Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2005

LSG Berlin-Brandenburg: upr, unfallversicherung, verwertung, vorläufiger rechtsschutz, kündigung, lebensversicherung, alter, ausschluss, form, notlage

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
23. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 23 B 19/06 SO ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b Abs 2 S 2 SGG, § 41 Abs 2
SGB 12, §§ 41ff SGB 12, § 90
Abs 1 SGB 12, § 90 Abs 2 Nr 2
SGB 12
Sozialhilfe - einstweiliger Rechtsschutz - Anordnungsgrund -
Vermögenseinsatz - Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 07. Dezember
2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von
Leistungen zur Grundsicherung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren streitig.
Bei der 1946 geborenen Antragstellerin, bei der ein Grad der Behinderung von 50
festgestellt wurde, besteht nach einer Entscheidung des Rentenversicherungsträgers
zumindest seit 14. Dezember 2004 volle Erwerbsminderung auf Dauer. Einen Antrag auf
Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch Sechstes
Buch in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung - SGB VI a. F. - wurde mit
Bescheid der Landesversicherungsanstalt Brandenburg vom 04. August 1998 mit der
Begründung abgelehnt, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
seien nicht erfüllt.
Die Antragstellerin war als Selbständige tätig. Sie bewohnt aufgrund eines gemeinsamen
Mietvertrages seit dem 01. April 1997 zusammen mit Frau I G- G. -, geboren 1937, eine
Zweizimmerwohnung. Mit Vertragsbeginn am 15. April 1989 unterhält die Antragstellerin
eine Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung - UPR - bei der A. Der monatliche Beitrag
einschließlich Versicherungssteuer betrug im Oktober 2004 66,02 €. Die Antragstellerin
ist nach den besonderen Bedingungen für die abgeschlossene UPR berechtigt, zum
Ende des jeweils laufenden Versicherungsjahres die Versicherung zu kündigen. Die
Kündigung muss schriftlich erfolgen und spätestens drei Monate vor diesem Zeitpunkt
dem Versicherer zugegangen sein. Im Falle der Kündigung kann die Antragstellerin die
Auszahlung des Rückkaufswertes verlangen. Dieser Rückkaufswert betrug zum 28.
Oktober 2004 12 641,00 € zuzüglich einer Gewinnbeteiligung von damals 3 309,00 €. Als
Erlebensfallzeitpunkt (Auszahlung des Kapitals) ist der 25. April 2009 bestimmt. Aus
einer mit Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 16. Dezember 1985 geschiedenen
Ehe wurden der Antragstellerin von dem Versicherungskonto des geschiedenen
Ehemannes Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich
302,20 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. Januar 1985, übertragen.
Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin für die Monate Januar und Februar 2005
Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 674,63 € monatlich (Bescheid vom 19. Januar
2005). Mit Bescheid vom 21. Februar 2005 wurde die gewährte Hilfe mit Wirkung ab 01.
März 2005 mit der Begründung eingestellt, dass die Antragstellerin ihr Vermögen in der
Form des Rückkaufswertes der Unfallversicherung in Höhe vom 15 950,00 € vorrangig
einzusetzen habe. Mit derselben Begründung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid
vom 26. Juli 2005 auch den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch
und machte geltend, die UPR diene der Altersvorsorge. Es bestehe ein
Verwertungsausschluss nach § 165 Abs. 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz - VVG -.
Sie sei zu einer unwiderruflichen Vereinbarung bereit, wonach das Vermögen vor dem
Erreichen des Ruhestands weder ausgezahlt, übertragen, verpfändet oder zu einem
anderen Zweck genutzt werden könne. Sie sei in ihrem Beruf als Geschäftsführerin
gezwungen gewesen, ihre Altersversorgung privat zu organisieren. Zudem stelle die
Verwertung der UPR unter Berücksichtigung der Interessen der Beitragszahlerin G. eine
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Verwertung der UPR unter Berücksichtigung der Interessen der Beitragszahlerin G. eine
besondre Härte nach § 90 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - dar.
Am 21. November 2005 hat die Antragstellerin sich an das Sozialgericht Neuruppin
gewandt und im Wesentlichen geltend gemacht, sie befinde sich in einer Notlage, weil sie
ohne jegliche Einkünfte sei. Das unter dem 08. November 2005 von dem Antragsgegner
unterbreitete Darlehensangebot könne sie nicht annehmen, weil es von einer nicht
akzeptablen Zustimmung der G. abhinge. Bezugsberechtigt bei garantierter
Beitragsrückzahlung aus der Unfallversicherung sei nicht sie, sondern G.
