Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.07.2008

LSG Berlin-Brandenburg: vergütung, rechtsmittelbelehrung, willkür, beschwerderecht, link, sammlung, quelle, zustellung, zivilprozessordnung, verfügung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
26. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 26 B 188/08 SF
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 178 SGG, § 56 Abs 2 S 1 RVG,
§ 33 Abs 3 RVG
Unstatthaftigkeit der Beschwerde gegen einen auf eine
Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung des
beigeordneten Rechtsanwalts ergangenen Beschluss
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam
vom 29. Juli 2008 wird als unzulässig verworfen. Ihre außerordentliche Beschwerde wird
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, eine mit Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Januar 2007
im Verfahren S 23 AS 2144/06 ER dem dortigen Kläger im Rahmen der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwältin, erstrebt die Festsetzung einer höheren
Vergütung.
Nachdem das einstweilige Rechtsschutzverfahren seine Erledigung gefunden hatte,
beantragte die Antragstellerin im März 2007, die dortige Beklagte mit den
außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten. Hierüber ist – soweit ersichtlich –
bisher nicht entschieden.
Am 01. November 2007 hat sie die Festsetzung der PKH-Vergütung auf 547,40 €
begehrt. Mit Beschluss vom 08. Januar 2008 hat die Urkundsbeamtin die aus der
Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 221,34 € festgesetzt. Auf die
Erinnerung der Antragstellerin hat das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 29. Juli
2008 unter Abänderung der Kostenfestsetzung und unter Zurückweisung der Erinnerung
im Übrigen die der Antragstellerin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und
Auslagen auf 327,25 € festgesetzt. Dem Beschluss hat es eine Rechtsmittelbelehrung
angefügt, nach der der Beschluss mit der Beschwerde anfechtbar ist.
Gegen diesen ihr am 30. September 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13.
Oktober 2008 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie weiterhin die
Festsetzung der zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 547,40 € erstrebt.
Nachdem die Berichterstatterin Bedenken hinsichtlich der Statthaftigkeit der
Beschwerde geäußert hatte, hat die Antragstellerin ihre Beschwerde aufrecht erhalten
und geltend gemacht, dass sie auf die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen
Beschluss hätte vertrauen dürfen. Hilfsweise erhebe sie eine außerordentliche
Beschwerde, da der angegriffene Beschluss willkürlich sei. Es dränge sich der Eindruck
auf, dass das Gericht die Begründung des Kostenfestsetzungsantrages und der
Erinnerung nicht gelesen habe. Auch liege Willkür vor, weil bisher nicht über den
Kostenantrag gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens entschieden sei.
Der Antragsgegner hält die Beschwerde zwar gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs.
3 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) für zulässig, nicht aber für
begründet.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen, da
sie nicht statthaft ist.
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Nachdem die Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 08. Januar 2008 die der
Antragstellerin als beigeordneter Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlende
Vergütung festgesetzt hatte und das Sozialgericht Potsdam über die hiergegen
gerichtete Erinnerung mit Beschluss vom 29. Juli 2008 entschieden hat, steht der
Antragstellerin kein weiterer Rechtsbehelf offen. Nach § 178 Satz 1 SGG entscheidet das
Gericht in diesen Fällen endgültig. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die
Erinnerung steht nicht zur Verfügung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., § 178 Rn. 2).
Anderes folgt zur Überzeugung des Senats insbesondere nicht aus den Bestimmungen
der §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG. Zwar können danach Beschlüsse, die auf
Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungen der Urkundsbeamten ergangen sind,
innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung mit der Beschwerde
angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt
oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, das Rechtsmittel
wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen
hat. Die genannten Vorschriften sind im sozialgerichtlichen Verfahren jedoch nicht
anwendbar (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24.
Februar 2009 – L 15 SF 9/09 B – zitiert nach juris, Rn. 8 ff. mit umfangreichen
Nachweisen zur Rechtsprechung). Entgegen teilweise vertretener Auffassung stellen
diese keine Spezialvorschriften für die Rechtsbehelfe gegen Gebührenfestsetzungen im
Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dar, sondern werden durch die speziellere
Regelung in § 178 Satz 1 SGG – wie die gesetzessystematische Auslegung unter
Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte zeigt (vgl. insoweit die umfassenden
Darlegungen im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24.
Februar 2009 – L 15 SF 9/09 B – zitiert nach juris, Rn. 10 ff.) - verdrängt.
Soweit die Antragstellerin meint, ein Beschwerderecht aus der dem Beschluss des
Sozialgerichts Potsdam angefügten Rechtsmittelbelehrung ableiten zu können, geht dies
fehl. Die Rechtsmittelbelehrung hat nicht der Rechtslage entsprochen. Weder aber
vermag eine fehlerhafte Belehrung ein Beschwerderecht zu begründen noch den Senat
zu binden.
Auch soweit die Antragstellerin ihre Beschwerde hilfsweise als außerordentliche
Beschwerde verstanden haben will, kann sie mit ihrem Begehren keinen Erfolg haben.
Unabhängig davon, ob für einen außerordentlichen Rechtsbehelf insbesondere nach
Schaffung der Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG zum 1. Januar 2005 überhaupt noch
Raum bestehen kann, kann dieser jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben. Denn
auch nach dem bis Ende des Jahres 2004 geltenden Recht konnte eine unanfechtbare
Entscheidung auf einen außerordentlichen Rechtsbehelf hin nur ausnahmsweise
geändert werden, und zwar dann, wenn die Entscheidung offensichtlich dem Gesetz
widersprach oder grobes prozessuales Unrecht enthielt (vgl. den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 1. August 1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 §
62 Nr. 16; Beschluss des Bundessozialgerichts [BSG] vom 24. Juli 2006 - B 1 KR 6/06 BH
- zitiert nach juris). Dies aber ist hier zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Dass
das Sozialgericht Potsdam der Auffassung der Antragstellerin hinsichtlich der ihr zu
zahlenden Gebühren und Auslagen nicht in vollem Umfange gefolgt ist, rechtfertigt nicht
den von ihr erhobenen Vorwurf der Willkür. Bereits die zugunsten der Antragstellerin
ausgesprochene Abänderung der ursprünglich festgesetzten Höhe der zu zahlenden
Gebühren und Auslagen belegt, dass das Gericht die Entscheidung der Urkundsbeamtin
auf die Erinnerung hin überprüft hat.
Soweit die Antragstellerin dem Sozialgericht schließlich im Hinblick darauf Willkür vorwirft,
dass es über den Kostenantrag nach § 193 SGG nicht entschieden habe, kann dies
offensichtlich nicht zur Festsetzung einer höheren aus der Landeskasse zu zahlenden
Vergütung führen. Vielmehr wird das Sozialgericht nach Rücklauf der Akten nunmehr
über den Kostenantrag zu befinden haben. Ferner wird es zu beachten haben, dass die
Antragstellerin mit der Beschwerde zugleich auch eine Gehörsrüge erhoben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da nach § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG selbst
im Falle einer statthaften und in der Sache erfolgreichen Beschwerde eine
Kostenerstattung nicht in Betracht kommt, kann es sich nicht zugunsten der
Antragstellerin auswirken, dass sie möglicherweise in Folge der nicht zutreffenden
Belehrung durch das Sozialgericht Beschwerde eingelegt hat.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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