Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 09.12.2005
LSG Berlin und Brandenburg: ärztliche verordnung, erlass, hauptsache, dringlichkeit, rezept, vorrat, versorgung
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 09.12.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 10 KR 277/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 B 1199/05 KR ER
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
Der Senat nimmt zur Begründung Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (SG), der er sich
nach eigener Überprüfung und Überzeugungsbildung anschließt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Im Beschwerdeverfahren haben sich keine Gesichtspunkte gezeigt, die zu einer anderen Beurteilung Anlass geben
könnten.
Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen, denn die
Voraussetzungen für den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch – das heißt der materiell-rechtliche
Regelungsanspruch – als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Jedenfalls an letzterem fehlt es im
vorliegenden Fall, so dass die Frage nach einem Anordnungsanspruch hier nicht geklärt werden muss. Die Tatsache,
dass mit einer Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Hauptsache vorweggenommen würde, schließt
den Erlass "einstweiliger" Anordnungen zwar nicht schlechterdings aus, weil dies gegen das in Art. 19 Abs. 4 S. 1
Grundgesetz postulierte Gebot effektiven Rechtsschutzes verstieße. "Vorläufiger" Rechtschutz muss jedoch auch im
Lichte von Art. 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz nur dann gewährt werden, wenn dem betroffenen Antragsteller das
Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zugemutet werden kann. Eine solche Situation ist hier nicht glaubhaft
gemacht.
Die Versorgung der Antragstellerin mit der von ihr gewünschten Sondennahrung Perative® ist aktuell gewährleistet,
selbst wenn der Vorrat tatsächlich bereits am 15. Dezember 2005 erschöpft wäre. Das Sozialgericht hat zutreffend auf
die ärztliche Verordnung vom 17. November 2005 hingewiesen. Wie die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten
im Schriftsatz vom 7. Dezember mitgeteilt hat, hat sie das (kassenärztliche) Rezept am 23. November erhalten und
könnte es, falls dies noch nicht geschehen ist, grundsätzlich ohne Kosten einlösen. Jedenfalls besteht zur Zeit kein
dringender Handlungsbedarf für eine einstweilige Regelung. Das Verfahren ist deshalb entscheidungsreif, ein Abwarten
bis zum 15. Dezember wäre nicht sinnvoll.
Bedarf für eine vorläufige Regelung könnte erstmals neu entstehen, falls die Antragsgegnerin über den in der
Hauptsache anhängigen Widerspruch nicht rechtzeitig entschiede. Sollte dann bei bestehender Dringlichkeit die Frage
der Erstattungspflicht nicht so rasch wie erforderlich vom Sozialgericht klärbar sein, kann das Gebot effektiven
Rechtsschutzes eine Entscheidung alleine aufgrund einer Folgenabwägung gebieten (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss
vom 22. November 2002, - 1 BvR 1586/02 -).
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass aus Sicht des Senates eine einvernehmliche vorläufige Regelung
sinnvoll wäre, nach der sich die Antragsgegnerin verpflichtet, auf ein Privatrezept hin der Antragsstellerin für den
Zeitraum bis ca. 31. Januar 2006 die Kosten in der Höhe zu erstatten, welche sie für ein verordnungsfähiges
Ersatzprodukt aufwenden müsste. Auf die Aufstellung möglicher Sondennahrungen im Schriftsatz der
Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2005 wird hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es sind danach Kosten nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).