Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 09.07.2009
LSG Berlin-Brandenburg: gemeinschaft zur gesamten hand, verletzung der meldepflicht, arbeitsentgelt, erbengemeinschaft, versicherungspflicht, beitragssatz, juristische person, sozialversicherung
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
22. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 22 R 963/09 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 42 Abs 2 GKG, § 52 Abs 1 GKG,
§ 66 Abs 6 GKG, § 68 Abs 1 GKG,
§ 20 SGB 4
Sozialgerichtliches Verfahren - Bestimmung des Streitwertes
eines Beschwerdeverfahren nach Ermessen -
Feststellungsbescheid über das Bestehen der
Sozialversicherungspflicht für Beschäftigung eines
Arbeitnehmers in der Gleitzone - Erbengemeinschaft als
Arbeitgeber
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09.
Juli 2009 geändert. Der Streitwert wird auf 715,32 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die
Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens
nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger gehört der Erbengemeinschaft M N und T N nach der Erblasserin Dr. L N an,
die seit Januar 2004 Z D (Versicherte) bei einem gemeldeten durchschnittlichen
monatlichen Arbeitsentgelt von 284,79 Euro beschäftigte. Die Versicherte übte
außerdem bei der D A B GmbH befristet vom 01. August 2008 bis 31. Januar 2009 eine
Beschäftigung mit einem durchschnittlichen monatlichen Arbeitsentgelt von 150 Euro
aus.
Mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 20. Dezember 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 stellte die Beklagte wegen der
Beschäftigung der Versicherten Versicherungspflicht zur Sozialversicherung wegen
Überschreitens der Entgeltgrenze von 400 Euro monatlich ab dem 23. Dezember 2008
fest.
Auf die dagegen am 08. April 2009 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gab die
Beklagte das vom Kläger angenommene Anerkenntnis auf Aufhebung der
angefochtenen Bescheide ab.
Mit Beschluss vom 09. Juli 2009 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 5.000 Euro
festgesetzt.
Gegen diesen ihr am 30. Juli 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. August
2009 eingelegte Beschwerde der Beklagten.
Sie ist der Ansicht, der bisherige Sachstand biete ausreichende Anhaltspunkte zur
Bestimmung des Streitwertes nach Ermessen. Maßgebend seien die unter
Berücksichtigung der Grundsätze der Berechnung im Rahmen der Gleitzone auf das
anteilige Arbeitsentgelt zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge abzüglich der
Pauschalabgaben für geringfügig entlohnte Beschäftigung aus dem Arbeitsentgelt
bezogen auf einen Dreijahreszeitraum, woraus ein Streitwert in Höhe von 316,08 Euro
resultiere.
Der Kläger meint, es seien keine Pauschalbeiträge abzuziehen, da diese von der
beitragspflichtigen Erbengemeinschaft, jedoch nicht von ihm entrichtet worden seien.
Außerdem seien auch die Beiträge im Zeitraum vor dem 23. Dezember 2008 und die im
Falle der Verletzung der Meldepflicht drohende Geldbuße von bis zu 25.000 Euro zu
berücksichtigen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Die nach § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 3 i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 Gerichtskostengesetz
(GKG) zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Der Senat entscheidet über diese Beschwerde in der Besetzung durch drei Berufsrichter.
Zwar bestimmt § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, dass über die
Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet.
Diese Vorschrift ist allerdings auf solche Gerichte wie das Landessozialgericht, die eine
generelle Entscheidung durch den Einzelrichter nach der jeweiligen Prozessordnung nicht
kennen, nicht anwendbar (vgl. Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 30. April 2008, L 16 B 5/07 R, zitiert nach juris, unter Hinweis
auf Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 13. Januar 2005 V ZR 218/04 - und
Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 29. September 2005 - IV E 5/05 -, zitiert jeweils
nach juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Februar 2006 - L
10 B 21/05 KA, abgedruckt in Sozialgerichtsbarkeit - SGb 2006, 475).
Der Streitwert ist auf 715,32 Euro festzusetzen.