Die Antragstellerin hat u. a. Ablichtungen des Versicherungsantrages sowie des
Versicherungsscheines und der Bedingungen der UPR zur Gerichtsakte gereicht und
beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihr Leistungen der Grundsicherung bei
Erwerbsminderung nach dem SGB XII Kapitel 4 seit Januar 2005, hilfsweise seit
November 2005, zu gewähren.
Der Antragsgegner hat vor dem Sozialgericht geltend gemacht, dass zwar G. die
Versicherungsbeiträge zahle, die Antragsstellerin aber bei Kündigung Bezugsberechtigte
des Rückkaufswertes sei. Es sei lediglich eine Leistungsgewährung nach § 91 SGB XII
möglich. Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht.
Mit Beschluss vom 07. Dezember 2005 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsanspruch
bestehe deshalb nicht, weil die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt aus dem
verwertbaren Vermögen in Form des Rückkaufswertes der UPR bestreiten könne. Ihr
verbleibe ein einsetzbares Vermögen in Höhe von 13 350,00 €. Der Antragstellerin sei es
möglich, den Versicherungsvertrag zum 15. April 2006 zu kündigen. Ein wirtschaftlicher
Verlust trete nicht ein. Bei der Versicherung handele es sich auch nicht um
Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, insbesondere nicht um eine von der
Verwertung ausgeschlossene zusätzliche Altersvorsorge im Sinne dieser Vorschrift. Der
Einsatz des Vermögens stelle für die Antragstellerin auch keine Härte im Sinne des § 90
Abs. 3 SGB XII dar. Die beabsichtigte künftige Verwendung der
Prämienrückgewährzahlung zum Aufbau einer Altersversorgung lasse keinen Härtefall
entstehen. Die Antragstellerin habe einen Anspruch aus der gesetzlichen
Rentenversicherung. Die Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebensführung im Alter
erscheine durch den Einsatz der Versicherungsleistung zum jetzigen Lebensunterhalt
nicht gefährdet.
Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Prämienrückgewähr sei nach
der Laufzeit des Versicherungsvertrages nicht fällig. Bei Fälligkeit solle die
Versicherungsleistung der Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebensführung im
Alter dienen. Dies werde unmöglich, wenn sie gezwungen sei, die Versicherungsleistung
zum derzeitigen Lebensunterhalt einzusetzen. Der Anspruch aus der gesetzlichen
Rentenversicherung sichere ihr nicht die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Lebensführung im Alter. Gerade deshalb sei sie gezwungen gewesen, ihre Altersvorsorge
privat zu organisieren. Ob dies mit einer Kapitallebensversicherung oder mit einer
Kapitalunfallversicherung geschehe, sei nicht entscheidend. Bei einer Unfallversicherung
mit Beitragsrückgewähr handele es sich um eine Mischform zwischen kapitalbildender
Lebensversicherung und einer Unfallversicherung. Wegen des in dieser Versicherung
enthaltenen Elements einer Lebensversicherung sei auch § 165 Abs. 3 VVG anwendbar.
Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der neu eingeführten Vorschrift. Gegen die
Verwertbarkeit der streitgegenständlichen Versicherung spreche auch die
Risikoabsicherung der Mitbewohnerin.
Die Antragstellerin hat eine Leseabschrift des Versicherungsscheines des
Versicherungsbüros G zur Gerichtsakte gereicht und beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts vom 07. Dezember 2005 aufzuheben und den
Antragsgegner zu verpflichten, ihr Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung
seit Januar 2005, hilfsweise seit November 2005 zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der
Entscheidung wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsunterlagen
des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung
gewesen sind.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag zu Recht
abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen
zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die
Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte
Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG in
Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Bereits der erforderliche Anordnungsgrund dürfte nicht glaubhaft gemacht sein.
Voraussetzung dafür ist, dass einem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner
Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen,
nicht zumutbar ist, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (Keller in:
Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Anm. 28).
Soweit die Antragstellerin Leistungen nach § 41 SGB XII für die Zeit vor Antragstellung
beim Sozialgericht (21. November 2005) begehrt, ergibt sich das Fehlen eines
Anordnungsgrundes bereits daraus, dass Leistungen im Antragsverfahren nach § 86 b
Abs. 2 SGG nicht für die Vergangenheit beansprucht werden können. Aber auch für die
Zeit ab Antragstellung bei Gericht ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht
überwiegend wahrscheinlich.
