Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.03.2007

LSG Berlin-Brandenburg: bauarbeiten, grundstück, unfallversicherung, versicherungsschutz, freiwillige versicherung, unternehmer, arbeitsunfall, schwiegersohn, bauherr, öffentlich

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 3 U 107/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 Nr 16 SGB 7, § 82 Abs
1 WoBauG 2, § 10e EStG, § 2
Abs 2 S 1 SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 1
SGB 7
Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallversicherungsschutz -
nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten - Eigenheimzulage -
steuerbegünstigter Wohnungsbau - arbeitnehmerähnliche
Tätigkeit - unternehmerähnliche Tätigkeit - verwandtschaftliches
Verhältnis - Mitunternehmer - Bruchteilseigentumsgemeinschaft
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März
2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger Entschädigungsleistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung zustehen.
Der 1950 geborene Kläger erlitt bei Bauarbeiten am 19. September 2005 einen Unfall,
indem er von einer an die Mauer angelehnten und nach vorn kippenden Leiter aus einer
Höhe von ca. 2 m in den Keller stürzte und auf die rechte Hand fiel. Die im Klinikum B
durchgeführten Röntgenaufnahmen ergaben eine distale Extensionsfraktur rechts, eine
Ellenbogenluxaktion rechts und ein stumpfes Bauchtrauma (Epikrise vom 10. Oktober
2005).
Der Unfall ereignete sich bei der Errichtung des künftigen Wohnhauses der Tochter des
Klägers A H geb. S und seines Schwiegersohns H H auf dem Grundstück Fstraße B,
welches sich im Miteigentum des Klägers, seiner Ehefrau M S und seiner Tochter befand
und welches bereits mit einem vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnten
Einfamilienhaus bebaut war.
Die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück Fstraße B, entwickelten sich wie folgt:
Ursprünglich waren der Kläger und seine Ehefrau als Eigentümer in Ehegemeinschaft im
Grundbuch eingetragen gewesen.
Am 21. Juni 2000 schlossen die Eheleute und ihre Tochter A S beurkundet durch den
Notar M (Urkundenrolle Nr. 582/2000) einen Vertrag, in dem sie unter § 2 Abs. 1
zunächst die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend beantragten, dass die Eheleute
je zur Hälfte als Eigentümer zu Bruchteilen eingetragen werden sollten, was am 23.
November 2000 geschah. Unter § 2 Abs. 2 des Vertrages übertrugen die Eheleute von
ihren Bruchteilseigentumsanteilen von je einem Halb je einen 250/984
Bruchteilseigentumsanteil an ihre Tochter, so dass diese zu einem
Bruchteilseigentumsanteil von insgesamt 500/984 Alleineigentümerin werden und
zukünftig am Grundbesitz folgendes Bruchteilseigentum entstehen sollte: 484/984
Bruchteilseigentumsanteil für den Kläger und seine Ehefrau zu je ½ Miteigentumsanteil,
500/984 Bruchteilseigentumsanteil für die Tochter. Die entsprechende
Grundbucheintragung erfolgte am 21. Juni 2001. Alle Rechte und Pflichten sollten nach §
2 Abs. 3 des Vertrags zukünftig zwischen den Beteiligten im vereinbarten
Anteilsverhältnis ausgeübt werden. Da die Tochter und ihr späterer Ehemann H H
beabsichtigten, den Grundbesitz mit einem weiteren Wohnhaus zu bebauen, erklärten
die Eheleute S und ihre Tochter ihre Einigkeit und verpflichteten sich gegenseitig, sobald
die Voraussetzungen für die Bildung von Wohnungseigentum vorlägen, entsprechend
den gebildeten Bruchteilseigentumsanteilen die Teilung nach dem
Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG) vorzunehmen und Sondereigentum an je einer
Wohnungseigentumseinheit zu begründen (vgl. § 2 Abs. 5 des Vertrags). Die Tochter
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Wohnungseigentumseinheit zu begründen (vgl. § 2 Abs. 5 des Vertrags). Die Tochter
verzichtete für sich und ihre Abkömmlinge für die Übertragung des Eigentumsanteils am
Grundbesitz auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht am dereinstigen Nachlass nach dem
erstversterbenden Elternteil und die Eheleute S nahmen diesen Verzicht an (§ 3 des
Vertrags). Die Tochter wurde zur Durchführung der Baumaßnahme ermächtigt,
zwischenzeitlich den gesamten Grundbesitz mit Grundpfandrechten zu belasten und vor
der Eigentumsumschreibung Hypotheken und Grundschulden in beliebiger Höhe mit bis
zu 18 % Zinsen und 10 % Nebenleistungen zur Eintragung in das Grundbuch zu
bewilligen und zu beantragen und dabei in Ansehung der Grundpfandrechte den
jeweiligen Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen (§ 6 des
Vertrags).
