Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.06.2003

LSG Berlin-Brandenburg: berufliche tätigkeit, erwerbsunfähigkeit, anspruch auf bewilligung, verschlechterung des gesundheitszustandes, ablauf der frist, berufsunfähigkeit, gutachter, klinik

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 4 RA 64/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 43 Abs 2 SGB 6 vom
24.03.1999, § 44 Abs 1 SGB 6
vom 24.03.1999, § 44 Abs 2
SGB 6 vom 24.03.1999, § 43
Abs 1 S 1 SGB 6 vom
20.12.2000, § 43 Abs 1 S 2 SGB
6 vom 20.12.2000
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - Weitergewährung
einer Zeitrente - Verweisbarkeit einer Stewardess - Rente wegen
Erwerbsminderung nach neuem Recht
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2003
wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Weiterzahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über
den 31. März 1998 hinaus.
Die 1958 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie
war seit März 1978 bei der B beschäftigt, zunächst als Bodenpersonal und von Februar
1979 bis einschließlich März 1993 als Stewardess. Aus betrieblichen Gründen wurde das
Arbeitsverhältnis zum 31. März 1993 arbeitgeberseitig gekündigt. Seit dem 24. März
1993 war die Klägerin arbeitsunfähig. Seit dem 15. Juni 1998 war sie als kaufmännische
Angestellte im Bereich des Telefonmarketing bei der Firma E beschäftigt, anfangs in
einem Umfang von 9 Stunden wöchentlich, später als Halbtagskraft. Das
Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung aus personen- und
verhaltensbedingten Gründen – im Wesentlichen aufgrund gesundheitlicher Probleme
der Klägerin – zum 30. Juni 2002.
Am 3. Mai 1993 beantragte die Klägerin die Bewilligung einer Rente wegen Berufs- bzw.
Erwerbsunfähigkeit. Zur Begründung gab sie an, sich seit August 1992 aufgrund zweier
operierter Bandscheibenvorfälle für berufs- bzw. erwerbsunfähig zu halten. Die Beklagte,
die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei der Klägerin als erfüllt ansah,
nahm einen ärztlichen Entlassungsbericht des D zu den Akten, wo die Klägerin sich vom
25. Februar 1992 bis zum 9. Juni 1992 wegen Alkoholabhängigkeit zur
Entwöhnungsbehandlung befunden hatte. Außerdem ließ sie die Klägerin psychiatrisch,
internistisch und orthopädisch begutachten.
Der Arzt für Psychiatrie Dr. H sah in seinem Gutachten vom 30. August 1993 bei der
Klägerin eine Alkoholabhängigkeit und ein lumbales Nervenwurzelkompressionssyndrom.
Als Stewardess sei sie damit nicht mehr einsatzfähig. Nach Durchführung einer
Entwöhnungsbehandlung sei Belastbarkeit für berufsfördernde Leistungen gegeben. Es
bestehe vollschichtige Belastbarkeit mit leichten Tätigkeiten in wechselnder
Körperhaltung.
Die Internistin Dr. G diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 27. Dezember 1993 eine
Alkoholkrankheit, subjektiv empfundene Herzrhythmusstörungen sowie
Schmerzzustände am Bewegungsapparat. Die Ärztin sah sich jedoch außerstande, aus
internistischer Sicht eine Stellungnahme zur Leistungsfähigkeit der Klägerin im
Erwerbsleben abzugeben.
In seinem Gutachten vom 11. Januar 1994 diagnostizierte der Orthopäde Dr. Z bei der
Klägerin ein Postnukleotoie-Syndro m L5/S1 (zweifache Bandscheibenoperation). Bei der
Untersuchung sei die Störung im LWS-Bereich derart ausgeprägt gewesen, dass die
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Untersuchung sei die Störung im LWS-Bereich derart ausgeprägt gewesen, dass die
Beweglichkeit aufgehoben gewesen sei. Die Einschränkungen seien therapeutisch in
einem Jahr behebbar, insbesondere durch ein Heilverfahren. Auch mit leichter
körperlicher Frauenarbeit sei die Klägerin nur 2 Stunden bis unterhalbschichtig belastbar.
Die Beeinträchtigungen bestünden seit dem Reprolaps im Jahre 1993.
Vom 23. August 1994 bis zum 20. September 1994 befand die Klägerin sich zur
stationären Heilbehandlung in der Klinik in B. Von dort wurde sie als arbeitsfähig mit den
Diagnosen Postdiskotomiesyndrom bei Zustand nach Nukleotomie L5/S1 rechts (07/89)
und Chemonukleolyse (07/92) sowie Alkoholkrankheit entlassen. Mit körperlich leichten
Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen sei die Klägerin vollschichtig
belastbar.
Mit Bescheid vom 23. März 1995 (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 16. April
1996, die Klägerin hatte sich gegen das Datum des Rentenbeginns gewandt) bewilligte
die Beklagte daraufhin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 21.
September 1994 bis zum 31. August 1997. Dabei legte die Beklagte zugrunde, dass die
Minderung der Erwerbsfähigkeit am 24. März 1993 (erster Tag der Arbeitsunfähigkeit)
eingetreten sei und die Rente damit am 1. Oktober 1993 beginne. Für die Zeit ab dem 1.
Oktober 1993 (fiktiver Rentenbeginn) bis zum Beginn der Heilmaßnahmen am 23.
August 1994 und für den Zeitraum des stationären Heilverfahrens bis einschließlich 20.
September 1994 bezog die Klägerin Übergangsgeld.
Am 27. Januar 1997 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit. In seinem orthopädischen Fachgutachten vom 13. Mai 1997
diagnostizierte der Orthopäde Dr. D ein Postnukleotomiesyndrom mit
Defektsymptomatik bei Verdacht auf Rezidivprolaps L4/5 links, sowie eine
Periarthropathie der Schultergelenke. Als Stewardess könne die Klägerin damit nicht
mehr eingesetzt werden. Auch in anderen Bereichen seien Arbeiten von wesentlichem
wirtschaftlichen Wert nicht zu erbringen, allenfalls leichte Arbeiten 2 Stunden bis
unterhalbschichtig.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1997 bewilligte die Beklagte daraufhin die Weiterzahlung der
Erwerbsunfähigkeitsrente bis zum Ablauf des Monats, in dem das geplante Heilverfahren
ende. Diesem Heilverfahren unterzog die Klägerin sich vom 25. August 1997 bis zum 19.
September 1997 in der Klinik B. Der Entlassungsbericht vom 31. Oktober 1997 enthielt
als Diagnosen ein Fibromyalgiesyndrom sowie den Zustand nach Nukleotomie L4/5,
L5/S1 bei Bandscheibenvorfall. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit
zukünftig vollschichtig ausführen, etwa im Bereich eines Flughafens als Bodenpersonal
eingesetzt werden. In einem Anhang zum Entlassungsbericht teilte die Oberärztin Dr. M
unter dem 16. September 1997 mit, dass die Hauptbehandlungskomponente und der
Gesamtverlauf bei der Klägerin eher psychiatrisch zu sehen seien. Zum Zeitpunkt der
Entlassung sei die hysterische Komponente des gesamten Krankheitsbildes ganz in den
Vordergrund getreten.
