat, da nach der Rechtsprechung des BGH zwar beim
beleggebundenen Zahlungsverkehr bei Divergenzen zwischen Empfängerbezeichnung und Kontonummer die
Empfängerbezeichnung maßgebend sein soll (BGH, Urteil vom 08. Oktober 1991, Aktenzeichen XI ZR 207/90, NJW
1991, 3208-3210), es im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren aber lediglich auf die Kontonummer ankommen
soll, da diese für wesentlich präziser als die Namensangabe gehalten wird (OLG Köln, Urteil vom 08. Mai 1990,
Aktenzeichen 22 U 299/89, NJW 1990 2261, 2262).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.