Die Antragstellerin, die zur Abwendung einer vorgetragenen Notlage Leistungen der
Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach den §§ 41, 42 SGB XII in Verbindung mit §§
28, 29 SGB XII begehrt, hat das Angebot des Antragsgegners, Leistungen
darlehensweise nach § 91 SGB XII bis zur Beendigung des Versicherungsvertrages mit
der Auszahlung der Versicherungssumme zu diesem Zeitpunkt (April 2009) zu
gewähren, abgelehnt. Dabei ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ihr bis zur Klärung
der Frage im Hauptsacheverfahren, ob sie Anspruch auf darlehensfreie Leistungen nach
§§ 41, 42 SGB XII hat, die Inanspruchnahme der Darlehensleistung zur Abwendung der
von ihr vorgetragenen Notlage nicht zumutbar sein soll. Nach § 91 SGB XII soll Sozialhilfe
als Darlehen geleistet werden, soweit für den Bedarf der Nachfragenden Vermögen
einzusetzen und der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens
nicht möglich ist. Die Vorschrift bietet dem Hilfeträger die Möglichkeit, trotz vorhandenen
Einkommens und Vermögens flexibel auf einen Hilfefall zu reagieren. Wird eine
darlehensweise Gewährung vom Antragsgegner angeboten, so ist der Hilfebedürftige bei
der Beurteilung der Frage, ob ein die Annahme eines Anordnungsgrundes begründender
Nachteil i.S. des § 86b Abs. 2 SGG vorliegt, zur Abwendung der Notlage vorrangig auf die
Inanspruchnahme der darlehensweisen Gewährung zu verweisen. Im vorliegenden Fall
dürfte dem nicht entgegenstehen, dass hinsichtlich der Versicherungssumme für den
Fall des Todes der Antragstellerin G. bezugsberechtigt ist, weil sich aus dem
Versicherungsvertrag keine Verfügungsbeschränkung hinsichtlich der
Bezugsberechtigung während der Laufzeit des Vertrages ergibt.
Letztlich konnte der Senat dies dahinstehen lassen, weil kein Anordnungsanspruch
besteht. Die Antragstellerin hat nach der unter den Bedingungen des Eilverfahrens
gebildeten Rechtsüberzeugung (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsverfahren, 4. Auflage 1998, Anm. 351 f. m.w.N.) keinen Anspruch auf
Gewährung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB
XII.
Gemäß § 41 Abs. 1 SGB XII können Personen, bei denen - wie bei der Antragstellerin -
eine Erwerbsminderung nach § 45 SGB XII festgestellt worden ist, Leistungen der
Grundsicherung erhalten, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen
und Vermögen bestreiten können (§ 41 Abs. 2 SGB XII). Zu Recht hat der Antragsgegner
mit Bescheid vom 26. Juli 2005 angenommen, dass die Antragstellerin zunächst ihren
notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Vermögen in Form des Rückkaufswertes der
UPR bestreiten kann.
Nach § 41 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte
verwertbare Vermögen vom Hilfebedürftigen einzusetzen. Zum Vermögen gehören auch
Zahlungen aus Lebensversicherungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten
aus Versicherungen (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 90 SGB XII m.w.N.),
soweit die Vermögenswerte verwertbar sind. Die Antragstellerin ist berechtigt, den mit
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soweit die Vermögenswerte verwertbar sind. Die Antragstellerin ist berechtigt, den mit
der A. geschlossenen Versicherungsvertrag zum 15. April 2006 (Ablauf des
Versicherungsjahres) zu kündigen. Bei Kündigung hat sie Anspruch auf Auszahlung des
Rückkaufswertes in Höhe von mindestens 15 990,00 € (Stand: Oktober 2004).
Hinsichtlich dieses Rückkaufswertes ist sie auch bezugsberechtigt. Die Zahlung der
Versicherungsbeiträge durch G. führt nach dem Versicherungsvertrag nicht dazu, dass
diese auch Bezugsberechtigte im Falle der Kündigung des Vertrages ist. G. ist nach dem
Versicherungsvertrag allein im Todesfall der Antragstellerin bezugsberechtigt.
Die Kündigung des Versicherungsvertrages ist auch nicht ausgeschlossen. Ein
Ausschluss ergibt sich nicht aus dem Vertrag; ein solcher folgt auch nicht aus dem VVG.