Mit Bescheiden vom 29. September 1997 bzw. 11. Dezember 1997 bewilligte die
Beklagte die Weiterzahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente bis 31. Dezember 1997 bzw.
31. März 1998, um die medizinischen Ermittlungen abschließen zu können. Sie
beauftragte den Psychiater Dr. L mit der Erstellung eines neurologisch/psychiatrischen
Gutachtens über die Klägerin. In seinem am 17. Dezember 1997 abgeschlossenen
Gutachten stellte dieser die Diagnosen Alkoholismus in Abstinenz, LWS-Syndrom
postoperativ, Fibromyalgiesyndrom (Diagnose übernommen) sowie chronische
Dyssomnie. Die im Reha-Entlassungsbericht erwähnten demonstrativen Tendenzen
seien nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin besitze eine konversionsneurotische
Struktur mit auffälligen Reaktionen in Belastungssituationen. Einer psychiatrischen
Behandlung sei dies nicht zugänglich. Aus nervenärztlicher Sicht ergäben sich keine
Einschränkungen, die über die orthopädischerseits beschriebenen hinausgingen. Für
körperlich leichte bis mittelschwere Frauenarbeiten ohne Zwangshaltung und ohne
schweres Heben oder Tragen sowie für ihre letzte berufliche Tätigkeit als Flugbegleiterin
sei die Klägerin damit vollschichtig belastbar. Zu erkennen seien ausschließlich
qualitative Leistungseinschränkungen.
Mit Bescheid vom 3. Februar 1998 lehnte die Beklagte daraufhin eine Weitergewährung
der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den Monat März 1998 hinaus ab, weil die
Klägerin nicht mehr berufs- bzw. erwerbsunfähig sei. Gegeben seien eine stabile
Situation ohne höhergradige Funktionseinschränkungen des Nervensystems sowie
wechselhafte Wirbelsäulenbeschwerden nach operativer Entfernung eines
Bandscheibenvorfalls ohne wesentliche neurologische Ausfälle und ohne Hinweis auf ein
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Bandscheibenvorfalls ohne wesentliche neurologische Ausfälle und ohne Hinweis auf ein
Rezidiv. Damit sei die Klägerin noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vollschichtig tätig zu sein sowie in der ihr zumutbaren Beschäftigung als Bürogehilfin
Tätigkeiten in der Poststelle oder Registratur in einer Behörde oder in Betrieben
vollschichtig auszuführen.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch trug die Klägerin vor, nicht nur unter einem,
sondern unter zwei operierten Bandscheibenvorfällen zu leiden. Sie halte sich für
berufsunfähig, weil sie in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten könne. Weil sie
Schmerzattacken regelrecht unvorbereitet träfen, in einer Häufigkeit von
durchschnittlich 7 bis 9mal monatlich, mit anschließend mindestens zwei bis drei Tagen
Rehabilitationszeit, könne sie keineswegs vollschichtig tätig sein. Zudem sei ihr eine
Verweisung auf den Beruf der Bürogehilfin sozial unzumutbar, weil sie in den letzten 10
Jahren vor Eintritt ihrer Erwerbsunfähigkeit in leitender Angestelltenfunktion tätig
gewesen sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 1998 zurück. Weder
Berufs– noch Erwerbsunfähigkeit seien über den März 1998 hinaus gegeben.
Mit der am 27. April 1998 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie
sei nach wie vor erwerbsunfähig, auf jeden Fall aber berufsunfähig. Die Beklagte
verkenne Inhalt und Umfang ihrer tatsächlichen Leiden. Ihre frühere Tätigkeit bei der
Bals Stewardess sei einer Facharbeitertätigkeit gleichzustellen. Zwar gebe es insoweit
keine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes. Sie habe jedoch
Gesamtverantwortung für die Kabine getragen und mehrere Lizenzen für verschiedene
Flugzeugtypen erworben, außerdem eine Vergütung erhalten, die der eines
Facharbeiters gleichzustellen sei. Die Qualität der Tätigkeit ergebe sich auch daraus,
dass Stewardessen nur mit Abitur und Beherrschung zweier Fremdsprachen eingestellt
worden seien. Eine Verweisungstätigkeit sei nicht ersichtlich.
Die Beklagte meint hierzu, die Klägerin sei auf alle Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsfeldes verweisbar, so dass die Benennung von Verweisungsberufen nicht
erforderlich sei.
Das Sozialgericht hat zunächst ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 4. Mai 1993
beigezogen (vollschichtige Belastbarkeit mit sehr leichten Tätigkeiten). Außerdem hat
das Sozialgericht Befundberichte der die Klägerin behandelnden Internisten Dr. L und Dr.
H sowie des Orthopäden Dr. W eingeholt. Aus der vom Sozialgericht beigezogenen
Schwerbehindertenakte des Landesversorgungsamtes Berlin hat sich ergeben, dass der
Klägerin im Jahre 1994 ein Gesamt-GdB von 50 zuerkannt worden war, der jedoch im
Jahre 1996 von der Behörde auf einen GdB von 30 abgesenkt wurde. Eine beim
Sozialgericht hiergegen erhobene Klage nahm die Klägerin im Dezember 1997 zurück.
Das Sozialgericht hat sodann den Arzt für Orthopädie Professor Dr. S mit der Erstellung
eines orthopädischen/rheumatologischen Sachverständigengutachtens beauftragt,
welches dieser am 13. März 2000 vorgelegt hat. Als Diagnosen hat der Gutachter
formuliert: Degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit leichten
bis gelegentlich mittelschweren Nervenwurzelreizerscheinungen, Impingement-Syndrom
beider Schultern mit Bewegungseinschränkung oberhalb der Horizontalen, leichtes
Senk-Spreiz-Knickfuß-Leiden. Bei der orthopädisch/rheumatologischen Untersuchung
habe sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den geäußerten Beschwerden und den
tatsächlich nachweisbaren objektiven Befunden ergeben. Zwar bestünden vermehrte
degenerative Veränderungen im Bereich der unteren Lendenwirbelkörper, die von der
Klägerin angegebenen Beschwerden und funktionellen Behinderungen könnten aber auf
diese degenerativen Veränderungen nicht zurückgeführt werden. Objektive Hinweise auf
lang anhaltende Nervenwurzelreizerscheinungen lägen nicht vor. Auch seien weder
Muskelatrophien noch Reflexausfälle eingetreten. Insgesamt dränge sich der Eindruck
auf, dass die Klägerin im Wesentlichen an einer depressiven Grunderkrankung leide, die
zu einer erheblichen Somatisierung führe. So sei auch der Nachweis eines
Fibromyalgiesyndromes nicht gelungen. Die Klägerin könne nur noch leichte
Frauenarbeiten verrichten, diese jedoch vollschichtig. Zu beachten seien im Einzelnen
aufgeführte qualitative Einschränkungen. Zur Feststellung des Leistungsvermögens sei
zudem eine Begutachtung auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet erforderlich.
