Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.03.2017
LSG Berlin-Brandenburg: heizung, krankenversicherung, mietzins, unverzüglich, eigentumswohnung, krankenkasse, deckung, nutzungsrecht, eigentümer, erlass
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
20. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 20 AS 1822/09 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 22 SGB 2
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Kosten der Unterkunft für
eine vollumfänglich an einen Dritten vermietete
Eigentumswohnung - Bestehen eines Untermietverhältnisses
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch - SGB II - im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Wohnung Nr. in der F in B. Durch Mietvertrag vom
01. April 2000 vermietete er diese Wohnung zur Benutzung als Büro und Wohnraum an
die d GmbH i. G. (GmbH), deren Mitgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer er ist.
Ausweislich des Mietvertrages wurde ein Mietzins in Höhe von 1.556,76 DM monatlich,
also ca. 796,00 €, vereinbart. Der Antragsteller selbst behauptet, in dieser Wohnung zu
wohnen.
Durch Beschluss des Amtsgerichtes Tempelhof/Kreuzberg () vom 23. Oktober 2001
wurde die Zwangsverwaltung der o. g. Immobilie angeordnet. Mietzahlungen der GmbH
an den Zwangsverwalter wurden nicht erbracht. Hierzu ist vor dem Landgericht Berlin ()
eine Klage des Zwangsverwalters gegen die GmbH rechtshängig.
In seinem Antrag vom 26. Mai 2009 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II gab der Antragsteller in der Anlage KDU unter „B Kosten für Unterkunft
und Heizung bei einer Eigentumswohnung“ Heizkosten in Höhe von 60,24 €,
Wohnkosten in Höhe von 329,76 € und Schuldzinsen in Höhe von 240,96 € für die o. g.
Wohnung an. Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 06. Juli
2009 vorläufig Leistungen zunächst nur zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 26. Mai
2009 bis 30. November 2009. Die Gewährung von Kosten der Unterkunft ab 26. Mai
2009 versagte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 31. August 2009
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 2009 wegen fehlender
Mitwirkung bei der Vorlage von Nachweisen über die Höhe der zu zahlenden
Schuldzinsen, des Wohngeldes und der Heizkosten gemäß §§ 60, 66 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB I -.
Am 31. August 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer
einstweiligen Anordnung beantragt. Neben der Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm
für o. g. Wohnung Leistungen für Unterkunft und Heizung ab 26. Mai 2009 zu gewähren,
hat er zusätzlich die Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, ihn unverzüglich zur
gesetzlichen Krankenversicherung anzumelden. Das Sozialgericht hat eine Auskunft des
Zwangsverwalters der o. g. Wohnung, H H, vom 01. Oktober 2009 eingeholt und den
Antrag mit Beschluss vom 05. Oktober 2009 abgelehnt. Grundsätzlich würden
Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen auch
bei selbst genutztem Wohneigentum erbracht, soweit sie angemessen seien.
Voraussetzung sei, dass die Unterkunft selbst genutzt werde. Zwar bestünden bereits
Zweifel daran, ob der Antragsteller tatsächlich noch in der Wohnung in der F in B wohne.
Dies könne jedoch dahinstehen, da er nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihm für die
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Dies könne jedoch dahinstehen, da er nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihm für die
Nutzung dieser Wohnung Kosten entstünden. Ausweislich des Mietvertrages mit der d
GmbH vom 01. April 2000 nutze der Antragsteller die Wohnung nicht mehr aufgrund
seines Eigentumsrechtes, sondern aufgrund des Untermietverhältnisses mit der GmbH,
die ihm die Wohnung unentgeltlich überlassen habe. Gegenteiliges hierzu sei vom
Antragsteller nicht vorgetragen worden. Dass ihm möglicherweise aufgrund seiner
Eigentümerstellung Kosten entstehen, sei insoweit unerheblich.
Gegen diesen dem Antragsteller am 08. Oktober 2009 zugestellten Beschluss hat er am
27. Oktober 2009 Beschwerde eingelegt. Rechtsfehlerhaft sei die Annahme der
Vorinstanz, es sei unerheblich, dass dem Antragsteller aufgrund seiner
Eigentümerstellung Kosten entstehen, weil ihm die Wohnung unentgeltlich von der d
GmbH überlassen worden sei. Dieser Sachverhaltsdarstellung des Zwangsverwalters
widerspreche er ausdrücklich. Bereits Rechtsanwalt G (für den Zwangsverwalter H) habe
in seinem Schreiben vom 01. Oktober 2009 darauf verwiesen, dass er - der Antragsteller
- auch nach Anordnung der Zwangsverwaltung zur Zahlung des Wohngeldes verpflichtet
bleibe, soweit dieses nicht vom Zwangsverwalter bezahlt werde. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB
II erfasse auch den Ersatz für Kosten, die durch selbst genutztes Wohneigentum
entstehen. Für die Ermittlung des maßgeblichen Wohnsitzes sei das Meldegesetz
ausschlaggebend, wonach sein Wohnsitz unverändert in der F sei. Er wohne dort. Im
Übrigen laufe sein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz zum 31. Oktober 2009 aus,
weshalb ihn die Antragsgegnerin unverzüglich anzumelden habe.
Dem schriftlichen Vorbringen des Antragstellers entnimmt der Senat sinngemäß den
Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Oktober 2009 aufzuheben und den
Antragsgegner vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu
verpflichten,
1. dem Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Wohnung Nr.,
F in B in Höhe von monatlich 630,96 € (Wohnkosten 329,76 €, Schuldzinsen 240,96 €,
Heizkosten 60,24 €) zu gewähren.