Der Kläger wurde von seiner Tochter und seinem Schwiegersohn in Umsetzung des
Plans, ein zweites Wohnhaus zu errichten, für die Zeit vom Baubeginn bis einschließlich
Dezember 2004 als unentgeltlicher Bauhelfer „Abriss/Abbruch“ mit zehn Arbeitsstunden
und für die Zeit von Januar 2005 bis einschließlich September 2005 bei einem
voraussichtlichen Baubeginn am 01. August 2005 als unentgeltlicher Bauhelfer
„Hilfsarbeiten, Bodenbeläge, Maler“ mit vierzig Arbeitsstunden angemeldet. Ansonsten
wurden keine Bauhelfer bei der Beklagten gemeldet. Die Inanspruchnahme öffentlicher
Mittel gemäß § 6 Abs. 1 II. Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) oder dem
Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) wurde in den Eigenbaunachweisen verneint.
Mit Bescheid vom 09. November 2005 lehnte die Beklagte eine Entschädigung wegen
des Ereignisses vom 19. September 2005 ab, da der Kläger in seiner Eigenschaft als
Eigentümer des Grundstücks Fstraße B nicht zum Kreis der gem. § 2 Abs. 1 Nr. 16
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Personen gehöre, auch keine
freiwillige Versicherung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bestanden habe und daher ein
Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII nicht vorliege.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, er und ein Freund des
Schwiegersohns seien als Bauhelfer gemeldet worden, so dass er zu den versicherten
Personen gehöre. Er verfolge mit dem Bau des Hauses der Tochter keine
Eigentumsinteressen und trete auch nicht als Bauherr oder Weisungsberechtigter auf.
Ausschließlich die Eheleute H seien die Bauherren, ihm komme das Ergebnis des
Unternehmens nicht unmittelbar zugute. Nach Fertigstellung des Einfamilienwohnhauses
für die Eheleute H werde daran gesondertes Wohnungseigentum begründet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. März 2006 als
unbegründet zurück, da der Kläger als Bauherr tätig geworden und
Unfallversicherungsschutz daher nicht gegeben sei. Der Kläger sei zu einem Drittel
Miteigentümer des Baugrundstücks und demnach objektiv Unternehmer nach § 136
Abs. 3 SGB VII der Bauarbeiten neben den Eheleuten H, denn ihm gereiche das
wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens, hier die durchgeführten Bauarbeiten,
unmittelbar zum Vor- oder Nachteil. Da es sich bei der Wohnung der Eheleute H um kein
dinglich gesichertes Sondereigentum an dem Grundstück handele, seien die Eigentümer
A H, J und M S als Eigentümergemeinschaft im Sinne einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (GbR) anzusehen. Jeder Gesellschafter einer GbR erfülle die oben ausgeführten
Voraussetzungen, um den unmittelbaren Wert oder Unwert aus dem Grundstück heraus
zu tragen. Nicht allein die Eheleute H seien Begünstigte der Baumaßnahme, vielmehr
gereiche die zum Unfallzeitpunkt eingetretene Wertsteigerung durch die durchgeführte
Baumaßnahme der Eigentümergemeinschaft unmittelbar zum Vorteil, wobei zukünftige
Bestrebungen zur Teilung unberücksichtigt blieben.
Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin (SG) hat der Kläger sein Begehren auf
Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
weiterverfolgt und ergänzend vorgetragen, es sei unzutreffend, darauf abzustellen, dass
er zu einem Drittel Miteigentümer des Baugrundstücks sei. Die Parteien seien sich von
vornherein einig gewesen, dass der Grundbesitz nach dem WoEigG geteilt und
Sondereigentum an den Wohnungseigentumseinheiten begründet werde, sobald dafür
die Voraussetzungen vorlägen. Auch aus § 5 des Vertrags sei ableitbar, dass er nicht als
Bauherr angesehen werden könne, er übernehme ausdrücklich keinerlei Haftung, Kosten
etc. Selbst wenn sich aber die Grundbuchlage auch zukünftig nicht ändern und
Teileigentum entgegen den vorgelegten Urkunden nicht begründet würde, hätten die
Eheleute H einen unmittelbaren Anspruch gegen ihn auf Schadensersatzzahlung,
mindestens jedoch auf Zahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung. Umgekehrt hätte
er einen solchen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Eheleute H, falls ihnen durch
die Baumaßnahme ein Schaden entstehen würde. Diese Ansprüche bestünden parallel
zu dem für ihn möglichen Vor- oder Nachteil auf Grund der Baumaßnahmen der
Eheleute H auf dem anteilig ihm gehörenden Grundstück. Damit wäre sein Vor- bzw.
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Eheleute H auf dem anteilig ihm gehörenden Grundstück. Damit wäre sein Vor- bzw.
Nachteil aufgehoben. Der Anspruch der Eheleute H auf Zahlung nach
Bereichungsgrundsätzen stünde der Wertsteigerung seines Miteigentumsanteils
unmittelbar gegenüber und selbst wenn die Bestrebungen zur Teilung nach dem WoEigG
fehlschlagen würden, wäre er so gestellt, als wäre die Baumaßnahme nicht durchgeführt
worden.
Durch Urteil vom 27. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei der Kläger als Unternehmer
nach § 136 Abs. 3 Ziff. 1 SGB VII anzusehen, da ihm das Ergebnis des Unternehmens
unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereiche. Die Baumaßnahme, bei der der Kläger
verunfallt sei, sei sowohl ihm als auch seiner Ehefrau und seiner Tochter unmittelbar
zugute gekommen. Als Miteigentümer des Grundstücks seien sowohl die Eheleute als
auch die Tochter Eigentümer des darauf zu errichtenden Bauwerks geworden [§ 94
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)]. Daher sei auch in § 2 letzter Absatz des notariellen
Vertrages vereinbart gewesen, dass, sobald die Voraussetzungen für die Bildung von
Wohnungseigentum vorlägen, entsprechend den gebildeten Bruchteilseigentumsanteilen
die Teilung nach dem WoEigG vorzunehmen und Sondereigentum an je einer
Wohnungseigentumseinheit zu begründen sei. Erst mit dieser Eigentumsübertragung
käme der Tochter das Unternehmensergebnis zugute. Dies habe im Zeitpunkt des
Unfalls noch im Willen der Beteiligten gestanden. Auch ein möglicher
Ausgleichsanspruch im Fall des Streits lasse keine andere Beurteilung zu.
Gegen das ihm am 02. April 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. April 2007
eingelegte Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung seines bisherigen
Vorbringens seinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung weiterverfolgt und ergänzend vorträgt, auch als
Miteigentümer sei er nicht automatisch als Bauherr zu betrachten. Bauherr sei
derjenige, der selbst oder durch Dritte ein Bauvorhaben in eigenem Namen durchführe
oder durchführen lasse, alle Risiken der Bauvorbereitung, Baudurchführung und der
Bauherrenhaftung trage, über die architektonische und technische Gestaltung des
Bauvorhabens sowie die Art der Finanzierung und ihre Absicherung entscheide. Dem
privaten Bauherren stehe eine Unternehmereigenschaft i. S. d. § 121 Abs. 1 SGB VII
dann zu, wenn dieser eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von
Tätigkeiten ausübe, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet seien und mit einer gewissen
Regelmäßigkeit ausgeübt würden (so auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.