Daraufhin hat das Sozialgericht den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B mit
der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens über die Klägerin beauftragt, welches
dieser am 15. August 2000 vorgelegt hat. Als Diagnose wird darin Alkoholabhängigkeit
bei gegenwärtiger Abstinenz angeführt. Es bestehe eine Disposition zu
psychosomatischer Fehlverarbeitung, der ein funktioneller Anteil an den Beschwerden
von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates zukomme. Die Klägerin habe
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von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates zukomme. Die Klägerin habe
angegeben, seit 1992 „trocken“ zu sein, abgesehen von einem Rückfall im April 2000.
Im Hinblick auf die Einschränkungen seitens des Bewegungsapparates schließe er sich
den Ausführungen im Gutachten des Dr. S an. Das verbliebene Leistungsvermögen der
Klägerin reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden täglich
aus.
Vom 20. Oktober 2000 bis zum 22. Dezember 2000 befand die Klägerin sich in
stationärer und anschließend bis zum 6. Februar 2001 in tagesklinischer Behandlung in
der Psychiatrischen Klinik der F. Aus einem dort gefertigten Arztbrief vom 1. März 2001
ergibt sich, dass die Klägerin sich am 17. Oktober 2000 in der Klinik auf Einweisung des
Hausarztes wegen zunehmender Verzweifelung und latenter Suizidgedanken vorgestellt
habe. Akute Suizidalität habe jedoch nicht vorgelegen. Unter Alkoholabstinenz habe sich
in den ersten 3 Tagen der stationären Behandlung ein ausgeprägtes Entzugssyndrom in
Form von innerer Unruhe, vermehrtem Schwitzen und Händetremor entwickelt. Die seit
vielen Jahren andauernde depressive Störung werde als Dysthymia bewertet. Die
Klägerin sei mit antidepressiver Medikation entlassen worden.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. Juli 2001 hat der Gutachter Dr. B im
Wesentlichen erklärt, dass der Bericht der Psychiatrischen Klinik der F ihn nicht dazu
veranlasse, von seiner Beurteilung im Gutachten vom 15. August 2000 abzuweichen.
Allein der Umstand des stationären Aufenthalts lasse keine entscheidende
Schlussfolgerung zu. Auch in der Klinik sei bei der Klägerin lediglich eine Dysthymia
festgestellt worden. Eine Aufhebung der Leistungsfähigkeit ergebe sich daraus nicht. Es
handele sich lediglich um eine neurotische Störung, nicht aber um ein depressives
Syndrom.
Die Klägerin hat hierauf ein Attest des sie behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr.
B vom 22. November 2001 zu den Akten gereicht. Eine regelmäßige Behandlung
bestehe seit Februar 2001. Die Klägerin leide an einer langjährigen rezidivierenden
depressiven Erkrankung im Sinne einer Dysthymie. Ferner bestehe ein wohl eher
sekundärer Alkoholmissbrauch. Die stationäre Einweisung im Oktober 2000 sei wegen
eines schweren depressiven Versagenszustandes erfolgt. Letztlich habe es am 18.
Oktober 2000 einen Tabletten-Suizid-Versuch gegeben. Unter Einbeziehung sowohl der
körperlichen wie auch insbesondere der erheblichen psychopathologischen Symptomatik
müsse aus neurologisch-psychiatrischer Sicht gesagt werden, dass die Voraussetzungen
für die Weitergewährung der damaligen Zeitrente über März 1998 hinaus bis zur
Einweisung in die Nervenklinik am 20. Oktober 2000 weiter bestanden hätten.
Das Sozialgericht hat sodann den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G mit der
Erstellung eines neurologisch/psychiatrischen Sachverständigengutachtens über die
Klägerin beauftragt, welches dieser am 20. August 2002 vorgelegt hat. Als Diagnosen
führt dieser Gutachter eine leichte sensibel-symmetrische Polyneuropathie im Bereich
der unteren distalen Gliedmaßen an sowie eine Alkoholabhängigkeit und eine Dysthymia.
In Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Dr. B komme er zur Schlussfolgerung, dass
die Alkoholabhängigkeit und die Dysthymia keine Aufhebung der Leistungsfähigkeit nach
sich zögen, denn hierfür seien sie nicht schwerwiegend genug. Auch unter
Mitberücksichtigung der darüber hinaus bei der Klägerin festzustellenden
organmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und
Bewegungsapparates sei zwar von diversen qualitativen Leistungseinschränkungen
auszugehen, aber nicht von zeitlichen Leistungseinschränkungen. Im Einzelnen meint
der Gutachter in Bezug auf sein Fachgebiet, die festgestellten Leiden beschränkten die
Klägerin in der Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten; zudem bestünden Auswirkungen
auf Konzentrations-, Entschluss-, Verantwortungs- und Kontaktfähigkeit. Hinsichtlich des
Alkoholmissbrauchs und der Dysthymia stimme er mit dem Attest des Dr. B überein.
Hieraus lasse sich allerdings nicht ableiten, dass die Voraussetzungen für die
Weitergewährung der Zeitrente über März 1998 hinaus vorgelegen hätten.
Mit Urteil vom 4. Juni 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur
Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im
Wesentlichen ausgeführt: Bei der Klägerin lägen im streitigen Zeitraum seit dem Wegfall
der Zeitrente weder Erwerbs- noch Berufsunfähigkeit vor, weil ihr Leistungsvermögen
ausreiche, zumutbare Arbeiten mit der vollen üblichen Arbeitszeit zu verrichten. Zwar
bestünden verschiedene qualitative Leistungseinschränkungen. Die Kammer schließe
sich aber der einmütigen Auffassung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S, Dr. B und
Dr. G an, wonach die Klägerin vollschichtig mit leichten Tätigkeiten zu belasten sei. Der
bisherige Beruf der Klägerin bestehe in demjenigen der Stewardess. Zwar sei sie hierin
nicht mehr vollschichtig einsetzbar, dieser Beruf sei aber innerhalb des
Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts allenfalls in die mittlere Gruppe der
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Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts allenfalls in die mittlere Gruppe der
Angestelltentätigkeiten einzustufen, was zur Folge habe, dass die Klägerin auch auf
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die nicht zu den primitivsten gehören,
zumutbar verwiesen werde könne. Hier bestünden aber durchaus Einsatzmöglichkeiten
im Bereich von Büros, Poststellen, Registraturen, Archiven und Karteien. Im Übrigen
reiche ihr Leistungsvermögen auch aus, um beispielsweise bei Fluggesellschaften im
Bodendienst tätig zu sein. Eine solche Tätigkeit sei der Klägerin selbst dann sozial
zumutbar, wenn ihr ein qualifizierter Berufsschutz zuerkannt werden sollte. Das gleiche
gelte beispielsweise für eine Beschäftigung etwa in Hotels am Empfang oder in der
Gästebetreuung.