Aus den auf die abgeschlossene Unfallversicherung anwendbaren Vorschriften der §§
179 ff. VVG ergibt sich kein Ausschluss des Kündigungsrechts. § 165 VVG gilt für die UPR
nicht. Nach § 180 VVG gelten die Vorschriften der §§ 166 bis 168 VVG, wenn als Leistung
der Unfallversicherung die Zahlung eines Kapitals vereinbart worden ist. Ausdrücklich ist
damit nicht die entsprechende Geltung des § 165 VVG geregelt worden. Auch aus der
Art der Unfallversicherung als Versicherung mit Beitragsrückgewähranspruch mit
Kapitalbildung, einer Mischform zwischen kapitalbildender Lebensversicherung und
Unfallversicherung (Knappmann in: Prolss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 25.
Auflage, § 179 Anm. 2), folgt nicht die Anwendung der Vorschriften des VVG zu den
Lebensversicherungen, weil die Elemente der Unfallversicherung überwiegen
(Knappmann, a. a. O.). Selbst bei entsprechender Anwendung des § 165 Abs. 3 VVG
entfiele hier das Kündigungsrecht nicht. Nach § 165 Abs. 3 VVG entfällt das
Kündigungsrecht (§ 165 Abs. 1, Abs. 2 VVG) bei einem für die Altersvorsorge
bestimmten Versicherungsvertrag, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem
Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat.
Einen solchen Ausschluss hat die Antragstellerin mit der UPR nicht vereinbart. Die
Unfallversicherung wurde gerade nicht in erster Linie zur Altersvorsorge abgeschlossen,
sondern zur Absicherung eines Einkommensausfalls infolge eines Unfalls. Für einen
Versicherungsvertrag zur Altersvorsorge hätte sich eine kapitalbildende
Lebensversicherung mit erstmaliger Verwertbarkeit zum Eintritt in den Ruhestand
angeboten. Nachvollziehbar trägt die Antragstellerin vor, dass sie sich während ihrer
Selbständigkeit selbst gegen Risiken habe versichern müssen. Dies hat sie für den Fall
eines Erwerbseinkommensausfalls vor Erreichen des Ruhestandes mit der UPR getan.
Dass mit der UPR auch eine Kapitalversicherung auf den Todes- sowie Erlebensfall
verbunden ist, ändert nichts daran, dass die Versicherung nicht für die Altersvorsorge
bestimmt war, und auch aus der Absicht, die 2009 fällige Kapitalsumme als
Altersvorsorgekapital zu nutzen, ergibt sich nichts anderes.
Die Verwertung des Rückkaufswertes ist auch nicht nach § 90 Abs. 2 Nrn. 1 bis 9 SGB XII,
insbesondere nicht nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, ausgeschlossen, weil es sich nicht um
eine zusätzliche Altersversorgung im Sinne dieser Vorschrift handelt. Auch die
Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII steht dem Einsatz des Vermögens nicht
entgegen. Danach darf die Sozialhilfe, d.h. auch die Gewährung von Leistungen zur
Grundsicherung, nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig
gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine
unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde; bei Leistungen auch
nach dem 4. Kapitel (Leistungen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) ist
dies nach § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII vor allem der Fall, soweit eine angemessene
Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung
wesentlich erschwert würde. In § 90 Abs. 3 SGB XII hat der Gesetzgeber die vorher in §
88 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - bestehende Regelung übernommen. Nach
der Rechtsprechung zu § 88 Abs. 3 BSHG war der Einsatz einer
Kapitallebensversicherung mit ihrem Rückkaufswert im Rahmen der Hilfe zum
Lebensunterhalt nicht zu beanstanden, selbst wenn sie vom Hilfesuchenden zur
Alterssicherung bestimmt war, er aber über das Kapital aus der Versicherung jederzeit
frei verfügen konnte (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 13. Mai 2004, 5 C
3/03, BVerwGE 121, 34-37). Da der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Rechtsprechung
hinsichtlich der Grundsätze zur Verwertbarkeit von Vermögen im Rahmen der
Leistungen nach dem SGB XII keine Änderungen zum Recht nach dem BSHG
vorgenommen, sondern die Vorschrift in § 90 Abs. 3 SGB III übernommen hat, ist von
diesen Grundsätzen auch weiter auszugehen. Auch § 90 Abs. 3 SGB XII soll atypische
Teilkonstellationen im Einzelfall erfassen, d. h. solche Umstände, die nicht schon von den
Regelungen über das Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII erfasst werden. Die