Die Festsetzung des Streitwertes, die nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit §
197 a Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergeht, ergibt sich aus §
52 Abs. 1 und der entsprechenden Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist u. a. in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit,
soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des
Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die
Wertfestsetzung nach Ermessen kommt vorliegend deswegen in Betracht, weil der
Antrag des Klägers weder eine bezifferte Geldleistung noch einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt nach § 52 Abs. 3 GKG betrifft. Mit dem angegriffenen Bescheid vom 20.
Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 stellte
die Beklagte (lediglich) fest, dass ab dem 23. Dezember 2008 Versicherungspflicht
besteht. Die Festsetzung eines Streitwertes von 5.000 Euro scheidet aus, denn ein
solcher ist nach § 52 Abs. 2 GKG (nur) anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für
die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Beim
Streitwert von 5.000 Euro nach § 52 Abs. 2 GKG handelt es sich nämlich nicht um einen
Ausgangswert, an dem sich die Festsetzung anlehnen müsste, und erst recht nicht um
einen Regelwert, sondern um einen Auffangwert als einen hilfsweisen Ausnahmewert, der
insbesondere nicht einer bequemen Umgehung des § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG dient
(Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, § 52 GKG Rdnrn. 16 und 17).
Genügend Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts liegen vor, denn es lässt
sich die für den Kläger ergebende Bedeutung der Sache ermitteln. Sie resultiert aus
seinem wirtschaftlichen Interesse. Dieses ist darauf gerichtet, die ab 23. Dezember 2008
anfallenden Beiträge zur Sozialversicherung nicht zahlen zu müssen. Bei Streitigkeiten
über die Versicherungspflicht zur Sozialversicherung entfaltet der Bescheid über deren
Feststellung als Grundlagenbescheid Rechtswirkungen für die nachfolgend
festzusetzenden Beiträge. Die voraussichtlich anfallenden Beiträge bestimmen mithin
den Streitwert. (vgl. auch Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 18. September 2008 -
B 3 KS 1/08 R, abgedruckt in SozR 4-5425 § 24 Nr. 8; BSG, Beschluss vom 30. Mai 2006 -
B 3 KR 7/06 B, abgedruckt in SozR 4-1920 § 52 Nr. 5)
In entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, wonach bei Ansprüchen auf
wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder
Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen
Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf
wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in
denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach
geltend gemacht oder abgewehrt werden, der dreifache Jahresbetrag der
wiederkehrenden Leistungen maßgebend ist, wenn nicht der Gesamtbetrag der
geforderten Leistungen geringer ist, ist das im Dreijahreszeitraum zu erwartende
Beitragsaufkommen zur Sozialversicherung zu berücksichtigen. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG
soll den Anspruch der Betroffenen auf die vereinbarte Vergütung bei Fortbestehen des
Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses oder auf andere wiederkehrende Leistungen wahren.
Dieselbe Interessenlage liegt bei wiederkehrenden Ansprüchen auf Beiträge zur
Sozialversicherung aus einem Beschäftigungsverhältnis vor, so dass eine analoge
Anwendung dieser Vorschrift gerechtfertigt ist.
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Einer solchen Zukunftsbezogenheit auf einen Dreijahreszeitraum steht nicht entgegen,
dass wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Versicherten bei der D B GmbH
auf den 31. Januar 2009 ein Überschreiten der Entgeltgrenze von 400 Euro monatlich,
bis zu der Versicherungsfreiheit besteht (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2
Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - ), über diesen Zeitpunkt hinaus bei
Bescheiderlass nicht zu erwarten war. Die Beklagte begrenzte im Bescheid vom 20.
Dezember 2008 den Zeitraum der Versicherungspflicht nicht.
Der monatliche Gesamtsozialversicherungsbeitrag beläuft sich bei einem Arbeitsentgelt
von 284,79 Euro auf 99,61 Euro.