Gegen das am 24. Juli 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. August 2003
Berufung eingelegt. Bei ihr liege eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungsbeeinträchtigungen vor. Ihr Hindernis, nur noch leichte Arbeiten nicht im Freien,
nicht mit Kälte, Feuchtigkeit, Zugluft, an laufenden Maschinen nur mit
abwechslungsreichem Bewegungsspiel, nicht unter Zeitdruck, nicht in Wechsel- und
Nachtschicht ausüben zu können, gehe über die Beeinträchtigungen hinaus, die
üblicherweise bei leichten Arbeiten gegeben seien, zumal es keine Arbeitsplätze gebe,
wo man die Haltungsarten Gehen, Stehen und Sitzen frei wechseln könne. Es sei nicht
ersichtlich, wie sie mit ihren Leistungseinschränkungen überhaupt betrieblich tätig
werden solle. Soweit das Sozialgericht sie auf Tätigkeiten etwa in Büros oder Poststellen
verwiesen habe, sei zu rügen, dass diese Beurteilung und die Grundlagen hierfür nicht in
den Prozess eingeführt worden seien, sodass das rechtliche Gehör verletzt sei.
Außerdem scheitere eine Tätigkeit im Büro, in einer Poststelle oder Registratur bereits
an der Arbeitshaltung, die dort einzunehmen sei. Sie sei auch außerstande, bei
Fluggesellschaften im Bodendienst tätig zu sein, denn dort werde regelmäßig im
Schichtdienst mit Nachtarbeit gearbeitet. Eine Beschäftigung im Hotel scheitere an der
erhöhten Risikogefährdung durch Alkohol. Eine zumutbare Verweisungstätigkeit sei nicht
ersichtlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2003 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 3. Februar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1998
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, über den 31. März 1998 hinaus, hilfsweise Rente
wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Hilfsweise beantragt die Klägerin die Einholung eines berufskundlichen
Sachverständigengutachtens. Wegen des Wortlauts des Beweisantrages wird auf die
Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 10. März 2006 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die
Tätigkeit einer Stewardess könne zumindest der unteren Anlernebene des vom
Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas mit einer Anlernzeit von drei bis
zu 12 Monaten zugerechnet werden. In keinem Fall sei sie mit einer mehr als zweijährig
ausgebildeten Fachkraft zu vergleichen. Unter Berücksichtigung dieser Einstufung sei
eine Verweisung auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar. Doch
selbst wenn man von der Zuordnung der Tätigkeit der Stewardess zur oberen
Anlernebene ausgehen sollte, sei die Verweisung auf Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes, ausgenommen solcher von ganz geringem qualitativen Wert, zulässig
und würde keinen unzumutbaren sozialen Abstieg darstellen. Unter Beachtung der
attestierten Leistungseinschränkungen sei die Klägerin in der Lage, die bereits durch das
Sozialgericht in seinem Urteil benannte Tätigkeit einer Bürohilfskraft auszuüben. Diese
zähle nicht zu den ganz einfachen Arbeiten. Im öffentlichen Dienst werde sie
beispielsweise nach der Vergütungsgruppe IX BAT entlohnt. Unterste Vergütungsgruppe
sei dort die Vergütungsgruppe X. Mit ihrem Belastungsprofil könne die Klägerin noch
Bürotätigkeiten ausüben. Eine wechselnde Körperhaltung sei möglich und von der
Bürokraft durch eigene Arbeitsorganisation beeinflussbar. Ohne Zweifel sei diese
Verweisungstätigkeit der Klägerin gesundheitlich zumutbar.
Der Senat hat zunächst einen Befundbericht der Psychotherapeutin L (Diplom-
Psychologin) eingeholt, bei der die Klägerin im Zeitraum vom 6. April 2001 bis zum 24.
Januar 2003 in Behandlung war (Diagnosen: „rez. monopol. depressive Störung, Zustand
nach Suizidversuch mit Tabletten u. zwei früh. Versuchen, Dysthymia“); gegen Ende der
Behandlung hätten sich die Befunde gebessert und stabilisiert. Einen weiteren
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Behandlung hätten sich die Befunde gebessert und stabilisiert. Einen weiteren
Befundbericht hat der Diplom-Psychologe G erstattet, bei dem die Klägerin von März
1998 bis Oktober 2000 in Behandlung war. Außerdem hat der Senat Befundberichte der
die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. H (Internist und Rheumatologe) und Dr. Sch
(Orthopäde) eingeholt, bei denen die Klägerin zuletzt im Jahr 2000 in Behandlung war.
Schließlich hat der Senat den Orthopäden Dr. R mit der Erstellung eines weiteren
orthopädischen Fachgutachtens über die Klägerin beauftragt, welches dieser am 28. Juli
2005 vorgelegt hat. Er stellt folgende Diagnosen:
1. Fortgeschrittene degenerative LWS-Veränderungen mit Betonung im Segment L4/5
und L5/6 bei Zustand nach 2-maliger Bandscheibenoperation und wiederkehrendem
Wurzelsyndrom L5 rechts bei ausgeprägter statisch muskulärer Fehlhaltung und
muskulärer Dysbalance.
2. Fortgeschrittene degenerative HWS-Veränderungen bei Bandscheibendegeneration
betont C5/6 mit reaktiven knöchernen Veränderungen und wiederkehrender
belastungsabhängiger pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung.
3. BWS-Syndrom mit wiederkehrenden Blockierungen.
4. Rotatorenmanschettensyndrom beider Schultern mit endgradiger
Bewegungseinschränkung.
5. Senk-Spreiz-Fuß bds. ohne statische Auswirkung am Rückfuß.
6. Somatoforme Schmerzstörung.
Der Gutachter formuliert folgende Leistungseinschränkungen: Auszuschließen seien
Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 5 kg, Arbeiten mit Zwangshaltungen der
Wirbelsäule sowie einseitige körperliche Belastungen, Arbeiten mit starker
Rumpfbeugung sowie im Knien, Kriechen und Hocken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten,
Arbeiten in starker Kälte, Nässe und Zugluftexposition sowie mit Akkord- und starken
Stressbelastungen, Arbeiten am Fließband mit fremdbestimmtem Arbeitsrhythmus,
Arbeiten in Schulterhöhe sowie häufiges Überkopfarbeiten, Armvorhaltetätigkeiten von
mehr als 2,5 kg, Arbeiten mit schwerem Greifen, Zufassen oder Halten mit den Händen
und Armen unter starkem Krafteinsatz, Tätigkeiten im ausschließlichen Gehen und
Stehen.
