Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

LSG Berlin-Brandenburg: wohnung, nachforderung, wohnfläche, grenzwert, angemessenheit, umzug, mietvertrag, vermieter, erlass, fälligkeit

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 AS 1397/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 23 Abs
1 S 1 SGB 2
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung -
Heizkostennachforderung nach Umzug - Angemessenheit der
Heizkosten in Berlin - Heizkostenspiegel - Wohnflächengrenze -
Zweipersonenhaushalt
Leitsatz
Heizkostennachforderungen des Vermieters sind bei bestehender Hilfebedürftigkeit als
tatsächliche Aufwendungen im Fälligkeitsmonat anzuerkennen.
Soweit der Leistungsträger im Abrechnungszeitraum die Heizkosten-vorauszahlungen
übernommen hat, sind Heizkostennachforderungen auch dann in vollem Umfang zu
übernehmen, wenn die Leistungen für Unterkunft und Heizung später auf einen
angemessenen Betrag abgesenkt worden sind.
Soweit der Leistungsträger im Abrechnungszeitraum die Leistungen für Unterkunft und
Heizung auf einen angemessenen Betrag abgesenkt hat, sind Heizkostennachforderungen zu
übernehmen, wenn sich die Heizkosten nicht als unangemessen hoch erweisen. Die
Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der Heizkosten ist getrennt von der
Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der Unterkunftskosten vorzunehmen. Hierbei ist in
Berlin nicht der Berliner Heizkostenspiegel, sondern der bundesweite Heizkostenspiegel
anzuwenden. In Berlin gilt für einen Zwei-personenhaushalt eine Wohnfläche von sechzig
Quadratmetern als angemessen.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
19. Juni 2009 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des
Bescheides vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. März 2008 verpflichtet, den Klägern unter
Änderung des Bescheides vom 7. August 2007 in der Gestalt des
Überprüfungsbescheides vom 10. November 2008 und des
Änderungsbescheides vom 10. November 2008 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2009 für den Monat Oktober
2007 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 389,20
EUR zu gewähren.
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger sind vom Beklagten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren vom Beklagten die Übernahme einer Heizkostennachforderung.
Die im Jahre 1968 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des im Jahre 2002 geborenen
Klägers zu 2). Die beiden beziehen seit dem 1. Januar 2005 als Bedarfsgemeinschaft
laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II). Bis zum 31. März 2007 lebten sie zusammen in einer 65,36
Quadratmeter großen Wohnung, die sich in einer mit Erdöl zentral beheizten und mit
einer zentralen Warmwasserversorgung ausgestatteten Wohnanlage befindet. Die
Wohnanlage umfasst eine beheizte Nettowohnfläche von 2.631,27 Quadratmetern. Da
die Klägerin zu 1) eine Arbeit in Wiesbaden aufnehmen wollte, kündigte sie den
Mietvertrag zum 31. März 2007. Als die Arbeitsaufnahme scheiterte, konnte das
bisherige Mietverhältnis nicht fortgesetzt werden, da die Wohnung schon anderweitig
vermietet war. Deshalb bezogen die Kläger aufgrund eines mit dem bisherigen
Vermieter abgeschlossenen neuen Mietvertrages vom 20. März 2007 am 1. April 2007 in
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Vermieter abgeschlossenen neuen Mietvertrages vom 20. März 2007 am 1. April 2007 in
demselben Haus eine neue Wohnung mit einer Wohnfläche von 59,95 Quadratmetern,
für die eine monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von 459,- EUR zu entrichten war,
obwohl der Beklagte am 15. März 2010 nur eine Zustimmung hinsichtlich einer
Bruttowarmmiete in Höhe von 444,- EUR erteilt hatte. Nachdem der Beklagte vor dem
Umzug die tatsächlichen Mietaufwendungen für die alte Wohnung abzüglich einer
Warmwasserpauschale als Bedarf anerkannt hatte, beschränkte er die Leistungen für
Unterkunft und Heizung hinsichtlich der neuen Wohnung mit einem Änderungsbescheid
vom 12. April 2007 in der Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 10. November 2008
und des Änderungsbescheides vom 10. November 2008 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2009 für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum
31. Juli 2007 auf den von ihm für angemessen gehaltenen Betrag in Höhe von 444,- EUR.
Dasselbe geschah mit Bescheid vom 7. August 2007 in der Gestalt des
Überprüfungsbescheides vom 10. November 2008 und des Änderungsbescheides vom
10. November 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2009 für die
Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008.
Mit einer Heiz- und Warmwasserkostenrechnung vom 26. Oktober 2007 forderte der
Vermieter für den Abrechnungszeitraum vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 von
den Klägern eine Nachzahlung in Höhe von 440,82 EUR. Von den berechneten
Gesamtkosten der Kläger in Höhe von 834,62 EUR, auf die die Kläger bereits 393,80 EUR
vorausgezahlt hatten, entfielen 97,77 EUR (11,71 Prozent) auf die Kosten der
Warmwasserbereitung. Nach dem Mietvertrag vom 20. März 2007 war die
Nachforderung innerhalb eines Monats nach Vorlage der Abrechnung zu entrichten.
Den Antrag der Kläger auf Übernahme der Nachforderung vom 21. Januar 2008 lehnte
der Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2008 ab. Den am 22. Februar 2008
eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2008
zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Anerkennung der
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zum Zeitpunkt der Fälligkeit der
Nachforderung bereits auf den angemessenen Betrag von 444,- EUR beschränkt
gewesen seien, so dass keine weiteren Kosten übernommen werden könnten.
Die hiergegen am 26. März 2008 erhobene Klage, mit der zunächst die Übernahme der
vollen Nachzahlungsforderung in Höhe von 440,82 EUR geltend gemacht worden ist,
haben die Kläger auf einen gerichtlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 29. August 2008
um den darin enthaltenen Anteil für die Warmwasserbereitung in Höhe von 51,62 EUR
(11,71 Prozent) auf eine Forderung in Höhe von 389,20 EUR beschränkt. Das
Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Juni 2009 abgewiesen und zur Begründung
angegeben, dass es sich bei der Heizkostennachforderung nicht um anzuerkennende
gegenwärtige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung handle, da die Kläger die
Wohnung, auf die sich die Nachforderung beziehe, nicht mehr bewohnten. Allerdings hat
das Sozialgericht die Berufung zugelassen, weil es eine grundsätzliche Bedeutung der
Sache angenommen hat.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts, das den Klägern am 15. Juli 2009 zugestellt worden
ist, haben sie am 12. August 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung angegeben,
dass es sich bei der Heizkostennachforderung um einen gegenwärtigen Bedarf handele,
da die Kläger auch insoweit hilfebedürftig seien.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2009 aufzuheben und den
Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. März 2008 zu verpflichten, den Klägern unter Änderung
des Bescheides vom 7. August 2007 in der Gestalt des Überprüfungsbescheides vom
10. November 2008 und des Änderungsbescheides vom 10. November 2008 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2009 für den Monat Oktober 2007 weitere
Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 389,20 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird
Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des
Beklagten, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht
abgewiesen. Der Bescheid vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. März 2008 ist rechtswidrig. Die Kläger haben gegen den
Beklagten einen Anspruch darauf, dass der Bescheid vom 7. August 2007 in der Gestalt
des Überprüfungsbescheides vom 10. November 2008 und des Änderungsbescheides
vom 10. November 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2009, in
dessen Bewilligungszeitraum das Nachforderungsverlangen des Vermieters fällt,
dahingehend geändert wird, dass für den Monat Oktober 2007 weitere Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe von 389,20 EUR gewährt werden.