März 2002, B 2 U 8/01 R). Nach dieser Definition sei er nicht als Bauherr anzusehen, da
er das Bauvorhaben nicht in eigenem Namen selbst oder durch Dritte durchgeführt habe
oder habe durchführen lassen, für die Risiken nicht eingetreten sei und nicht für die
Finanzierung verantwortlich zeichne. Schließlich hätten ihm die Früchte des
Bauvorhabens, nämlich Eigentum an dem errichteten Bauwerk, nicht, zumindest nicht
dauernd zufallen sollen.
Einer Unternehmerstellung stehe auch entgegen, dass er aufgrund der Art seiner ihm
obliegenden Aufgaben gegenüber den Bauherren wie ein Beschäftigter tätig geworden
sei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Ein Tätigwerden wie ein Beschäftigter setze eine
ernsthafte, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen
Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit voraus, die ihrer Art nach sonst von
Personen verrichtet werden könne, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt
zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden und die ungeachtet des
Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet
werde, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich
seien. Er habe vorliegend Arbeiten als Bauhelfer verrichtet, die ebenso gut durch einen
anderen hätten verrichtet werden können, der in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt
zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Eigene Interessen habe er mit den
durch ihn ausgeführten Arbeiten nicht verfolgt. Er sei somit mit fremdwirtschaftlicher
Zweckbestimmung tätig geworden und sei entsprechend dem „Merkblatt für Bauherren
über die gesetzliche Unfallversicherung der bei Bauarbeiten beschäftigten Personen“ als
Bauhelfer versichert worden. Für den Fall, dass es sich um einen öffentlich geförderten
Wohnungsbau gehandelt hätte, hätte der beitragsfreie Versicherungsschutz alle
unentgeltlich arbeitenden Personen einschließlich des Bauherren umfasst (Abs. 7 des
Merkblatts). Unstreitig habe er unentgeltlich gearbeitet und durch die Gewährung einer
Eigenheimzulage dürfte auch dieses Bauvorhaben einem öffentlich geförderten
Vorhaben gleichstehen.
Der Kläger hat eine Abgeschlossenheitsbescheinigung gem. §§ 7 Abs. 4 Nr. 2, 32 Abs. 2
Nr. 2 WoEigG des Landkreises O vom 30. August 2007 eingereicht, aus der hervor geht,
dass die im beiliegenden Aufteilungsplan mit Ziff. 1 bis 2 bezeichneten Wohnungen in
den bestehenden Gebäuden auf dem Grundstück in B, Fstraße, in sich abgeschlossen
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den bestehenden Gebäuden auf dem Grundstück in B, Fstraße, in sich abgeschlossen
worden seien und damit dem Erfordernis der §§ 3 Abs. 2, 32 Abs. 1 des WoEigG
entsprächen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März 2007 aufzuheben und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09. November 2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 09. März 2006 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung des
Unfalls vom 19. September 2005 als Arbeitsunfall Entschädigungsleistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Auffassung des Klägers, wegen der Gewährung einer Eigenheimzulage für
das Bauvorhaben Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII zu genießen, für
unzutreffend, weil die Eigenheimzulage keine öffentliche Förderung i. S. von § 6 Abs. 1
des 2. WoBauG sei.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Verwaltungsakten der Beklagten (U.-Nr. und Regie-Nr.), die dem Senat vorgelegen
haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich
damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber
unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Entschädigung, denn er hat am 19. September 2005 keinen Arbeitsunfall
erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei
einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit
erleidet. Der Kläger ist jedoch in seiner zum Unfall führenden Tätigkeit weder kraft
Gesetzes noch kraft freiwilliger Unternehmerversicherung Versicherter und einem
Versicherten auch nicht gleichgestellt.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Nach § 7
Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung die
nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dieses setzt voraus,
dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist, etwa in dessen Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung unterliegt. Anhaltspunkte dafür,
dass der Kläger im Unfallzeitpunkt aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses als
Beschäftigter für ein fremdes Unternehmen (d. h. des Unternehmens seiner Tochter und
deren Ehemanns als Bauverantwortliche) tätig geworden ist, sind dem Sachverhalt nicht
zu entnehmen. Ein zu seiner Tochter und seinem Schwiegersohn bestehendes Arbeits-
oder Dienstverhältnis wird vom Kläger auch nicht behauptet.