Damit könne die Klägerin noch vollschichtig körperlich leichte sowie gelegentlich
mittelschwere Tätigkeiten verrichten. Der Anteil der mittelschweren Tätigkeiten solle
nicht mehr als 2 Stunden bei einem 8-stündigen Arbeitstag bzw. mehr als 30 Minuten
ununterbrochen betragen. Möglich seien Tätigkeiten in geschlossenen Räumen sowie im
Freien mit entsprechendem Witterungsschutz sowie Arbeiten im Wechsel der
Körperhaltung; eine überwiegend sitzende Tätigkeit sei möglich, wobei nach 30 bis 60
Minuten ein selbständig vorgenommener Haltungswechsel zum Gehen oder Stehen
möglich sein solle. Der Anteil des Gehens oder Stehens solle nicht mehr als vier Stunden
bei einem achtstündigen Arbeitstag bzw. mehr als eine Stunde ununterbrochen
betragen. Die auf orthopädischem Fachgebiet nachweisbaren Leiden hätten bereits in im
Wesentlichen unveränderter Form zum Zeitpunkt des Antrages auf Weiterzahlung der
befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente im Jahre 1997 bestanden. Eine wesentliche
Verbesserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes sowie der
feststellbaren Erkrankungen und der sich hieraus ergebenen Leistungseinschränkungen
habe seitdem nicht stattgefunden. Seit dem 1. Januar 2004 nehme die Klägerin an einer
Umschulung zur Logopädin teil, die vom Arbeitsamt gefördert werde. Diese Tätigkeit sei
ihr vollschichtig zumutbar. Im Hinblick auf das Gutachten von Dr. S vom 13. März 2000
bestehe vollständige Übereinstimmung. Die Sachverständigengutachten der Psychiater
Dr. B und Dr. G seien aus orthopädischer Sicht nachvollziehbar, in sich logisch und aus
allgemeiner ärztlicher Sicht schlüssig aufgebaut. Die abschließende Diagnosestellung
und die sozialmedizinische Beurteilung beider Gutachter könne nachvollzogen werden
und sei auch aus allgemeiner ärztlicher Sicht unter Berücksichtigung der Befundberichte
der behandelnden Ärzte, der Angaben der Klägerin und des allgemeinen Eindrucks bei
der Begutachtung sowie unter Zugrundelegung des Aktenmaterials nachvollziehbar.
Die Klägerin hat hierzu abschließend erklärt, die Berufung aufrechterhalten zu wollen. Sie
gehe weiterhin davon aus, dass ihr eine Verweisungstätigkeit benannt werden müsse,
die nicht ersichtlich sei. Weil sie sich noch in der Umschulung zur Logopädin befinde,
könne sie hierauf jedenfalls nicht verwiesen werden. Außerdem komme es im Rahmen
ihrer Ausbildung immer wieder und laufend zu erheblichen krankheitsbedingten
Fehlzeiten. Sie gehe im Übrigen weiterhin davon aus, dass bei ihr aufgrund der
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Fehlzeiten. Sie gehe im Übrigen weiterhin davon aus, dass bei ihr aufgrund der
gesamten von den Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigungen eine
Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen vorliege, die zu einer
Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führe.
Die Beklagte hat abschließend eine berufskundliche Stellungnahme ihrer
berufskundlichen Beraterin J vom 19. Oktober 2005 eingereicht, die die Auffassung
vertritt, dass die Klägerin noch als Bürohilfskraft einsetzbar sei.
Wegen des Sachverhalts, insbesondere wegen des Inhalts der im Tatbestand
aufgeführten medizinischen Befundberichte und Gutachten, sowie wegen des
Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände)
sowie der Rentenakte (2 Bände) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand
der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht würdigt
die Sach- und Rechtslage in seinem Urteil vom 4. Juni 2003 zutreffend. Die Klägerin hat –
auch nach den weiteren medizinischen Ermittlungen im Berufungsverfahren – keinen
Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit über den
31. März 1998 hinaus. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw.
teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Rentenrecht.
1. Der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit
richtet sich allein nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000
geltenden Fassung, da er Zeiten vor diesem Zeitpunkt, hier ab 1. April 1998, betrifft.
a) Nach § 44 Abs. 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung haben
Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt
der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder
Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Die letztgenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit hat die Klägerin erfüllt.
Die Klägerin war jedoch nach dem 31. März 1998 nicht erwerbsunfähig. Erwerbsunfähig
sind nach § 44 Abs. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf
nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit
auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,-
DM übersteigt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist nicht erwerbsunfähig, wer eine
selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die
jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Zur Überzeugung des Senats war die Klägerin nach dem 31. März 1998 gesundheitlich in
der Lage, eine Erwerbstätigkeit vollschichtig zu verrichten.
Schon aus dem stationären Heilverfahren im August und September 1994 wurde die
Klägerin als arbeitsfähig und vollschichtig belastbar mit körperlich leichten Tätigkeiten
entlassen, weshalb Zweifel daran aufkommen können, ob die Beklagte überhaupt
berechtigt war, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu bewilligen. Zu
derselben Einschätzung – vollschichtige Belastbarkeit mit leichter bis mittelschwerer
Tätigkeit – kam jedenfalls die Klinik B nach dem Heilverfahren vom 25. August bis zum
19. September 1997. Angesichts der mehrwöchigen stationären Behandlung und
Beobachtung der Klägerin tritt demgegenüber in den Hintergrund, dass der Orthopäde
Dr. D zuvor in seinem Gutachten vom 13. Mai 1997 nur unterhalbschichtige
Belastbarkeit festgestellt hatte. Der Senat misst dem Reha-Entlassungsbericht größeres
Gewicht bei als dem aus einer Momentaufnahme heraus entstandenen Gutachten des
Sachverständigen Dr. D, das im Übrigen nach Durchführung des Heilverfahrens überholt
ist. Naturgemäß erscheinen Schlussfolgerungen aufgrund mehrwöchiger stationärer
Behandlung und Beobachtung besonders überzeugend. Der Reha-Entlassungsbericht
vom 31. Oktober 1997 ist auch in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Leiden der
Klägerin sowie Anamnese und Behandlung werden genau beschrieben. Die Annahme,
nach einer Latenzzeit von einigen Monaten komme eine Wiederaufnahme der
beruflichen Tätigkeit in Betracht, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Besonders bildhaft
wird in dem Entlassungsbericht und dem zusätzlichen Bericht der Ärztin Dr. M vom 16.
September 1997 die hysterische Komponente beschrieben, die das orthopädische
Geschehen überlagerte. Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Psychiater Dr. L
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Geschehen überlagerte. Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Psychiater Dr. L
konnte in seinem Gutachten vom 17. Dezember 1997 jedoch nur eine
konversionsneurotische Struktur mit auffälligen Reaktionen in Belastungssituationen
feststellen, die einer psychiatrischen Behandlung nicht zugänglich seien. Aus
nervenärztlicher Sicht ergäben sich keine Einschränkungen, die über die
orthopädischerseits beschriebenen hinausgingen.