Der Anspruch der Kläger folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit §
330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 48 Abs. 1 Satz 2
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach den genannten Vorschriften ist ein
Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 7. August 2007 in der Gestalt der
nachfolgenden Bescheide, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung
vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung
zugunsten des Betroffenen erfolgt.
Eine wesentliche Änderung gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass
des Bescheides vom 7. August 2007 vorlagen, ist hier mit der Nachforderung der
Heizkosten eingetreten. Diese ist nach dem Mietvertrag mit Vorlage der Abrechnung
fällig geworden, also im Oktober 2007. Daraus folgt ein Anspruch der hilfebedürftigen
Kläger auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung hinsichtlich des Monats
Oktober 2007 in der Höhe des geltend gemachten Betrages. Der Anspruch ergibt sich
aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 2, 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die
Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Nach der zuletzt genannten Vorschrift
werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
erbracht, soweit diese angemessen sind. Diese Regelung umfasst nicht nur laufende,
sondern auch einmalige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
(Bundessozialgericht, Beschluss vom 16. Mai 2007, B 7b AS 40/06 R; Urteil vom 19.
September 2008, B 14 AS 54/07 R; Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 49/07 R;
diese und die nachfolgend zitierten Entscheidungen sind abrufbar bei der Datenbank
Juris). Soweit einzelne Nebenkosten – wie hier bei der Nachforderung – in einer Summe
fällig werden, sind sie als gegenwärtiger Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu
berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (Bundessozialgericht,
Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 68/06 R). Nachforderungen, die nach regelmäßiger
Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen der jeweiligen Monate entstehen, gehören
als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat
(Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R; Urteil vom 16. Mai 2007,
B 7b AS 40/06 R; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 4. Februar 1988, 5 C
89/85).
Den Klägern kann nicht entgegengehalten werden, dass sie die Wohnung, auf die sich
die Heizkostennachforderung bezieht, nicht mehr bewohnen, so dass es sich bei der
Heizkostennachforderung nicht um tatsächliche Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II handle und deshalb eine Kostenübernahme nur noch im Wege der
Darlehensgewährung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfolgen könne. Bereits das
Bundesverwaltungsgericht ist im Rahmen seiner Rechtsprechung zum
Bundessozialhilfegesetz davon ausgegangen, dass Heizkostennachforderungen auch
nach einem Wohnungswechsel zu übernehmen sind, falls die Hilfebedürftigkeit
fortdauert. Der gegenwärtige Bedarf bestehe darin, dass der Sozialhilfeträger dem
Hilfesuchenden die Geldmittel zur Verfügung stelle, die dieser benötige, um die
Lieferung der Wärme durch den Vermieter bezahlen zu können. Der Anspruch des
Vermieters auf Nachzahlung von Heizkosten könne erst entstehen und fällig werden,
wenn er sich am Ende der vereinbarten Rechnungsperiode anhand der dann bekannten
Daten feststellen lasse. Demnach fordere der Hilfesuchende mit dem Begehren der
Übernahme des Nachzahlungsbetrages nicht eine Übernahme von Schulden(Urteil vom
4. Februar 1988, 5 C 89/85; ebenso Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil
vom 25. Juni 1997, 4 L 7075/95). Das Bundessozialgericht hatte bisher nicht über eine
solche Fallgestaltung zu entscheiden, jedoch hat es allgemein zu
Heizkostennachforderungen ausgeführt, dass die Frage, ob Schulden im Sinne des § 22
Abs. 5 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne des
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorlägen, ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach
dem SGB II zu beurteilen sei, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von
dem Leistungsträger gedeckten Bedarf aufzufangen. Beziehe sich die Nachforderung auf
einen während der Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten eingetretenen und
bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handele es sich jedenfalls um vom Leistungsträger
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bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handele es sich jedenfalls um vom Leistungsträger
zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (Urteil
vom 22. März 2010, B 4 AS 62/09 R; Urteil vom 16. Mai 2007, B 7b AS 40/06 R). Hier ist
demnach die Nachforderung in der geltend gemachten Höhe zu übernehmen, da sie
während der Hilfebedürftigkeit der Kläger als Bedarf entstanden und vom Beklagten
bisher nicht gedeckt worden ist.
