Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 02.12.2010

LSG Berlin und Brandenburg: belohnung, ddr, beitragspflicht, sozialversicherung, einkünfte, arbeitsentgelt, begriff, altersrente, verordnung, erlass

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 02.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Neuruppin S 5 R 3/07
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 R 82/08
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2007 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als
ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn (DR) bzw. der späteren Deutschen Bahn AG (DB) die
Berücksichtigung einer "zusätzlichen Belohnung" für die Jahre 1985 bis 1989 bei der Berechnung seiner Altersrente.
Der 1937 geborene Kläger war von 1958 bis Juni 1992 bei der DR bzw. im Anschluss bei der DB beschäftigt. Neben
seinen gewöhnlichen Bezügen erhielt er ab 1960 eine "zusätzliche Belohnung" (vgl. Bescheinigung des
Bahnbetriebswerkes Wittenberge vom 10. Juli 1992) gem. § 10 der Verordnung über die Pflichten und Rechte der
Eisenbahner (Eisenbahner-VO) vom 18. Oktober 1956 in der Fassung der Zweiten Verordnung über die Pflichten und
Rechte der Eisenbahner (2. Eisenbahner-VO) vom 23. Juni 1960 (GBl. I 1960, S. 421) bzw. nach § 9 der Verordnung
über die Pflichten und Rechte der Eisenbahner vom 28. März 1973 (Eisenbahner-VO 1973; GBl. I 1973, S. 217).
Diese betrug nach einer ununterbrochenen Dienstzeit von einem Jahr 2 %, von zwei Jahren 4 % und von drei Jahren 8
% des Bruttoeinkommens der letzten 12 Monate, war mit 5 % zu versteuern, unterlag aber nicht der Beitragspflicht
zur Sozialversicherung und gehörte auch nicht zum Durchschnittsverdienst. Vom 01. Januar 1974 bis zum 30. Juni
1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung (FZR) der DDR.
Seit dem 01. Juni 1997 bezieht der Kläger, der während seiner Beschäftigungszeit bei der DR keinem
Zusatzversorgungssystem angehörte, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Alterteilzeitarbeit (Bescheid vom
29. April 1997, geändert durch Bescheide vom 04. August 1997, 25. Januar und 21. Dezember 2001).
Seinen am 08. März 2006 gestellten Überprüfungsantrag, die "zusätzliche Belohnung" als Entgeltbestandteil bei der
Berechnung seiner Altersrente zu berücksichtigen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02. August 2006 ab. Für
Beitragszeiten im Beitrittsgebiet werde auf § 256 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) abgestellt. Hiernach
seien Arbeitsverdienste und Einkünfte nur durch Beitragszahlungen versichert und damit rentenrechtlich bedeutsam
(vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11. Dezember 2002; B 5 RJ 14/00 R, bestätigt durch Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 30. August 2005, 1 BvR 1028/03, beide in juris). Es seien also allein die
früheren Lohnbestandteile relevant, für die Beiträge zur Sozialpflichtversicherung und zur FZR gezahlt worden seien.