Aufgrund dieser sorgfältig gewonnenen zeitnahen medizinischen Erkenntnisse war es
deshalb folgerichtig und zwingend, für die Zeit nach Auslaufen der befristeten Rente von
einer vollschichtigen Belastbarkeit der Klägerin auszugehen. Nichts anderes ergibt sich
zur Überzeugung des Senats aus den vier im Laufe des Gerichtsverfahrens eingeholten
medizinischen Gutachten. Sowohl die beiden orthopädischen Gutachter – Dr. S und Dr. R
– als auch die beiden neurologisch-psychiatrischen Gutachter – Dr. B und Dr. G – halten
die Klägerin für vollschichtig belastbar bei lediglich qualitativen
Leistungseinschränkungen. Aus Sicht des Senats ist im Falle der Klägerin damit überaus
sorgfältig medizinisch ermittelt worden, zumal unter Zuhilfenahme von gerichtsbekannt
kompetenten, erfahrenen und gewissenhaften Sachverständigen.
Die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin liegen danach auf orthopädischem und
auf psychiatrischem Gebiet. Aus ihnen resultieren Leistungseinschränkungen lediglich
qualitativer, nicht aber quantitativer Natur. In psychiatrischer Hinsicht leidet die Klägerin
unter einer Alkoholabhängigkeit, ohne durchgehend alkoholabstinent zu sein und ohne
dass schwerwiegende körperliche oder psychomental relevante Alkoholfolgeschäden
vorliegen. Außerdem leidet sie unter einer ängstlichen Depression im Sinne einer
Dysthymia. Insoweit stimmen sämtliche – auch im Verwaltungsverfahren – mit der
Klägerin befassten Gutachter überein. Eine schwerer wiegende Depression liegt nicht vor
und wird auch nicht von den die Klägerin behandelnden Ärzten diagnostiziert: So spricht
selbst der Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik der F vom 1. März 2001 auf den
mehrmonatigen (teil)stationären Aufenthalt hin nur von einer Dysthymia, und auch die
die Klägerin von April 2001 bis Januar 2003 behandelnde Psychologin L stellt keine
andere Diagnose. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. G, mit der er sich in
Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Dr. B befindet, ist somit nachvollziehbar und
überzeugend: Aus Alkoholabhängigkeit und Dysthymia lässt sich keine quantitative
Aufhebung der Leistungsfähigkeit ableiten, auch unter Mitberücksichtigung der
organmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und
Bewegungsapparates.
Dasselbe gilt in orthopädischer Hinsicht. Hier haben die Gutachter Dr. S und Dr. R im
Wesentlichen gleich lautende Diagnosen formuliert (vgl. Blatt 6 und 11 des
Tatbestandes). Auch hier sind keine Abweichungen zu den die Klägerin behandelnden
Ärzten oder zu den Reha-Entlassungsberichten zu erkennen. Der Schwerpunkt der
Beeinträchtigungen resultiert danach aus dem Rückenleiden. Der Sachverständige Dr. R
hat in seinem Gutachten vom 28. Juli 2005 ein plausibles Belastbarkeitsprofil für die
Klägerin skizziert, das im Tatbestand wiedergegeben wurde (Bl. 12), worauf hier Bezug
genommen wird. Damit weicht er nicht von den Ausführungen des Vorgutachters Dr. S
ab, sieht sich vielmehr ausdrücklich in Übereinstimmung mit diesem. Weil das
Belastbarkeitsprofil für Rückenleiden der diagnostizierten Art typisch ist, hat der Senat
keinen Zweifel an der Einschätzung der Gutachter, dass die Klägerin nur qualitativ
leistungsgemindert sei. Erwerbsunfähigkeit war daher nach dem 31. März 1998 nicht zu
erkennen.
b) Nichts anderes ergibt sich unter dem Aspekt des von der Klägerin ins Feld geführten
Begriffs der „Summierung“. Eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen liegt nämlich zur Überzeugung des Senats – gemessen an
den vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung gesetzten Maßstäben (vgl.
Urteil vom 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R, zitiert nach juris; Großer Senat, Beschluss
vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24, 32 f . = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) – nicht
vor. Ausnahmsweise besteht danach auch bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit die Pflicht
zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische
Leistungsbehinderung vorliegen. Darunter fallen nicht die „üblichen“
Leistungseinschränkungen wie z.B. der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes
Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder
besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern.
Anerkannt sind dagegen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts z.B.
besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen
Arbeitsplatz, in Verbindung mit anderen Einschränkungen die Erforderlichkeit, zwei
zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen, Einschränkungen der Arm- und
Handbewegung oder Analphabetismus. Der Grund für die Benennungspflicht in einem
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Handbewegung oder Analphabetismus. Der Grund für die Benennungspflicht in einem
solchen Fall liegt darin, dass der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese
überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält
oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine
ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt, bzw. ernste Zweifel daran aufkommen, ob
der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist.
Hieran gemessen liegt bei der Klägerin entgegen ihrer Auffassung keine „Summierung“
vor. Zu beachten ist dabei der enge vom Bundessozialgericht vorgegebene Fallkatalog,
der einer Erweiterung nicht zugänglich ist. Eine Würdigung der im Wesentlichen
übereinstimmenden vier Gerichtsgutachten zeigt, dass es sich bei der Klägerin um keine
überdurchschnittlich leistungsgeminderte Versicherte handelt. In psychiatrischer
Hinsicht, so der Sachverständige Dr. G, beschränken die Leiden der Klägerin sie in der
Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten; zudem bestehen Auswirkungen auf
Konzentrations-, Entschluss-, Verantwortungs- und Kontaktfähigkeit. In orthopädischer
Hinsicht, so der Sachverständige Dr. R, sind auszuschließen Heben und Tragen von
Lasten mit mehr als 5 kg, Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie
einseitige körperliche Belastungen, Arbeiten mit starker Rumpfbeugung sowie im Knien,
Kriechen und Hocken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in starker Kälte,
Nässe und Zugluftexposition sowie mit Akkord- und starken Stressbelastungen, Arbeiten
am Fließband mit fremdbestimmtem Arbeitsrhythmus, Arbeiten in Schulterhöhe sowie
häufiges Überkopfarbeiten, Armvorhaltetätigkeiten von mehr als 2,5 kg, Arbeiten mit
schwerem Greifen, Zufassen oder Halten mit den Händen und Armen unter starkem
Krafteinsatz sowie Tätigkeiten im ausschließlichen Gehen und Stehen. Damit könne die
Klägerin noch vollschichtig körperlich leichte sowie gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten
verrichten. Der Anteil der mittelschweren Tätigkeiten solle nicht mehr als 2 Stunden bei
einem 8-stündigen Arbeitstag bzw. mehr als 30 Minuten ununterbrochen betragen.