Der Beklagte kann auch nicht einwenden, dass die Übernahme der Nachforderung
ausgeschlossen sei, weil den Klägern vor ihrem Umzug nur eine Zustimmung zur
Übernahme von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von
444,- EUR erteilt worden sei. Soweit die Heizkostenabrechnung den Zeitraum vom 1. Mai
2006bis zum 31. März 2007 betrifft, in dem die Kläger noch in der früheren Wohnung
lebten und in dem der Beklagte noch Leistungen für Unterkunft und Heizung unter
Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen abzüglich einer Warmwasserpauschale
erbrachte, ist dem Beklagten bereits die zutreffende Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts entgegenzuhalten, wonach solche Nachforderungen, die nach
regelmäßiger Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen der jeweiligen Monate
entstehen, als gegenwärtiger Bedarf im Fälligkeitsmonat anzuerkennen sind
(Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R; Urteil vom 16. Mai 2007,
B 7b AS 40/06 R). Soweit der Abrechnungszeitraum vom 1. April 2007 bis zum 30. April
2007 betroffen ist, in dem die Kläger schon die neue Unterkunft bewohnten, kann die
seit dem 1. April 2007 vorgenommene Absenkung der Leistungen für Unterkunft und
Heizung auf den vom Beklagten für angemessen gehaltenen Pauschalbetrag in
monatlicher Höhe von 444,- EUR nichts an dem Anspruch der Kläger ändern. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darf entgegen der Verwaltungspraxis des
Beklagten keine Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten
gebildet werden. Vielmehr hat die Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der Heizkosten
grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu
erfolgen. Die Heizkosten sind gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen zu übernehmen, soweit sie nicht einen Grenzwert überschreiten, der
unangemessenes Heizen indiziert. Zur Bestimmung dieses Grenzwertes ist im Regelfall
der jeweilige kommunale Heizspiegel oder – falls ein solcher für das Gebiet des jeweiligen
Leistungsträgers fehlt – der bundesweite Heizspiegel heranzuziehen (abrufbar im
Internet unter www.heizspiegel.de und www.mieterbund.de). Aus dem bundesweiten
Heizspiegel ergeben sich Vergleichswerte für mit Erdöl, Erdgas und Fernwärme beheizte
Wohnungen, gestaffelt nach der von der jeweiligen Heizungsanlage zu beheizenden
Wohnfläche, die hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen „optimal“,
„durchschnittlich“, „erhöht“ und „extrem hoch“ unterscheiden. Der für die
Angemessenheit der Heizkosten maßgebliche Grenzwert ist das Produkt aus dem Wert,
der auf „extrem hohe“ Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die
Größe der Wohnanlage hindeutet, und dem Wert, der sich für den Haushalt des
Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den
Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz
(WoFG) beziehungsweise zu § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz a. F. (WoBindG) ergibt.
Insofern wird der Wert für extrem hohe Heizkosten nur bezogen auf die angemessene
Quadratmeterzahl zu Grunde gelegt, was bereits ein Korrektiv hinsichtlich der Höhe der
Heizkosten darstellt, zugleich aber auch die Vergleichbarkeit der Heizkosten mit denen
einer typischerweise angemessenen Wohnung ermöglicht. Der
Grundsicherungsempfänger kann also im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis
zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der
angemessenen Wohnfläche in Quadratmetern geltend machen. Dabei ist den
kommunalen Heizspiegeln, die für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern erstellt
werden können und die in Zusammenarbeit mit den Städten auf der Grundlage der dort
vorhandenen Datenbanken erarbeitet werden, wegen der ortsbezogenen
Datenauswertung der Vorzug zu geben. Ist ein solcher kommunaler Heizspiegel nicht
vorhanden, so kann auf den bundesweiten Heizspiegel zurückgegriffen werden
(Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R).