Die Beiträge zur Sozialversicherung, die als Gesamtsozialversicherungsbeitrag in der
Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung (§ 28 d Sätze 1 und 2 SGB IV)
wegen der dort nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Sätze 1
und 2 Nr. 1 SGB XI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III begründeten Versicherungspflicht
gezahlt werden, berechnen sich auf der Grundlage der maßgebenden Berechnungswerte
für das Jahr 2008 wie folgt:
Zunächst ist die Beitragsbemessungsgrundlage zu ermitteln. Sie beträgt beim
Arbeitgeber 284,79 Euro und beim Arbeitnehmer 230,54 Euro.
Beitragsbemessungsgrundlage ist als beitragspflichtige Einnahme das Arbeitsentgelt
aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 161 Abs. 1, § 162 Satz 1 Nr. 1 SGB VI,
§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, § 342 SGB III). Dies gilt
uneingeschränkt für den Arbeitgeber.
Bei Arbeitnehmern hingegen, die gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis zum oberen
Grenzbetrag der Gleitzone (§ 20 Abs. 2 SGB IV), also gegen ein Arbeitsentgelt zwischen
400,01 Euro und 800,00 Euro, mehr als geringfügig beschäftigt sind, ist beitragspflichtige
Einnahme der Betrag, der sich aus der Formel F x 400 + (2-F) x (AE-400) ergibt. Dabei
ist AE das Arbeitsentgelt und F der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach
Maßgabe des Gesetzes ermittelte und bekannt gegebene Wert (§ 163 Abs. 10 Sätze 1
bis 3 und Satz 5 SGB VI, § 226 Abs. 4 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 344 Abs. 4
Satz 4 SGB III). Nach der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales vom 16. November 2007 (Bundesanzeiger Nr. 229 vom 07. Dezember 2007
Seite 8218) beträgt der Faktor F für das Jahr 2008 0,7732.
Beitragsbemessungsgrundlage ist vorliegend daher beim Arbeitgeber das der
Beschäftigung zugrunde liegende gemeldete Arbeitsentgelt von 284,79 Euro und beim
Arbeitnehmer der Betrag von 230,54 Euro. Letztgenannter Betrag ermittelt sich in zwei
Schritten. Im ersten Schritt ist die beitragspflichtige Einnahme nach der o. g. Formel aus
der Summe der Arbeitsentgelte der beiden jeweils für sich betrachtet geringfügigen
Beschäftigungen, also aus 284,79 Euro und 150 Euro, zu errechnen. Es ergibt sich aus
0,7732 x 400 + (2 - 0,7732) x (434,79 - 400) der Betrag von 351,96 Euro. Im zweiten
Schritt ist der auf den (vorliegend interessierenden) Arbeitgeber entfallende
Betragsanteil aus dem Betrag von 351,96 Euro zu ermitteln, der dem Verhältnis von
284,79 Euro zu 434,79 Euro entspricht. Aus x : 351,96 = 284,79 Euro : 434,79 Euro
resultiert mithin 230,54 Euro.
Ausgehend von diesen Beitragsbemessungsgrundlagen und den jeweiligen
Beitragssätzen in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung ergeben sich ein
Arbeitgeberanteil von 53,90 Euro und ein Arbeitnehmeranteil von 45,71 Euro.
Die Beiträge werden nach einem Beitragssatz von der Beitragsbemessungsgrundlage
erhoben (§ 157 SGB VI, § 241 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2008
geltenden Fassung des Gesetzes vom 26. März 2007 [BGBl I 2007, 378]) – a. F. -, § 54
Abs. 2 Satz 1 SGB XI, § 341 Abs. 1 SGB III). Für das Jahr 2008 betrug der Beitragssatz in
der allgemeinen Rentenversicherung 19,9 Prozent (Bekanntmachung der Beitragssätze
in der allgemeinen Rentenversicherung und der knappschaftlichen Rentenversicherung
für das Jahr 2008 vom 19. November 2007 ([BGBl I 2007, 2611), in der
Pflegeversicherung 1,95 v. H. (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) und in der
Arbeitslosenversicherung 3,3 Prozent (§ 341 Abs. 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes
vom 22. Dezember 2007 [BGBl I 2007, 3245]). In der Krankenversicherung waren die
Beiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der
beitragspflichtigen Einnahmen in der Satzung festgesetzt wurde. Soweit nichts
Abweichendes bestimmt war, zahlten Mitglieder Beiträge nach dem allgemeinen
Beitragssatz (§ 241 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V a. F.). § 241 a Abs. 1 Satz 1 SGB V, der
durch Gesetz vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, 378) zum 01. Januar 2009 aufgehoben
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durch Gesetz vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, 378) zum 01. Januar 2009 aufgehoben
wurde, bestimmte zudem: Für Mitglieder gilt ein zusätzlicher Beitragssatz in Höhe von
0,9 v. H.; die übrigen Beitragssätze vermindern sich in demselben Umfang. Nach § 90
Abs. 1 Nr. 1 in der Fassung des 4. Nachtrags zur Satzung der Beklagten betrug der
Beitragssatz unter Berücksichtigung der Verminderung gemäß § 241 a SGB V für Pflicht-
und freiwillig Versicherte 12,7 v. H.