Möglich seien Tätigkeiten in geschlossenen Räumen sowie im Freien mit
entsprechendem Witterungsschutz sowie Arbeiten im Wechsel der Körperhaltung; eine
überwiegend sitzende Tätigkeit sei möglich, wobei nach 30 bis 60 Minuten ein
selbständig vorgenommener Haltungswechsel zum Gehen oder Stehen möglich sein
solle. Der Anteil des Gehens oder Stehens solle nicht mehr als vier Stunden bei einem
achtstündigen Arbeitstag bzw. mehr als eine Stunde ununterbrochen betragen.
All dies zeigt ein Belastbarkeitsprofil, das der Klägerin den Arbeitsmarkt nicht schlechthin
verschließt. Es sind keine Aspekte erkennbar, aus deren Zusammenwirken sich eine
besondere Erschwernis ableiten ließe. Insbesondere der von Dr. R geforderte
Haltungswechsel vom Sitzen zum Gehen oder Stehen nach 30 bis 60 Minuten erscheint
in Zusammenschau mit den sonstigen Einschränkungen nicht besonders auffällig. Die
Fortführung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. März 1998 hinaus ist
danach ausgeschlossen.
2. Ebenso wenig hat die Klägerin für die Zeit nach dem 31. März 1998 einen Anspruch
auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben
Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen
Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der
Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder
Tätigkeit haben und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt
haben.
Das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen steht auch hier nicht in
Frage.
Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil sie
die medizinischen Voraussetzungen auch hierfür nicht erfüllt. Berufsunfähig sind nach §
43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder
Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch
gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und
Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von
Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten
entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer
Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer
bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine
zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit ist danach der „bisherige
Beruf“, den der Versicherte ausgeübt hat (ständ. Rspr., vgl. nur Bundessozialgericht,
Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 107). In der Regel ist dies
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Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 107). In der Regel ist dies
die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder
Tätigkeit. Der bisherige Beruf der Klägerin ist derjenige einer Stewardess
(Flugbegleiterin), in dem sie von Februar 1979 bis März 1993 versicherungspflichtig
beschäftigt war. Dieser Beruf bleibt maßgeblich, weil die Klägerin ihn aus
gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat und hierin keine Lösung vom Beruf im Sinne
des Rentenrechts liegt. Die ungelernte Tätigkeit bei der Firma Winter von Juni 1998 bis
Juni 2002 bleibt außer Betracht, weil sich aus ihr kein Berufsschutz ergibt; unmaßgeblich
ist auch die noch nicht abgeschlossene Ausbildung zur Logopädin.
Den Beruf der Stewardess konnte die Klägerin seit März 1993 und auf Dauer aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr vollschichtig ausüben, woran nach der Beweislage
kein Zweifel besteht. Allein deshalb besteht jedoch noch keine Berufsunfähigkeit. Eine
solche liegt nämlich erst vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit
gibt, die der Klägerin sozial zumutbar und für die sie sowohl gesundheitlich als auch
fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich
nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das
Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 11. Mai 2000, B 13
RJ 43/99 R, m.w.N.; Urteil vom 24. März 1998, B 4 RA 44/96 R, jeweils zitiert nach juris)
die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend
von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs
haben, gebildet worden. Die Gruppen werden in der Angestelltenversicherung
charakterisiert durch die Leitberufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem
Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (6. Stufe), die zwar ein
abgeschlossenes Studium voraussetzen, jedoch Kenntnisse und Fertigkeiten unterhalb
der obersten Stufe erfordern (5. Stufe), die eine Meisterprüfung oder den vergleichbaren
Besuch einer Fachschule voraussetzen (4. Stufe), der Angestellten mit einer längeren
Ausbildung als zwei Jahre (3. Stufe), der angelernten Angestellten mit einer Ausbildung
bis zu zwei Jahren (2. Stufe) und der ungelernten Angestellten (1. Stufe). Grundsätzlich
darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere
Gruppe verwiesen werden.
Viel spricht dafür, dass die Klägerin mit dem Beruf der Stewardess auf der 2. Stufe
einzuordnen ist, nämlich auf derjenigen einer angelernten Angestellten mit einer
Ausbildung bis zu zwei Jahren (ebenso zu einer Flugbegleiterin der D L:
Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 12. Mai 2003, L 16 RA 52/99, zitiert nach juris). Zu
den ungelernten Angestellten der 1. Stufe wäre sie selbst dann nicht zu zählen, wenn
sich die Ausbildungszeit nur auf einen mehrwöchigen Lehrgang beschränkt hätte. Denn
ungeachtet der reinen Anlern- oder Einweisungszeit muss die Tätigkeit einer ungelernten
Angestellten innerhalb von drei Monaten von jedermann ohne besondere Vorkenntnisse
ausgeübt werden können. Dies ist bei einer Flugbegleiterin nicht möglich, denn zu den
für die Ausbildung erforderlichen Vorkenntnissen gehören neben der sehr guten
Beherrschung der deutschen und englischen Sprache Kenntnisse in wenigstens einer
weiteren verkehrsüblichen Fremdsprache. Diese zusätzlichen Sprachkenntnisse werden
in allgemeinbildenden Schulen nicht ohne Weiteres vermittelt und können deshalb nicht
bei jedermann vorausgesetzt werden.
Der bisherige Beruf der Klägerin als Stewardess lässt sich aber in der Regel auch nicht
zur Gruppe der Fachangestellten (ausgebildeten Angestellten, 3. Stufe) oder gar der
Fachangestellten mit besonderer Qualifikation (Angestellte hoher beruflicher Qualität, 4.
Stufe) zählen. Beide Berufsgruppen setzen grundsätzlich eine Regelausbildung von mehr
als zwei, in der Regel drei Jahren voraus, die Gruppe der Fachangestellten mit
besonderer Qualifikation zusätzlich noch darüber hinausgehende berufliche
Qualifikationen oder Verantwortlichkeiten. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin auch
nach ihrem eigenen Vortrag nicht erfüllt. Fremdsprachenkenntnisse stellen zwar
berufsspezifische Qualifikationen dar, erlauben aber nicht die Zuordnung des bisherigen
Berufs der Klägerin zur Gruppe der Fachangestellten mit einer Regelausbildungszeit von
mehr als zwei Jahren. Auch von der Klägerin wird nicht bestritten, dass die Dauer der
eigentlichen Ausbildung einschließlich qualifizierender Fortbildungen deutlich unter der
für die Gruppe der Fachangestellten maßgeblichen Grenze von zwei Jahren bleibt.
Allein auf Grund ihrer langjährigen Berufstätigkeit kann die Klägerin ebenfalls nicht wie
eine Fachangestellte (3. Stufe) angesehen werden. Denn nur dann, wenn es einen
geregelten Ausbildungsgang mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren
gibt, kann ein Arbeitnehmer mit langjähriger praktischer Erfahrung in diesem
(Ausbildungs-) Beruf auch ohne formale Qualifikation ausnahmsweise einem „Gelernten“
gleichstehen. Einen Ausbildungsberuf mit entsprechend langer Ausbildungsdauer gibt es
im Bereich der Flugbegleiter aber gerade nicht.