Die "zusätzliche Belohnung" habe aber nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterlegen und sei bei der
Berechnung der Rente nach dem Recht der ehemaligen DDR nicht berücksichtigt worden (§ 9 Abs. 2 Satz 3
Eisenbahner-VO 1973). Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Mecklenburg-
Vorpommern vom 10. November 2004 (L 4 RA 134/02) habe nur Bedeutung für Versicherte mit Zeiten der
Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz
(AAÜG), die während dieser Zeit eine "zusätzliche Belohnung" erhalten hätten. Für derartige Zeiten bestimme § 259 b
Abs. 2 SGB VI, dass der bei der Rentenberechnung zu berücksichtigende Verdienst nicht nach § 256 a SGB zu
ermitteln sei, sondern nach § 6 AAÜG. Hiernach werde das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur
jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BMG) zugrunde gelegt, ohne das es darauf ankomme, ob Beiträge zur
Sozialpflichtversicherung entrichtet worden seien. Bei der Feststellung des Verdienstes sei insoweit der
bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts i. S. d. § 14 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zugrunde
zu legen, so dass alle im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielten Einnahmen, also auch die "zusätzliche
Belohnung", in Betracht kämen. Der Kläger habe einem solchen System aber nicht angehört.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die "zusätzliche Belohnung" in den Jahren
1985 bis 1989 entsprechend der vorgelegten Aufstellung der DB vom 23. August 2006 sei als Entgelt zu
berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob er einem Zusatzversorgungssystem angehört habe oder nicht. Das
LSG Mecklenburg-Vorpommern habe in seinem Urteil ausgeführt, dass aufgrund des § 256 a Abs. 2 und 3 SGB VI für
die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) auch der Art nach versicherbare, jedoch konkret nicht
beitragspflichtige Verdienst bis zur allgemeinen BMG der gesetzlichen Rentenversicherung (West) zu berücksichtigen
sei. § 14 SGB IV definiere einen der Grundbegriffe der Sozialversicherung für alle Versicherungszweige einheitlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die
Entscheidung des LSG Mecklenburg-Vorpommern betreffe nur den Personenkreis, der einem derartigen
Zusatzversorgungssystem angehört und während dieser Zugehörigkeit eine zusätzliche Belohnung erhalten habe.
Allein dieser Personenkreis werde begünstigt, indem bei Feststellung des Verdienstes der bundesdeutsche Begriff
des Arbeitsentgelts i. S. d. § 14 SGB IV zugrunde zu legen sei mit der Folge, dass unabhängig von einer
Beitragsleistung zur Sozialversicherung alle im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielten Einnahmen bis zur
jeweiligen BMG zu berücksichtigen seien (§ 5 Abs. 1 AAÜG).
Mit seiner hiergegen beim Sozialgericht Neuruppin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die
von der Beklagten zitierten Entscheidungen des BSG vom 11. Dezember 2002 und des BVerfG vom 30. August 2005
seien nicht einschlägig, da es dort um die Verfassungswidrigkeit des nicht berücksichtigten besonderen
Steigerungssatzes von 1,5 % für die Beschäftigen der DR gegangen sei. Darüber hinaus habe die dortige Klägerin die
angeblichen Zahlungen der "zusätzlichen Belohnung" nicht glaubhaft gemacht, so dass diese Zahlungen deshalb bei
der SGB VI-Rente nicht hätten berücksichtigt werden können. Im Übrigen ergebe sich gerade aus § 256 a SGB VI,
dass für Beschäftigungszeiten bei der DR EP auch für Arbeitsverdienste oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden
BMG, und damit auch eine Anrechnung der "zusätzlichen Belohnung", in Betracht komme, selbst in Fällen, in denen
keine FZR-Beiträge gezahlt worden seien.
Mit Urteil vom 27. November 2007 hat das SG Neuruppin die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe
während seiner Beschäftigung bei der DR Beitragszeiten in der allgemeinen Sozialversicherung der DDR zurückgelegt,
die nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Beitragszeiten im Bundesgebiet gleichgestellt seien und für die EP nach
Maßgabe des § 256 a SGB VI ermittelt würden. Nach § 256 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI zählten u. a. als Verdienst der
tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die Pflichtbeiträge gezahlt worden