Aus dem der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt von 284,79 Euro
errechnen sich somit Beiträge zur Rentenversicherung von 56,67 Euro, zur
Krankenversicherung von 36,17 Euro, zur Pflegeversicherung von 5,55 Euro und zur
Arbeitslosenversicherung von 9,40 Euro, insgesamt von 107,79 Euro. Aus dem bei
Arbeitnehmern mit einem Arbeitsentgelt innerhalb der Gleitzone maßgebenden Betrag
von 230,54 Euro ermitteln sich Beiträge zur Rentenversicherung von 45,88 Euro, zur
Krankenversicherung von 29,28 Euro, zur Pflegeversicherung von 4,50 Euro und zur
Arbeitslosenversicherung von 7,61 Euro, insgesamt von 87,27 Euro. Hinzu kommt bei
Arbeitnehmern in der Krankenversicherung ein zusätzlicher Beitrag von 2,07 Euro.
Der Arbeitgeber trägt von den 107,79 Euro 53,90 Euro. Der Arbeitnehmer trägt von den
87,27 Euro 43,64 Euro und zusätzlich 2,07 Euro, insgesamt 45,71 Euro.
Zur Tragung dieser Beiträge ist in § 168 Abs. 1 Nr. 1 d SGB VI, § 249 Abs. 4 SGB V, § 58
Abs. 5 Satz 2 1. Alternative SGB XI und § 346 Abs. 1 a SGB III geregelt, dass die Beiträge
bei Arbeitnehmern bzw. bei versicherungspflichtigen Beschäftigten, deren
beitragspflichtige Einnahme sich nach § 163 Abs. 10 Satz 1 SGB VI bestimmt, die also
ein Arbeitsentgelt innerhalb der Gleitzone erzielen, von den Arbeitgebern in Höhe der
Hälfte des Betrages getragen werden, der sich ergibt, wenn der Beitragssatz auf das der
Beschäftigung zugrunde liegende Arbeitsentgelt angewendet wird, im Übrigen vom
Versicherten. In der Krankenversicherung trägt der versicherungspflichtige Beschäftigte
den zusätzlichen Beitragssatz allein (§ 249 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB V a. F.).
Daraus folgt, dass der aus dem der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt
errechnete Beitrag von 107,79 Euro vom Arbeitgeber zur Hälfte, also in Höhe von 53,90
Euro, und der aus dem nach der o. g. Formel ermittelten Betrag errechnete Beitrag von
87,27 Euro vom Arbeitnehmer ebenfalls zur Hälfte, also in Höhe von 43,64 Euro,
zuzüglich seines alleinigen zusätzlichen Beitrages von 2,07 Euro zu tragen sind.
Der vom Arbeitgeber zu zahlende monatliche Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 e
Abs. 1 Satz 1 SGB IV) beläuft sich mithin auf 99,61 Euro (53,90 Euro Arbeitgeberanteil
und 45,71 Euro Versichertenanteil).
Dieser monatliche Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 99,61 Euro ist jedoch um die
vom Arbeitgeber bereits gezahlten so genannten Pauschalabgaben von 79,74 Euro zu
vermindern.