Nach dieser Maßgabe erweisen sich die hier streitgegenständlichen Heizkosten der
Kläger als angemessen, so dass sie vom Beklagten zu übernehmen sind. Dabei legt der
Senat den bundesweiten Heizspiegel zugrunde. Denn der bestehende Berliner
Heizspiegel (www.heizspiegel-berlin.de) enthält nicht die vom Bundessozialgericht
vorausgesetzten Kategorisierungen des bundesweiten Heizspiegels und anderer
kommunaler Heizspiegel, sondern unterscheidet bei den Verbrauchswerten nur zwischen
den Kategorien „Maximum“, „Minimum“ und „Durchschnitt“. In der Kategorie
„Maximum“ wird – anders als in der Kategorie der „extrem hohen“ Heizkosten des
bundesweiten Heizspiegels und anderer kommunaler Heizspiegel, die hierfür einen
Mindestwert festlegen – lediglich ein Maximalwert mitgeteilt, so dass daraus ein
Grenzwert nicht ablesbar ist. Die Heizkosten der Kläger aus dem Abrechnungszeitraum
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Grenzwert nicht ablesbar ist. Die Heizkosten der Kläger aus dem Abrechnungszeitraum
vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 übersteigen nicht die maßgeblichen Werte der
bundesweiten Heizspiegel der Jahre 2006 und 2007. Bei ölbeheizten Gebäuden mit einer
Wohnfläche von mehr als 1000 Quadratmetern weist der bundesweite Heizkostenspiegel
für das Jahr 2006 jährliche Heizkosten von mehr als 13,60 EUR je Quadratmeter und für
das Jahr 2007 jährliche Heizkosten von mehr als 12,90 EUR je Quadratmeter als zu hoch
aus.
Bei der Berechnung des Grenzwertes ist hier für einen Zweipersonenhaushalt eine
abstrakte Wohnungsgröße von sechzig Quadratmetern zugrunde zu legen. Im Land
Berlin sind die vom Bundessozialgericht in Bezug genommenen allgemeinen Richtlinien
zu § 10 WoFG nicht erlassen worden sind, so dass hier an die Bestimmungen zur
Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen anzuknüpfen ist, wie sie sich aus Ziffer 8 Abs.
1 der zur Umsetzung von § 5 WobindG in Verbindung mit § 27 WoFG erlassenen
Mitteilung Nr. 8/2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember
2004 ergeben. Danach wird die maßgebliche Wohnungsgröße für den
Wohnberechtigungsschein in der Regel nach Raumzahl bestimmt. Angemessen ist
grundsätzlich ein Raum für jeden Haushaltsangehörigen, wobei Dreizimmerwohnungen
mit einer Gesamtwohnfläche bis zu sechzig Quadratmetern auch an
Zweipersonenhaushalte überlassen werden dürfen. Das deckt sich mit Abschnitt II Ziffer
4 Abs. 3 der Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum der
Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25. Mai 1999 (ABl. 1999, S. 2918
ff.), wonach für zwei Personen eine Wohnfläche von maximal sechzig Quadratmetern
förderungsfähig ist.
Selbst bei Berücksichtigung des für die Kläger ungünstigeren jährlichen
Verbrauchswertes von 12,90 EUR je Quadratmeter ergibt sich bei sechzig
Quadratmetern ein Grenzwert in Höhe von 774,- EUR. Die hier angefallenen
Gesamtkosten für die Heizung in Höhe von 834,62 EUR betragen nach Abzug der
Warmwasserkosten in Höhe von 97,77 EUR, die gemäß § 20 Abs. 1 SGB II nicht zu den
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gehören, dagegen lediglich 736,85 EUR und
liegen damit unter dem Grenzwert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und
Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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