seien. Für Beschäftigungszeiten bei der DR vor dem 01. Januar 1974 würden für den oberhalb der im Beitrittsgebiet
geltenden BMG liegenden nachgewiesenen Arbeitsverdienst Beiträge zur FZR als gezahlt gelten (§ 256 a Abs. 2 Satz
2 SGB VI), bei einem am 01. Januar 1974 bereits ununterbrochen 10 Jahre bestehenden Beschäftigungsverhältnis
würden für Zeiten der Beschäftigung vom 01. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 für den oberhalb der im
Beitrittsgebiet geltenden BMG nachgewiesenen Arbeitsverdienst, höchstens bis 650 Mark monatlich, Beiträge zur
FZR als gezahlt gelten (§ 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Nach § 256 a Abs. 3 SGB VI zählten als Verdienst auch die
nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und Einkünfte vor dem 01. Juli 1990, für die wegen der im
Beitrittsgebiet jeweils geltenden BMG oder wegen in einem Sonderversorgungssystem erworbenen Anwartschaften
Pflichtbeiträge oder Beiträge zur FZR nicht gezahlt werden konnten (Satz 1), allerdings für Versicherte mit
Berechtigung zur FZR für die Beiträge oberhalb der jeweiligen BMG zur FZR nur, wenn die zulässigen Höchstbeiträge
zur FZR gezahlt worden seien (Satz 2). Versichert und damit rentenrechtlich relevant seien Arbeitsverdienste und
Einkünfte regelmäßig nur durch Beitragszahlungen (BSG, Urteile vom 11. Dezember 2002, a. a. O.; vom 05. März
1996, 4 RA 82/94, vom 23. August 2004, B 4 RS 4/06 R, alle in juris). Damit würden die "zusätzlichen Belohnungen",
für die keine Pflichtbeiträge gezahlt worden seien bzw. die auch nach den Rechtsvorschriften der DDR keiner
Beitragspflicht unterlegen hätten, nicht berücksichtigt werden. Zwar würden nach § 256 a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3
Satz 1 und 2 SGB VI i. d. F. d. Zweiten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (2. AAÜG-ÄndG; BGBL. I, 1939) ausnahmsweise tatsächlich
erzielte Arbeitsverdienste, für die keine Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden seien, berücksichtigt. Diese
Sonderregelungen würden beim Kläger zwar teilweise eingreifen, was in dem Neufeststellungsbescheid vom 21.
Dezember 2001 unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 256 a Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI auch zum
Ausdruck komme. Letztlich erfasse jene Regelung jedoch ausdrücklich nur die Verdienstbestandteile, die – zumindest
dem Grunde nach – der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterlegen hätten. Aus dem Urteil des LSG
Mecklenburg-Vorpommern vom 10. November 2004 könne der Kläger keine günstige Entscheidung herleiten, denn er
falle – anders als der dortige Kläger – nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG. Auf ihn
könne damit nicht § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i. V. m. § 259 b Abs. 1 SGB VI, wonach erzieltes, also zugeflossenes
Arbeitsentgelt ohne Rücksicht darauf, ob dieses in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlegen habe, als
Arbeitsverdienst der Rentenberechnung zugrunde gelegt werde, Anwendung finden. Dem Verdienst im Sinne des §
256 a Abs. 2 SGB VI komme zwar die gleiche Bedeutung zu wie dem festzustellenden Arbeitsentgelt nach § 6 Abs. 1
S. 1 AAÜG, nämlich den – fiktiven – Vorleistungswert zur bundesdeutschen Rentenversicherung, ausgedrückt in EP
(vgl. § 256 a Abs. 1 SGB VI), zu bestimmen. Die inhaltliche Bedeutung beider Begriffe bleibe jedoch unterschiedlich
ausgerichtet. Manche der Zusatz- und Sonderversorgung einiger Mitglieder dienenden Versorgungssysteme der DDR
hätten keine Beitragspflicht, insbesondere keine eigene Beitragslasten der Arbeitnehmer, vorgesehen, so dass zur
Wahrung dieser durch den Einigungsvertrag geschützten Sonderstellung dadurch Rechnung getragen worden sei,
dass § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG nur auf das "erzielte Arbeitsentgelt", unabhängig von einer Beitragspflicht, abgestellt
habe.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, dass er die Ungleichbehandlung zwischen
solchen ehemaligen Angehörigen der DR, die in Zusatzversorgungssystemen einbezogen und solchen, die dies nicht
gewesen seien, für nicht vereinbar mit Artikel 3 Grundgesetz (GG) halte. Zudem würden in § 256 a SGB VI
verschiedene Tatbestände aufgeführt, für die Beiträge ohne tatsächliche Entrichtung als gezahlt gelten würden, z. B.