Die so genannten Pauschalabgaben betragen bei einer geringfügigen Beschäftigung
nach § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in der Rentenversicherung 15 v. H. des Arbeitsentgelts,
das beitragspflichtig wäre, wenn die Beschäftigung versicherungspflichtig wäre, und nach
§ 249 b Satz 1 SGB V in der Krankenversicherung 13 v. H. des Arbeitsentgelts der
Beschäftigung. Sie sind nach diesen Vorschriften vom Arbeitgeber (allein) zu tragen.
Daraus resultiert bei einem der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt von
284,79 Euro in der Rentenversicherung ein Beitrag von 42,72 und in der
Krankenversicherung ein Beitrag von 37,02 Euro, mithin insgesamt 79,74 Euro.
Diese so genannten Pauschalabgaben sind beim Kläger in Abzug zu bringen, denn mit
dem Bescheid vom 20. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26. März 2009 stellte die Beklagte nicht Versicherungspflicht für ein
Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger als Arbeitgeber und der Versicherten,
sondern Versicherungspflicht für ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der
Erbengemeinschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand bestehend aus der
Gesamtheit der Miterben, mithin auch dem Kläger, und der Versicherten fest. Der Kläger
schuldet als Miterbe diese so genannten Pauschalabgaben.
Arbeitgeber der Versicherten ist nicht der Kläger, sondern die Erbengemeinschaft
bestehend aus dem Kläger, M N und T N.
Arbeitgeber ist derjenige, dem der Arbeitnehmer Dienste leistet und zu dem er daher im
Verhältnis persönlicher Abhängigkeit steht. Dienstberechtigter Arbeitgeber kann nicht
nur eine - natürliche oder juristische - Person, sondern auch eine Personengesamtheit
sein, wie dies das BSG für die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (vor Anerkennung
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sein, wie dies das BSG für die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (vor Anerkennung
ihrer Rechtsfähigkeit; dazu unten Näheres) und die offene Handelsgesellschaft bereits
entschieden hat (BSG, Urteil vom 29. März 1962 - 3 RK 38/58, abgedruckt in SozR Nr. 1
zu § 380 RVO = Breithaupt 1962, 866; BSG, Urteil vom 31. Juli 1963 - 3 RK 46/59,
abgedruckt in BSGE 19, 265; so auch für die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts
Bundesarbeitsgericht – BAG – Urteil vom 06. Juli 1989 – 6 AZR 771/87, abgedruckt in NJW
1989, 3034). In diesen Fällen sind nicht die einzelnen Gesellschafter oder der bzw. die
persönlich haftenden Gesellschafter, sondern die eine Gemeinschaft zur gesamten Hand
bildende Gesamtheit der Gesellschafter (Gesamthandsgemeinschaft) der Arbeitgeber
(vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Februar 1983 – 12 RK 30/82, abgedruckt in SozR 5486 Art.
4 § 2 Nr. 3 = BSGE 55, 3). Für die Erbengemeinschaft gilt nichts anderes. Nach § 1922
Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren
Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.
Es findet damit eine Gesamtrechtsnachfolge statt. Die Erbschaft stellt die Gesamtheit
der Rechtsverhältnisse des Erblassers dar. Sie umfasst damit nicht nur Rechte sondern
auch Verbindlichkeiten. Der Erbe tritt daher auch in die Rechtsstellung des Erblassers als
Arbeitgeber ein. Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird nach § 2032 Abs. 1
BGB der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Bis zur Auseinandersetzung
gelten die Vorschriften der §§ 2033 bis 2041 BGB (§ 2032 Abs. 2 BGB). Mit dem Erbfall
entsteht somit eine Gesamthandsgemeinschaft, die bis zur Auseinandersetzung
fortdauert.
