Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.05.2006

LSG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, anfechtungsklage, verwaltungsakt, niedersachsen, quelle, sammlung, bereicherung, link, rücknahme, vollziehung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
19. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 19 B 653/06 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG, § 86b Abs
1 SGG, § 39 SGB 2, § 45 SGB
10, § 48 SGB 10
Deklaratorische Feststellung der aufschiebenden Wirkung von
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Erstattungsbescheid
über Leistungen nach SGB 2
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin
vom 22. Mai 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die
Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. Juli 2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 5. April 2006 aufschiebende Wirkung hat, soweit er mit
diesen Bescheiden zur Erstattung von 712,06 Euro verpflichtet wurde.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg, soweit sie sich gegen die vom
Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Anordnung der
aufschiebenden Wirkung richtet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt nur
dann in Betracht (vgl. § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), wenn nicht
schon - wie im vorliegenden Verfahren - durch Widerspruch oder Anfechtungsklage die
Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes gehemmt ist. Haben Widerspruch und
Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, dann muss die an Recht und Gesetz
gebundene Verwaltung diese beachten. Geschieht dies etwa deshalb nicht, weil nach der
Rechtsauffassung der Behörde kein Fall des § 86 a Abs. 1 SGG, wonach Widerspruch und
Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben, vorliegt, dann stellt das
Gericht in einem deklaratorischen Beschluss (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz,
8. Auflage, § 86 b Rdnr. 15) auf Antrag fest, ob aufschiebende Wirkung eingetreten ist.
Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 5. Mai
2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Juli 2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 5. April 2006 war hier in Bezug auf die dort geregelte
Erstattung auszusprechen, weil der Antragsgegner zu Unrecht annimmt, die
aufschiebende Wirkung entfalle nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1
Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -. Bei der im Eilverfahren regelmäßig nur
möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage geht der Senat davon aus,
dass eine Entscheidung über die Leistung im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II - im hier
fraglichen Zusammenhang - allein in der Rücknahme- bzw. Aufhebungsentscheidung
nach §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - zu sehen ist. Mit der darauf
beruhenden Entscheidung über die Erstattung nach § 50 SGB X wird hingegen nicht über
eine Leistung im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II entschieden. Die Rückgewähr von
Leistungen, die durch einen anfänglich rechtswidrigen oder später rechtswidrig
gewordenen Verwaltungsakt bewilligt wurden, erfolgt nämlich in einem zweistufigen
Verfahren. Erstattung kann - in einem zweiten Schritt - nur dann verlangt werden, wenn
zunächst der Rechtsgrund für die Leistung, d.h. der bewilligende Bescheid nach Maßgabe
der §§ 45, 48 SGB X zurückgenommen bzw. aufgehoben wurde. Mit diesem ersten
Schritt verliert die ausgezahlte Geldleistung ihre rechtliche Zuordnung zu einem
bestimmten Rechtsgrund und wird damit zur rechtsgrundlosen Bereicherung, deren
Erstattung nach § 50 SGB X vom Empfänger verlangt werden kann. Auch wenn
Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung in einem engen rechtlichen Zusammenhang
stehen und in einem Verwaltungsakt verbunden werden sollen (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 2
SGB X) führt diese Zweistufigkeit dazu, dass mit erfolgreicher Aufhebung des
Bewilligungsbescheides die davon umfassten Leistungen nicht mehr als solche der
Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne von § 39 Nr. 1 SGB II anzusehen sind (vgl.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. März 2006 - L 9 AS
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. März 2006 - L 9 AS
127/06 ER - und im Ergebnis ebenso Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin-
Brandenburg vom 25. August 2006 - L 5 B 549/06 AS ER - und vom 25. September 2006
- L 18 B 667/06 AS ER -).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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