Beiträge zur FZR für die für Zeiten der Beschäftigung bei der DR vor dem 01. Januar 1974 nachgewiesenen
Verdienste oder die bei ununterbrochenem Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses über 10 Jahre für Zeiten der
Beschäftigung vom 01. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 nachgewiesenen Verdienste über der BMG der DDR,
höchstens bis zu monatlich 650,00 Mark. Auch könnten nachgewiesene Verdienste oberhalb der BMG der
Sozialpflichtversicherung und der FZR auch ohne Beitragsleistung bis zur BMG der gesetzlichen Rentenversicherung
anerkannt werden, wenn die Beitragsmöglichkeiten in der Sozialpflichtversicherung bzw. ab dem 01. März 1971 in der
FZR ausgeschöpft worden seien (§ 256 a Abs. 3 SGB VI). Es sei hiernach nicht ersichtlich, weshalb die "zusätzliche
Belohnung" unberücksichtigt bleiben solle, obwohl ein höheres Einkommen trotz fehlender Beitragsentrichtung
Anrechnung finde, und sich das Einkommen in der Art einer "zusätzlichen Belohnung" nicht von der des monatlichen
Einkommens unterscheide. Die gleiche Bewertung als zusätzliches Entgelt nehme auch das LSG Mecklenburg-
Vorpommern (Urteil vom 10. November 2004, L 4 RA 134/02) vor. Dieses Urteil beziehe sich zwar auf einen
Zusatzversorgungsträger, so dass das AAÜG Anwendung gefunden habe. Der innerhalb des AAÜG verwendete
Begriff des "Entgelts" stehe dem Begriff des Verdienstes aber gleich. Der Begriff "Arbeitsentgelt" sei bundesrechtlich
im Sinne von § 14 SGB IV zu definieren und nicht nach der am 03. Oktober 1990 außer Kraft getretenen Verordnung
der DDR über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung vom 21. Dezember 1961 (GBl.
II Nr. 53, S. 551) i. d. F. vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 12, S. 253). Die in partielles Bundesrecht zunächst
überführten Berechtigungen des Beitrittsgebietes seien seit dem 01. Januar 1992 durch die entsprechenden
Ansprüche und Anwartschaften aus der bundeseinheitlichen Rentenversicherung ersetzt worden, so dass sich die
Entstehung und der Geldwert dieser Ansprüche ausschließlich nach dem SGB VI und SGB IV bestimmten. Nach § 14
Abs. 1 SGB IV seien jedoch alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer oder im Zusammenhang mit einer
Beschäftigung (§ 7 SGB IV, § 1 SGB VI) Arbeitsentgelte ohne Rücksicht auf deren Bezeichnung und unabhängig
davon, ob es sich um Entgelte (Verdienste) gehandelt habe, die nach dem AAÜG oder nach dem SGB VI zu
berücksichtigen seien. Die "zusätzliche Belohnung" würde nach bundesdeutschem Recht der Beitragspflicht
unterliegen und sei daher auch im Rahmen einer Beitragsfiktion in der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Für die
rentenrechtliche Bewertung dieser Zahlungen der zusätzlichen Belohnung spiele es daher keine Rolle, ob der
Versicherte einem Zusatzversorgungssystem angehört habe oder nicht. Dieses Verständnis habe auch bereits in
anderen rentenrechtlich relevanten Sachverhalten, z. B. behinderte Menschen in der ehemaligen DDR betreffend,
Anwendung gefunden (vgl. § 248 Abs. 2 SGB VI). Schließlich würde es auch Sinn und Zweck der Überführung der
Versorgungssysteme der DDR in die Rentenversicherung, wie sie im Einigungsvertrag geregelt worden sei,
widersprechen, wenn Verdienste und Einkünfte bei Versicherten, die unter den Geltungsbereich des AAÜG fielen,
Anrechnung fänden, bei Versicherten die einem anderen, hier öffentlichen Versorgungssystem angehört hätten, aber
unberücksichtigt bleiben würden. Soweit die Klägerin in dem in Bezug genommenen Verfahren vor dem BSG (Urteil
vom 29. Januar 2004, B 4 RA 19/03) in der Sache gescheitert sei, liege dies allein daran, dass der
Sperrzonenzuschlag eine Entschädigung für die nach Auffassung der DDR erschwerten Lebensbedingungen im
Sperrgebiet gewesen sei und somit keinen Lohncharakter gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2007 sowie den Bescheid vom 02. August 2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den
Bescheid vom 21. Dezember 2001 zu ändern und die gewährte "zusätzliche Belohnung" bei der Berechnung seiner
Altersrente zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und bezieht sich auf den Wortlaut des § 256 a Abs. 2 und 3 SGB VI, wonach nur Entgelte zu berücksichtigen seien,
die dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig gewesen seien, wozu die "zusätzliche Belohnung" unstreitig nicht
gehöre. Eine Ungleichbehandlung sei nicht zu erkennen. Das BVerfG habe bereits in seinen Entscheidungen vom 30.