Die Gesamthandsgemeinschaft der Erbengemeinschaft besitzt allerdings selbst –
anders als die Gesellschaft Bürgerlichen Rechts nach der neueren Rechtsprechung des
BGH (Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, abgedruckt in BGHZ 146, 341 = NJW
2001, 1056) und im Anschluss daran auch BSG (Urteil vom 04. März 2004 – B 3 KR 12/03
R, abgedruckt in SozR 4-5425 § 24 Nr. 5) – keine Rechtsfähigkeit, denn sie kann als
solche keine eigenen Rechte und Pflichten gemäß § 14 Abs. 2 BGB begründen, da sie
nicht rechtsgeschäftlich entstanden und nicht auf Dauer angelegt ist sowie über keine
vergleichbare Handlungsorganisation im Sinne eigener Organe verfügt (BGH, Urteil vom
11. September 2002 – XII ZR 187/00, abgedruckt in NJW 2002, 3389; BGH, Beschluss
vom 17. Oktober 2006 – VIII ZB 94/05, abgedruckt in NJW 2006, 3715), so dass lediglich
die einzelnen der Erbengemeinschaft angehörenden Miterben – allerdings nur - zur
gesamten Hand Träger von Rechten und Pflichten sein können.
Daraus folgt, dass Versicherungspflicht - anders als bei einer rechtsfähigen Gesellschaft
Bürgerlichen Rechts nicht gegenüber dieser als solchen – (sondern) gegenüber den
einzelnen der Erbengemeinschaft angehörenden Miterben zur gesamten Hand
festzustellen ist. Ob ein entsprechender Bescheid, soweit er eine natürliche Person als
Adressaten anspricht, diese als Miterben in Anspruch nimmt, ist durch Auslegung zu
ermitteln.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26. März 2009 stellte die Beklagte nicht Versicherungspflicht für ein - tatsächlich nicht
bestehendes – Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger als Arbeitgeber und der
Versicherten fest. Diese Bescheide weisen zwar den Kläger nicht ausdrücklich als einen
Miterben der Erbengemeinschaft aus. Es wird darin jedoch Bezug genommen auf die
Erblasserin Dr. L N und deren Betriebsnummer als Arbeitgeberin, so dass der Kläger, der
diese beiden Angaben selbst in seinem vorangegangenen Schreiben vom 17. Dezember
2008 gemacht hatte, ausgehend von einem objektiven Empfängerhorizont, ohne
weiteres erkennen konnte und musste, dass Versicherungspflicht nicht für ein
Beschäftigungsverhältnis zwischen ihm und der Versicherten, sondern zwischen der
Erbengemeinschaft mit ihm als Miterbe als einem von mehreren der Erbengemeinschaft
angehörenden Miterben zur gesamten Hand und der Versicherten festgestellt wurde. Ob
entsprechende Bescheide auch gegenüber den anderen Miterben ergangen sind, ist
hierbei unerheblich, denn für die Frage, wie der Bescheid vom 20. Dezember 2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 auszulegen ist, kann nicht auf
Umstände außerhalb dieser Bescheide abgestellt werden.
Der Kläger schuldet als Miterbe die so genannten Pauschalabgaben.
Dies folgt aus § 2058 BGB. Danach haften die Erben für die gemeinschaftlichen
Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner.
Bei einem zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 99,61 Euro und den
gezahlten sog. Pauschalabgaben von 79,74 Euro verbleibt eine monatliche
Beitragsdifferenz von 19,87 Euro, die das wirtschaftliche Interesse des Klägers
ausmacht.
Im Dreijahreszeitraum resultiert daraus ein Beitragsaufkommen zur Sozialversicherung
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Im Dreijahreszeitraum resultiert daraus ein Beitragsaufkommen zur Sozialversicherung
von 715,32 Euro. Dieser Betrag stellt zugleich den festzusetzenden Streitwert dar.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind streitwerterhöhend weder
Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01. August bis 22. Dezember 2008 noch
eine Geldbuße wegen Verletzung der Meldepflicht zu berücksichtigen, denn dazu wird
weder im Bescheid vom 20. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 26. März 2009 eine Regelung getroffen, noch wurde mit der Klage ein dagegen
gerichtetes Begehren erhoben.
Die Beschwerde der Beklagten hat somit teilweise Erfolg, so dass die Festsetzung des
Streitwertes entsprechend zu ändern ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG, wonach das Verfahren gebührenfrei
ist und Kosten nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 177 SGG).
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