durch Verwertung des Vermögens gefährdete Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung kann dabei zwar eine Härte darstellen, da aber bereits § 90 Abs. 2 SGB
XII Alterssicherungsvermögen erfasst, müssen im Rahmen des § 90 Abs. 3 SGB XII
weitere Erwägungen im Einzelfall durchgreifen. Voraussetzung ist jedenfalls, dass das
Vermögen auch nachweisbar für den Zweck der Alterssicherung verwendet werden
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Vermögen auch nachweisbar für den Zweck der Alterssicherung verwendet werden
sollte; bloße Absichten oder unverbindliche Erwägungen können nicht ohne weiteres zur
Herausnahme eines Teils des zu verwertenden Vermögens führen. Ausgeschlossen sind
von der Herausnahme der Verwertung jedenfalls Sparformen, die den Berechtigten ein
frei verfügbares, rechtlich keinen inhaltlichen Bindungen unterworfenes Kapital
gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004, 5 C 3/03, a. a. O.). Denn bei solchen
Sparformen ist nicht sichergestellt, dass - auch wenn entsprechende Absichten
bestehen - das verwertbare Vermögen auch tatsächlich zur Sicherung der
Altersvorsorge eingesetzt wird. Die Antragstellerin kann nach der Kündigung jederzeit
frei, ohne rechtliche Bindungen, über den Rückkaufswert aus ihrer UPR verfügen; dies gilt
auch nach Ablauf der Versicherung für den ihr dann zustehenden Kapitalbetrag, so dass
für eine Herausnahme aus der grundsätzlichen Verwertbarkeit dieses
Vermögensbestandteils kein Raum ist.
Offen bleiben kann, ob die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - zum
Verwertungsschutz einer Kapitallebensversicherung bei Beziehern von Leistungen der
Arbeitslosenhilfe auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII übertragbar ist
(dagegen: Bayerisches LSG, Beschluss vom 14.06.2005, L 11 B 206/05 SO ER, Breith
2005, 774-776; BVerwG a.a.O. zu § 88 Abs. 3 BSHG), weil sich für diesen Fall hieraus
nichts anderes ergeben würde. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG für die Zeit
vor dem 01. Januar 2005 für die Härtefallprüfung des § 193 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch - SGB III - auf die Voraussetzung einer vertraglichen Vereinbarung über die
Nichtverwertbarkeit der Lebensversicherung zu verzichten und lediglich zu prüfen, ob
vorhandene Lebensversicherungsverträge nach der subjektiven Zweckbestimmung der
Altersvorsorge dienten, weil Versicherungsnehmer die Voraussetzungen des erst am 01.
Januar 2005 in Kraft getretenen § 12 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II
- üblicherweise von vornherein dadurch nicht erfüllen konnten, weil der den Ausschluss
eines Kündigungsrechts einer Lebensversicherung ermöglichende § 165 Abs. 3 VVG erst
zum 1. Januar 2005 eingefügt worden ist. Die Antragstellerin hat jedoch keine
Lebensversicherung abgeschlossen, sondern eine Unfallversicherung.
Es mag zwar sein, dass der Antragstellerin durch den geforderten Einsatz des
Rückkaufswertes der UPR der andernfalls mögliche Aufbau eines Altersvermögens bei
Ablauf des Versicherungsvertrages verhindert wird. Dies stellt aber keinen die Annahme
einer Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII rechtfertigenden Umstand dar. Letztlich
hat sich für die Antragstellerin durch den Eintritt der Erwerbsminderung ein Risiko,
nämlich der Einkommensausfall wegen gesundheitsbedingter Erwerbsminderung,
verwirklicht, für dessen Eintritt im Falle eines Unfalls die UPR abgeschlossen worden ist. §
90 Abs. 3 SGB XII hat nicht den Zweck, einem Bedürftigen die Vermögensbildung zu
ermöglichen (vgl. zu § 88 Abs. 3 BSHG: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom
27. September 2005, 12 BV 03.1439, zitiert nach juris). Es gehört zu den allgemeinen
Lebensrisiken, für andere (spätere) Zwecke zurückgelegtes Kapital vorzeitig (auch unter
Inkaufnahme eines Verlustes) zur Deckung eines unerwarteten Bedarfs im Rahmen des
SGB XII einzusetzen.
Die Frage, ob - bei entsprechender Zweckbestimmung zur Altersvorsorge - der
abgeschlossene Versicherungsvertrag seiner Höhe nach überhaupt zur Sicherung einer
angemessenen Lebensführung im Alter ausreichend bemessen ist, um es der
Antragstellerin voraussichtlich langfristig zu ermöglichen, unabhängig von Sozialhilfe zu
leben, kann dahinstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten
werden, § 177 SGG.
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