August 2005 (1 BvR 616/99 und B BvR 1028/03) darauf hingewiesen, dass es sich bei den Sozialpflichtversicherten
und den Versicherten nach dem AAÜG um zwei grundsätzlich verschiedene Personengruppen in unterschiedlichen
Alterssicherungssystemen gehandelt habe, die nicht miteinander vergleichbar seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 02. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.
November 2006 und Änderung des Rentenbescheides vom 21. Dezember 2001, der alle zuvor ergangenen
Rentenbescheide (vom 29. April und 04. August 1997 und vom 25. Januar 2001) ersetzt hat.
Nach § 44 SGB X ist ein unanfechtbarer Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht
erbracht worden sind.
Der Bescheid vom 21. Dezember 2001 ist nicht rechtswidrig, denn die Beklagte hat bei dessen Erlass weder das
Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Wie das SG zutreffend
entschieden hat, kann der Kläger nach dem SGB VI keine höhere Altersrente beanspruchen. Das SG hat sich bei der
Begründung seiner Entscheidung ausführlich mit der hier einschlägigen gesetzlichen Regelung des § 256 a Abs. 2
Satz 1 SGB VI auseinandergesetzt und hat auch zu dem Einwand des Klägers, § 256 a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1
und 2 SGB VI enthalte durchaus Ausnahmen von dem Grundsatz, dass allein der Beitragspflicht unterliegende
Arbeitsverdienste und Einkünfte, berücksichtigt würden, Stellung genommen. Der Senat verweist zur Vermeidung von
Wiederholungen daher zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 27. November 2007,
denen er sich anschließt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Ergänzend wird nochmals darauf hingewiesen, dass sich sowohl das BVerfG wie auch das BSG mehrfach mit der
unterschiedlichen rechtlichen Behandlung des Arbeitsentgelts im System der allgemeinen Sozialpflichtversicherung (§
256 a Abs. 2 SGB VI) einerseits und des im Rahmen der Zusatzversorgung berücksichtigungsfähigen Entgelts (§ 6
Abs. 1 Satz 1 AAÜG) andererseits befasst haben (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 30. August 2005, 1
BvR 616/99, 1 BvR 1028/03; BSG, zur Berücksichtigung des Steigerungssatzes 1, 5: Urteil vom 11. Dezember 2002,
B 5 RJ 14/00 R; BSG, zur Jahresendprämie bei Zusatzversorgung: Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 4/06 R; alle in
juris). In diesen Entscheidungen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Versorgung der Angehörigen der
DR dem System der allgemeinen Sozialpflichtversicherung zugeordnet worden und nach dem maßgeblichen
Bundesrecht gerade nicht als Zusatzversorgung im Sinne des AAÜG zu qualifizieren ist. Bei den
Sozialpflichtversicherten, also auch den Angehörigen der DR, und den Versicherten nach dem AAÜG handele es sich
um zwei grundsätzlich voneinander verschiedene Personengruppen, deren Altersversorgung sich nach
unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften bestimme. So seien sämtliche Rentenansprüche und
Rentenanwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung der DDR in einheitliche Rentenansprüche nach dem SGB VI
überführt worden. Demgegenüber seien die Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten thematisch nicht von § 256
Abs. 2 SGB VI erfasst, andernfalls wäre für sie nur der Verdienst feststellungsfähig, für den Beiträge zur
Sozialversicherung der DDR und ggf. zur FZR entrichtet worden wären. Da manche Versorgungssysteme der DDR
jedoch keine Beitragspflicht, insbesondere keine eigenen Beitragslasten der Arbeitnehmer, vorgesehen hätten, stelle §
6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG unabhängig von einer Beitragspflicht nur auf das "erzielte Arbeitsentgelt" ab, um die durch den
Einigungsvertrag geschützte Sonderstellung der Mitglieder der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme bei der
Überführung der Versorgungsansprüche und -anwartschaften zu wahren. Die Bezugnahme in § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG
auf den Verdienst im Sinne des § 256 Abs. 2 SGB VI bezwecke lediglich, die Funktion des Verdienstes aufzuzeigen,
nicht aber eine - sinn- und zweckwidrige - Übernahme des Verdienstbegriffs des § 256 a Abs. 2 SGB VI
vorzuschreiben, denn andernfalls hätte es der Regelungen mit besonderen Anknüpfungspunkten für die Überleitung
des Bundesrechts, wie sie in §§ 5 bis 7 AAÜG enthalten seien, nicht bedurft.