Der Kläger war im Unfallzeitpunkt auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII gegen
Arbeitsunfall versichert. Danach besteht Unfallversicherungsschutz für Personen, die bei
der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums i. S. d. II. WoBauG bzw. des WoFG im
Rahmen der Selbsthilfe tätig geworden sind. Das Bauvorhaben wurde jedoch nicht nach
§ 6 Abs. 2 Satz 2 II. WoBauG oder dem WoFG öffentlich gefördert; die Tochter des
Klägers und ihr Ehemann haben selbst in den Eigenbaunachweisen die
Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus gemäß §
6 Abs. 1 II. WoBauG bzw. des WoFG verneint.
Entgegen der Auffassung des Klägers steht die gewährte Eigenheimzulage einer
öffentlichen Förderung nach dem II. WoBAuG nicht gleich. Der Begriff „steuerbegünstigte
Wohnung“ ist in § 5 Abs. 2 i. V. m. §§ 82 und 83 II. WoBauG definiert. § 82 Abs. 1 II.
WoBauG stellt darauf ab, dass die Wohnung vor dem 01. Januar 1990 bezugsfertig war,
was hier nicht der Fall ist. Vom 01. Januar 1990 ab erstreckte sich die beitragsfreie
Unfallversicherung nur noch auf öffentlich geförderte Wohnungen und nicht mehr auf den
„steuerbegünstigten“ Wohnungsbau (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 1998, B 2 U
45/97 R, in juris). Demzufolge fällt auch die Steuerbegünstigung nach § 10 e
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45/97 R, in juris). Demzufolge fällt auch die Steuerbegünstigung nach § 10 e
Einkommensteuergesetz (EStG) nicht unter die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII
(so zur vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 15
Reichsversicherungsordnung [RVO] Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.
September 2003, L 17 U 159/01, in juris). Ein beitragsfreier Versicherungsschutz bei
Selbsthilfearbeiten war daher nicht gegeben.
Zum Zeitpunkt des Unfalles stand der Kläger auch nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII
unter Versicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift sind Personen gegen Arbeitsunfall
versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter (arbeitnehmerähnlich)
tätig werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit wesentlich dem nicht der
Rechtssphäre des Tätigen zuzurechnenden Unternehmen zu dienen bestimmt war. Dies
erfordert keine persönliche Abhängigkeit zu einem Unternehmer. Vielmehr ist
ausreichend, dass eine ernstliche, dem fremden Unternehmen dienende Tätigkeit
verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers
entspricht und die ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in
einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen
und die ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter
solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit auf Grund eines
Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 05. Juli 1994, 2 RU
24/93, SozR 3-2200 § 548 Nr. 20 m. w. N).
Der Kläger war zwar von seiner Tochter und dem Schwiegersohn als den Bauherren bei
der Beklagten als Beschäftigter, nämlich als Bauhelfer, angemeldet worden. Die
Anmeldung für sich genommen vermag dem Kläger aber nicht eine Stellung wie ein
Beschäftigter zu verschaffen, sofern sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergibt,
dass die Tätigkeit tatsächlich nicht arbeitnehmerähnlich ausgeübt worden ist. So verhält
es sich hier. Die Bauarbeiten des Klägers waren nicht fremdwirtschaftlich, denn er ist als
Unternehmer, jedenfalls aber unternehmerähnlich tätig geworden. Hierbei ist zu
beachten, dass der Begriff des Unternehmers in der gesetzlichen Unfallversicherung
weiter gefasst ist als im allgemeinen Sprachgebrauch. Nach der Legaldefinition des §
121 Abs. 1 SGB VII umfasst der Unternehmerbegriff Betriebe, Verwaltungen,
Einrichtungen und Tätigkeiten wie z. B. Bauarbeiten. Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3
Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor-
oder Nachteil gereicht. Bei der Verrichtung nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten ist
Unternehmer eines solchen Unternehmens derjenige, dem das Ergebnis der
Bauarbeiten unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.