2. den Antragsteller unverzüglich zur gesetzlichen Krankenversicherung
anzumelden.
sowie ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Antragsgegner auf den Beschluss des Sozialgerichts
Berlin. Der Beschwerdeführer habe weder glaubhaft gemacht, dass er seinen
gewöhnlichen Aufenthalt tatsächlich in der Wohnung Nr. in der F in B habe, noch dass
ihm für die Nutzung dieser Wohnung Kosten entstünden. Im Übrigen würden die
Krankenversicherungsbeiträge des Antragstellers seit September 2009 fortlaufend an
die Krankenkasse des Antragstellers überwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen,
die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässig,
aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auf die zutreffenden Ausführungen des
Sozialgerichts im angegriffenen Beschluss wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug
genommen.
Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine für ihn
günstigere Entscheidung.
Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren einen Anspruch auf die begehrten
Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Wie sich aus dem Wortlaut des
Gesetzes ergibt, hat der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur
solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und
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solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und
für deren Deckung ein Bedarf besteht. Zweck der Regelung über die Erstattung der
Kosten für die Unterkunft ist es, den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Diese
droht - im Falle einer angemieteten Wohnung - im Falle der Nichtzahlung von Miete (vgl.
Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 03. März 2009 – B 4 AS 37/08 R – Juris RdNr. 24).
Regelmäßig übernahmefähig sind danach die Mietkosten, wobei es in der Regel
ausreichend ist, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer
wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Gleiches
gilt im Grunde für die angemessenen Kosten des selbst genutzten Wohnungseigentums
(dazu u.a. BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 70/08 R -, zitiert nach juris;
Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R -, SozR 4-4200 § 12 Nr. 10).
Berücksichtigungsfähige Aufwendungen entstehen jedoch dann nicht, soweit eine
Unterkunft unentgeltlich genutzt werden kann (Berlit, in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 18).
Dass ihm für die Nutzung der Wohnung in der F in B Kosten entstehen, die er nach § 22
Abs. 1 S. 1 SGB II als „Kosten der Unterkunft“ (KdU) geltend machen kann, hat der
Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Die ihm als Eigentümer entstehenden Kosten des
Objekts dienen allein der Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung des Klägers
gegenüber der GmbH, der er die Räume zur Verfügung zu stellen hat, nicht jedoch der
Deckung seines Unterkunftsbedarfs. Folgt man seinem Vorbringen im
Beschwerdeverfahren, bewohnt der Antragsteller zwar die o. g. Wohnung, verfügt jedoch
nicht aufgrund seiner Eigentümerstellung über das Nutzungsrecht an der Wohnung.
Grundlage seines vorgetragenen Aufenthalts dort kann allein ein mit dem Mieter dieser
Wohnung - der GmbH - eingegangener Untermietvertrag sein. Dass der Antragsteller
diesem, vom Zwangsverwalter mitgeteilten und vom Sozialgericht dem angefochtenen
Beschluss zugrunde gelegten Sachverhalt nunmehr im Beschwerdeverfahren (lediglich)
widerspricht, führt nicht zu einer für ihn günstigeren Entscheidung. Der Mietvertrag mit
der GmbH vom 01. April 2000 belegt, dass die Wohnung komplett an die GmbH zur
Benutzung als Büro und Wohnraum seit dem 01. April 2000 vermietet ist. Das
Nutzungsrecht ist damit vom Antragsteller auf die GmbH übergegangen (§ 535 Abs. 1
Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Gegenteiliges hat der Antragsteller auch im
Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Vom faktischen Bestehen einer
Untermietvereinbarung mit der GmbH kann der Senat schon deshalb ausgehen, da der
Antragsteller - auch nach seinem eigenen Vortrag - in der Wohnung wohnt.
Dass der Antragsteller für die Nutzung der Wohnung an die GmbH einen Mietzins zu
erbringen hat, ist nicht einmal vorgetragen. Der Antragsteller nutzt die o. g. Wohnung
unentgeltlich. Dafür, dass vom Antragsteller kein Mietzins an die GmbH gezahlt wird
spricht schon, dass er selbst einer Unentgeltlichkeit zwar widerspricht, jedoch die Höhe
eines etwaigen Mietzinses nicht mitteilt bzw. dies nicht als „KdU“ bei dem
Antragsgegner beantragt hat. Auch der Umstand, dass die GmbH ihrerseits keinen
Mietzins an den Zwangsverwalter zahlt ist Indiz dafür, dass schon auf Seiten des
Antragstellers – als Untermieter – keine Mietzahlungen an die GmbH fließen.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes
seine Anmeldung zur gesetzlichen Krankenversicherung begehrt, ist der Antrag bereits
unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Der fortlaufend im SGB II – Bezug
stehende Antragsteller ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
V) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beiträge hierfür
werden vom Antragsgegner gezahlt, wie sich aus der aktuellen Auszahlungsaufstellung
des Antragsgegners sowie dem Leistungsbescheid vom 02. November 2009 ergibt.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller vorgelegten Mitteilung
der Techniker Krankenkasse vom 21. September 2009 zur Übersendung einer neuen (!)
Versichertenkarte.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG
und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
3. Vor diesem Hintergrund konnte der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für
das Beschwerdeverfahren wegen fehlender Erfolgsaussicht keinen Erfolg haben (§ 73a
SGG i. V. m. § 114 ZPO).
4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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