Das BSG hat in zwei, ebenfalls von ehemaligen Angehörigen der DR betriebenen Verfahren diese Grundsätze in
jüngster Zeit bestätigt (vgl. Beschlüsse über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 27. Oktober
2009, B 5 R 494/08 B, Vorinstanz: LSG Mecklenburg-Vorpommern, L 7 R 96/08, und vom 09. September 2010, B 13
R 233/10 B, Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, L 22 R 1428/08). Hierin hat das BSG die von den
Beschwerdeführern aufgeworfenen Rechtsfragen, ob "die Nichtberücksichtigung der zusätzlichen Belohnung für
Eisenbahner in der DDR als rentenwirksam erzielter Arbeitsverdienst gemäß § 256 a SGB VI verfassungswidrig sei"
bzw. ob "die zusätzliche Belohnung für Mitarbeiter der ehemaligen DR gem. § 10 Eisenbahner-VO Verdienst i. S. d. §
256 Abs. 2 SGB VI sei", als nicht mehr klärungsbedürftig angesehen. Die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG
gäben ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage (vgl. BSG,
SozR 3-1500 § 160 Nr. 8), und zwar unabhängig von dem Umstand, dass es in dem - auch vom Kläger in Bezug
genommenen - Urteil des BSG vom 11. Dezember 2002 nicht um die Berücksichtigung der "zusätzlichen Belohnung",
sondern des Steigerungssatzes von 1, 5 für Angehörige der DR gegangen sei.
Der Einwand des Klägers, die Anwendung des § 256 SGB VI benachteilige ihn im Vergleich zu den Angehörigen von
Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in verfassungswidriger Weise, erweist sich mithin aufgrund der dargelegten
systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen der Sozialpflichtversicherten und der Versicherten nach dem
AAÜG als nicht zutreffend. Er hat auch keine stichhaltigen Gründe vorgetragen, weshalb die Versagung der
Sonderversorgung ehemaliger Mitarbeiter der DR nach der Rentenüberleitung in die gesamtdeutsche
Rentenversicherung gleichwohl Art. 3 Abs. 1 GG verletzen solle. Hier hätte es einer Auseinandersetzung mit der
Rechtsprechung des BVerfG vor allem unter dem Aspekt der behaupteten Vergleichbarkeit der Gruppe der ehemaligen
Angehörigen der DR mit der Gruppe der Angehörigen der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme mit Blick auf Sinn
und Zweck der jeweiligen Rentenberechtigung bedurft. Nicht genügend ist demgegenüber die bloße Behauptung einer
verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.
Abschließend sei noch einmal hervorgehoben, dass die dargestellten Unterschiede sich bereits aus der Existenz
unterschiedlicher Alterssicherungssysteme in der DDR begründen und von daher auch nicht einer abweichenden
Auslegung der Vorschriften des SGB VI zugänglich sind. Hinsichtlich der weiteren Rechtsüberlegungen wird auf die
Gründe der genannten Entscheidungen des BVerfG und des BSG, die dem Kläger sämtlich bekannt sind, Bezug
genommen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des
Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen. Die
aufgeworfene Rechtsfrage gilt, wie dargelegt, höchstrichterlich als geklärt.