Im Streitfall stellen sich die vom Kläger für seine Tochter und den Schwiegersohn
durchgeführten Arbeiten als einheitliche Bauarbeiten dar, bei der auch der Kläger
Unternehmer (Mitunternehmer) im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung war.
Insoweit nimmt der Senat zunächst auf die Ausführungen des SG in dem angefochten
Urteil vom 27. März 2007 Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153
Abs. 2 SGG). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger mit der Verrichtung
der Bauarbeiten, auch wenn diese der Errichtung eines Hauses zum Zwecke der
alleinigen Wohnnutzung durch seine Tochter und seinen Schwiegersohn dienten,
wesentlich auch seine eigenen Angelegenheiten verfolgte. Die Bauarbeiten gereichten
ihm unmittelbar zum Vorteil, weil seine Mitarbeit sich Wert steigernd auf das
gemeinschaftliche Grundstück auswirkte. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, dass im
Streitfall der Verkauf des Grundstücks nicht beabsichtigt war. Entscheidend ist die
objektive Wertsteigerung, die ein unbebautes – oder wie hier ein mit einem Haus
bebautes - Grundstück durch Errichtung eines (weiteren) Hauses erfährt und die sich in
dem darauf beruhenden erhöhten Verkehrswert niederschlägt. Die Mitarbeit des Klägers
trug weiter dazu bei, Kosten für Fremdarbeit zu ersparen und insoweit die Baukosten des
– bis zur Bildung von Wohnungseigentum noch in seinem Bruchteils-Miteigentum
stehenden - Hauses zu senken. Zudem trug der Kläger als (Mit)Eigentümer des
Grundstücks bzw. des darauf errichteten Eigenheims – gemeinsam mit seiner Ehefrau
und seiner Tochter – das Unternehmerrisiko in Form des unmittelbaren wirtschaftlichen
Risikos der darauf verrichteten nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten. Dies folgt u. a.
daraus, dass die Tochter gemäß § 6 des notariellen Vertrags vom 21. Juni 2000
ermächtigt war, für die Baumaßnahme eine Grundschuld zu bestellen und den
gesamten Grundbesitz zu belasten, so dass auch der Miteigentumsanteil des Klägers
und derjenige seiner Ehefrau in die Haftung einbezogen war. Vergleichbares gilt
hinsichtlich der gemeinsamen Tragung der auf dem gesamten Grundstück ruhenden
Lasten (z. Bsp. Grundsteuer, Kanalisation…), die auch nach den Regelungen des
notariellen Vertrags vom 21. Juni 2000 entsprechend dem Bruchteilsmiteigentumsanteil
vom Kläger zu tragen waren (vgl. § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 2 des Vertrags). Soweit sich die
Schaffung bzw. das Vorhandensein eines weiteren Gebäudes auf dem Grundstück auf
die Höhe dieser Lasten auswirkt, z. Bsp. durch einen höheren Einheitswert als
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die Höhe dieser Lasten auswirkt, z. Bsp. durch einen höheren Einheitswert als
Besteuerungsgrundlage der Grundsteuer bis zur Bildung von Sondereigentum am neu
errichteten Gebäude nach dem WoEiG, war bzw. ist der Kläger unmittelbar davon
betroffen. Unerheblich ist daher, dass nicht der Kläger sondern seine Tochter und sein
Schwiegersohn als Bauherren gegenüber den mit der Erbringung von bauhandwerklichen
Leistungen beauftragten Gewerken aufgetreten sind.
Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Unfalls daher Tätigkeiten verrichtet, die zum
Aufgabenkreis seines Unternehmens gehörten, selbst wenn seine Tätigkeit zugleich den
Zwecken eines anderen Unternehmens (d. h. demjenigen seiner Tochter und deren
Ehemann) gedient hat (vgl. zu Bauarbeiten an einem Doppelhaus, die zugleich dem
Nachbarn dienen: BSG, Urteil vom 19.05.1983, 2 RU 11/82, in juris). So hat auch das
Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 17. September 2003, L 17 U 159/01, in juris)
zu einem Fall, in dem die Teilung in Wohnungseigentum - anders als im vorliegenden Fall
- bereits vollzogen war und sich der Unfall beim Einsetzen der Tür an der weiterhin im
gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer befindlichen Giebelseite der
Doppelgarage ereignete, festgestellt, die Unfall bringende Handlung des dortigen
Klägers sei wesentlich auf die Wahrnehmung seiner eigenen Angelegenheiten gerichtet
gewesen und er sei daher nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig
geworden.
Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit wäre aber auch aus einem anderen Grund nicht
gegeben. Die vom Kläger erbrachten Leistungen haben nämlich ihr Gepräge durch das
verwandtschaftliche Verhältnis zwischen den beteiligten Personen erhalten. Zwar steht
es dem Versicherungsschutz nicht grundsätzlich entgegen, dass der Tätigwerdende ein
Verwandter des Unternehmers ist. Jedoch besteht dann kein Versicherungsschutz, wenn
es sich um Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen werden und
von familiären Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt sind, handelt (vgl. BSG,
Urteil vom 25. Oktober 1989, 2 RU 4/89, SozR 2200 Nr. 134). Je enger eine Gemeinschaft
ist, umso größer wird regelmäßig der Rahmen sein, innerhalb dessen bestimmte
Tätigkeiten ihr Gepräge daraus erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1993, 2 RU 38/92,
in juris). Gerade die Beziehungen zwischen dem Kläger und seiner Tochter sowie deren
Ehemann, wie sie sich nach dem Akteninhalt darstellen, sprechen für das Vorliegen einer
engen Familiengemeinschaft, die den Rahmen normalerweise zu erwartender
Hilfeleistungen weit spannt. So war ersichtlich geplant, dass der Kläger und seine
Ehefrau zusammen mit der Tochter und deren Ehemann auf einem ungeteilten
Grundstück in zwei dicht nebeneinander liegenden Einfamilienhäusern und mit
gemeinsamen Verpflichtungen und Bindungen den gemeinsamen Grundbesitz
betreffend leben wollten. Bei dieser Sachlage kann davon ausgegangen werden, dass es
sich um einen intakten Familienverband handelte und dass gemeinsame Interessen,
etwa in Form von wechselseitiger Unterstützung auch in familiären Angelegenheiten,
bestanden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände lagen die vom Kläger erbrachten
Arbeiten, wie sie sich aus dem hier maßgeblichen Eigenbaunachweis ergeben (–
angemeldete - vierzig Arbeitsstunden bis einschließlich September 2005 für
„Hilfsarbeiten, Bodenbeläge, Malerarbeiten“) noch nicht außerhalb des Umfangs von
Tätigkeiten, die aufgrund einer derart engen Familiengemeinschaft vom Kläger als
Gefälligkeit erwartet werden konnten.
Ein Versicherungsschutz unter dem Aspekt der so genannten Formalversicherung (vgl.
hierzu Ricke in Kasseler Kommentar, Gesetzliche Unfallversicherung, Vor §§ 2- 6 SGB VII
RdNr. 3 ff) scheidet ebenfalls aus, da keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass
die Beklagte im Zeitpunkt des Unfalls einen entsprechenden Vertrauenstatbestand, wie
z. Bsp. durch Erlass eines Beitragsbescheides oder die Entgegennahme von Beiträgen
für gemeldete nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten, geschaffen hatte.
Dem Kläger, der im Unfallzeitpunkt bei der Beklagten auch nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1
SGB VII freiwillig oder kraft Satzung gegen Arbeitsunfall versichert war, stehen daher
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung aufgrund des Unfalls vom 19. September 2005 zu. Die Berufung war
daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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