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Eine abschließende Aussage zur Einstufung der Klägerin in die 2. oder 3. Stufe des
Mehrstufenschemas muss der Senat nicht treffen. So musste insbesondere nicht
ermittelt werden, welchen Wert die Arbeit der Klägerin genau für den Betrieb hatte,
inwieweit sie sich aufgrund ihrer Tätigkeit „in charge“ von der normalen Stewardess
abhob und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der tariflichen Eingruppierung
zukommt. Der Senat teilt nämlich die Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts,
dass die Klägerin jedenfalls mit der Tätigkeit einer Bürohilfskraft belastbar war (nach dem
31. März 1998) und belastbar ist. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die
berufskundliche Stellungnahme der Beklagten vom 19. Oktober 2005, die schlüssig und
sachkundig erscheint. Die soziale Zumutbarkeit der Bürohilfstätigkeit ergibt sich aus der
Einstufung nach Vergütungsgruppe IX BAT; es handelt sich um keine Tätigkeit von ganz
geringem qualitativen Wert. Dass diese Tätigkeit den orthopädischen Anforderungen
gerecht wird, liegt auf der Hand. Wie die berufskundliche Stellungnahme vom 19.
Oktober 2005 ausführlich und überzeugend darstellt, sind bezüglich der von den
Sachverständigen geforderten Körperhaltung Büroarbeiten besonders geeignet.
Charakteristisch ist danach die überwiegende (für die Klägerin mögliche) Arbeit im Sitzen
am Schreibtisch. Gerade Büroarbeiten bieten aber die Möglichkeit, die Körperhaltung
nach eigenem Ermessen zu wechseln. So können beispielsweise Absprachen mit
Kollegen, Sortieren, Heften von Unterlagen, Telefonate und dergleichen auch im Stehen
durchgeführt werden, abgesehen von den ohnehin möglichen kurzzeitigen
Entspannungs- und Ausgleichsübungen. Auch im Hinblick auf die psychiatrischerseits
festgestellten Leistungsbeeinträchtigungen ergibt sich nichts anderes, denn bei
Bürohilfstätigkeiten handelt es sich um Arbeiten einfacher Art, die keine
überdurchschnittlichen Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit stellen. Sie
sind weder mit besonderen Anforderungen an die Langzeitkonzentration noch mit hoher
Verantwortung oder der Notwendigkeit rascher Entschlussfähigkeit verbunden.
Dem Antrag der Klägerin, Beweis zu erheben durch Einholung eines berufskundlichen
Sachverständigengutachtens, musste der Senat nicht folgen. Über die Behauptung,
dass es für Bürohilfskräfte im Öffentlichen Dienst keine Arbeitsstellen in nennenswertem
Umfang gebe, muss nicht Beweis erhoben werden, weil die einfache Bürohilfskraft
tariflich erfasst ist (Vergütungsgruppe IX BAT). Nach ständiger Rechtsprechung besteht
nämlich eine Vermutung dafür, dass es für eine Verweisungstätigkeit in ausreichendem
Umfang Arbeitsplätze gibt, der Arbeitsmarkt dem Versicherten also offen steht, wenn
diese von Tarifverträgen erfasst ist (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 3.
November 1982, 1 RJ 12/81, SozR 2200 § 1246 Nr. 102). Weiter behauptet die Klägerin in
ihrem Beweisantrag, dass Bürohilfskräfte ohne Vorbildung nur als Schreibkraft oder
Stenotypistin eingesetzt würden, dass insoweit eine konzentrative Dauerbelastung
bestehe, dass eine Zwangshaltung eingenommen werden müsse und dass nicht nach
30 bis 60 Minuten ein Wechsel der Haltungsart vorgenommen werden könne; hiermit sei
sie gesundheitlich nicht belastbar. Diesem Beweisantrag musste der Senat nicht folgen,
weil mit der umfassend verwertbaren Stellungnahme des berufskundlichen Dienstes der
Beklagten vom 19. Oktober 2005 eine ausreichende Erkenntnisgrundlage besteht. Es
gibt keine Anhaltspunkte dafür, dem berufskundlichen Dienst die notwendige Sachkunde
abzusprechen, so dass es weiterer Ermittlungen nicht bedarf. Aus dieser Stellungnahme
ergibt sich nachvollziehbar und fundiert, dass die Behauptungen der Klägerin im
Beweisantrag unzutreffend sind. Während die Klägerin im Beweisantrag eher den
typischen Arbeitsplatz einer reinen Schreibkraft beschreibt, zeichnet sich die
Bürohilfstätigkeit entsprechend den Ausführungen in der berufskundlichen
Stellungnahme durch verschiedene Verrichtungen aus, die durchaus einen
Haltungswechsel zulassen, keine konzentrative Dauerbelastung erfordern und bei
weitem mehr als nur Schreibarbeiten ausmachen.
3. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen
voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der seit dem 1. Januar 2001
geltenden Fassung. Denn Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller
Erwerbsminderung hat nach § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI derjenige, der
die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der
Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder
Tätigkeit hat und teilweise bzw. voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert
sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI diejenigen Versicherten, die wegen Krankheit oder
Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig zu sein; voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI
diejenigen, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Nicht
erwerbsgemindert ist hingegen nach § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu
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erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu
berücksichtigen ist. Gemessen daran ist die Klägerin trotz der bei ihr vorliegenden
gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erwerbsgemindert. Sie ist vielmehr – wie
oben bereits dargelegt – in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten unter
Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu verrichten.
Ob der Klägerin noch ein leidensgerechter Arbeitsplatz von der Arbeitsverwaltung
vermittelt werden kann, ist für den Rentenrechtsstreit unerheblich, denn das Risiko der
Arbeitslosigkeit ist der Arbeitslosenversicherung zuzuordnen und nicht der
Rentenversicherung (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbs. SGB VI).
Der Berufung war damit insgesamt der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2
SGG nicht gegeben sind.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich
vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung
der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen
Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich
beim
Bundessozialgericht
Postfach 41 02 20
34114 Kassel
Graf-Bernadotte-Platz 5
34119 Kassel,
einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem
Bundessozialgericht eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
- die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen
von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen
von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche
Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem
sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und
die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihres
Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Erfüllung dieser Aufgaben bieten und
die kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind,
- Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, handeln, wenn
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Vereinigung für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet,
- jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt.
Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie private
Pflegeversicherungsunternehmen brauchen sich nicht durch einen
Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich zu
begründen.
In der Begründung muss
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- die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts von der das Urteil
abweicht, oder
- ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann,
bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 I
Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz
nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne
hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht
schon durch einen Bevollmächtigten aus dem Kreis der oben genannten Gewerkschaften
oder Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines
Rechtsanwalts beantragen.
Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim
Bundessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen
Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und
Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der
Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen
Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen
der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse -
gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die
Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim
Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt
benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht,
einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende
Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die
übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
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